Die Wahrheit der Fälscher : Kloster St. Blasiens Gründungsurkunde vor dem Reichshofgericht 1124-1141 und in der Historiografie
- Im Verlauf der Jahrhunderte wurde im Kloster St. Blasien, fern der Aktualität, die gefälschte „Gründungsurkunde“ (Nr.*6), in St. Blasien selbst „Stift(s)- oder Stiftung(s)brief“ genannt, als ehrwürdigstes Zeugnis der eigenen Vergangenheit wertgehalten, immer wieder in Kopialbücher abgeschrieben, gelegentlich in Rechtsfragen und natürlich in der klösterlichen Geschichtsschreibung herangezogen, übrigens oft auch zusammen mit der ebenfalls gefälschten Baseler Konradsurkunde (Nr. *9), zu der man keinen Gegensatz sah, weil man die Verlautbarungen des Reichhofsgerichts - im Gegensatz zur Urkundenkritik neuerer Zeit - nicht dahingehend verstand, dass es sie zur Fälschung erklärt habe. Nachdem der Prozess des Klosters St. Blasien gegen das Bistum Basel 1141 seinen Abschluss gefunden hatte (Nr. 179), wurde die „Gründungsurkunde“ schon zwei Jahre später im letzten Eintrag der Annalen von St. Blasien von 1143 zu ihrem „180 jährigen Jubiläum“, also zum Ausstellungsjahr 963, zitiert. Auch im so genannten „Liber constructionis“, der wichtigsten - wenn auch nur in einer Redaktion nach Mitte des 15. Jahrhunderts erhaltenen - Quelle für die Frühzeit des Klosters und insbesondere seinen legendären Gründer Reginbert, ist die Urkunde indirekt genannt und dies an einer Stelle, auf die eine sehr auffällige, bisher nicht lesbar zu machende Tilgung mehrerer Zeilen folgt. Vielleicht hatte sie, wie Marquard Herrgott vermutete, ihren Grund darin, die Umdatierung von 983 auf 963, also von Kaiser Otto II. auf Otto I. zu verdecken. Ob die „Gründungsurkunde“ im „Rotulus Sanblasianus“ des 14./15. Jahrhunderts ebenfalls erwähnt war und zu welchem Jahr, ist bislang nicht feststellbar, da diese Pergamentrolle gerade am Anfang abgeschabt und kaum lesbar ist - ob man sie mit modernen Methoden lesbar machen könnte, wäre die Frage - jedenfalls sind die bisherigen Editionen unzulänglich. Die Verfälschung von 983 auf 963 war sehr früh erfolgt, bereits im Verlauf des Prozesses mit Basel, denn sie findet sich in St. Blasiens „Handakten“ dazu. Es ist sogar wahrscheinlich, dass die Urkunde in dieser Form schon dem Hofgericht vorgelegt wurde. Unbestritten galt der „Stiftsbrief“ das ganze Mittelalter hindurch bis in die Neuzeit hinein als Urkunde Kaiser Ottos I.
Verfasserangaben: | Johann Wilhelm BraunGND |
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DOI: | https://doi.org/10.57962/regionalia-23043 |
Titel des übergeordneten Werkes (Deutsch): | Freiburger Diözesan-Archiv |
Untertitel (Deutsch): | Teil 2: Kloster St. Blasiens Gründungsurkunde in der Historiografie |
Dokumentart: | Wissenschaftlicher Artikel |
Sprache: | Deutsch |
Jahr der Erstveröffentlichung: | 2013 |
GND-Schlagwort: | Katholische Kirche; Kloster Sankt Blasien; Gründung; Urkunde; Fälschung; Mittelalter; Geschichtsschreibung |
Jahrgang: | 133 |
Erste Seite: | 7 |
Letzte Seite: | 84 |
DDC-Sachgruppen: | 200 Religion / 250 Christliche Pastoraltheologie, Ordensgemeinschaften / 255 Religiöse Kongregationen und Orden |
900 Geschichte und Geografie / 900 Geschichte / 900 Geschichte und Geografie | |
Systematik der Landesbibliographie: | Religion und Weltanschauung / Katholische Kirche / Orden und Klöster |
Zeitschriften: | Freiburger Diözesan-Archiv / 133.2013 |
Lizenz (Deutsch): | Creative Commons - CC BY - Namensnennung 4.0 International |