Filtern
Erscheinungsjahr
Dokumenttyp
Sprache
- Deutsch (22)
Gehört zur Bibliographie
- nein (22)
Schlagworte
- Revolution 〈1848〉 (22) (entfernen)
Ein Suchbefehl im Internet brachte es rasch zu Tage: 17.200 Einträge (14. Mai 2019) beschäftigten sich mit dem Begriff „Freiheitsstadt“. Es gab einige wenige Werbungen für zu beziehende anarchistische Postkarten. Ein paar private Einträge
benannten Kapstadt und Amsterdam als Freiheitsstädte. Doch nur eine Kommune schmückte und schmückt sich mit diesem Begriff höchst offiziell: Offenburg. Um Offenburg drehen sich daher auch die meisten einschlägigen Internetbeiträge. Auf der Homepage der Stadt ist zu lesen: „Offenburg versteht sich heute als ‚Freiheitsstadt‘ […] Mit der heutigen Kultur- und Erinnerungsstätte Salmen befindet sich in Offenburg eine Wiege der Demokratie in Deutschland. Es ist das Offenburger Freiheitsdenkmal! Am 12. September 1847 versammelten sich im Gasthaus Salmen um Friedrich Hecker und Gustav Struve
die ‚entschiedenen Freunde der Verfassung‘. Diese verabschiedeten mit den Forderungen des Volkes das erste politische Programm in Deutschland, das die unveräußerlichen Menschenrechte einforderte“. Und weiter ist zu erfahren: „Die
Erinnerung an die revolutionäre Zeit hat sich im kollektiven Gedächtnis Offenburgs bis heute erhalten. Zum 150. Gedenken an die Ereignisse feierte die Offenburger Bevölkerung im Jahr 1997 über drei Tage hinweg das Offenburger Freiheitsfest. Mit dem jährlich am 12. September stattfindenden Salmengespräch und dem Freiheitsfest wird an die Verabschiedung der 13 Forderungen des Volkes durch die ‚entschiedenen Freunde der Verfassung‘ erinnert.“
Josef Ignaz Peter, der aus Achern stammende Justizminister der badischen Revolutions-Regierung, floh 1849 in die Schweiz. Auf Betreiben der Großherzoglich Badischen Regierung verwiesen die Eidgenossen den am 9. April 1850 zu 20 Jahren Zuchthaus Verurteilten ihres Landes. Über Straßburg floh Peter weiter nach Paris. Dort lebte er von Juni 1850 an in ärmlichen Verhältnissen. 1854 erlaubte ihm der Kanton Thurgau, nach Frauenfeld zu seiner mit dem Arzt Dr. Konrad Reiffer verheirateten Tochter Emma zu ziehen, wo er auch seine Frau und seine unverheiratete Tochter Maria fand. 1862 erließ ihm Großherzog Friedrich den Rest der Strafe. Josef Ignaz Peter starb am 19. September 1872 in Achern im Alter von 83 Jahren. Die kinderlos gebliebene Emma Reiffer hinterließ den Nachlass ihrer Eltern den Kindern der Schwester ihres Vaters, Helene Peter. Die Papiere, welche an die „Mina" genannte Cousine Anna Wilhelmine verheiratete Blaß in Freiburg gelangten, befinden sich heute als Dauerleihgabe im Staatsarchiv Freiburg. Andere Papiere kamen an Minas fünf Jahre älteren Bruder, den Achemer Handelsmann und späteren Bürgermeister Franz Peter, in der Folge an dessen Tochter Marie Helene verheiratete Gerner. Darunter befinden sich 13 Briefe Helene Peters von März 1848 bis Januar 1851 an Tochter Mina und Schwiegersohn Konrad Blaß in Freiburg. Sie lassen noch heute die Nöte und Sorgen jener Jahre spüren.
Am 5. April 1852 erschienen auf der Amtsstube in Rheinbischofsheim fünf ärmliche Personen aus Freistett. Voller Ehrfurcht und Bescheidenheit trugen Georg Klotter, Georg Walter, Philipp Schmidt, David Fischer und Georg Müller, allesamt Landwirte, dem Oberamtmann ihr Anliegen vor. Sie wollten mit ihren Familien ihre alte Heimat verlassen und in der Fremde, in Nordamerika, ihr weiteres Glück suchen. Dafür benötigten sie nur noch die obrigkeitliche Erlaubnis. Mit ihrer Heimatgemeinde seien sie - so die Auswanderungslustigen gegenüber dem großherzoglichen Beamten - bereits handelseinig geworden. Diese habe sich bereit erklärt, die Überfahrtskosten zu tragen, von Freistett bis Mannheim mit Pferdewagen und Eisenbahn, von Mannheim bis Rotterdam mit Rheindampfschiffen und von Rotterdam bis New Orleans mit dem Segelschiff. Darüber hinaus habe der Gemeinderat wie der Große Bürgerausschuss beschlossen, jedem Familienvater für die Weiterreise von New Orleans in das Innere des Landes vier Dollar pro Familienmitglied zu geben, um den Start in der neuen Welt etwas leichter zu gestalten.
Zu Ostern im letzten Kriegsjahr des Ersten Weltkriegs erreichte 1918 das Städtische Museum in Offenburg eine ungewöhnliche Postsendung. Das Päckchen war abgesendet worden „ von einem alten Offenburger aus den 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts, der seine ersten Unterrichtsjahre an der dortigen Volksschule und Gymnasium erhalten hat, der stets gerne jener Zeiten gedenkt, der heute mit hoher Verehrung das Emporblühen der Stadt Offenburg sympathisch begrüßt". Auf einem ebenfalls beigefügten bräunlichen Foto signiert der Absender als „Gebhard Gagg, Maler und Historiker in Konstanz, Ritter vom Zähringer Löwenorden, aetatis suae 80 J. 1918". Zu sehen ist er auf der Postkarte als eine lesende Gelehrtengestalt vor einer Fensterbank mit wallender Mähne im Gerhard-Hauptmann-Stil.
Im Jahre 1844 wurde nach nur vier Amtsjahren überraschend der hoch angesehene Direktor des Offenburger Gymnasiums,
Professor Franz Weißgerber, durch Erlass des Großherzogs in Karlsruhe entlassen. Er hatte 1840 als dienstältester Professor
die Stelle von seinem Amtsvorgänger Professor Josef Scharpf, dem ersten Direktor des neuen großherzoglich-badischen
Gymnasiums (1832-40), übernommen und sie jahrelang mit innovativer Energie und Weitblick ausgefüllt. Er war auch verantwortlich für die Organisation der großen Offenburger Jubiläumsfeierlichkeiten zum 25-jährigen Bestehen der badischen Verfassung im Jahre 1843, einer Art erstem Freiheitsfest in der mittelbadischen Kleinstadt. Die Rede, die Weißgerber damals als Leiter des Festkomitees in der Schulaula des Gymnasiums, dem Bankettsaal des „Salmen", gehalten hat, war den vor Ort mithörenden Spitzeln des Großherzogs offensichtlich zu weit gegangen: Weißgerber war als führender Vertreter der städtischen Liberalen auch entschieden für die verfassungsmäßigen Rechte das Volkes eingetreten, - er wurde an das Lyzeum im residenznahen Rastatt strafversetzt. Ehe er hier an dem festungsgesicherten neuen Schulort seinen Dienst antrat, musste er sich in seiner ersten Amtshandlung schriftlich verpflichten, als Staatsdiener „dem Großherzog getreu, hold und gehorsam" zu sein.
Die Zivilkommissare von 1849 in der Baar – Repräsentanten der Revolutionsregierung in Baden vor Ort
(2001)
Die Zivilkommissare waren ab Repräsentanten und Vertrauensmänner der Revolutionsregierung zwischen Mitte Mai bis Ende Juni 1849 in allen Bezirksämtern Badens vertreten. Sie sollten dafür sorgen, dass die Staatsbeamten die Verordnungen und Gesetze aus Karlsruhe in ihren Amtsbezirken durchführten. Zu den zentralen Aufgabenfeldern zählten einerseits die Kontrolle der zivilen Bürokratie, andererseits der Aufbau der Volkswehren in den Gemeinden. Ihre Arbeit diente dem Zweck, die republikanischen Errungenschaften im Land zu konsolidieren. Die Politik der demokratischen Erneuerung sollte mit ihrer Hilfe über Karlsruhe hinaus bis in die untere Ebene der Staatsverwaltung transportiert werden. Zivilkommissare sollten somit die Revolution in Baden vor Ort umsetzen.
Aus Anlass des Jubiläums schien es angezeigt, im Sinne der politischen Erinnerungskultur badischer Geschichte an einige historische Daten zu erinnern, die besonders im 18. und 20. Jahrhundert, die Modellhaftigkeit der Politik in Baden zeigen. Zum 60. Geburtstag Baden-Württembergs hat sich die Landeszentrale für politische Bildung entschlossen, einen Jubiläumsband unter dem Titel "Baden-Württembergische Erinnerungsorte" herauszubringen. Die acht ausgewählten Ereignisse des vorliegenden Entwurfes beschäftigen sich dagegen mit politischen Ereignissen, die zeigen, dass Baden zu seiner Zeit, jeweils "eine Spanne voraus" war. Den Texten wurden zur besseren Erschließung des Kontextes biografische Skizzen und Literaturangaben beigegeben.
Aus Platzgründen veröffentlichen wir in dieser Ausgabe nur die ersten vier Erinnerungsgeschichten.
Der Beitrag untersucht die zentralen programmatischen Stellungnahmen der badischen Revolutionäre aus den Jahren 1848/49 unter der Fragestellung, welche staatspolitischen Ziele sie verfolgten und welche Bedeutung nationale und regionale Perspektiven in diesem Kontext hatten. Der Schwerpunkt liegt dabei im Mai und Juni 1849, als es den badischen Revolutionären zunehmend schwerer fiel,
Konzepte für eine Republikanisierung Deutschlands zu entwerfen, und folglich ein badisches Sonderbewusstsein stärker zur Geltung kam.
»Es blüht im Lande Baden, ein Baum gar wunderbar ... « tönt es auf der Freitreppe des Offenburger Salmen. Eine stattliche Zahl von Sängerinnen und Sängern stimmt aus vollen Kehlen Hoffmann von Fallerslebens Liedtext »Zu Badens Verfassungsfeier 22. August 1843« mit Begleitung der Stadtkapelle an. - Es ist Generalprobe, Freitagabend unter freiem Himmel, einige Schaulustige, letzte Regieangaben, musikalische Korrekturen und etwas Lampenfieber, denn in zwei Tagen beginnt der Freiheitstag in den engen Gassen rund um den Salmen. Und die Proklamation der dreizehn »Forderungen des Volkes in Baden« will am Originalschauplatz mit Verve nachempfunden sein.
»Wer sich auf die Suche nach dem »wirklichen« Hecker macht, muss zunächst einmal zwischen dessen eigener Biographie und dem Kult, der um seine Person, vor allem aber um seinen Namen betrieben wurde, fein säuberlich unterscheiden, um am Ende vielleicht wieder festzustellen, dass sich beide Seiten mitunter nicht trennen lassen, weil der Kult unweigerlich auf die Biographie zurückwirkte.
Johannes Grützke (*30.9.1937)
Dreiteiliges Majolika-Relief
»Morgen brechen wir auf« ( 1997 /98)
(2011)
Hecker kam am 11. April 1848 nach Konstanz. Konstanz und der Seekreis waren eine Hochburg der Liberalen und Demokraten. Am 8. April 1848 ließ Karl Mathy Joseph Fickler, den Herausgeber der »Seeblätter«, verhaften. Nach
der Verhaftung Ficklers waren Friedrich Hecker und Gustav Struve nach Konstanz gereist. Hecker verfasste im Gasthaus »Zum Badischen Hof« (Hussenstraße 13) einen Aufruf an das Volk. Er endete mit den Worten: »Sieg oder Tod für die deutsche Republik! Konstanz im April 1848. Der provisorische Volksausschuss«.
In Weinheim, so gab der Weinheimer
Schuhmacher Valentin Leonhard am 1. Mai
1855 in einem Verhör vor dem Heidelberger
Stadtdirektor Wilhelmi zu Protokoll, hätten
„die liberalen Sachen“ in den „dreißiger
Jahren“ begonnen. Diese „liberalen Sachen“
und die „liberale Parthei“, von der Leonhard
weiter sprach, werden uns noch zu beschäftigen
haben.