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Jeder, der nach Ottenheim kommt, kann es schon von weitem erkennen: Hier hat sich was verändert, der nadelspitze Kirchturm ist wieder zu sehen. Als Silhouette im Gegenlicht, spiegelnd im Sonnenlicht, matt glänzend im Mondschein oder nur schemenhaft im Nebel. Mit dem wiedererstandenen Kirchturm ist auch das Landschaftsbild ein anderes. Es ist immer wieder verblüffend, von wo aus der Turm in der Landschaft auszumachen ist. Ottenheim hat wieder sein Wahrzeichen und ist damit wieder eine Landmarke im Ried. Der Wiederaufbau des historischen Turmhelms der Ottenheimer Michaelskirche, der bis im Frühjahr 1945 über viele Jahrhunderte Teil der Dorf- und Baugeschichte war, hat die zentrale Fläche in der Ottenheimer Dorfmitte städtebaulich nachhaltig verändert. Den Kirchturm wieder aufzubauen, wie er mehrere Jahrhunderte das Bild des Dorfes und die Landschaft des Rieds prägte, war eine immer spürbare Sehnsucht innerhalb der Bevölkerung gewesen. Dass die Kirche ihren nadelspitzen Turmhelm wiederbekommen hat, ist jedoch mehr als nur die Rückgewinnung eines region- und dorfbildprägenden Kirchturms. Hier in der Ottenheimer Dorfmitte fand vor den Augen der gesamten Öffentlichkeit das Gestalten von Zukunft auf der Basis von Vergangenheit statt. Jetzt ist der Kirchturm wieder Wahrzeichen des Dorfes, ragt 60 Meter in den badischen Himmel, führt jeden Ortsunkundigen zielsicher zur neu gestalteten Dorfmitte und ist wieder wie ein Fingerzeig, der den Weg zu Gott weist.
Vor genau 200 Jahren brach in Europa, aber auch in Nordamerika eine
schreckliche Hungersnot aus. Die Menschen im Kraichgau litten ebenfalls sehr
unter dieser Katastrophe.
Die Not schien damals nicht enden
zu wollen. Denn die Anfangsjahre des
19. Jahrhunderts waren für die Menschen schon hart genug: „Vielfaltig lag
die Not über allem deutschen Land. Sie
war heraufgeführt durch die napoleonischen Kriege und durch die während
der Befreiungskriege erfolgten Durchmärsche und Einquartierungen deutscher, österreichischer und russischer
Heeresmassen. Das Land wurde durch
Lieferungen für die Heere und Kriegssteuern ausgesogen; eine große Verarmung besonders der unteren Volksschichten und eine weitgehende Verschuldung der Gemeinden waren die
Folge. Um das Unglück und Volksleid
voll zu machen, trat, nachdem die Jahre
1814 und 1815 bereits magere waren,
im Jahre 1816 ein nahezu vollständiger
Misswuchs ein, der ganz Mitteleuropa
heimsuchte und eine ungeheure Teuerungsnot verursachte, die bis zur Ernte
des Jahres 1817 anhielt.