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Mittlerweile hat es sich zu einem weit über die Region hinaus bekannten Anziehungspunkt in dem an historischen Stätten gewiss nicht armen Heidelberg entwickelt: das Friedrich-Ebert-Haus rund um die Geburtswohnung des ersten Reichspräsidenten in der Pfaffengasse 18. Das Haus, ein Altstadtgeviert mit Innenhof, wird von der Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte getragen, die am 19. Dezember 1986 durch Beschluss des Deutschen Bundestages, gegen die Stimmen der Grünen, errichtet wurde. Der bundesunmittelbaren Stiftung obliegt nach dem Gründungsgesetz die
Aufgabe, „das Andenken an den ersten deutschen Reichspräsidenten Friedrich Ebert zu wahren und einen Beitrag zum Verständnis der deutschen Geschichte seiner Zeit zu leisten“. Die Initiative zu einer nationalen Gedenkstätte ging von der Stadt Heidelberg und der Friedrich-Ebert-Stiftung (Bonn) aus, die 1983 eine - Anfang 1986 erweiterte - Projektgruppe ins Leben riefen. Das Vorhaben stieß bei der politischen Linken auf Kritik, gipfelnd in dem Verdikt eines GAL-Vertreters, dass Ebert „für die Demokratie eine Flasche“ gewesen sei. Ungeachtet solcher verbaler Fehltritte öffnete das Friedrich-Ebert-Haus am 11. Februar 1989, dem 70. Jahrestag der Wahl Eberts zum Reichspräsidenten, mit der Ausstellung „Friedrich Ebert - Sein Leben, sein Werk, seine Zeit“ die Tore.
Am Anfang der dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts gab es in Heidelberg drei Synagogen: in Rohrbach (seit 1845), in der Großen Mantelgasse (seit 1878) und in der Plöck (seit 1932). Sowohl in der Goßen Mantelgasse wie am Rohrbacher Rathausplatz erinnern Gedenksteine an diese, bald nach dem Novemberpogrom 1938 abgebrochenen, Gebäude. Keinerlei Hinweis oder Gedenken gibt es für die Synagoge in der Plöck. Es ist auch schwierig, sich dort einen Gedenkort vorzustellen, denn auf dem Gelände, wo die Synagoge sich befand, steht der massive Gebäudekomplex des Kaufhofs.
Als Kind nahm mich eine Mutter 1953 ins Buchhorn-Kino in Friedrichshafen mit. Dort wurde an einem Sonntag ein Film über die Krönung Elisabeths II. gezeigt. Meine Leidenschaft für den Film war entbrannt. Die Kinos signalisierten durch ihre Namen eine andere Welt in dieser kleinbürgerlichen Stadt: Scala, Rex, Capitol. Aber da war noch ein besonderes: das Cinéma. Da Friedrichshafen nach Ende des Zweiten Weltkriegs in der französischen Besatzungszone lag, war es Garnisonsstadt mit einigen Tausend Soldaten und eigener Infrastruktur: Supermärkte, Wohnblocks - und ein Kino: das
Cinema. Für uns Jugendliche gab es schon seit den 6oer Jahren die wunderbare Einrichtung „Jugendfilm“, besondere Filme donnerstags im Rex. Und wir schlichen uns ins Cinéma und sahen mit großem Erstaunen Filme der Nouvelle Vague (Jean-Luc Godard, Franc;ois Truffaut und die anderen). Als ich im Wintersemester 1967 zum Studium nach Heidelberg kam, war das GloriaKino noch kein „Cinéma d'art et d'essai", sondern dort spielte man Itala-Western ab. Das Gloriette war noch nicht wieder zum Kino geworden. Anfang der 70er veränderte das Gloria seine Programmstruktur. Der Pächter, Hans Fritsche aus Leutershausen, hatte erkannt, dass mit anspruchsvollen Filmen in einer Studentenstadt Geld zu verdienen ist. Die Sponti-Bewegung entstand, und mit ihr die Zeitschrift „Carlo Sponti“, gegründet 1973 bei den Germanisten-Spontis aus dem Arbeitskreis Sozialistischer Hochschulgruppen und dem Collegium Academicum (CA) heraus.
Das versteckte Gebäude
(2013)
Durch einen weitläufigen Park nähere ich mich dem Gebäude. Dessen Größe ist schlecht einschätzbar, da es zum Teil von Büschen und Bäumen verdeckt ist. Ich umrunde es: es ist ein rechteckiger Bau und im Verhältnis zur horizontalen Ausweitung relativ flach. Trotz hoher Verglasungen auf allen vier Seiten, die den Blick ins Innere ermöglichen, lässt sich die Nutzung schwer einschätzen. Ist es ein Bürogebäude? Oder eine sogenannte „gläserne“ Fabrikhalle?
Der Bierhelderhof
(2013)
Er ist einer der Lieblingsorte der Heidelberger. Seit alters liegt er auf einer Rodungsinsel nordöstlich über dem ehemaligen Dorf Rohrbach inmitten seiner Wiesen und Felder. Noch ist er rings von Wald umgeben, und von seiner Terrasse aus kann man, unter hohen Platanen und Kastanien sitzend, den schwarzen Angusrindern beim Weiden zusehen, das preiswerte Angebot des Wirtes nutzen und sich mitten in Heidelberger Gemarkung auf dem Lande fühlen.
Betritt man, von der S-Bahn-Station Wieblingen/Pfaffengrund her kommend , den Stadtteil Pfaffengrund, so fällt einem am Kurpfalzring linkerhand ein eigentümliches, in seinen Proportionen harmonisch wirkendes Gebäude mit einer Natursteinfassade ins Auge, das, umgeben von Lagerhallen und Produktionsstätten, fast fremdartig wirkt und in seiner architektonischen Gestaltung aus den gesichtslosen Zweckbauten des Gewerbegebietes herausragt. Das etwas versteckt hinter Bäumen liegende Bürogebäude, das von einem gepflegten Gartenstück umgeben wird und nahezu freisteht,
beherbergt heute die Hauptverwaltung der Firma Gaster Wellpappe, einem überregional tätigen Unternehmen mit Niederlassungen in mehreren deutschen Städten.
Die Aussage der „Laden ist geöffnet“ bedeutet heute „das Geschäft ist geöffnet“. Man nennt ein Geschäft auch einen Laden, man spricht von Bäckerladen, Kramladen, Ladenöffnungszeiten usw. Seinen Ursprung hat diese Bezeichnung im Fensterladen, einem Gebäudedetail, dessen Bedeutung sich verschoben bzw. erweitert hat. Wie es zu diesem Wandel kam, lässt sich an einem Häuschen an der Heiliggeistkirche heute noch nachweisen und verstehbar machen. Im Mittelalter waren Märkte, Marktplätze der zentrale Verkaufsort. Dort boten Handwerker und Händler auf Tischen, an Ständen und unter Schirmen ihre Waren an. Innerhalb der Stadtmauern war so wenig umbauter Raum vorhanden, dass in den Häusern selbst meist nur gewohnt und gearbeitet wurde. Allenfalls verkaufte man zum Fenster hinaus. Dann entwickelten sich an den Häusern um die Märkte herum Vorbauten bzw.
Arkadengänge, die einen wettergeschützten Verkauf erlaubten, wie es Michael Hesse in seinem „Handbuch der neuzeitlichen Architektur“ kürzlich beschrieben hat. Diese Entwicklung ist in Heidelberg nicht bekannt.
Der Chor der Peterskirche
(2013)
Drei Stufen führen zum Chor, gleich rechts gelangt man über weitere Stufen zur schmalen Tür der Sakristei. Die Bauhistorikerin spricht von einem zweijochigen Chor mit einem 5/8-Abschluss. Dieser Teil der Peterskirche steht bis zum Kranzgesims am Außenbau in den Umfassungsmauern des kurz vor 1496 vollendeten spätgotischen Neubau. Der Terrazzo-Boden des 19. Jahrhunderts weist ein schwarz-weißes Muster auf. Die Wände sind seit der Innenrenovierung des Jahres 2005 in einem hellen Muschelkalkton gestrichen, die architektonischen Gliederungen in lichter Terrafarbe gefasst. Durch sieben Fenster fällt Tageslicht herein.
Das Neckarwehr Wieblingen
(2013)
Das Neckarwehr oberhalb von Wieblingen wird heute wohl in erster Linie als günstig gelegene Brücke für Radfahrer und Fußgänger wahrgenommen, denn anders als bei der Staustufe und Schleuse am Karlstor erschließt sich der Zweck des Bauwerks nicht auf den ersten Blick. Das zwischen 1921 und 1924 errichtete Wehr ist Teil der Staustufe Wieblingen und eine der ältesten Anlagen des sogenannten Neckarkanals. Die gesamte Staustufe besteht aus dem Wehr, dem rund 5,2 Kilometer langen Seitenkanal am rechten Neckarufer, der Schleuse beim Schwabenheimer Hof und zwei Wasserkraftanlagen, dem Hauptkraftwerk bei der Schleuse sowie einem kleineren Ergänzungskraftwerk beim Wehr am linken Ufer. Charakteristisch für die Anlage sind die sieben Wehrpfeiler aus Beton mit den aufgesetzten gemauerten Windenhäusern, in denen sich die Antriebe der Walzenwehre befinden, sowie der 250 Meter lange Steg, eine Fachwerkkonstruktion aus Schmiedeeisen. Entworfen wurde das Wehr von dem Architekten Adolf Abel (1882-1968}.
Das Rohrbacher Schlösschen
(2013)
Etwas versteckt im Park der Rohrbacher Thoraxklinik liegt ein bau- und kulturgeschichtliches Kleinod: das „Rohrbacher Schlösschen“. Es dient der Klinik heute als Kongress- und Repräsentationsgebäude und ist deshalb der Öffentlichkeit weitgehend entzogen. Aber vom öffentlich zugänglichen Park ist wenigstens ein Blick auf das schöne Gebäude möglich. Seine abwechslungsreiche Geschichte ist ihm dabei nicht anzusehen. Diese umfasst 243 Jahre und neun Stationen.
1868 kamen die Heidelberger Kaufleute Johann Martin Werner, Wilhelm Bröckelmann, Louis Werner, der Lehrer Abraham Röckh, der Verleger Karl Winter und Pfarrer Wilhelm Frommel zusammen zur Gründung „eines Evangelischen Vereins zur Fürsorge für sonntägliche Erbauung auf dem Grunde der heiligen Schrift und der reformatorischen Bekenntnisse“ (Festschrift S. 26). Vorangegangen war ein langer Streit innerhalb der Heidelberger evangelischen Kirche: Die Mehrheit vertrat die „liberale“ Richtung, d.h. Jesus wurde vorwiegend als edler Mensch gesehen. Dagegen wandte sich
die Gruppe der sog. „Positiven“, der die Geltung der HI. Schrift und der Bekenntnisse wichtig war. Eine ausführliche Darstellung jener kirchlichen Verhältnisse, die letztlich zur Gründung der Kapelle geführt haben, ist 1926 erschienen (Nieden).
Mönchhofstraße 12
(2013)
Jeder, der die Mönchhofstraße von der Brückenstraße kommend entlang geht oder fährt, wird bald auf der rechten Seite - es ist die Hausnummer 12 - ein großes Grundstück mit einer stattlichen Villa bemerken. Hier befindet sich das „Astronomische Rechen-Institut Heidelberg“. Sichtlich hat man irgendwann mehr Raum benötigt und in den Garten einen etwas banalen, aber bestimmt sehr zweckmäßigen zweiten Bau gestellt. Außerdem gibt es noch einen kleinen etwas einsamen Pavillon als Rest einer Gartenanlage. Ob diejenigen, die hier arbeiten, wissen, wer die früheren Bewohner dieses Grundstücks waren? Ich möchte von ihnen erzählen: auch ich wohne in der Mönchhofstraße und komme fast täglich an der Nummer 12 vorbei. Das erklärt vielleicht das fast persönliche Interesse, das ich an ihnen habe. Der Name des Max Freiherrn von Waldberg steht auf der Gedenktafel in der Alten
Universität für die im Dritten Reich vertriebenen Hochschullehrer. Dass er der Doktorvater von Joseph Goebbels war, hat ihn vor diesem Schicksal nicht bewahrt.
Beethovenstraße 39
(2013)
Die Beethovenstraße in Handschuhsheim verläuft von der Blumenthalstraße bis zum Kapellenweg. An ihrem Anfang, in der Nähe der feinen Blumenthalstraße, stehen einige stattliche Villen aus der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg. Im weiteren Verlauf der Straße baute die „Siedlungsgesellschaft Badische Pfalz“ zwischen 1920 und 1924 zahlreiche Reihen- und Doppelhäuser. In diese zogen sowohl kleine Beamte als auch einige Hochschullehrer - jedoch nur Mitglieder des „unoffiziellen“ Lehrkörpers, die nicht verbeamtet waren, sondern in ungesicherten Beschäftigungsverhältnissen standen. In das gerade fertig gestellte Haus Nr. 39 zog vor 90 Jahren der frisch habilitierte Statistiker Emil Julius Gumbel (1891-1966). In der Nachbarschaft mieteten sich weitere Privatdozenten ein, die alle in den 1890ern geboren, 1923/24 also um die 30 waren und bei denen ebenfalls ihre lange Ausbildung, hohe Qualifikation und Spezialisierung im Widerspruch zu ihrem geringen Gehalt und ungesicherten Status standen. Zu ihnen gehörten Gumbels einziger Freund im Heidelberger Lehrkörper, der Orientalist Albrecht Götze (Nr. 44), oder der Musikhistoriker Hermann Halbig (Nr. 45), wie Gumbel ein Nonkonformist, der Jurist Ernst v. Hippel ( Nr. 51), aber auch der Anatom August Hirt (Nr. 57). Hirt - ab 1933 Mitglied der SS - stieg im Dritten Reich zum ordentlichen Professor der Anatomie auf und war maßgeblich an abscheulichen Menschenversuchen in Auschwitz beteiligt.
lngrimstraße 8
(2013)
Keine Gedenktafel erinnert bisher in der lngrimstraße 8 daran, dass der jüdische Finanzier Joseph Süß Oppenheimer (1698-1738), Opfer eines Justizmordes, hier, mitten in der Altstadt, aufgewachsen ist. Sein tragisches Schicksal wurde gleich nach seinem Tod durch hämische Flugblätter und Traktate instrumentalisiert und vermarktet, was bis in unsere Zeit nachwirkte und hasserfüllte antijüdische Legenden weiter verfestigte. Erst ab 1918 waren die Verhörprotokolle im Hauptstaatsarchiv Stuttgart, in denen sich Süß zu seiner Person äußerte, der Öffentlichkeit zugänglich und ließen eine Korrektur der bisherigen Darstellung zu.
Fauler Pelz
(2013)
Wer auf dem Weg zum Schloss die hintere Altstadt zu Fuß durchquert wird vielleicht einen kurzen Blick auf dieses einfache wie ein Kasten gebaute Gebäude werfen, das ein Lagerhaus sein könnte, aber mit seinen kleinen vergitterten Fenstern doch seine eigentliche Bestimmung verrät. Es handelt sich um das Gefängnis, das von den Heidelbergern nur „Fauler Pelz“ genannt wird. Angeblich rührt der etwas seltsame Name, den es aber auch in anderen Städten, zum Beispiel in Überlingen, gibt, daher, dass sich hier früher das Gerberviertel befand.
„Willst du ein Leben lang glücklich sein, dann leg' einen Garten an!“ Nach dieser alten chinesischen Weisheit handelte wohl auch der kurpfälzische Revisionsrat und Universitätsrektor Johann Philipp Morass, als er sich zu Beginn des 18. Jahrhunderts an Stelle der 1693 im Großen Brand zerstörten „Elenden Herberge“ ein barockes Palais mit dazugehöriger Parkanlage mitten in der Stadt errichten ließ. Seit mehr als hundert Jahren befinden sich in dem nach dem Bauherrn genannten Palais Morass und den in späterer Zeit hinzugekommenen Anbauten die Sammlungen des Kurpfälzischen Museums. Der ehemals barocke Garten hat heute eher Züge eines botanischen Gartens. Im Herzen der Altstadt gelegen, macht er den Wandel in der Geschichte Heidelbergs auf subtile Art und Weise spürbar.
Am 2. April des Jahres 1936 besuchte gegen 12 Uhr eine Gruppe Couleur tragender flämischer Studenten das Gasthaus „Zum Roten Ochsen“. Ein am Nebentisch sitzender Student stand auf und richtete eine längere Ansprache an die ausländischen Gäste, die er offenbar für deutsche Studenten hielt. Er freue sich, dass es auch im Dritten Reich noch Personen gäbe, die Couleur trügen, und machte keinen Hehl aus seiner kritischen Haltung gegenüber den „Segnungen des sogenannten Dritten Reichs“. Die ausländische Gruppe befand sich jedoch in Begleitung eines Studenten des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes (NSDStB), der zunächst wohl vergeblich versuchte, sie von der Rede abzulenken. Schließlich führte er den Redner hinaus und verlangte seinen Namen, der recht bereitwillig mit „Ebberegg“ angegeben wurde. Den Hinweis, dass sein Verhalten in dieser Form untragbar gewesen sei, kommentierte Student „Ebberegg“ lapidar mit den Worten „dann hätten wir uns also blamiert“. Wenig später schrieb der Kommilitone des NSDStB an den Hochschulgruppenführer Kreuzer, er habe „bis heute keine Schritte unternommen, um die Angelegenheit auf waffenstudentische Art auszutragen“ und bitte um die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen „Ebberegg“, da dieser auf ihn „auch persönlich einen sehr schlechten Eindruck macht und auf jeden Fall eine sehr bedenkliche politische Einstellung hat“.
Unser Weg in das Haus Cajeth
(2013)
Ende 1949 war ich aus Magnitogorsk, aus russischer Kriegsgefangenschaft, in meine Heimatstadt Leipzig entlassen worden. Im Sommer 1950 habe ich den Weg in den Westen angetreten. 1957 gründete ich in Eberbach am Neckar meine erste Buchhandlung. In meiner zweiten, der (Hinter-)Hofbuchhandlung, eröffnete ich 1965 eine Galerie mit einer Ausstellung von graphischen Arbeiten von Christoph Meckel. 1970 entdeckte
ich bei einem befreundeten Maler ein Bild einer ostpreußischen Bäuerin, das mich irritierte. Es war ein Bild von großer Schlichtheit. Minna Ennulat hatte einen Sonntagmorgen gemalt, an dem in der sommerlichen Landschaft ihrer verlorenen Heimat die Bauern unterwegs waren zur Kirche von Rogalen.
Museum Sammlung Prinzhorn
(2013)
Vor 12 Jahren bezog die Sammlung Prinzhorn ihr Domizil in dem ehemaligen Hörsaalgebäude der Neurologie, ehemals der medizinischen Klinik. In einem eigenen Museum sind seit 2001 die beeindruckenden Kunstwerke von „Geisteskranken“ und Psychiatrie-Erfahrenen zu sehen. Die Sammlung und das Ausstellungsgebäude blicken auf eine gemeinsame Geschichte, die hier in einzelnen Bildausschnitten beleuchtet wird.
Konversionen der Villa Krehl
(2013)
Konversion ist das Wort des Jahres 2013 in Heidelberg. Es wurde sogar ein besonderer Konversionsausschuss gegründet, der sich ausschließlich mit der Konversion der US-Liegenschaften befasst und die Arbeit der übrigen Ausschüsse des Gemeinderats entlasten soll. Aber Konversionen gab es schon immer in einer Gemeinde, die sich lebendig weiter entwickelt. Das wird am Beispiel der Villa Krehl in der Bergstraße deutlich. Wohl kein Gebäude in Heidelberg hat in seiner Geschichte derart intensive Veränderungen in seinen Funktionen erlebt wie diese prächtige Privatvilla, die 1910-12, also vor 100 Jahren, von dem bekannten Architekten Friedrich Ostendorf für den Heidelberger Mediziner Ludolf von Krehl und seine aus Russland stammende Ehefrau Elisabeth Frohne, geb. König, errichtet wurde.
Neben der inneren und äußeren Friedenssicherung war die Versorgung der Bürger mit den Grundgegebenheiten des täglichen Lebens die Hauptaufgabe der mittelalterlichen und der neuzeitlichen Kommunen. Wasser spielte dabei eine besondere Rolle. Man konnte es aus tief gegrabenen Brunnen gewinnen, aus Flüßen oder Bächen schöpfen, seit dem Spätmittelalter auch durch komplizierte Hebewerke in die Städte leiten. Mit welchem System auch immer eine mittelalterliche Stadt sich mit dem notwendigen Wasser versorgte, die Stadt war ein genossenschaftlicher Personenverband und auf die
aktive und verantwortliche Beteiligung der Bürger am Gemeinwesen angewiesen. In entsprechender Weise waren alle kommunalen Aufgaben geregelt, wobei dem Stadtregiment eine organisatorische und planerische Leitung zukam. Dieses ist in Heidelberg deutlich zu erkennen.
Es ist der stillste Ort, unscheinbar, übersehbar, wie damals, 1701, als in dem oft kalten und schattigen Tal hinter dem Klingentor den Heidelberger Juden ein aufgelassenes Grundstück als Friedhof überlassen wurde. Ein Platz, der wie die kurfürstliche Regierung befand, „von der Stadt aus wenig und von der Kaserne aus gar nicht gesehen werden kann, an keiner Straße gelegen und sonst niemand hinderlich oder verdrießlich ist.“ (Löwenstein, 1895, S. 135) 1988 habe ich - aus Anlass einer Stadtführung zum Gedenken an die Pogromnacht 1938 - diesen alten jüdischen Friedhof am Klingenteich erstmals wahrgenommen. Der Frankfurter Kantor und Lehrer Benno Szklanowski führte uns leise und kundig zu den damals schon beträchtlich verwitterten Gräbern, deren hebräische Inschriften er übersetzt, zum Teil rekonstruiert und nach ihren biblischen Quellen dokumentiert hatte. Viele Führungen im Rahmen des Geschichtsvereins folgten, zu jeder Jahreszeit, für immer staunende Besucher, die das hinter einer Mauer versteckte, auch vom Graimbergweg herab nur schwer erkennbare Gelände nie zuvor betreten hatten.
Diese Veröffentlichung ist dem Gedenken an Dr. Manfred von Schickfus gewidmet, der bis zum Beginn seiner Erkrankung am Kirchhoff-Institut für Physik der Universität Heidelberg arbeitete. Ende Januar vergangenen Jahres nahm er Kontakt zu mir auf, angeregt durch meinen Vortrag über den Denkmalstreit um das Heidelberger Schloss im Königssaal am 25. Januar 2012. Er berichtete, dass sein Urgroßvater, Adolf von Oechelhäuser, Notizen hinterlassen habe und fügte einen von ihm transkribierten Auszug bei, der sich auf den Denkmalstreit um das Heidelberger Schloss bezieht. Wir sprachen darüber, die Notizen zu veröffentlichen. Zur geplanten Sichtung des gesamten Dokuments mit ihm zusammen kam es indessen nicht mehr: Dr. von Schickfus verstarb am 8. Dezember desselben Jahres, an seinem 72. Geburtstag. Seine Witwe Antje von Schickfus war so freundlich, den Abdruck des Auszugs zu genehmigen.
Der Universitätsplatz
(2013)
Am Ort selbst sind es zwei Gedenktafeln, die Hinweise zur Geschichte dieses Platzes liefern. Die eine - 1983 im Boden verankert - erinnert an Martin Luther und „seinen Aufenthalt im Kloster der Augustiner und an seine Heidelberger Disputation am 26. April 1518“. Auf der anderen - eingeweiht im Jahr 2011 - findet sich das Lessing-Zitat „Was einmal gedruckt ist, gehört der ganzen Welt. Niemand hat das Recht, es zu vertilgen“. Gedacht wird damit an die auf dem Universitätsplatz durch den Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbund im Mai 1933 organisierte und ausgeführte Bücherverbrennung.
Der Europäische Hof
(2013)
Ein Hotel ersten Ranges ist ohne Zweifel seit seiner Gründung im Jahre 1865 „Der Europäische Hof“, das Hotel Europa in Heidelberg. Wenn es ein Hotel in der Stadt gibt, das annähernd als so geschichtsträchtig betrachtet werden kann wie die Stadt selber, obwohl es doch noch so jung im Vergleich da steht, dann ist es das Haus in der Friedrich-Ebert-AnIage.
Die Zwingerhalle
(2013)
1872-74 wurde die Zwingerhalle (heute Zwingerstraße 3-5) auf dem ehemaligen Grund des Deutschen Ritterordens erbaut, der seit dem 13. Jahrhundert in Heidelberg ansässig war. Von der historischen Bedeutung des Areals Zwingerstraße / Kettengasse zeugt noch heute das am östlichen Giebel der Zwingerhalle angebrachte und aus rotem Sandstein gearbeitete Wappen des Pfalzgrafen Franz Ludwig (1664-1732). Dieser hatte mehrere
Bischofsämter teils auch gleichzeitig inne, so war er Fürstbischof von Breslau, Kurfürst und Erzbischof von Trier und Mainz, Bischof von Worms, aber er war auch Großmeister des Deutschen Ordens.
Das Heidelberger Rathaus birgt eines der wenigen Beispiele großformatiger profaner Glasmalereien mit figürlichen Darstellungen aus der Zeit Anfang des 20. Jahrhunderts in der Stadt. Zwischen 1905 und 1908 wurden in den 1886 bis 1890 historistisch ausgestatteten Sitzungssaal des nördlichen Rathausanbaus des Architekten Hermann Lender sechs großformatige, 4,60 m hohe Rundbogenfenster eingebaut: drei Fenster in der nördlichen Längswand des heutigen „Alten Sitzungssaals“ und gegenüberliegend drei weitere Fenster. Die Vorgänge um deren Planung und Herstellung sind durch Briefe,
Aktennotizen und Verträge im Stadtarchiv Heidelberg gut dokumentiert. Eine Magisterarbeit von Bärbel Roth an der Universität Heidelberg von 1992 beschäftigt sich ausführlich mit diesen Glasmalereien.
Der Herrengarten
(2013)
Keine Straße, keine Gasse erinnert an ihn, kein Geschäft, kein Kino, keine Gaststätte am fraglichen Abschnitt der mittleren Hauptstraße (etwa: Zum alten Herrengarten) . Dabei prägte der kurfürstliche Herrengarten in der Vorstadt seit dem Mittelalter auch noch das Heidelberger Stadtbild, als gegen 1620 das unvollendet gebliebne Wunder des Hortus palatinus als Schloss-Garten dem felsigen Berg abgerungen und Pflanzen aus dem Herrengarten kübelweise hinaufgeschafft worden waren.
Die Stadtbücherei
(2013)
Immer schon habe ich gern und viel gelesen. Manchmal, bereits als Kind und erst recht als Jugendliche, wenn ich der Ansicht war, ich hätte nun genug in der Gärtnerei meiner Eltern mitgearbeitet, war ich auf dem großen Gelände einfach unauffindbar. Welch' eine Befreiung dann der Beginn des Romanistik- und Germanistikstudiums in Heidelberg. Ich fand eine Bleibe in der Altstadt, zwischen dem Germanistischen Seminar, das sich damals im „Deutschen Haus“ am Marsilius-Platz befand, und der Universitätsbibliothek. Besonders gern saß ich im Grimm-Saal des Seminars; die „altdeutsch“ gestimmten hohen Wandgemälde bzw. Fresken mochte ich, auch wenn mir die kräftige Portion Kitsch durchaus bewusst war. Bei der tiefgreifenden späteren Renovierung des Raumes hätte man gleichwohl einen Teil der Bilder zur Dokumentation des vergangenen Zeitgeistes erhalten sollen. Inzwischen lebe ich schon lange im Stadtteil Rohrbach und komme auf meinen Wegen zum Stadtzentrum regelmäßig an der Stadtbücherei vorbei - vielmehr: Ich plane meine Stadtgänge so, dass ich eine Leserunde fast immer einlegen kann.
Am Anfang stand die „Kohlenkatastrophe“. Unter dieser Überschrift meldete die Heidelberger „Volkszeitung“ im Oktober 1919: „Die Beleuchtung der Schaufenster muß unterbleiben. Hotels und Gastwirtschaften dürfen morgens vor Tag nicht öffnen, abends muß eine frühere Feierabendstunde festgesetzt werden. Auch die Läden dürfen erst bei Tag geöffnet werden. Schulen und Universität erhalten kein Licht. Der Unterricht muß in die Zeit von 8 bis 1 oder 2 Uhr gelegt werden. Die Krankenanstalten müssen selbstverständlich Licht haben .... Die Industrie muß die Arbeitszeit so legen, daß man bereits ohne Licht auskommt. Wir treten in den Winter ohne jeglichen Bestand an Kohlen. Die Katastrophe steht bevor.“ Die wenigsten der mit diesen Schreckensmeldungen konfrontierten Heidelberger Zeitungsleser dürften hierüber wirklich überrascht gewesen sein. Nicht nur der kriegsbedingte Arbeitskräftemangel hatte die deutsche Kohlenförderung verringert. Auch die Tatsache, dass deutsches Militär Kohlengruben in Nordfrankreich und Belgien bei seinem Rückzug im Jahr 1918 geflutet und damit unbrauchbar gemacht hatte, trug zur Kohlenkatastrophe bei. Die Stadtverwaltung setzte ihre Hoffnung auf eine kommunale Verteilerstelle, die „Ortskohlenstelle“, geleitet von dem als tatkräftig bekannten Emil Maier (1876-1932). Durch den Direkteinkauf beim Produzenten sollte der Zwischenhandel ausgeschaltet und so der Bedarf der Verwaltung und bedürftiger Heidelberger an Kohlen und Brennholz zu günstigeren Preisen gedeckt werden.
Johann Remler, der in der neuesten Literatur auch fälschlich als Remmler geschrieben wird, war ein Heidelberger Architekt und Bauunternehmer, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das Stadtbild bis in unsere Tage prägend gestaltet hat. In Heidelberg am 1. August 1847 geboren und ebenda am 3. November 1907 verstorben, war er der Sohn des Gerbermeisters Franz Remler und seiner Ehefrau Elisabeth, geborene Klar. Er besuchte die Gewerbeschule in der Kettengasse 16 in Heidelberg und war anschließend in einer großen Ludwigshafener Firma tätig, bis er 1872 sein
eigenes Baugeschäft, die Firma Heusch in der Hauptstraße 86 (heute Hauptstraße 88) erwarb. Remler war bestrebt, zweckmäßige Gestaltung, solide Ausführung und architektonische Schönheit zu vereinigen. Sein Charakter wird mit Geschäftstüchtigkeit, Zuverlässigkeit und Gewissenhaftigkeit umschrieben , das zu einem „Vertrauen und Ansehen in weiten Kreisen“ führte und Staatsaufträge und Aufträge von privater Hand zur Folge hatte. Das Reichspostamt (Sofienstraße, 1884), das Kurfürst-Friedrich-Gymnasium (Neckarstaden, 1894), das Haus der Burschenschaft Frankonia (Neue Schlossstraße, 1892/93) errichtete er, und ebenso wirkte er am Heidelberger Rathaus und einer Kaserne mit. In Neuenheim legte er die Moltkestraße
an und errichtete Villen in der Weber- und der Werderstraße, sowie am Schloss Wolfsbrunnenweg. Private Bürgerhäuser wurden in der Altstadt realisiert. Die Stadt ehrt ihren Bürger seit 1929 mit der Remlerstraße im Stadtteil Neuenheim.
Das Grundstück Bergheimer Straße 107, auf dem das in den 30er Jahren errichtete Wohnhaus der GGH (Gesellschaft für Grund- und Hausbesitz) steht, hat eine Vorgeschichte, die eng mit der industriellen Entwicklung Bergheims verbunden ist. Es soll demnächst abgerissen werden und einem neuen, repräsentativen Bau für die Geschäftsstelle der GGH Platz machen.
Valerieweg
(2013)
Seit September 1997 kann der Valerieweg im Stadtteil Schlierbach, der 1974 offiziell eingezogen worden war, wieder begangen werden. Das alphabetische Straßenverzeichnis im früheren Adressbuch der Stadt hatte diesen Spazierweg in der Weise beschrieben, dass er von der Schlierbacher Landstraße aufwärts zum Schloss-Wolfsbrunnenweg führt und dass er nach der mehrfach hier weilenden Erzherzogin Valerie von Österreich benannt worden war.
Die Neuenheimer Bevölkerung wuchs in den letzten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts stürmisch, vor allem, weil Heidelberg nach Neuenheim expandierte. Dies beschleunigte sich durch den Bau der zweiten Neckarbrücke 1877 und führte bereits 1891 zur Eingemeindung. Anders als in Handschuhsheim verschwand das dörfliche Erscheinungsbild fast vollständig zu Gunsten von städtischer Architektur des Historismus und Jugendstils. Die Kirchenbauten beider Konfessionen waren ein wichtiger Teil dieser Entwicklung. Für die evangelische Gemeinde, der die alte Johanneskirche zu klein geworden war, wurde 1902 eine neue, neogotische Kirche gebaut. Sie war das erste Werk von Hermann Behagel in Heidelberg, von dem auch die evangelischen Kirchen in der Weststadt, Wieblingen, Schlierbach und Handschuhsheim stammen. Seit 1894 planten auch die Katholiken, die kirchlich noch zu Handschuhsheim gehörten, einen Kirchenbau. Architekt der 1905 geweihten St. Raphaelskirche war der Leiter des Erzbischöflichen
Bauamts Heidelberg Ludwig Maier. Auch er ist Schöpfer einer ganzen Reihe von Heidelberger Kirchen: Neben St. Raphael sind St. Peter in Peterstal, St. Bonifatius in der Weststadt, St. Laurentius in Schlierbach und St. Petri in Kirchheim sein Werk.
In den Jahren 1952-1955 wurde die seit mehr als fünf Jahrzehnten geplante und baulich vorbereitete Verlegung des Hauptbahnhofs von 1840 an seine heutige Position durch einen Neubau abgeschlossen. Der Architekt des Gebäudes war Helmuth Conradi (1903-1973). Unterstützt wurde er in Heidelberg von Heinz Dutschmann, dem damaligen Bundesbahn-Rat der Bundesbahn-Direktion Karlsruhe. Der Bahnhof besteht aus drei Gebäudeteilen, welche in verschiedenen Winkeln zueinander liegen. Diese sind das Gebäude mit der ehemaligen Gepäckabfertigung, der Gastronomie und der Sperrenhalle, bestehend aus einem Baukörper, welcher parallel zu den Schienen liegt, der Schalterhalle, die in einem Winkel von ca. 45° aus diesem Baukörper herausgestellt ist und mit einem Kopfbau nach Norden hin abgeschlossen wird, sowie der überdachten und verglasten Brückenkonstruktion über den Bahngleisen. Der zu den Schienen parallele Baukörper, in der Folge Dienstgebäude genannt, liegt dabei in Südwest-Nordost-Richtung, die Schalterhalle in Süd-Nord-Richtung und die Brückenkonstruktion im rechten Winkel zum Dienstgebäude, also in Südost-Nordwest-Richtung.
Blumenstraße 1
(2013)
Im Haus Blumenstraße 1 habe ich meine Studienzeit verbracht, in einem riesigen Zimmer, ganz oben, mit zwei großen Fenstern zur Straße, einem winzigen Tapetenfenster zum Gaisberg, zwischen kuriosen Antiquitäten und einem mächtigen, grünen Kachelofen. Kaltwasser zum Kochen und Waschen gab es im Flur. Für 80 Mark im Monat. Die Unterkunft hatte ich Rainer Elfferding zu verdanken, einem dem libertären Flügel des 1970 verbotenen SDS zuzurechnenden Altgenossen aus der Basisgruppe Jura, mit dessen Bruder ich in Landau Abitur gemacht hatte.
Im Ortsbild Kirchheims erscheint die evangelische Petruskirche klein und unscheinbar, so als werde sie von der neoromanischen katholischen Schwesterkirche St. Peter an den Rand gedrängt. Dennoch nimmt sie unter Heidelbergs Kirchenbauten, unter den evangelischen allzumal, eine besondere Stellung ein. Dies soll im Folgenden gezeigt werden.
Inmitten der Altstadt befindet sich zu Füßen des Heidelberger Schlosses das Palais Graimberg. Sein Name ist seit mehr als 100 Jahren mit der Familiengeschichte verbunden. Charles de Graimberg erwarb es 1839, 29 Jahre nach seiner ersten Ankunft in Heidelberg - nachdem er das revolutionäre Frankreich verlassen und die Schönheiten des verfallenden Heidelberger Schlosses gezeichnet hatte. Die ursprüngliche Bausubstanz stammt aus dem Jahr 1743. 1818 wurden dieses Gebäude und das Nachbargebäude sowie ein Gartengrundstück von der reformierten Kirche erworben und diente bis zum Verkauf an Graimberg als reformierte Schule. Er ließ umfangreiche bauliche Veränderungen vornehmen, da er nicht nur darin wohnen, sondern vor allem seine Altertumssammlung präsentieren und Besuchern zugänglich machen wollte. Durch seine Enkelin Maria von Graimberg erhielt das Gebäude eine ganz neue Bedeutung. 1911 wurde es Sitz der ersten katholischen sozialen Frauenschule Deutschlands. Bei der Eröffnung am 26. April 1911 gab es zunächst lediglich drei Schülerinnen und eine Lehrerin. Doch im laufe ihrer 39-jährigen Tätigkeit bildete Maria von Graimberg mehr als 1000 Frauen zu professionellen Sozialarbeiterinnen aus. Sie lebte zusammen mit ihren Internatsschülerinnen, ihrer Schwester Camilla und ihrer Mutter. Ab Herbst 1911 kam Theodora Aberle hinzu, zunächst als Schülerin, nach Abschluss der Ausbildung als Schulsekretärin und nach einem Studium der Volkswirtschaftslehre als Dozentin. Wie eng und freundschaftlich diese Verbindung gewesen ist, zeigt sich u.a. darin, dass Maria von Graimberg in ihrem Testament Theodora Aberle ein lebenslanges Wohnrecht am Kornmarkt 5 einräumte.
Der Sektor Landwirtschaft hat auch auf der Baar einen gewaltigen Strukturwandel
mitgemacht. G. Reichelt weist nach (Tabelle 1), dass beispielsweise auf
der Gemarkung Schwenningen die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe zwischen
1949 und 1991 von 345 auf 30, das sind 91 %, abgenommen hat. Die
Zahl der Landwirtschaftsfläche ging durch Inanspruchnahme für Siedlung und
Verkehr von 992 auf 496 ha, das sind 50 %, zurück.
Heute bewirtschaften 1.127 Betriebe mit umgerechnet 1.145 Voll-
Arbeitskräften (Tabelle 2) die Felder der Baar.
Ein Drittel der Betriebe werden im Hauptenverb bewirtschaftet, zwei Drittel
im Nebenerwerb (Tabelle 3). Der Anteil der Haupterwerbsbetriebe liegt um 2,5
% Punkte über dem Landesdurchschnitt.
Bei den Betriebsformen dominieren mit 69 % Anteil die Futterbaubetriebe,
einen kleineren Schwerpunkt bilden die Marktfruchtbetriebe. Veredelungsbetriebe
und Gemischtbetriebe treten weit dahinter zurück.
Wer heute die hell-geräumige Kirche zu Breitnau betritt, erblickt zu seinen
Häupten auf dem Deckengemälde ein Stück Heimatgeschichte: Die bäuerlich-
schlichte Darstellung dreier Kirchengebäude ist Sinnbild der ursprünglichen
Zusammengehörigkeit der Pfarreien Hinterzarten und Breitnau und
der „Filialkirche unter der Steig", St. Oswald im Höllental. Dieses große
Kirchspiel ist nichts anderes als das Gebiet der alten Falkensteinischen, zuletzt
Sickingischen „Herrschaft auf dem Wald", die vom Turner bis auf den
Feldberg reichte. Hinter dem auch im Volke noch durchaus lebendigen Bewußtsein
früherer Zusammengehörigkeit stehen Ereignisse und Persönlichkeiten,
die um die Wende vom 18. zum 19. Jahrhundert, gerade als diese
Gemeinsamkeit gelöst wurde, unser Gebiet hineinrissen in den Strudel europäischer
Geschichte. Manches ist vergessen, anderes legendär verklärt, und
es verlohnt sich, hier einem Stück Ortsgeschichte nachzugehen, das dank der
besonders günstigen Quellenlage die den Gang der Geschichte tragenden
Strömungen der Zeit in fast einzigartiger Weise widerspiegelt.
Die Brücke. – 38 (2023)
(2023)
Die Brücke. – 37 (2022)
(2022)
Die Brücke. – 36 (2021)
(2021)
Die Brücke. – 35 (2020)
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Die Brücke. – 34 (2019)
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Die Brücke. – 33 (2018)
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Die Brücke. – 32 (2017)
(2017)
Die Brücke. – 31 (2016)
(2016)
Die Brücke. – 25 (2010)
(2010)
Die Brücke. – 24 (2009)
(2009)
Die Brücke. – 23 (2008)
(2008)
Wichtigstes Hilfsmittel des Geographen und Landeskundlers ist die Karte . In
ihren verschiedenen Formen als Atlaskarte, als topographische oder thematische
Karte dient sie zur Information, zur Orientierung und Darstellung. Gilt
das auch für die 'Wanderkarte' , die man lange Zeit zu den thematischen Karten
gerechnet hat (so noch : abc der Kartenkunde, 1983, S.608), heute aber mit Straßenkarten,
Seekarten u.a. den 'angewandten Karten' zurechnet (WILHELMY
1981, S.III ,1 )? Ist die 'Wanderkarte' überhaupt ein wissenschaftliches Thema,
geeignet, dem verdienten Landeskundler, dessen schöner Kartenvortrag (SICK
1988) jedem Zuhörer in bester Erinnerung ist, zum 65 . Geburtstag Verehrung
und Dank zu erweisen?
Die Brücke. – 22 (2007)
(2007)
Die Brücke. – 21 (2006)
(2006)
Die Brücke. – 20 (2005)
(2005)
Die Brücke. – 19 (2004)
(2004)
Die Brücke. – 18 (2003)
(2003)
Die Brücke. – 17 (2002)
(2002)
Die Brücke. – 16 (2001)
(2001)
Die Brücke. – 15 (2000)
(2000)
Die Brücke. – 30 (2015)
(2015)
Die Brücke. – 29 (2014)
(2014)
Die Brücke. – 28 (2013)
(2013)
Die Brücke. – 27 (2012)
(2012)
Die Brücke. – 26 (2011)
(2011)
Nach der vielversprechenden aber bis heute nicht gedruckten Untersuchung der
Schwarzwälder Glashütten von Hilde Thoma (Diss. phil. Heidelberg 1924) ist es
lange Zeit merkwürdig still geblieben um dieses für die Schwarzwälder Wirtschafts- und
Kulturgeschichte so bedeutsame Waldgewerbe der Glasmacherei.
Der Artikel möchte [...] zwei Probleme diskutieren:
- Die Verfahren der geoökologischen bzw. naturräumlichen Gliederung, die in
der Basler Region eingesetzt wurden.
- Die Praktikabilität von geoökologischen Raumgliederungsansätzen und ihre
Inhalts- und Maßstabsprobleme.
Der Artikel verfolgt also ein methodisches Ziel. Es geht nicht darum, ein neues
Verfahren der geoökologischen Raumgliederung der Basler Region vorzustellen,
sondern die Problemperspektiven neuerer geoökologischer Raumgliederungsverfahren
zu diskutieren. Der Basler Raum ist wegen seiner großen ökologischen
Vielfalt dazu besonders geeignet.
Der höchste Berg des Nordschwarzwaldes ist die Hornisgrinde (1164 m), sie
gehört zum Kreis Bühl. Sie bildet den obersten und westlichen Rand der
mächtigen, nach Osten sich allmählich senkenden Tafel des mittleren Buntsandsteins.
Auf der Westflanke bricht diese ab und senkt sich steil herab auf
das etwa 250 m tiefer liegende, durch Abtragung freigelegte Grundgebirge, hier meist aus Granit oder Gneis bestehend; es wird hier in den noch erhaltenen Teilen seiner ursprünglichen Oberfläche als Basislandterrasse bezeichnet.
Nach den historischen Ortsnamenbüchern der Allgäuer Kreise Marktoberdorf
(1953) und Kaufbeuren (1960), die uns Dertsch schon geschenkt hat folgt
nunmehr, gleichsam als Krönung, Stadt- und Landkreis Kempten. Es ist nicht
nur das umfangreichste unter den drei Bänden (über 1500 Namen gegen 760
und etwa 240), es kamen ihm auch Erfahrungen und Beobachtungen bei der
Bearbeitung der beiden ersten Bände zugute, und es ist insofern auch das
interessanteste, weil wir hier im Mittelpunkt und stärksten Verbreitungsgebiet
eben der topographischen Namenwelt stehen, die für das Allgäu besonders
kennzeichnend ist.
Die Brücke. – 14 (1999)
(1999)
Die Brücke. – 13 (1998)
(1998)
Die Brücke. – 12 (1997)
(1997)
Beobachtungen an den Hofnamen des Schwarzwaldes, die nicht mit Personennamen gebildet worden sind
(1964)
In der nachfolgenden Studie handelt es sich nur um die Einzelhöfe , die
für sich stehend, mit ihren Nebengebäuden (Speicher, Backhaus, Leibgedinghäusle,
gelegentlich auch Hausmühle und Säge, Kapelle) eine geschlossene, von
anderen Siedlungen abgesetzte eigene Siedlung darstellen, nicht aber um Höfe
in geschlossenen Dörfern oder in etwas gelockerteren Weilern. Sie finden sich
vor allem im Mittelschwarzwald. Es geht mir dabei diesmal nur um
die Namen; die wirtschaftlichen und sozialen und rechtlichen Verhältnisse sollen
beiseite bleiben, ebenso die mancherlei siedlungsgeographischen und -geschichtlichen
Probleme, die um diese Höfe aufgeworfen sind, etwa ob man sie
als Streuweiler, Waldhufendörfer oder als gereihte Einzelhöfe (Zinken) auffassen will.
Die Brücke. – 11 (1996)
(1996)
Die Brücke. – 10 (1995)
(1995)
Die Brücke. – 9 (1994)
(1994)
Die Brücke. – 8 (1993)
(1993)
Die Brücke. – 7 (1992)
(1992)
Die Brücke. – 6 (1991)
(1991)
Die Brücke. – 5 (1990)
(1990)
Die Brücke. – 4 (1989)
(1989)
Im 6. Band des Alemannischen Jahrbuches 1958 hat HANS CHRISTOPH ScHÖLL eine Studie veröffentlicht: »Die Bedeutung des Wortes Bach in Orts- und Flurnamen.« [...] SCHÖLL ging von der Feststellung aus, daß manche -bach-Ortsnamen und noch mehr -Flurnamen überhaupt an keinem Wasserlauf, sondern oft auf Höhen fern eines solchen liegen, daß sich zu manchem -bach-Ortsnamen kein entsprechender Gewässername feststellen lasse, oder daß sie an Wasserläufen
liegen, die ganz andere Namen tragen. Er schloß daraus, daß es noch eine andere Bedeutung von »bach« geben müsse, die auf Erhebung, Wölbung hinweise.
Die Brücke. – 3 (1988)
(1988)
Die Brücke. – 2 (1987)
(1987)
Die Brücke. – 1 (1986)
(1986)
Die Rheinebene zwischen Kinzig und Oos ist von einer breiten Bruchzone
durchzogen. Daraus erklärt sich die späte und spärliche Besiedelung der Ortenau.
Es sind die Reste des alten sogenannten Kinzig-Murg-Flusses; südlich
der Kinzig gehört noch der Unterlauf ihres Nebenflusses, der Schutter mit
der Unditz, dazu. [...]Noch heute
halten zahlreiche Geländenamen diesen Zustand der Bruchlandschaft fest:
Bruch, im Bruch, Bruchwald, Bruchfeld, Bruchmatte, über- und Niederbruch,
Aarbruch, Ristenbruch, Warmers-, Lechlerbruch, Gäns-, Stöckenbrüchel;
Muhr ( = Moor), Mührle, Mührig, Muhrmatte, -feld etc. [...].
Die Geschichte des Elsaß in fränkischer, vor allem in merowingischer Zeit
ist voller Lücken. Bis in die Mitte des 8. Jahrhunderts sind es wesentlich
Nachrichten über Klostergründungen und Klosterausstattungen und selbst
da ist nicht alles geklärt und vieles noch umstritten, so etwa die Gründungsdaten
von· Weißenburg und selbst von Münster im Gregoriental, ganz
zu schweigen etwa von den Problemen um Maursmünster und um Haslach.
Darüber hinaus bleiben nur wenige, meist ganz isolierte Nachrichten,
gleichsam vereinzelte Steinchen aus einem zerstörten Mosaikbild, das mit
Hilfe eben dieser bescheidenen Reste mühsam rekonstruiert werden soll.
Ernst Kürz in Heidelberg
(2021)
Sein Name ist weitestgehend vergessen. Und doch ist er erst kürzlich in einer englischsprachigen Gesamtdarstellung der Spanischen Grippe erwähnt worden. Um diesen Zusammenhang einordnen zu können, muss man sich ein Bild der gravierendsten Pandemie des 20. Jahrhunderts und deren Rezeption machen. Dieses Bild ähnelte sich 1918 –1920 in ganz Deutschland. Zu berücksichtigen ist, dass die Geschichte der Grippe insgesamt dadurch gekennzeichnet ist, dass Influenza alltäglich sein kann, aber auch desaströs – für einzelne, aber auch für große Gruppen von Menschen. Die erste Welle der Spanischen Grippe im Deutschen Reich, die sich im Frühjahr 1918 ereignete, stand für die Grippe als eher harmlose Erkrankung, die viele befiel, aber relativ wenige tötete. Die zweite Welle, diejenige des Herbstes 1918, entpuppte sich als die eigentliche tödliche Welle. Die dritte Welle, im Frühjahr 1920, wurde von vielen gar nicht mehr als solche wahrgenommen, oder man datierte sie, wie es heute noch viele tun, fälschlicherweise bereits in das Jahr 1919.
"Ein wunderlicher Mann"
(2021)
„Spazierte früh … Es war ein herrlicher Herbstmorgen. Ein wunderlicher Mann redete mich an … Loos … Ich erfuhr allerley von ihm.“ Was Johann Wolfgang von Goethe am 30. September 1814, vom Karlstor her in Richtung Palais Boisserée schlendernd, von jenem „wunderlichen Mann“ erfuhr und wie das Gespräch mit diesem verlief, schreibt der Dichterfürst seiner Frau Christiane Vulpius leider nicht. Wirklich wichtig wird ihm beides nicht gewesen sein, im anderen Fall er sicherlich ins Detail gegangen wäre. Also bleibt Goethes Bemerkung vage, so vage wie die Person desjenigen, der ihn angesprochen hat: Universitätsprofessor Dr. med. Johann Jacob Loos. Wer war dieser Mann, der Goethe auf offener Straße ansprach und namhafte Dichter, Denker und Gelehrte seiner Zeit zu seinem Freundeskreis zählte? Diese Frage versucht der vorliegende Beitrag zu beantworten. Er befasst sich zunächst mit Loos‘ Herkunft, beschäftigt sich dann mit seinem akademischen Werdegang, bevor er seiner Einbindung in das gesellschaftliche Leben im Heidelberg des frühen 19. Jahrhunderts nachgeht. Schließlich erhellt er, warum Goethes Beschreibung „wunderlich“ – bewusst oder unbewusst – auch das besondere persönliche Schicksal des ihm fremden Professors berührt.
Für Heidelberg in vorstädtischer Zeit, d. h. als Fischer-, Winzer- und Handwerkerdorf im Tal zwischen Klingenteich und Neckarufer gelegen, gibt es einen ersten urkundlichen Beleg aus dem Jahr 1196. Dort ist anlässlich von Schenkungen an das Kloster Schönau ein „Cunradus, plebanus de Heidelberch“, ein Pfarrer aus Heidelberg, unter pfalzgräflichen Zeugen genannt. Die zum Priester gehörende Kirche ist die später außerhalb der städtischen Mauern liegende Pfarrkirche St. Peter.
800 Jahre Ziegelhausen
(2021)
Die erste urkundliche Erwähnung eines Gemeinwesens ist ein wichtiges Datum, doch es sagt nicht viel über die Lebensgrundlagen der Menschen von damals aus. In einer Rückschau fragen wir, was die Natur in einer bergigen, waldbestandenen Landschaft, durch die sich ein Fluss hindurchgegraben hat, den Menschen zum Leben bietet. Bodengegebenheiten, Klima und Bewuchs sind gewiss die natürlichen Voraussetzungen für menschliche Existenz, doch darf die menschliche Kreativität bei der Ressourcenerschließung nicht unterschätzt werden. Die Ziegelhäuser Gegend war Teil der Urgemarkung Handschuhsheim. Diese umfasste das Gebiet an der Bergstraße südlich Dossenheims bis zum Neckar und ostwärts bis zu den Höhenzügen vor dem Steinachtal. Nach dem siebten Jahrhundert löste sich Neuenheim davon ab. Deren Gemarkung reichte den Neckar aufwärts bis zu dem noch nicht namentlich bekannten Ziegelhausen.
„Mensch, höre meine Worte: kämpfe und vertraue!“ Blickt man auf die Geschichte der knapp ein halbes Jahrhundert in Heidelberg beheimateten und damals fest im kulturellen Erlebnisraum der Stadtgesellschaft verankerten Familie Romhányi, ist es dieser Schlussvers aus dem von Goethes „Faust“ beeinflussten und berühmten Werk „Die Tragödie des Menschen“ des ungarischen Dichters und Dramatikers Imre Madách (1823–1864), welches sich als mögliches Credo dieser Familie betrachten ließe. Es war die Liebe zu den Künsten, welche den Juden Jenő Reich und die Christin Erna Sauer, zwei Menschen ungleicher nationaler, ethnischer, sprachlicher sowie religiöser Zugehörigkeit, zusammenführte. Ihre Verbindung sollte durch die Vermählung 1910 und die damit verbundene Konversion Jenős bekräftigt werden. Es folgten Jahre der familiären Harmonie und des beruflichen Erfolgs an ihrem neugewählten Lebensmittelpunkt in der Universitätsstadt am Neckar. Über 23 Jahre hinweg konsolidierte die Familie in Heidelberg ihre auf viel Geschick und Fleiß beruhende Stellung als erfolgreiche Unternehmer – zunächst in der Möbelfabrikation, später in der Kino-Branche – bis sie schließlich 1933 nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten im Zuge der systematischen Zwangsenteignungen und Verdrängung jüdischer Bürger aus dem deutschen Wirtschaftsleben sowie des gezielten Boykotts ihrer Geschäfte („Arisierung“) schlagartig der gewohnten Lebenswelt entrissen wurden. Knapp ein ganzes Jahrzehnt war die kleine, zwischenzeitlich auseinandergerissene und sich erst 1935 in Romhányi umbenannte Familie den nicht enden wollenden Verfolgungen und Repressalien des NS-Regimes ausgesetzt. Diesem Druck konnte sie letzten Endes nicht mehr standhalten. Es folgte die unwiderrufliche Ausweisung nach Ungarn im Frühjahr 1943, welche im tragischen Höhepunkt jener verhängnisvollen Jahre endete, dem durch das Zwangsexil verursachten, gewaltsamen Verlust der beiden Söhne Rudolf und Ludo. Doch auch der Lebensabend des Ehepaares Romhányi, welches das Kriegsende in Budapest erlebte, sollte im Deutschland der Nachkriegszeit von abermaligen Schwierigkeiten und Konflikten nicht verschont bleiben.
Julius Wilhelm Zincgref
(2021)
In allgemeinen Darstellungen zum Dreißigjährigen Krieg kommt der als Herausgeber der Werke von Martin Opitz bekannte Julius Wilhelm Zincgref (1591–1635) allenfalls als Dichter und Kommentator, nicht aber als Verteidiger Heidelbergs gegen Tillys Liga-Armee vor. Und auch in den allgemeinen Darstellungen zu Heidelberg im Dreißigjährigen Krieg wird Zincgref nur am Rande oder gar nicht erwähnt. Hier soll anlässlich der Wiederkehr der Eroberung und Verwüstung der Stadt vor 400 Jahren Zincgref vorgestellt werden – in seiner Doppelrolle als militanter Calvinist einerseits und als Dichter und damit auch Reflektant seiner Zeit andererseits. Sein „Kriegslied“ „Vermanung zur Dapfferkeit“ soll hier näher betrachtet und als Quelle zur Eroberung Heidelbergs gelesen werden, wenn auch der genaue Zeitpunkt der Entstehung des Textes nach wie vor diskutiert wird. Gleichzeitig versteht sich der Beitrag als ereignisgeschichtliche Synthese zur Belagerung und Einnahme Heidelbergs durch Tillys Liga-Armee im September 1622.
„Herr Regierungsbaumeister Nathan hat die an ihn gestellte Aufgabe, einen modernen Bau mit allen praktischen, gesunden Einrichtungen versehen zu erstellen, glänzend gelöst.“ Nach der Einweihung der Zigarrenfabrik Hochherr am 9. September 1929 war die Süddeutsche Tabakzeitung voll des Lobes über das Gebäude, das in der Kaiserstraße 78 am damaligen Rand der Weststadt erstellt worden war. Es ersetzte den zehn Jahre zuvor bezogenen Firmensitz in der Brückenstraße 51 in Neuenheim. Auch der Heidelberger General-Anzeiger zeigte sich vom Neubau beeindruckt und hob in seinem Bericht hervor, dass „hier der Geschmack eines modern empfindenden Architekten und der künstlerische Wille einer Fabrikleitung Hand in Hand eine
gediegene Ausdrucksform für den Bau gefunden und gleichzeitig eine reizvolle städtebauliche Aufgabe gelöst haben“.
Wien - Shanghai - Heidelberg
(2021)
Als auffälliger Außenseiter war er in den 1950er- bis in die 1970er-Jahre hinein Teil des Heidelberger Stadtbildes, sichtbar vor allem am Bismarckplatz vor den damaligen Arkaden: eine hagere Gestalt, nach vorne gebeugt, nach links gekrümmt, in einen langen schäbigen Mantel gehüllt, einen Packen Zeitungen oder Zeitschriften unter dem Arm. Wollte er diese wirklich verkaufen oder eher Almosen erbetteln? Aus seinem mühevollen langsamen Gang schreckte er nur dann auf, wenn ihn Jugendliche mit dem Wort „Stürmer“ verspotteten. Er drohte ihnen und versuchte vergeblich, sie zu verfolgen, ohne sie je zu erreichen. Ältere Heidelbergerinnen und Heidelberger erinnern sich wohl – wie ich – an diesen bedauernswerten Mann; manche haben durch Erzählungen von ihm gehört. Wenig wusste man von ihm, auch sein Name war nicht bekannt. Hieß er wirklich Jakob, oder war dies nur ein Spottname? Nur wenige schriftliche Zeugnisse erwähnen ihn.
Die Vier ist eine halbe Acht
(2021)
Heute steht der Bildstock (347 × 47,5 × 29,5 cm) am westlichen Anfang der Kleingemünder Straße (früher: Hauptstraße). Mit großen, altertümlichen Zahlen gibt er das Jahr seiner Entstehung inschriftlich bekannt: 1478, wobei die zweite Zahl Vier in Form einer halben Acht zu lesen ist; die dritte Zahl in Form eines offenen Dreiecks ist eine damals übliche Sieben, nach links gekippt. Von den stilistischen Eigenheiten der spätgotischen Skulptur des 15. Jahrhunderts ist kaum etwas zu erahnen, was nicht nur durch die wechselhafte Geschichte des Objekts, sondern wohl auch der einfachen künstlerischen Qualität des Bildhauers geschuldet sein dürfte.
Das Leben der Kamilla Knopf
(2021)
Kamilla Knopf (1911−1996) ist mutmaßlich die erste Frau aus Dielheim, einer Gemeinde im südlichen Rhein-Neckar-Kreis, die das Abitur machte. Sie studierte in England und unterrichtete nach dem 2. Weltkrieg an der Universität Heidelberg viele Generationen angehender Gymnasiallehrer in englischer Phonetik und Literatur, Übersetzung und Sprechtraining im Sprachlabor. Am 22. Januar 2021 wäre sie 110 Jahre alt geworden. Nach einem Aufruf in der Rhein-Neckar-Zeitung meldeten sich Dutzende von Zeitzeugen, die zur Vita dieser ungewöhnlichen Persönlichkeit etwas beizutragen hatten.
Die Ereignisse vom 9. und 10. November 1938 sind für Heidelberg grundsätzlich gut erforscht und wurden oft dargestellt: die Brandstiftungen in den Synagogen der Altstadt und in Rohrbach, die Verschleppung der erwachsenen Männer nach Dachau oder in andere Konzentrationslager und die marodierenden Aktionen der SA-Trupps gegen Geschäfte und Wohnungen in den Stadtteilen. Die hier vorgestellte Studie setzt sich damit auseinander, ob das Novemberpogrom über die massiven Angriffe auf die Unverletzlichkeit der Wohnungen hinaus auch Entmietungen einschloss und welche Rolle dabei die städtische Wohnungsbaugesellschaft für Grund- und Hausbesitz (GGH) einnahm. Ausgangspunkt dieser Fragestellung ist die Beobachtung, dass von den sechs 1938 noch in GGH-Häusern lebenden jüdischen Mietparteien im Folgejahr alle ihre Wohnung dort verloren hatten. Diese Beobachtung wirft die weitere Frage auf, ob die Stadtverwaltung unter Oberbürgermeister Carl Neinhaus nicht doch tiefer in das Novemberpogrom eingebunden war. Bisher war nur bekannt, dass Neinhaus am Morgen des 10. November vom Dienstwagen aus das Brandgeschehen in der Großen Mantelgasse in Augenschein nahm.
„Das ist nun Heidelberg, und es ist wirklich schön dort im Frühling“, schrieb der Schweizer Schriftsteller Christian Kracht in den neunziger Jahren in seinem Roman „Faserland“. Alles sei so schön grün, die Menschen säßen in der Sonne an den Neckarauen, erzählt Krachts Protagonist. Und er stellt fest: „So könnte Deutschland sein, wenn es keinen Krieg gegeben hätte.“ Es stimmt ja: Im Heidelberger Stadtbild hat der Zweite Weltkrieg kaum Spuren hinterlassen. Im Unterschied zu vielen anderen Städten wurde Heidelberg nicht in Schutt und Asche gelegt. Über die Gründe, warum das so ist, wird immer wieder diskutiert. Und besonders die Frage, ob die Amerikaner über der Stadt Flugblätter abwarfen mit der Aufschrift „Heidelberg wollen wir schonen, denn dort wollen wir wohnen“, polarisiert. Viele Zeitzeugen berichten davon, einen historisch-wissenschaftlichen Beleg aber gibt es (noch) nicht. Was aber sicher ist: Auch Heidelberg blieb von Luftangriffen nicht völlig verschont, wie der folgende Überblick über die Schäden, die der Krieg in
dieser Stadt angerichtet hat, zeigt.