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Heidelberg und Jesuiten? Jesuiten in Heidelberg? Wie man es auch dreht und wendet, daraus wird nichts mehr. Die beiden werden niemals Freunde sein. Gründe dafür gäbe es mehr als genug. Da ist zunächst das ganz und gar Offensichtliche. Das reformierte Heidelberg, stolzes „drittes Genf“, nach Leyden Heimat des weltweit anerkannten und gefeierten Katechismus, hat es nie verwinden können, dass ausgerechnet hier sich ein Orden etablieren durfte, der mehr als alle anderen reformatorischem Denken die Stirn bot.
Im Jahr 2013 feierten „evangelische Kirchen in aller Welt das 450jährige Jubiläum des Heidelberger Katechismus. Der HEIDELBERGER ist wie die Confessio Augustana und Luthers kleiner Katechismus ein wichtiger Lehr- und Bekenntnistext der Reformation“. „Ihn als wichtigsten Heidelberger Exportartikel zu bezeichnen, ist nicht übertrieben.“ Aber er ist ein „inzwischen weniger wahrgenommener Text. So wurde eine Ausstellung veranstaltet, um die Öffentlichkeit „für seine Wirkungsgeschichte zu interessieren.“
Spektakuläres sucht wohl niemand in einer Kirchenrechnung und doch wirft solches Zahlenwerk eine Art Spotlight auf eine schillernde, längst vergangene Zeit. Neibsheim - zwischen Revolution und Säkularisation -. Umwälzungen erzeugen auch weitab vom politischen Zentrum des Geschehens Wirkung. Dem Opferstock der neuerbauten Kirche entnahm Kirchenpfleger Michael Göpferich 3 Gulden 28 Kreuzer insgesamt für das ganze Jahr 1794. Sein Nachfolger Josef Klotz konnte an Kleinmünzen 1796 sage und schreibe einen Gulden 11 Kreuzer entnehmen. 1798 klaubte Lorenz Frank aus dem Behältnis 10 Gulden 25 Kreuzer. So unergiebig war die Kirchenkollekte; und dies obwohl Neibsheim den Speyerer Bischof zum Landesherrn hatte. Für die Religiösität der Einwohner spricht, dass sie einen neuen Kirchenbau durchsetzten. Pfarrer Leopold Erasmus Ambros Mayer ließ an ausgesuchter Stelle von 1790 bis 1792 eine neue Kirche erbauen. „Die Herren Decimatores haben an dem Kirchengebäude dahier zu bauen und zu unterhalten das Langhaus, die Gemeinde den Turm, der Heilige das Chor und die Sakristei“ so steht es in jedem Jahrgang vorne auf dem Umschlag der Kirchenrechnungen.
Stellen Sie sich vor, Sie müssten auf die berühmte Frage antworten, welches Buch Sie auf eine einsame Insel mitnehmen würden. Würde Ihre Antwort lauten: selbstverständlich das FDA? Ich sehe, Sie zögern noch, daher möchte ich Ihnen einige Entscheidungshilfen geben. Unsere Frage stellt sich ja nur, wenn wir davon ausgehen, dass die einsame Insel nicht im Erzbistum Freiburg liegt, was zugegebenermaßen nicht allzu unwahrscheinlich ist. Innerhalb unserer Diözese ist das FDA
nämlich ohnehin stets in Reichweite. Dafür sorgte die Einführung der Pflichtmitgliedschaft für Pfarreien beim KGV im Jahre 1935, mit der die Verfügbarkeit des FDA vor Ort einherging. Damit wurden und werden die Erträge kirchengeschichtlicher Forschung auch dort zugänglich, wo die nächste Universitätsbibliothek weit entfernt ist. An dieser Stelle möchte ich den Wunsch formulieren, dass das FDA in den Gemeinden in größerem Maß als bisher an zugänglichen Stellen, wie beispielsweise
der Pfarrbibliothek, zur Verfügung gestellt und nicht nur auf dem Speicher gelagert wird.
Unter den drei Buchstaben FDA verstehen Mitglieder und Freunde des Kirchengeschichtlichen Vereins nichts anderes als unsere Vereinszeitschrift „Freiburger Diözesan-Archiv“. In der großen, weiten Welt steht diese Abkürzung für etwas viel Bedeutsameres, nämlich für die US-amerikanische „Food and Drug Administration“, eine einflussreiche Behörde mit rund 13500 Mitarbeitern. Aber das ficht uns nicht an. Als Schriftleiter bin ich natürlich der Ansicht, dass unser FDA das Beste, Schönste und Wichtigste ist, was unser Verein in seinen 150 Lebensjahren hervorgebracht hat. Allerdings ist dies nicht nur meine Privatmeinung: Am 18. August 1862 hatte der provisorische Vorstand „alle Freunde der Geschichte unseres Landes“ und „deßgleichen ganz Schwabens und der deutschen Schweiz“ dazu eingeladen, dem Kirchengeschichtlichen Verein beizutreten. Und schon damals war als wichtigstes Ziel die „Gründung einer ‚Kirchlich-Historischen Zeitschrift für die Erzdiöcese Freiburg‘“ genannt. Zunächst waren die Initiatoren noch vorsichtig gewesen und hatten verlautbart, es solle erst dann „an die Ausführung des Unternehmens geschritten werden“, wenn „sich eine genügende Betheiligung von Seiten des hochwürdigen Klerus und wohlwollender Laien, woran wir nicht glauben zweifeln zu dürfen, gezeigt haben wird“. Der erste Band des FDA erschien im Jahr 1865, 133 weitere folgten. Der bislang letzte, Band 134 für 2014, kam gerade eben erst heraus. Zusammen sind das reichlich drei Regalmeter oder grob geschätzt etwa 45000 Seiten
Da ist zunächst das Stichwort LEVI. Es steht für „Lernen, Entwickeln, Vereinbaren, Inspirieren“ und ist eines der Leitworte, die die Entwicklung unserer Pastoral und unserer Diözese bestimmen. Wenn es gut geht, bedeutet das: Wir reflektieren unsere Prozesse, um sie zielorientiert zu gestalten und zu erneuern. Dazu gehört Vieles. Notwendig ist auf jeden Fall: einen gewissen Abstand zu dem zu gewinnen, was gerade geschieht, um uns in ein Verhältnis zu unseren Entwicklungen zu setzen. Dazu können die Beschäftigung mit der Geschichte, die Entwicklung des geschichtlichen Bewusstseins und die Erinnerungskultur einen wichtigen Beitrag leisten. Geschichte kann helfen, Verirrungen zu verhüten und Neues anzu- stoßen. Geschichte kann zu neuen Fragen und Antworten inspirieren.
Nimmt man zur Kenntnis, dass die Aufklärung – als historische Epoche und als geistige Bewegung – für das Wesen der Kirche, der katholischen im Besonderen, ja für die Existenz des Christentums und der Religion überhaupt eine Schicksalsfrage geworden ist, dann bekommt das Thema eine enorm aktuelle Bedeutung. Sehen wir also, wie sich die regionale Kirchengeschichtsschreibung mit der Aufklärung befasst und auseinandergesetzt hat. In katholischen Kreisen ist das Aufklärungszeitalter äußerst kontrovers beurteilt worden. Dabei folgte der Wandel in der Einschätzung der Aufklärung offensichtlich den Veränderungen im Selbstbild der katholischen Kirche. Man kann das unmittelbar ablesen an den Ausführungen zum Stichwort „Aufklärung“ in den aufeinanderfolgenden Ausgaben des Lexikons für Theologie und Kirche. Im ersten „Buchberger“, dem zweibändigen „Kirchlichen Hand-Lexikon“ des Herder-Verlags von 1907 wird die Aufklärung noch ganz negativ eingeschätzt, sie habe die Verweltlichung des Klerus bewirkt, Schmähungen gegen Kirche und Papsttum und platten Utilitarismus betrieben. Sie (die Aufklärung) „zersetzte und lähmte auch das praktische kirchliche Leben: Feindschaft gegen die Orden, Bewegungen gegen den Zölibat, die lateinische Kultsprache, Verwässerung der Gebet- und Gesangbücher sind die charakteristischen Zeichen der Aufklärung“.
Sowohl zur Vergewisserung als auch zur kritischen Überprüfung eigener Positionen ist es sinnvoll, das, was in der Gegenwart wichtig ist und einem selbst am Herzen liegt, an dem zu messen, was früher zu dem Thema gedacht und gesagt wurde. Was sehen wir heute anders und stellen daher neue Fragen an altbekannte Quellen? Welche Forschungsinteressen sind nicht mehr im Blick, weil sie als unmodern gelten? Was möchten wir gerne wissen und müssen uns dazu auf die Suche in unbekanntes Terrain begeben? So wie heute gefragt wird, weswegen die Themen zeitgenössischer historischer Arbeiten widerspiegeln, was die Forscherinnen und Forscher derzeit bewegt, wird es auch früher gewesen sein. Von daher erlauben die Artikel einer Zeitschrift – zumal über einen respektablen Zeitraum von 150 Jahren – Rückschlüsse auf das, was in den entsprechenden Jahren wichtig war.
Von der ZSKG zur SZRKG
(2015)
„Alles, was ist, ist geschichtlich“ – sagte bekanntlich Hegel. Und das Gesetz der Geschichte ist der Wandel. Dieser kann als Traditionsbruch oder in schöpferischer Kontinuität mit der Tradition erfolgen. Die Metamorphose von der „Zeitschrift für Schweizerische Kirchengeschichte“ zur „Schweizerische[n] Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte“ geschah, davon bin ich überzeugt, nach dem letzteren Prinzip. Am Ende des Kulturkampfes hatte der helvetische Katholizismus einen Nachholbedarf – auch auf der akademischen, wissenschaftlichen Ebene. Mit der Gründung der „Görres-Gesellschaft zur Pflege der Wissenschaft“ 1876 hatten katholische Forscher und Publizisten in Deutschland selbstbewusst ein wissenschaftliches Forum geschaffen. In der Schweiz wurde 1889 die Universität Freiburg als katholische Kaderschmiede gegründet. Es fehlten allerdings ein Verein und ein wissen- schaftliches Organ zur Erforschung der helvetischen Kirchengeschichte aus katholischer Sicht. Der erste Impuls dazu entstand 1903 beim ersten Schweizerischen Katholikentag in Luzern.
Lassen Sie mich mein Grußwort mit zwei kurzen Zitaten aus einer römischen Verlautbarung beginnen: „Durch die angemessene Nutzung aller von den kirchlichen Gemeinschaften hervorgebrachten Kulturgüter ist es möglich, den Dialog der Christen mit der heutigen Welt weiterzuführen und auszubauen.“ So heißt es in einem Schreiben, das die „Päpstliche Kommission für die Kulturgüter der Kirche“ am 2. Februar 1997 an alle Diözesanbischöfe gerichtet hat. An anderer Stelle im gleichen Text lesen wir: „Die in den Archiven enthaltene Dokumentation ist ein Erbe, das erhalten wird, um weitergegeben und genutzt zu werden.“ Eigentlich bezieht sich die Päpstliche Kulturgutkommission in diesem Schreiben auf die Archive als Institutionen, also auf Bistums-, Dekanats- oder Pfarrarchive. Doch der Auftrag, das Erbe zu erhalten, es zu nutzen und weiterzugeben, scheint mir ebenso gut auch für gedruckte „Archive“ zu passen und zu gelten – so wie eben unser „Freiburger Diözesan-Archiv“, und natürlich gilt es auch für diejenigen, die es produzieren und publizieren, also für den „Kirchengeschichtlichen Verein“ und seine Mitglieder.
Der Frankfurter Mediävist Johannes Fried hat einmal angesichts eines anderen Jubiläums – es handelte sich um das 50-jährige Bestehen des renommierten Konstanzer Arbeitskreises – betont, wer über das Mittelalter nicht hinausdenke, verstehe vom Mittelalter nichts. Das gilt cum grano salis auch für unser Thema. Es lässt sich von vornherein nicht auf die Epoche des Mittelalters eingrenzen. Vieles – und das gilt wohl für große Teile der Kirchen-, Religions-, Frömmigkeits- und Theologiegeschichte – beginnt zwar im Mittelalter, setzt sich aber bis in die Gegenwart fort. Das gilt für die Geschichte der Diözese und ihrer Kirchen, für die Bischöfe, für die Klöster, für die Gemeinden, für das religiöse Brauchtum, für die Frömmigkeit, die Pfarreien, die historischen Landschaften, die Kunstdenkmäler usw.
Wenn hier ein kurzer Blick auf die Vorsitzenden geworfen werden soll, so nicht, weil mit diesen gleichsam der ganze Kirchengeschichtliche Verein zu fassen ist oder gar auf diese Persönlichkeiten zu reduzieren sei. Die Vorsitzenden waren oftmals Exponenten dessen, was in einer bestimmten Zeit an Geschichtszugängen und -vorstellungen, auch im spezifisch landeskirchengeschichtlichen Bereich, gedacht wurde. Am Anfang des Kirchengeschichtlichen Vereins stand ein historisch interessierter Pfarrer, Dekan Wendelin Haid aus Lautenbach im Renchtal. Dieser Geistliche verstand es, seinen Kontakt zu Historikern und Theologen, zu Geistlichen und anderen Gebildeten zu nutzen, um für eine Vereinsgründung zu werben. Dabei erhielt der Verein, wie schon angesprochen, mit seiner Zeitschrift, dem Freiburger Diözesanarchiv, das nach Vorarbeiten seit 1865 ziemlich regelmäßig erscheinen konnte, sein eigentliches Profil und Forum. Als Organisation dafür stand ein sogenanntes Comité von Gelehrten zur Verfügung. Die Schriftleiter, zunächst Pfarrer Wendelin Haid, dann der Freiburger Alttestamentler Prof. Dr. Joseph König brachten ihre – wie es hieß – „lokalhistorischen“ Interessen und Kompetenzen ein.
Zwei zerstrittene Gesandte
(2012)
Im Februar 1819 machte sich eine deutsche Gesandtschaft auf den Weg nach Rom, um dort Dokumente zu übergeben, die nach dem Willen der entsendenden deutschen Staaten zur Errichtung der Oberrheinischen Kirchenprovinz führen sollten. Die beiden Gesandten waren der württembergische Freiherr Philipp Moritz von Schmitz-Grollenburg und der badische Freiherr Johann V. von Türckheim. Die beiden Adligen brachen als alte Freunde gemeinsam auf und kamen getrennt und zerstritten zurück. Die Geschichte und die Ergebnisse dieser zunächst erfolglosen Gesandtschaft sind längst detailliert und erschöpfend aufgearbeitet. Nun sind aber im Familienarchiv der Freiherren von Türckheim neue Unterlagen aus dem Besitz des badischen Emissärs aufgetaucht, die den bisherigen Blick ergänzen und gleichzeitig einen persönlicheren Eindruck von Johann V. erlauben. Neben zahlreichen Briefen und Arbeitsmaterialien Türckheims handelt es sich hierbei um ein ausformuliertes, eigenhändig geschriebenes Tagebuch, in dessen Fokus die Verhandlungen und deren Inhalt stehen, sowie mehrere Tagebuchnotizen zur Reise und zu einzelnen touristischen Ausflügen. Im Folgenden soll der Schwerpunkt auf dem Verhältnis der beiden Gesandten liegen. Der Inhalt der politischen und kirchenrechtlichen Verhandlungen soll dabei nur am Rand berührt werden — so weit, wie es zum Verständnis der Vorgänge notwendig ist. Für alles andere sei auf die im Fußnotenapparat angeführte Literatur verwiesen. Im Fokus stehen die Dokumente aus dem Familienarchiv von Türckheim. Daneben wurde aber auch die staatliche Überlieferung im Generallandesarchiv Karlsruhe und im Hauptstaatsarchiv Stuttgart herangezogen.
Die Mainzer Erzdiözese war — ähnlich wie ihr Suffragan Konstanz — von enormen Ausmaßen. Sie reichte von der Nahe im Südwesten bis zur Saale im Nordosten, vom südlichen Niedersachsen bis zum Odenwald. Flächenmäßig war zwar die Diözese Konstanz größer, hinsichtlich der Zahl der Pfarreien stand aber das Erzbistum Mainz an erster Stelle. Die Verwaltung des Erzbistums Mainz zeigte im Spätmittelalter stark entwickelte regionale Strukturen, deren Ausprägung wohl auf die Größe der Diözese zurückzuführen ist. Für die geistliche Verwaltung und die Pfründenvergabe waren die Archidiakone und ihre Offiziale zuständig. Wie die Pfründenbesetzung vonstatten ging, welche Instanzen daran beteiligt waren und welche Quellengruppen Auskunft über diese Vorgänge geben können bzw. zur Verfügung stehen, soll exemplarisch für die Mainzer Archidiakonate Fritzlar und Erfurt aufgezeigt werden.
Orden sind ein „Grundmodul der europäischen Geschichte". In Distanz zur Welt lebten die Mönche doch in und von der Welt, mussten sich mit ihr auseinandersetzen und nahmen Einfluss auf sie. Sie unterwarfen sich nach Max Weber als Erste einer durchgängig rational gestalteteten, methodisch durchgeplanten Lebensweise. Sie verwalteten effektiv ihren Besitz, sie übermittelten die Bildung der Antike dem Mittelalter, sie entwickelten strenges wissenschaftliches Denken, sie schufen bewundernswerte Kunstwerke, sie sorgten für Bedürftige. In sich einander ablösenden Gründungwellen stellten sich neue Orden neuen Aufgaben ihrer Zeit. Sie sind folglich nicht nur ein Phänomen der. Kirchengeschichte, sondern ein wichtiges Strukturelement vormoderner Geschichte allgemein und damit ein ebenso wichtiges Objekt der Profangeschichte. Ihre Bedeutung ist gerade in Oberschwaben kaum zu überschätzen, da etwa ein Drittel dieser Landschaft von Äbten regierte Klosterterritorien waren. Aber es gab nicht nur die großen Prälatenklöster. Von den etwa 50 Männerklöstern der Region waren knapp die Hälfte Konvente der Mönchsorden im engeren Sinne und der regulierten Chorherren, die andere Hälfte Konvente der Bettelorden.
Im Frühjahr 1421 musste die Pfarrgemeinde im oberschwäbischen Neuburg, Dekanat Munderkingen, für geraume Zeit ohne Seelsorger auskommen, da ihr bisheriger Pfarrer nicht mehr zur Verfügung stand. Ob dieser an einen anderen Ort gezogen oder gestorben war, ist heute unbekannt. Nachdem die Pfarrei also vakant zu werden drohte, stand fest, dass umgehend ein neuer Geistlicher nach Neuburg kommten musste. Bis Mitte Mai waren offenbar bereits Verhandlungen geführt worden, denn am 16. des Monats erschien der Kleriker Wilhelm Gabler vor dem Konstanzer Bischof mit einem Schreiben, in welchem ihn Herzog Friedrich von Österreich auf die Neuburger Pfarrkirche präsentierte. Das bischöfliche Generalvikariat nahm die Präsentationsurkunde entgegen und ordnete an, dass der Kandidat der Neuburger Gemeinde ordnungsgemäß bekannt gegeben werden solle, damit eventuelle Einsprüche gegen seine Kandidatur vorgebracht werden könnten. Am 18. Juni, dem Ende der Einredefrist, erschienen sowohl Wilhelm Gabler als auch der Vertreter des Priesters Eberhard von Hörnlingen vor dem Konstanzer Generalvikar. Eberhard konnte nämlich ebenfalls eine Präsentation auf die Neuburger Pfarrkirche vorweisen, die von Anna von Braunschweig, der Gemahlin Herzog Friedrichs von Österreich, ausgestellt worden war. Nachdem nun zwei Kleriker Anwartschaften auf dieselbe Pfründe besaßen, musste an der Konstanzer Kurie geprüft werden, wer von beiden der rechtmäßige Kandidat war und welcher von ihnen die Pfründe erhalten sollte.
Das Erzbistum Freiburg und das alte Großherzogtum Baden besitzen beachtenswerte Gemeinsamkeiten, in ihrer Geschichte, ja sogar bis in die Gegenwart hinein. Nicht als wäre hier eine gleichberechtigte Partnerschaft festzustellen, eher ein spannungsgeladenes Gegenüber, das im Auf und Ab politischer Gärungen sich stets neu und anders einstellte. Zunächst soll auf die Politik und ihre Sprache um 1806 hingewiesen werden: denn diesem Jubiläum gilt es ja gerecht zu werden, um in Kontrast dazu die kirchlichen Verhältnisse und deren Neuorganisation innerhalb eines kurfürstlich bzw. großherzoglich badischen Regiments zu skizzieren.
"Concordatslärm" in Baden
(2002)
Nichts versetzt leichter in die Stimmungen und in das allgemeine Milieu einer Zeit als ihre Zeitungen ... Sie zeigen mehr als jede andere Quelle, was die Zeitgenossen beschäftigt und vor allem interessiert hat. Gilt eine solche Aussage heute nur mehr bedingt, so trifft sie für das 19. Jahrhundert uneingeschränkt zu. Die immense Bedeutung, welche man den Blättern von ihren bescheidensten Anfängen an beimaß, läßt sich leicht an den staatlichen Zensurbestimmungen ablesen, wie sie zeitgleich mit dem Erscheinen der ersten periodischen Druckerzeugnisse nachweisbar sind und erst im Gefolge der Revolution von 1848/49 allmählich abgebaut werden. Allein durch Zeitungen und Zeitschriften sind damals gesellschaftliche Gruppen und Institutionen in der Lage, sowohl ihre Parteigänger als auch die immer zahlreichere politisch interessierte Öffentlichkeit zeitnah zu informieren sowie zielgerichtet und bewußtseinsbildend zu beeinflussen. Folglich erweist sich deren Analyse gerade in bewegten Zeiten als überaus aufschlußreich.
Das Ende der Fürstbistümer, Abteien und Klöster durch den Reichsdeputationshauptschluß (RDH) vom 25. Februar 1803, der Untergang aller geistlichen Reichsstände und die Einziehung des Kirchenvermögens durch den Staat, ist eingebettet in einen geistesgeschichtlichen Prozeß zu sehen, der das Denken über das Verhältnis von Staat und Kirche im 18. Jahrhundert wandelte. Die Säkularisation, der Verlust der Landeshoheit und die Enteignung des Vermögens der geistlichen Stände, setzte die grundlegende Veränderung des Rechts- und Reichsbewußtseins ebenso voraus, wie die fortschreitende Profanierung der Staatsidee. Nur auf diesem Hintergrund läßt sich erklären, daß sich die größeren und mittleren Reichsstände ohne jede Hemmung auf die geistlichen Mitstände stürzten und sich deren Hoheitsrechte und Eigentum aneigneten. Die in keinem Verhältnis zur Größe der Neuerwerbungen stehenden territorialen Verluste auf dem linken Rheinufer legitimierten dabei diesen Länderraub vor dem eigenen Gewissen, falls dies sich bei der einmaligen Möglichkeit dieser territorialen Expansion überhaupt noch regte. Die Aufhebung der zahlreichen Klöster und Abteien schien vor dem Gewissen auch deshalb gerechtfertigt, weil man die Menschheit damit von Institutionen befreite, die angeblich nutzlos und schädlich waren und ein Überbleibsel des finsteren Mittelalters darstellten.
Stadt - Land - Religion
(2000)
Zahllose Konflikte prägten das Verhältnis von Staat und Kirche im 19. Jahrhundert. Zu den Höhepunkten der Auseinandersetzungen gehörte neben einer frühen Eskalation im „Kölner Ereignis“ und den mannigfachen Kulturkämpfen der 1870er Jahre auch der „Badische Kirchenstreit“ nach der Jahrhundertmitte. Er wurde in seinen Grundzügen bereits mehrfach dargestellt, so in den größeren Werken zur oberrheinischen bzw. badischen Geschichte aus der Feder von Heinrich Brück, Heinrich Maas und Hermann Lauer. 1905 wandte sich erstmals in ausschließlicher Weise Curt Schröter dem Thema zu.
„Im Jahre des Heils 1749 ...“ - so beginnt im alten Taufbuch der Bruchsaler St. Peterskirche der handschriftliche Eintrag, darin die feierliche Kirchweihe jenes Jahres beschrieben wird, und so lautete auch der Titel einer Sonderausstellung des Städtischen Museums (im Obergeschoß des Bruchsaler Schlosses) aus Anlass der 250. Wiederkehr dieses Ereignisses. Bis Anfang Januar 2000 konnten sich die Besucher von zahlreichen historischen Exponaten zurückversetzen lassen in die lebendige Zeit des Barock, als tiefempfundene Religiosität, weltlicher Machtanspruch der Kirche und äußerer Prunk in einer noch heute faszinierenden Form verschmolzen sind. Was die Ausstellung nach den Intentionen ihrer Ausrichter zentral dokumentieren sollte, sind die beiden Säulen des Gründungsgedankens der Bruchsaler St. Peterskirche: die spirituelle, gottesdienstliche Bedeutung auf der einen Seite, die weltliche Konnotation als Symbol von Herrschaft und Autorität auf der anderenn. Denn St. Peter zu Bruchsal war nicht allein ein Gotteshaus, sondern überdies ein Gotteshaus in einer Landeshauptstadt - und dieser
Standort hat die Widmung der Kirche als künftige Grablege der Fürstbischöfe von Speyer entscheidend bedingt.
»Aus der Trennung heraus!«
(2021)
1818 Badische Verfassung und 1821 Badische Kirchenunion sind zwei Daten des gleichen modernitätsgeschichtlichen Integrationsprozesses im Zusammenhang mit der Konstituierung und Konsolidierung des Großherzogtums. Damit ist die evangelische Landeskirche von vornherein in die gesellschaftliche Transformation eingebunden. Aus dieser »Gründungszene«, so wurde 2021 wieder bewusst gemacht, hat »die Evangelische Landeskirche in Baden ihre Gestalt und ihr Profil als öffentliche Kirche« entwickelt (J. C. Bundschuh). Weil Verfassung und Kirchenunion am gleichen »gesellschaftlichen Transformationsprozess« teilnehmen, ist 1821 ein Thema der ganzen badischen Geschichte. Über das Gründungsdatum hinaus gilt die Union heute als »Ausgangspunkt für ein fruchtbares interreligiöses Gespräch« und als eine Perspektive für ein ökumenisches Miteinander im 21. Jahrhundert. Das Jubiläum wird publizistisch in Erinnerung gebracht durch einen »Bildatlas zur Kirchengeschichte«, einer Vorlesungsreihe der Pädagogische Hochschule und einer Ausstellung im Generallandesarchiv Karlsruhe.
»… und ruht in Gottes Hand«
(2021)
Die Union der lutherischen und reformierten Kirche in Baden ist von der Geschichte des entstehenden Großherzogtums nicht zu trennen. Möglich wurde die Union durch die Auflösung des konfessionellen Kirchentums. Sinnvoll wurde sie als Bündelung der protestantischen Kräfte in einer mehrheitlich katholischen Bevölkerung und zur Konsolidierung der als Staatsanstalt begriffenen Kirche. In kirchlicher Sicht ging es um zwei Errungenschaften: die Bildung einer vereinigten Kirche aus dem Geist der freien Schriftforschung und einer für die Kirchengemeinschaft tragfähigen konsensualen Lehre im Abendmahl. Nicht vollendet war die Union für die, denen zur freien Kirche auch die Freiheit einer selbständigen Kirche gehörte, die in der verfassungsmäßigen Gestalt der Generalsynode als Repräsentativorgan zur Geltung kommen sollte. Darin liegt die geschichtliche Dynamik der der Unionskirche im 19. Jahrhundert.
Das absolutistisch regierte Fürstentum Baden brauchte wegen des durch Napoleon beförderten Zusammenbruchs des alten deutschen Reichs und wegen des Zuwaches vieler Gebiete nach „Entschädigung“ für die Abtretung linksrheinischer Gebiete eine neue Verwaltungsstruktur und ein geändertes Staatsrecht. Dieses schuf der Geheimrat Friedrich Brauer (1754–1813) mit seinen 13 Organisations- und seinen Konstitutionsedikten. Die Konstitutionsedikte, eine Zusammenfassung von Grundgesetzen, sollten „unwandelbar sein, mithin auch nur solche allgemeinen Grundzüge enthalten, die nach höchstmöglicher Wahrscheinlichkeit unter allem äußeren Wechsel als unveränderliche Basis fortdauern können.“ Brauer stellte sich hier nicht als Vertreter eines Repräsentativsystems dar, sondern er verfolgte in vielerlei Hinsicht das alte Reichsrecht und übertrug „reichsrechtliche Befugnisse“ auf seinen Souverän, den späteren Großherzog Karl Friedrich.
In diesem Aufsatz wird die Zeit vor der Union seit 1803 geschildert; es werden dabei weniger die theologisch-kirchlichen Vorbereitungen der Union behandelt, die bereits verschiedentlich dargestellt wurden. Neu ist vielmehr, dass das zeitgleiche gesellschaftliche Leben in Karlsruhe neben die Vorbereitungen der Kirchenvereinigung in den Blick genommen wird, wobei vier Hauptpersonen im Mittelpunkt stehen. Dadurch ergeben sich Gegensätzlichkeiten bei Gleichzeitigkeit aber auch bisher kaum
beachtete Gleichbehandlungen der beiden Konfessionen schon in diesen Jahren. Neu herangezogene Quellen lassen immer wieder neue Entdeckungen machen, die im Blick auf Hebel und Ewald fast so etwas wie Entmythologisierungen darstellen.
Überhaupt stellt sich heraus, wie wenig die Kirchenvereinigung in diesen Jahren ein Thema war, selbst bei den mit der Vorbereitung Beauftragten, wohl nur mit einer Ausnahme, Sander. – Das internationale Geschehen als weiterer zeithistorischer Hintergrund bleibt unberücksichtigt.
Am 10. Oktober 1661 (nach altem Kalender) starb Johann Balthas(ar) Fleiner, den der Historiograph des Schüpfergrundes Jakob Ernst Leutwein (1684–1763) in seiner 1761 beendeten Schüpfer Kirchengeschichte den zwölften Kaplan und siebten Pfarrer nannte. Auf den ersten Blick mag der Tod des Geistlichen in einem der „vielherrigen Dörfer“ Frankens keine besondere Aufmerksamkeit seitens der Geschichtsforschung beanspruchen, doch angesichts der herrschaftlichen Struktur ist diese Bewertung zu überprüfen. Der Schüpfergrund mit dem Hauptort Unterschüpf war Ganerbschaft und zugleich Beispiel für die „gestufte Aristokratie“ im alten Reich: Die Dienheim zu Angeltürn und die Ega sowie Stetten zu Kocherstetten waren der fränkischen Reichsritterschaft Ort Odenwald immatrikuliert, während die Hatzfeldt zwar gräfichen Standes waren, doch nicht dem fränkischen Reichsgrafenkollegium angehörten. Die konfessionelle Zugehörigkeit – Ega und Stetten zu Kocherstetten der Confessio Augustana, Dienheim zu Angeltürn und Hatzfeldt der Alten Kirche zugehörig – schuf darüber hinaus eine Situation, die Auseinandersetzungen um Macht und Status geradezu unausweichlich machte.
Stift – Residenz – Stadt
(2017)
In den letzten Jahren vor seinem Tod, zwischen 1595 und 1603, schrieb Bartholomäus Sastrow (1520–1603) die Geschichte seines eigenen Lebens nieder. In Greifswald geboren, ausgebildet an Lateinschulen und Universitäten in Greifswald, Stralsund und Rostock, hatte es ihn 1542 nach Oberdeutschland verschlagen, wo er in Speyer, am
Ort des Reichskammergerichts, eine Ausbildung als Notar genoss. Am 24. Juni 1544 – das Datum hielt er ganz exakt fest
– trat er in Pforzheim seinen Dienst als Schreiber in der Kanzlei des Markgrafen Ernst von Baden (1482–1553) an. Rund ein Jahr sollte er in der markgräflichen Residenzstadt am Zusammenfluss von Enz, Nagold und Würm verbringen.
Historia ecclesiae badensis
(2017)
Die hier vorgestellte Skizze und der folgende Aufbau einer geplanten Darstellung einer badisch-evangelischen Kirchengeschichte beleuchten ein Projekt, das – so Gott will und wir leben – meine akademische Lehrtätigkeit begleiten und bestimmen soll. Ein Teil davon ist bereits in Vorlesungen an der Universität Heidelberg oder auch auch in der Oberrheinischen Sozietät an der Theologischen Fakultät vorgestellt worden. In diesem ersten Überblick, der vor allem methodische Grundentscheidungen veranschaulichen soll, sind alle Hinweise auf Literatur weggelassen worden. Gerne und dankbar nehme ich evtl. Hinweise auf bisher vernachlässigte Aspekte und Perspektiven zur Kenntnis.
Sehr herzlich möchte ich Sie am heutigen Abend zur dieser Veranstaltung begrüßen, die für manche unter Ihnen hinsichtlich ihrer Zielsetzung vielleicht noch etwas kryptisch geblieben ist. Doch immerhin so konkret waren ein Bild, ein Gemälde und vor allem ein Name auf unserer Einladung, dass Sie heute Abend da sind und vielleicht doch gespannt, was sich hier in der nächsten Stunde ereignen mag. Im Folgenden möchte ich Ihnen in der notwendigen Kürze, aber auch klar genug
vorstellen, was heute Abend und in Zukunft unter einer Oberrheinischen Sozietät verstanden werden soll und – gerne gebe ich es zu – für diese Ihr Interesse wecken. Nach einem weiteren Musikstück möchte ich – gleichsam als erste Aktion dieser
dann eröffneten Oberrheinischen Sozietät – eine Veröffentlichung, nämlich die neueste Veröffentlichung von Professor Eike Wolgast vorstellen, eine Aufsatzsammlung, die vom Verein für Kirchengeschichte in der Evangelischen Landeskirche in Baden verantwortet wird. Ich freue mich, dass dazu auch ein Vertreter des Kohlhammer-Verlages, Herr Dr. Sebastian Weigert, unter uns ist und das Wort ergreifen wird. Ich begrüße Sie sehr herzlich.
Nie hätten wir es für möglich gehalten, daß diese Rechtfertigung der deutschchristlichen gewalttätigen und verfassungswidrigen Kirchenpolitik Ihre Antwort wäre auf die Bitten treuster und bibelgläubiger Glieder unserer Kirche, die sie aus heißer Besorgnis und innerster Gewissensnot vorzutragen gewagt haben! […] Wir sind fassungslos verwundert, daß Sie an den `Geist brüderlicher Gemeinschaft unter Geistlichen und Gemeindemitgliedern‘ appellieren, als handele es sich bei dem gegenwärtigen kirchlichen Kampf um einen Streit, den man mit christlichen Ermahnungen beenden könne, […]. Wir bezeugen Ihnen hiermit, daß für unsere Erkenntnis schweigen und mit dem DC-Geist Frieden machen gleichbedeutend wäre mit Verleugnen unseres Herrn und seiner ewigen Wahrheit. Kurz nach dem Beitritt der badischen Landeskirche zur
deutsch-christlichen Reichskirche, am 27. Juli 1934, richtete Karl Dürr, der Vorsitzende der Bekennenden Kirche Badens, an seinen Landesbischof Julius Kühlewein diese Zeilen. Der badische Kirchenkampf steuerte damit auf seinen ersten, aber keineswegs letzten Höhepunkt zu, an dessen Ende 1945 eine Landeskirche stehen sollte in der Macht- und Richtungskämpfe sowie persönliche Animositäten tiefe Spuren hinterlassen hatten; beherrscht von den untereinander verfeindeten kirchenpolitischen Gruppierungen der Bekennenden Kirche und der Deutschen Christen, aber auch einer
von nahezu allen Seiten in Ihrer Legitimität angefochten Kirchenleitung geriet sie vor dem Hintergrund der Konflikte, die tief in ihre Identität und ihr Selbstverständnis eingriffen, an den Rand der Spaltung.
Die finanziellen Leistungen des Staates an die Kirchen stehen immer wieder in der Kritik der Öffentlichkeit, weil die Ursachen und Voraussetzungen für die Zuweisung sog. Staatsleistungen an die Kirchen häufig nicht bekannt sind. Zu unterscheiden sind dabei einerseits „Staatsleistungen“, die der Staat der Kirche für bestimmte vertraglich vereinbarte Leistungen zugesteht, die andernfalls vom Staat erbracht werden müssten, die aber die Kirchen übernommen haben, etwa im Bereich der Schulen, der Diakonie etc. Andererseits beziehen sich „Staatsleistungen“ auf Ansprüche der Kirchen, die sich aufgrund der Inkamerierung oder Säkularisation von Kirchengut seit der Reformation ergeben haben, die also gewissermaßen als Entschädigungsleistung für vom Staat entfremdetes Kirchengut zu verstehen sind. Über diese historisch begründeten Staatsleistungen kursieren in der evangelischen Kirche auch in Fachkreisen zum Teil unrichtige Vorstellungen, so etwa wenn diese Leistungen einseitig aus der „Säkularisation“ der Jahre 1802/03 hergeleitet werden, die die evangelische Kirche vermögensrechtlich nur in geringem Maße betraf. Für die evangelischen Kirchen muss man hierbei vielmehr vor allem auf die Säkularisationen der Reformationszeit zurückblicken und auch die „verdeckten“ Säkularisationen durch politische Entscheidungen in der Mitte des 19. Jahrhunderts mit berücksichtigen.
Kirchlicherseits war die „Neue Ära“ (1860-1871) von zwei Dynamiken gekennzeichnet: 1) dem Willen des Staates, das Staatskirchentum abzubauen – dem entsprach das Kirchengesetz vom 9. Oktober 1860; 2) dem Willen der Kirche, den neu gewonnenen Spielraum mittels der badischen Kirchenverfassung (KV) vom 5. September 1861 zu nutzen und zu gestalten. Die Rechte der Gemeinde wurden gestärkt, eine engere Verbindung zum gesamtdeutschen Protestantismus gesucht; das landesherrliche Kirchenregiment blieb gleichwohl erhalten. Gemischte Angelegenheiten (res mixtae) blieben die Vermögensverhältnisse der Kirchen und die Schule. Gerade die Schulfrage hatte sich in den 50er-Jahren in Auseinandersetzungen mit der Erzdiözese Freiburg als außerordentlich konfliktträchtig erwiesen. Schon um diesen Konfliktherd (aus liberaler Sicht und Staatsraison) einzudämmen zielte die staatliche Kirchenpolitik der „Neuen Ära“ auf eine relative Entflechtung von Staat und Kirche, die in der Schulpolitik auf die Emanzipation der staatlichen Schule (als Simultanschule) von der Konfessionsschule hinauslief. Die Frage aber der politischen und pädagogischen Verantwortung des Schulwesens durch den Staat musste auch den Katechismusunterricht betreffen, der sich ja primär im RU und nicht im KU vollzog. Der Katechismus wurde zum Politikum.
Der evangelische Theologe Richard Rothe ist am 28. Januar 1799 in Posen geboren worden und am 20. August 1867 hier in Heidelberg verstorben. Rothe hat in Heidelberg und Berlin studiert und wirkte seit 1823 als Gesandtschaftsprediger an der
preußischen Botschaft in Rom, was ihn in bleibende Verbindung zum preußischen Botschafter Karl Josias Bunsen (1791-1860) brachte. Nach kurzer Lehrtätigkeit in Heidelberg 1827 folgte er einem Ruf an das von dem erweckten Theologen Heinrich Heubner (1780-1853) geleitete Wittenberger Predigerseminar, wo Rothe seine prägende – zu seinem späteren Liberalismus durchaus spannungsvolle – mystisch-wundergläubige Frömmigkeit entwickelte. Am 27. April 1837 wurde er nach Heidelberg berufen, zum ordentlichen Professor und zum Direktor des hiesigen Predigerseminars. 1849-1854 wirkte er in Bonn, um nach seiner Rückberufung (1853) nach Heidelberg von 1854 bis zu seinem Tode 1867 als Universitätsprofessor und Universitätsprediger zu fungieren. 1861 ist er zum außerordentlichen Mitglied des Oberkirchenrats ernannt worden, das auch in der Generalsynode der Landeskirche eine erhebliche Rolle spielte; seit 1863 war er Mitglied der Ersten Kammer, also des Oberhauses des badischen Parlaments. Somit stand Rothe seit 1861 auf dem Gipfel seines Einflusses, zugleich aber im Schatten der Trauer um seine Frau Luisa, geb. von Brück, einer chronisch kränkelnden und depressiven Frau, die er 1823 geheiratet hatte. Friedrich Nippold (1838-1918), ein beinahe schon postumer Verehrer und dann Biograph Rothes, berichtet, Rothe habe seine Frau „mit einer geradezu unvergleichlichen Hingabe gepflegt“. Die Ehe blieb kinderlos. Rothe wohnte in der heutigen Friedrich Ebert-Anlage, woran noch heute eine Tafel am Haus erinnert.
Die erste protestantische Generalsynode im Großherzogtum Baden fand 15 Jahre nach dessen Etablierung statt. Sie tagte vom 2. bis zum 26. Juli 1821 in Karlsruhe unter der Präsidentschaft des Staatsministers Carl Christian Freiherr von Berckheim, der in Lörrach ein Schüler des jungen Theologen Johann Peter Hebel gewesen war. Großherzog Ludwig (I.) hatte sie einberufen lassen mit dem erklärten Ziel, die beiden – im neuen Großherzogtum vorfindlichen – sogenannten protestantischen Religionsparteien – die „lutherische“ und die „reformierte“: jene mit ihren Schwerpunkten vor allem im markgräflichen Alt-Baden(-Durlach), in den Ritterschaften des Kraichgaus und in der Grafschaft Wertheim; diese mit ihrem Schwerpunkt in der Kurpfalz – zu vereinigen zu einer „Union“: zu einer „Vereinigten evangelisch-protestantischen Kirche im Großherzogtum Baden“. Deshalb sprechen wir von der „Unionssynode 1821“. Diese Generalsynode hatte sich viel vorgenommen – und sie hat viel erreicht; sehr viel – in gut drei Wochen. Was sie vor allem erreicht hat, war eben die „Union“ als solche: die wirkliche Vereinigung der beiden evangelischen Kirchen im Land, und das nicht zuletzt in einer Frage, über die alle Menschen zu allen Zeiten gerne streiten: übers Geld!
Das Ius patronatus in Händen evangelischer Reichsritter, auf welches sie nach dem Augsburger Religionsfrieden ihre Kirchenherrschaft gründeten, ist eine altbekannte Erscheinung. Bemerkenswert in diesem Zusammenhang ist aber die Tatsache, dass gelegentlich vom Ius episcopale oder den Iura episcopalia gesprochen wird. Damit stellt sich die Frage nach dem Inhalt dieses Begriffs. Wird er als Synonym für Patronat gebraucht? Drückt sich darin der Stolz auf die erlangte Kirchenhoheit aus? Oder ist er tatsächlich als Rechtsterminus zu verstehen? Am Beispiel eines Mikrokosmos, der Ganerbschaft Schüpf, wird eine Antwort auf diese Fragen versucht.
Eher randständig war der Gebrauch des Heidelberger Katechismus im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts in den meisten reformierten volkskirchlichen Gemeinden in Deutschland. Zur Konfirmation Palmarum 1981 mussten wir Konfirmanden einer kleinen ostfriesischen Gemeinde die Frage 1 gemeinsam vorlesen (!) – von den Inhalten vorangegangener katechetischer Erklärungen des Post-68er-Pfarrers ist mir nichts mehr erinnerlich geblieben. „Form und Maß“ hatte dieser kirchliche Unterricht jedenfalls nicht durch den „Heidelberger“ bekommen, wie es laut kurpfälzischer Kirchenordnung von 1563/64 ursprünglich Zweck gewesen war. Als ich im Wintersemester 1986 Theologie zu studieren begann, war die erste Dogmatik-Vorlesung eine zweisemestrige Auslegung des Heidelbergers durch Jürgen Fangmeier in Wuppertal – gewiss ein Privileg für einen angehenden reformierten Theologen. Kaum etwas anderes hat seit dem meinen reformierten Glaubensstil und meine Theologie geprägt wie der Heidelberger. Ob mein Wechsel ins Pfarramt der Heidelberger Universitätskirche drei Jahre vor dem Jubiläum des Heidelbergers hominum confusione oder providentiae Dei geschah, ist dagegen nicht so klar zu identifizieren. In mehrfacher Hinsicht schreibt hier also ein „Heidelberger“.
Jakob Ernst Leutwein, Pfarrer in Unterschüpf (1730-1763), überliefert in seiner spätestens 1755 abgeschlossenen „Schüpfer Kirchenhistorie“ das während einer Reise geführte Gespräch. Seinem Begleiter erzählte der Chronist, dass an der Spitze der
Geistlichkeit der 1632 erloschenen Herren von Rosenberg ein Superintendent gestanden hatte. Der Gesprächspartner kommentierte, es wäre aliquid inauditi, also völlig ausgeschlossen, dass adelige Herren einen Superintendenten hätten, ja es fehle ihnen dazu auch das Recht. In beiden Haltungen drückt sich unmissverständlich das Besondere dieser reichsritterschaftlichen Superintendentur aus – hier Leutweins Bewunderung für diese außergewöhnliche Einrichtung; dort der andere, die Existenz einer solchen Einrichtung bestreitend, damit ex negativo das Außergewöhnliche, ja Singuläre der Superintendentur in einer Adelsherrschaft betonend. Was hat es mit diesem Amt auf sich? Die Reformation bildete, wie allgemein bekannt, einen (nicht nur) religiösen Fundamentalprozess. Weit weniger ist im landläufigen Bewusstsein verankert, dass sich daran u.a. eine ganze Reihe rechtlicher Probleme anschloss.
Fordern manche Kirchenhistoriker im Kontext der Europäisierung und Globalisierung eine Kirchengeschichtsdarstellung als
Christentumsgeschichte, die die großen Zusammenhänge bedenkt und darstellt, so erinnern andere daran, dass räumliche und konfessionelle Begrenzungen, also Darstellungen im territorialen und nationalen Rahmen oder konfessionsgeschichtliche Untersuchungen ebenso wie biographische Einzeldarstellungen weiterhin sinnvoll bleiben. Möglicherweise werden in enger gefassten Darstellungen zwar nicht alle großen Zusammenhänge benannt werden können. Für diesen Preis erwirbt man aber eine anders nicht mögliche Tiefenschärfe. Enger gefasste Untersuchungen sind dann besonders wertvoll, wenn gute Gründe für die Annahme vorliegen, dass es sich um zentrale, repräsentative oder exemplarische „Gegenstände“ handelt, selbst wenn uns hier auch Extraordinäres begegnet. Für die badische Kirchengeschichte etwa ist mit guten Gründen anzunehmen, dass sich die frühere Residenz Durlach für eine solche Forschung als lohnend erweisen könnte. Eine Durlacher Kirchengeschichte könnte ein Spiegel für die badische Kirchengeschichte sein. Es wäre gewiss ein lohnendes Unternehmen, einmal ein solches Unternehmen nicht nur auf Grund der Literatur, sondern nochmals neu mit den Akten und Dokumenten der Gemeinde, der Landeskirche und des Generallandesarchivs zu schreiben.
Am 23. Dezember 1572 wurde Johannes Sylvanus vor dem Heidelberger Rathaus enthauptet. Begründet wurde seine Hinrichtung mit seiner Hinwendung zum Antitrinitarismus, die sich in einem – leider nicht überlieferten – antitrinitarischen Bekenntnismanuskript zeigte. Aufgrund vorheriger Vorkommnisse in Heidelberg und der Reformationsgeschichte der Kurpfalz ist es sinnvoll, die Hinrichtung des Sylvanus einer genaueren Betrachtung zu unterziehen. Hierbei ist einerseits die reichsrechtliche Stellung der Kurpfalz, die aufgrund ihres Bekenntnisses „das erste deutsche evangelisch-reformierte Territorium“ war, bedeutsam. Andererseits ist das Schicksal Sylvans für eine kirchenpolitische Frage der Reformationszeit bedeutsam, nämlich die Frage der Ordnung der Kirche und der Reinhaltung der Gemeinde, der sogenannten Kirchenzucht. Daher sollen in diesem Aufsatz die Vorgänge um die Hinrichtung des Sylvanus unter reichs- und religionspolitischen Gesichtspunkten betrachtet werden. Es wird aufgezeigt, dass die Motive für die Hinrichtung des Sylvanus nicht nur in
seiner Häresie des antitrinitarischen Bekenntnisses zu finden sind, sondern ein Cluster verschiedener Interessen diverser Personen beziehungsweise unterschiedlicher Personengruppen zu Grunde liegt. Der Fokus dieses Aufsatzes wird dabei auf die Vorgänge um die Kirchenzucht gerichtet. Die ebenfalls bedeutsame Entwicklung der Reformation in der Kurpfalz wird nur schlaglichtartig beleuchtet. Der Sprachgebrauch bei Beschreibungen von Lehrmeinungen, besonders bis zur Ausbildung offensichtlicher Glaubensgruppen, orientiert sich an der jeweiligen Belegliteratur, so dass der attributive Gebrauch der Begriffe nicht definitorisch gesichert ist.
In keinem Territorium des Heiligen Römischen Reiches waren Politik und Religion derart eng miteinander verknüpft wie in der Kurpfalz, und kein anderes Territorium litt bis zum Ende des Alten Reiches in ähnlichem Maße unter Konfessionskonflikten wie die Kurpfalz. Dieses Spannungsverhältnis zwischen Religion und Politik wie zwischen den verschiedenen Konfessionen prägte den Alltag der Menschen in der Region, formte auch Mentalitäten, bestimmte die Erfahrung der Lebenswirklichkeit und ihrer Auswirkungen. Ein Gradmesser der Empfindungen einer Zeit und ihrer
Reaktionen auf die Zumutungen der Gegenwart können auch Gesangbücher und Kirchenlieder sein, zumal in Krisen- und Konfliktsituationen. Gesangbuch und Kirchenlied werden damit zur historischen Quelle. Für die Fragestellung des Historikers
ist das Gesangbuch daher zunächst einmal Ausgangspunkt eines weiter gehenden Erkenntnisinteresses, so etwa beim Blick auf die konfessionellen oder politischen Verhältnisse einer Zeit und einer Region. Voraussetzungen und Auswirkungen der konfessionellen Spannungen und ihr Niederschlag bzw. ihre Transformation im Gesangbuch der Kurpfalz im Zeitalter der
Aufklärung sollen im Folgenden näher untersucht werden. Den zeitlichen Rahmen – und damit die Pole – markieren der Konflikt um die Heiliggeistkirche in Heidelberg 1718/20 und die Union der Reformierten und Lutheraner, nunmehr im Großherzogtum Baden, im Jahre 1821.
1821 fanden sich die Reformierte und die Lutherische Kirche im Großherzogtum Baden zu einer Kirchenunion zusammen. Infolge der Gleichberechtigung von Confessio Augustana, Luthers Kleinem Katechismus und Heidelberger Katechismus
spricht man von der einzigen Bekenntnisunion in Deutschland. Erst fünfzehn Jahre später, 1836, wurden ein neues Gesangbuch und eine neue Agende eingeführt; da kommen Fragen auf: Wie konnte man unter diesen Voraussetzungen Gottesdienst feiern? – Oder blieb doch alles beim Alten? – Warum kam es nicht früher zu einer einheitlichen Regelung des Gottesdienstes? – War man sich doch nicht so einig, wie es schien? – Hatten sich zwar ausgeklügelte Formulierungen gefunden – der Passus zur Abendmahlsfrage in der Unionsurkunde ist wirklich genial – und schaffte man es dann nicht, die Theorie in die Praxis umzusetzen? Noch heute kann man in der Badischen Landeskirche erleben, dass Menschen, sogar aus der Pfarrerschaft, aufgrund ihrer konfessionell geprägten Herkunft – so begründeten sie es zumindest – nicht an einem Gottesdienst teilnehmen zu können glauben! Es war ein Gottesdienst, in dem Psalmen nach Art der klassischen Psalmodie gesungen wurden. Das sei lutherisch; wer aus der reformierten Tradition komme, könne an solch einem Gottesdienst nicht teilnehmen. – Sollten die Konfessionsunterschiede nach mehr als 180 Jahren immer noch nicht überwunden sein? Sollte das
konfessionelle Erbe immer noch von einer Teilnahme am Gottesdienst abhalten? Was war, was ist das für eine unierte Kirche, fragte ich mich. Dass Mentalitäten hartnäckig sein können, ist mir bewusst. Aber: Hätte es unter solchen Voraussetzungen, wie eben im Beispiel geschildert, überhaupt zu einer Union kommen können? Oder gab es seitdem Gegenbewegungen, die sich nicht auf konfessionelle Unterschiede vor der Union, sondern auf „andere“ Einflüsse zurückführen lassen?
2011 sind es genau 90 Jahre her, dass auf evangelischer Seite die Erforschung der badischen Kirchengeschichte durch regelmäßige Publikationen begann, nämlich mit Johannes Bauers Dokumentensammlung über die badische Union von 1821, publiziert zum Unions-Jubiläum 1921 in der nur kurzlebigen Reihe „Veröffentlichungen der evangelischen kirchenhistorischen Kommission in Baden“. Ab 1928 gab es dann mit den „Veröffentlichungen des Vereins für Kirchengeschichte in der Evangelischen Landeskirche in Baden“ eine Reihe, die es bis zur Einstellung 2009 auf stattliche 64
Bände gebracht hat, die ein einmaliges und unerlässliches Fundament für die kirchenhistorische Erforschung der Badischen Landeskirche darstellen. Seit 2007 steht nun auch das „Jahrbuch für Badische Kirchen- und Religionsgeschichte“ der lokal- und regionalgeschichtlichen Aufarbeitung unserer Landeskirche zur Verfügung. Obwohl das Erzbistum Freiburg sogar ein paar Jahre jünger ist als die Badische Landeskirche – die Gründung der Erzdiözese aufgrund der Bulle „Provida solersque“
erfolgte zwar ebenfalls 1821, doch „funktionierte“ das Bistum erst mit der Einsetzung des Bischof 1827 – wurde bereits viel früher als auf evangelischer Seite, nämlich schon 1864 ein „Kirchengeschichtlicher Verein für das Erzbistum Freiburg“ gegründet, der seit 1865 das „Freiburger Diözesan-Archiv“ herausgibt, eine der ältesten kirchenhistorischen Zeitschriften Deutschlands.
Im Jahre 1834 meldete ein Anonymus in der liberalen „Allgemeinen Kirchenzeitung“ aus Baden I. Kirchenverfassung betreffend. Die evangelisch-protestantische Kirche im Großherzogthume Baden hat durch die Union vom Jahre 1821 unstreitig mehrere bedeutende Vorzüge in ihrer Organisation erhalten. Das Luthertum hat […] in der Kirchenverfassung mehr Monarchisches, Dogmatisches, Stabiles, die reformirte Kirche, besonders nach Zwingli, ist als mehr republikanisch,
dem Praktischen und Fortschreiten durch subjective Vervollkommnung geneigter zu charakterisiren. Die badische Unionsurkunde hat aus den beiderlei Eigenthümlichkeiten, mit Vermeidung der hierodespotischen Tendenz des Calvinismus, vieles Gute vereinigt, und besonders der Kirche, als einer vom Staate beschützten und daher inspicirten, aber sich doch selbst nach ihren inneren Zwecken regulirenden Gesellschaft, ihre statuarische Autonomie durch repräsentative liberale, aber auch gegen Uebertreibungen bewahrte Institutionen gesichert. Eine kurze Analyse dieses Textes aus der Feder eines zweifellos freisinnigen Korrespondenten mag in das Thema einführen. Das Luthertum – so der Anonymus – vertrat ein monarchisches, man kann wohl interpretieren: tendenziell hierarchisches Prinzip, das freilich Stabilität verbürgte. Das Reformiertentum war zweifach vertreten, zunächst durch die historisch-städtisch, d. h. kommunalistische Prägung der Zürcher Reformation Zwinglis (der Korrespondent sprach von Republik!), in der er das liberale Prinzip glücklich wieder fand: nämlich praktisches Fortschreiten in subjektiver Vervollkommnung; also ein Moment der Dynamik. Schlecht kam freilich der Calvinismus weg. Mit der Apostrophierung als „Priesterherrschaft“ (Hierodespotie) war er erledigt.
Blickt man in die Literatur, so ist die Frage „War Hebel der Vater der badischen Kirchenunion“ [*] eindeutig und positiv beantwortet. Ein Beispiel (unter etlichen), wie verfahren wird, zeigt Joachim Storck, der in einem Beitrag über Hebels Stellung zur Judenemanzipation über Hebel in einem Nebensatz zu sagen weiß, dass „der später in seinem Kirchenamt auch noch die Union der beiden protestantischen Kirchen zustandebrachte.“ Blickt man nun auf den von Storck bemühten Nachweis, so muss dafür eine Äußerung W. Zentners herhalten, Hebel sei „Mitschöpfer der Kirchenunion“ gewesen.
Einheit des religiösen Bekenntnisses im Sinne des Grundsatzes ‚religio vinculum rei publicae‘ war im Reich der Frühen Neuzeit bekanntlich Merkmal seiner ständischen Glieder, nicht des Reiches selbst. Dieses Diktum gilt gleichermaßen für diejenigen
Obrigkeiten, denen die Reichsstandschaft nicht zukam, nämlich die Reichsritterschaft. Mit Artikel 26 war sie in den Augsburger Religionsfrieden miteinbezogen worden, was § 28 des Osnabrücker Friedensinstrumentes festschrieb. Einem evangelischen
Reichsritter, der zudem über den Patronat gebot, kam folglich unbezweifelbar das Recht zu, seine Konfession und die seiner Untertanen zu bestimmen. Im Verlauf des Dreißigjährigen Krieges bildete sich dafür in der juristischen Literatur mit Ius reformandi der Terminus aus, den das Osnabrücker Friedensinstrument (IPO) erstmals reichsrechtlich rezipierte.
Im Jahr 2001 hat der Verein für Kirchengeschichte in der Evangelischen Landeskirche in Baden einen Sammelband mit dem Titel Reformierte Spuren in Baden veröffentlicht. Dieser Band widmet sich vor allem dem Versuch Markgraf Ernst Friedrichs,
1599 ein reformiertes Bekenntnis in der lutherischen Markgrafschaft Baden-Durlach einzuführen. Zwei Beiträge gehen auf die Frage ein, ob es auch heute noch reformierte Spuren in der Evangelischen Landeskirche in Baden gibt. Johannes Calvin wird in
diesem Band nur selten erwähnt. Er scheint weder im 16. Jahrhundert noch im 20. Jahrhundert eine nennenswerte Rolle in Baden gespielt zu haben.
Am 10. Dezember 1520, genau nach Ablauf jener 60 Tage, die der Papst in seiner Bannandrohungsbulle Luther und seinen Anhängern als Widerrufsfrist nach Bekanntgabe der Bannandrohungsbulle gesetzt hatte, als im Westen des Reiches und den Niederlanden bereits die Scheiterhaufen loderten, auf denen die Schriften Luthers und seiner Anhänger zu Asche wurden, verbrannten Studenten der Universität Wittenberg vor dem direkt neben dem Augustinerkloster liegenden Elstertor mehrere Exemplare des kirchlich-kanonischen Rechtes, während Luther selbst die Bannandrohungsbulle ins Feuer warf. Wir können das, was damit geschah, in seiner revolutionären Bedeutung nur ermessen, wenn wir uns daran erinnern, dass nach eben diesem geistlich-päpstlichen Recht und seinen Ordnungen die westlich-katholische Kirche seit dem Hochmittelalter strukturiert wurde und die römisch-katholische Kirche bis zum Jahr 1917 und dem Erlass des Codex iuris canonici nach diesem Recht gelebt hat.
Tritt ein Besucher – vom Marktplatz her kommend – durch das Westportal der Mosbacher Stiftskirche, so fällt sein Blick nicht auf einen lichtdurchfluteten gotischen Chor, sondern auf den spätmittelalterlichen Lettner. Er trägt die klangvolle Orgel,
deren vierteiliger Prospekt die dahinter befindliche Wand großenteils verdeckt. Im Jahr 1708 wurde diese Mauer inmitten der Kirche errichtet.
Das Staffortsche Buch ist eine im Jahre 1599 gedruckte Bekenntnisschrift des Markgrafen Ernst Friedrich von Baden–Durlach, mit der dieser seinen Übertritt zum Calvinismus rechtfertigte. Es entstand als Antwort auf das Erscheinen der Konkordienformel 1577, die durch ihre Lehrentwicklung und Festlegung auf die Confessio Augustana (CA) invariata den Reformierten den Schutz des Augsburger Religionsfriedens entzog. Ernst Friedrich konnte die Konkordienformel nicht als verbindliche Interpretation der CA anerkennen, denn damit hätte er den sicheren Boden des Augsburger Religionsfriedens verlassen. Stattdessen bestreitet er, dass die Konkordienformel sich in Übereinstimmung und Kontinuität mit der CA befinde. Das Staffortsche Buch bemüht sich dann auch, die eigene Interpretation der CA mithilfe der Bibel und der Kirchenväter zu belegen und die Abweichungen der Konkordienformel von der CA aufzuzeigen und zurückzuweisen.