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Wenn wir uns das Reisen im Zeitalter des Barock vorstellen, denken wir meist an Postkutschen.
Kaum eine Rolle spielen Schiffsreisen. Umso bedeutsamer ist daher das Tagebuch des
badischen Hofrats Johann Ernst Bürcklin (1689–1771) über seine vierwöchige Reise nach
England 1729. Er hatte Markgraf Carl Wilhelm von Baden-Durlach (1679–1738) in die Niederlande
begleitet und machte von dort aus einen Abstecher nach London. Im dem hier erstmals
ausgewerteten Tagebuch schilderte er seine Erlebnisse auf See und in der britischen
Metropole.
Das heutige Bruchsal ist wieder zu einer lebendigen Stadt geworden. Die Kriegszerstörung
1945 hat aber ihr Gesicht völlig verändert, auch wenn früh schon die Entscheidung getroffen
wurde, beim Wiederaufbau die Erhaltung des historisch gewachsenen barocken Stadtgrundrisses
anzustreben. Der Artikel untersucht kritisch, ob und in welcher Form letztlich das verwirklicht
wurde, was die Stadtplaner nach dem Krieg vorgedacht hatten. Neben vielem Guten
zeigt er dabei auch Entscheidungen, welche die Absicht, auf der historischen Stadtlandschaft
aufzubauen, in Frage stellen.
»Brot und Spiele«, um die Entwicklung der Stadt Bruchsal auf der Aufwärtsspirale zu verstetigen
(2015)
Wirtschaftsförderung und Stadtmarketing müssen optimal zusammenarbeiten, um ein Gemeinwesen
zukunftsfähig zu gestalten. Das wichtigste Ziel der Stadt Bruchsal in der Nachkriegszeit
war der Wiederaufbau. Die Ölkrise und der massive Stellenabbau bei der Firma
Siemens in den 70er Jahren hatten zur Folge, dass als nächstes Ziel vor allem Mittelständler
angesiedelt wurden. In den 80er Jahren wurde der Bruchsaler Innovations- und Gewerbepark
gegründet. Die erfolgreichen Firmen konnten sich später im Technologie- und Ökologiedorf
ansiedeln. Seit den 90er Jahren ist der Wettbewerb um Arbeitskräfte und ansiedlungswillige
Firmen härter geworden. Mittels Stadtmarketing und gezielter Wirtschaftsförderung versuchen
die Städte, ihre Stärken selbstbewusster zu kommunizieren. In Bruchsal gab Ende der
90er Jahre der Slogan »Innenstadt im Wandel« die Richtung vor. Nach der Eröffnung der Rathausgalerie
im Jahr 2010 hieß das Ziel dann »Lebendige Innenstadt«. Mit den Heimattagen
hat diese Entwicklung sicherlich einen Höhepunkt erreicht.
Im April und Mai 2015 veranstaltete die Badische Landesbühne unter der Überschrift
»Utopolis« ein Theater- und Kulturfestival in der Bruchsaler Innenstadt. Das Festival bildete
den Höhepunkt und zugleich den Abschluss eines auf drei Spielzeiten angelegten, partizipativen
Theaterprojektes, im Zuge dessen sich u. a. auch das BLB-Bürgertheater gründete. Die
Frage »Wie wollen wir leben?« stand dabei immer im Zentrum der künstlerischen Arbeit: Wie
kann das Zusammenleben in einer gedachten, erträumten oder befürchteten Stadt der Zukunft
aussehen? Bürger und Bürgerinnen, Künstler und Künstlerinnen aus Bruchsal, Vereine,
Schulen, soziale und kulturelle Einrichtungen, die Bruchsaler Amateurtheater und die Badische
Landesbühne – die ganze Stadt war auf den Beinen, um an vier Tagen die eigene Heimatstadt
in die Stadt der Zukunft zu verwandeln. Doch was bleibt vom Ausnahmezustand
Festival? Welche Impulse konnten sich in den Alltag übertragen? Und welche Möglichkeiten
zur Partizipation, zur aktiven Gestaltung von Heimat, wird es zukünftig in Bruchsal geben?
Mit der Musik, laut Heinrich von Kleist die »Wurzel aller übrigen Künste«, ist die Stadt Bruchsal
auf vielfältige Weise verbunden. Einerseits durch nicht wenige bekannte Komponisten und
Interpreten, die hier geboren wurden oder hier tätig sind, andererseits durch eine Vielzahl von
Vereinen, die sich schon seit vielen Generationen auf mannigfaltige Weise und teilweise auch
auf internationalem Parkett mit der Tonkunst beschäftigen. Und natürlich darf auch das rege
Konzertleben nicht vergessen werden, welches ganzjährig die unterschiedlichsten Musikstile
und Musikrichtungen auf die Bühnen der Stadt bringt. Unter der Überschrift »Hier gibt’s was
für die Ohren!« stellt Stadtarchivar Thomas Moos in einem kleinen geschichtlichen Streifzug
die »Musikstadt Bruchsal« vor.
Im Jahre 1920 gründeten heimat- und geschichtsbewusste Männer und Frauen aus Bruchsal
und Umgebung die, wie man damals noch sagte, »Ortsgruppe Badische Heimat Bruchsal«. Der
Beitrag des heutigen Vorsitzenden Jörg Teuschl gibt einen Überblick über die geschichtliche
Entwicklung der jetzigen Regionalgruppe.
Aus auffallend großen, wachen Augen blickt ein nach der ungefähr um 1760 bis 1780 in Mitteleuropa bestimmenden Mode gekleideter und frisierter Herr „in seinen besten Jahren", leicht
über die linke Schulter gewendet den Betrachter mit - so scheint es - freundlicher Skepsis und
zugleich fragend an. Das in einem schlichten, perlkranzgezierten Altgoldrahmen von ungefähr
20 x 22 cm gefasste, weder signierte noch datierte Bildnis erinnert mehr an einen feinsinnigen
Gelehrten als an einen tatkräftigen und vermögenden Handelsherrn, den der Porträtierte - entsprechend einer gut 120 Jahre alten Familienüberlieferung - darstellen soll. Danach handelt es
sich um Carl Franz Montfort, der sich im Lauf seines ungewöhnlich langen Lebens als erfolgreicher Kaufmann, vor allem aber als Inhaber verschiedener Ämter und Funktionen der städtischen Verwaltung Freiburgs um die Mitte des 18. Jahrhunderts einen Namen gemacht hatte, der
sich bis heute im historischen Bewusstsein der Stadt erhielt.
In der nördlichen Ortenau liegt zwischen den Städten Achern und Bühl der kleine Ort Ottersweier. Eine schmucke Zweiturmkirche aus dem frühen 20. Jahrhundert ziert den Dorfkern. Sie ist hinter einem großzügigen Platz gelegen und macht neben ihren beiden prachtvollen Türmen mit einer weiteren Besonderheit auf sich aufmerksam: Der rechte Turmunterbau ist aus unregelmäßigem Bruchstein, also irgendwie älter, und lässt in schrägen Furchen ehemalige Giebelanschlüsse erkennen. Doch was hat es mit diesen alten Bauteilen auf sich? Diese Frage ist eigentlich schnell beantwortet. Im Kircheninnern befinden sich zwei Modelle, die die alte, nicht mehr bestehende Kirche zeigen: Auf dem heutigen Kirchplatz stand das alte Langhaus von St. Johannes. Einzig heute erhalten sind der romanische und der gotische Chor und die Sakristei aus gotischer Zeit. Der aufkeimende Denkmalschutz des Historismus hat die drei Bauteile gerettet, das Langhaus musste weichen, dessen Größe war nicht mehr ausreichend für die Zahl der Kirchenbesucher.
Am Sonntag, 23. März 2014, um 17 Uhr fiel der Startschuss zur 750-Jahr-Feier der Gemeinde Altschweier (Bühl). Vor mehr als 500 Jahren, im Jahre 1514, versuchte der „Gugelbastian" im Bühler Amt, wozu auch Altschweier gehörte, einen Aufstand
anzuzetteln. Grund genug, mithilfe einiger Dokumente die damaligen Verhältnisse erneut unter die Lupe zu nehmen, zumal eine Bastian-Gugel-Statue auf den Anführer hinweisen soll. Der Aufstand, der sich im Bühler Amt im Jahre 1514 abspielte, ist schon vielfach behandelt worden. Die Autorennamen reichen von Heinrich Schreiber, 1824, über Albert Rosenkranz, Karl Reinfried, zahlreichen Zeitungsartikeln bis hin zu Michael Rumpf, um nur einige zu nennen. Trotzdem bleiben viele Fragen offen. Einige, wenn auch auf den ersten Blick z. T. nebensächliche Aspekte, sollen im Folgenden angesprochen werden.
Im Juli 2012 erschien ein „Kirchenführer der Pfarrkirche St. Jakobus Schutterwald". Herausgeber war das Katholische Pfarramt Schutterwald. Die Recherchen und Texte sind von Horst Heitz. In diesem kleinen hervorragend gestalteten Kirchenführer mit Farbfotos des Schutterwälder Fotografen Hubert Braxmeier wird erwähnt, dass der Baumeister der Schutterwälder Kirche die in der Zeit von 1784 bis 1786 erbaut wurde, ein Vorarlberger Architekt namens Joseph Hirspihl war, der auch Bürger von Schutterwald gewesen sein soll, was schon etwas außergewöhnlich ist. Es ist meines Wissens das erste Mal, dass der Name des Erbauers der hiesigen Kirche St. Jakobus überhaupt erwähnt wird. Bisher war nur bekannt, dass die Kirche von Schutterwald von einem Vorarlberger Baumeister erbaut wurde. In keiner Veröffentlichung über die Schutterwälder Barockkirche ist der Name des Joseph Hirschbühl vorher jemals aufgetaucht.
Von Begegnungen mit dem Elsass, seinen Menschen und seiner Geschichte in gut 60 Jahren soll
die Rede sein.
Viele Leser dieser Zeitschrift werden Ähnliches erfahren haben. Im Rückblick
verstehe ich es als ein gutes Vorzeichen, dass ich das Nachbarland erstmals 1952 als 17-jähriger
Schüler auf einer Rundreise per Anhalter durch Frankreich kennengelernt habe. Im selben Jahr
ist die Montanunion in Kraft getreten - ein Schritt auf dem Weg zur Europäischen Union. Elsässer haben das Zusammenwachsen Europas begrüßt als Chance, Frieden und Recht dauerhaft
zu sichern; seit 1979 tagt das Europäische Parlament in ihrer Hauptstadt Straßburg. Doch wer
von Baden aus häufiger den Nachbarn besuchte, erlebte auch, wie ein gutes Stück europäischer
Vielfalt verloren ging, die in diesem Grenzland zu Hause gewesen war; nach vier Herrschaftswechseln in drei Generationen - 1871, 1919, 1940, 1945 - wurde das Elsass mehr und mehr zur
französisch geprägten ,Region Alsace'. In der geplanten ,Region Alsace Lorraine Champagne
Ardenne' wird seine Bevölkerung etwa ein Drittel ausmachen (1,852 von 5,545 Millionen).
Das Land zwischen Vogesen und Rhein habe ich häufig besucht, in vielen Jahren mehrmals, mit Moped oder Auto, Zug oder Bus. Naheliegend waren solche Fahrten schon deshalb,
weil ich von 1956 bis 1961 an der Universität Freiburg Geschichte und Romanistik studiert und
von 1967 bis 2000 am dortigen Historischen Seminar unterrichtet habe. Ich wollte - in späteren
Jahren zusammen mit meiner Frau und unseren vier Söhnen - das reiche kulturelle Erbe des
Landes kennenlernen, in den Vogesen wandern, Freunde besuchen, bei einem Winzer Wein
und im ,Hyper Marche' Waren des täglichen Bedarfs kaufen. Gelegentlich habe ich in Archiven
gearbeitet, wiederholt Vorträge gehalten, Seminare und Exkursionen geleitet. Nicht alle Erinnerungen lassen sich genau ,festmachen' oder auf einen Nenner bringen; Widersprüche gehören
zum Bild.
Bacchanalien hinter Klostermauern? Zugegeben: Das klingt reißerisch, aber es gab sie wirklich
im 18. Jahrhundert, die fastnächtlichen Bacchanalien in den Klöstern (Abb. 1). Freilich waren
sie in der Regel nicht so skandalös, wie der heutige Gebrauch des Begriffs ,Bacchanal' vermuten
lässt, der - von den tumultuarisch wilden Bacchusfeiern zu Ehren des römischen Weingottes
übernommen - ein wüstes Trinkgelage bezeichnet. Aber sie brachen immerhin so sehr aus dem
mönchischen Alltag aus, dass Philipp Jakob Steyrer, von 1749 bis 1795 Abt in St. Peter, sich
in seinem Tagebuch von Jahr zu Jahr mehr über die Störung der Klosterordnung an Fastnacht
erregte und sich ein Konflikt zwischen ihm und seinen fastnachtsfreudigen Patres anbahnte.
Durch Abt Steyrers Diarium, das Tagebuch seines Nachfolgers Ignatius Speckle (reg. 1795-
1806) und die Tagebücher der St. Märgener Äbte Andreas Dilger (reg. 1713-1736), Petrus Glunk
(reg. 1736-1766) und Michael Fritz (reg. 1766-1781) lässt sich gut veranschaulichen, wie damals
in den Klöstern die als ,Bacchanalien' bezeichneten Fastnachtsfeiern begangen wurden. Dabei
kommen ernste und zum Teil auch kuriose Interna aus dem Klosterleben ans Licht, zudem spiegeln sich in den Veränderungen der Klosterfastnacht im 18. Jahrhundert die äußeren Geschicke
der Abtei St. Peter wider. Zugespitzt könnte man sagen: Auch an der Speisekarte der Bacchanalien lässt sich die Geschichte der Abtei von ihrer Blütezeit bis zur Säkularisation ablesen.
Karl August Würth von Würthenau wurde als
Sohn des badischen Bezirksarztes Dr. Fritz Würth
von Würthenau am 1. Mai 1871 in Engen geboren.
„Seine wissenschaftliche Ausbildung” begann er
auf der höheren Bürgerschule zu Villingen. Sein
Vater war hier Bezirksarzt von 1881 bis zu seinem
Tod 1892. Außerdem gehörte er als Vertreter
der nicht umlagepflichtigen, nicht bürgerlichen
Einwohner dem Bürgerausschuss der Stadt an.
Im Gymnasium in Konstanz erhielt Karl August
von Würthenau im Sommer 1891 das Zeugnis
der Reife. „Am 22. October 1890 wurde er in
die königliche medicinisch-chirurgische Academie
für das Militär aufgenommen.” Am 25. Juli 1896
wurde ihm nach der Prüfung vor der ärztlichen
Prüfungskommission zu Berlin, die er mit gut
bestand, die Approbation als Arzt erteilt. Das
königlich preußische Patent vom 27. September
1896 ernannte ihn zum Assistenzarzt zweiter
Klasse im 7. Badischen Infanterie-Regiment Nr.
142. Das Patent vom 26. August 1899 erhob ihn
zum Oberarzt.
Quintetto B-Dur für Oboe, Violine, 2 Violen und Violoncello / Adalbert Gyrowetz ; (Arr. Mr. Rosinack) ; [Hrsg.: Hans-Heinrich Kriegel]. - [Bochum] : [Editio Fasch Favor], [2015]. - 1 Online-Ressource (1 Partitur (38 Seiten))
Basiert auf: Symphonies. Arr - Don Mus.Ms. 583 / Gyrowetz, Adalbert *1763-1850*
Jubiläen bieten willkommene Anlässe, sich auf die Historie zu besinnen. Während 2014 vielerorts der Erste Weltkrieg das beherrschende Thema war, stand das Jahr in
Konstanz überwiegend im Zeichen des Konziljubiläums. Noch bis 2018 wird man sich
verstärkt mit der größten Kirchenversammlung des Mittelalters auseinandersetzen – ein
Gedenk-Unterfangen, dem mehrjährige Planungen vorausgingen. Eine von vielen Ideen
war es, im Jahr 2017 ein »Belehnungsfest« zu feiern, 600 Jahre nachdem König Sigismund auf dem Obermarkt dem Hohenzollern Friedrich VI., Burggraf von Nürnberg,
förmlich die Herrschaft über Brandenburg übertragen hatte. Das am Platz gelegene Haus
Zum hohen Hafen erinnert noch heute mit seiner historistischen Fassadenmalerei an das
Ereignis. Streng genommen hatte Sigismund bereits im April 1415 Friedrich unter gewissen Einschränkungen zum Markgrafen und Kurfürsten erhoben, was also als Vorwand
für diesen Beitrag zum jetzigen Zeitpunkt dienen könnte. Es lohnt sich aber unabhängig
davon, das Thema Preußen und Konstanz einmal näher zu betrachten.
Obwohl durch die Haager Landgerichtsordnung von 1907 Angriffe auf unbefestigte Orte und Städte geächtet waren, wurden bald nach Kriegsbeginn 1914 auch unverteidigte Städte aus der Luft angegriffen. Aufgrund der räumlichen Nähe zur Westfront wurden auf deutscher Seite vor allem die südwestdeutschen Großstädte Mannheim, Karlsruhe und Freiburg Opfer von französischen und britischen Luftangriffen. Erste Versuche, weiter entfernt gelegene Rüstungsfabriken zu treffen, führten zu Flügen über den Schwarzwald nach Friedrichshafen, Rottweil und Oberndorf. Diese drei Städte wurden im Laufe des Krieges mehrfach gezielt angegriffen, während andere Orte eher zufällig getroffen wurden. Nach einem Überblick über den Stand der Luftrüstung zu Beginn des Krieges werden im Folgenden zunächst die Angriffe auf die Rüstungsbetriebe dargestellt und
anschließend die eher zufälligen Bombenabwürfe auf weitere Städte und Dörfer der Region aufgeführt.
Es war im Februar 1945. Mein Mann war schon im Dezember 44 zu den nach Hinterzarten
ausquartierten beiden Töchtern gegangen, weil die Gestapo ihn zum Schippen einziehen wollte.
Ich ging nicht mit, ich hätte ihn gefährden können. Außerdem musste jemand in der Wohnung
bleiben, um die Post auf Umwegen nachzuschicken und etwaige Recherchen abzufangen. Auch
musste ich den Kanarienvogel, der etwas krank war, versorgen. In Hinterzarten waren die Zimmer nur mit einem elektr. Öfchen notdürftig heizbar (zu kalt für den Vogel) [...]. So beginnt der Bericht über ein persönlich erlebtes, dramatisches Ereignis gegen Ende
des Krieges. Der Verfasserin Gertrud Gurlitt, in der Freiburger Burgunderstr. 30 wohnhaft,
ist offenbar bewusst, dass sie sich augenblicklich in einer bedrohlichen Lage befindet. Soll sie,
ohne zu zögern, dem Willen der Gestapo nachkommen und sich als Jüdin einem unbestimmten
Schicksal ausliefern - oder kann sie es wagen, unter Umgehung dieses Befehls die in Hinterzarten ausquartierte Familie zu besuchen und sie über ihre eigene Bedrohung zu informieren?
In beiden Fällen würde sie ein großes Risiko eingehen und mit Maßnahmen gegen ihre Freiheit
rechnen müssen. Und um beide Optionen in Ruhe gegeneinander abzuwägen, bleibt ihr keine
Zeit.
Im Mai 1913, nur 15 Monate vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs, wagte der Mediziner
und Generaloberarzt des preußischen Heeressanitätsdienstes Paul Schmidt in einem Vortrag
vor der Berliner Kaiser-Wilhelm-Akademie, in dem er die historische Genese des deutschen
Heeressanitätswesens behandelte, einen optimistischen Blick in die Zukunft: Sollte demnächst
ein großer Krieg ausbrechen, was durchaus wahrscheinlich sei, denn wer sollte sich heutigen
Tages unterfangen, noch den Traum des ewigen Völkerfriedens zu teilen, dann sei das deutsche
Lazarettwesen gut gerüstet: Die Organisation unseres Heeressanitätswesens [ist] auf eine Höhe
gebracht, dass alle Bedürfnisse der Versorgung unserer Kranken und Verwundeten auf dem
Schlachtfelde wie in den Lazaretten, des Krankentransportes und der Krankenunterbringung
erfüllt werden. Für wahr! Unser Sanitätskörper darf mit berechtigtem Selbstvertrauen und in
dem Bewusstsein seiner Kriegsbereitschaft den kommenden Ereignissen ruhigen Sinnes entgegensehen.'
Es handelt sich hier nicht um eine Kirchengeschichte von Renchen, nur um Notizen über Priester, welche in der Pfarrei gewirkt haben, deren einige schon in einer früheren Studie erwähnt wurden. Seither haben wir weiter nachgeforscht im Rahmen einer Studie über den Weltklerus der Diözese Straßburg bis 1648, die weitergeführt wird. Leider ist die Liste unvollständig. Die folgenden biographischen Notizen beruhen meistens auf Nachforschungen in den Archives Departementales du Bas-Rhin und in den Archives Municipales de Strasbourg.
Im Generallandesarchiv Karlsruhe wird unter der Bestandsnummer 229/2213-2217 eine kleine Aktengruppe mit der folgenden Bezeichnung verwahrt: ,,In Sachen der Kraichgauischen Reichsritterschaft gegen Kurpfalz, Beeinträchtigung des Besteuerungsrechts etc. der beiden Gemeinden Altwiesloch und Baiertal". Angelegt wurden die Akten von den Archivaren des Ritterkantons Kraichgau. Die darin gesammelten Dokumente sollten beweisen, dass die genannten Orte (zumindest teilweise) in der Hand von adeligen Familien waren, die sich dem Ritterkanton angeschlossen hatten. Diese Familien waren gegenüber dem Ritterkanton zur Zahlung von Steuern und Abgaben verpflichtet. Das führte zu ständigen Konflikten mit der Kurpfalz, die für Altwiesloch und den ritterschaftlichen Teil von Baiertal die Landeshoheit und die Gerichtsbarkeit für sich beanspruchte.
Im Rahmen eines anlässlich des 70. Geburtstags von Professor Hermann Brommer (1926-2012)
entstandenen Beitrags zu einer bis dahin nahezu unbeachtet gebliebenen Gruppe von Archivalien, die sich im verwandtschaftlichen Umfeld des aus Merdingen (bei Freiburg) stammenden
Barockbildhauers Johann Baptist Sellinger (1714-1779) ansiedeln ließen, nahm ich vor einigen
Jahren die Gelegenheit wahr, beiläufig auf einen aus der Nachbargemeinde Gündlingen gebürtigen Johann Georg Binz hinzuweisen, der in den 60er-Jahren des 18. Jahrhunderts als Freiburger
Student bezeugt ist.' Da mir zum damaligen Zeitpunkt weder verlässliche Informationen zur genealogischen Zugehörigkeit noch nähere Hinweise zu späteren Lebensstationen des Genannten
vorlagen, beließ ich es seinerzeit vorläufig bei einer knappen Randnotiz. Nicht zuletzt dank der
Recherchemöglichkeiten, die das moderne Internet heute bietet, war es mir in der Zwischenzeit
möglich, nicht nur die Lebensspuren Johann Georgs weiterzuverfolgen, sondern auch einige
weiterführende familiengeschichtliche Daten und Fakten zu seinen direkten Nachfahren zu
eruieren. Die folgenden Ausführungen stellen eine erste Zusammenfassung der dabei erzielten
Resultate dar.
Nachdem Markgraf August Georg, der letzte seines Stammes, im Jahre 1771 in Rastatt gestorben war, wurde sein katholisches
Ländchen mit dem der evangelischen Vettern in Karlsruhe vereinigt - was freilich nicht allen gefiel. Vor allem die Witwe des
Verstorbenen, Markgräfin Maria Viktoria, versuchte das konfessionelle Erbe zu wahren und zu mehren; und so kaufte sie die
ehemalige Residenz der Jesuiten in Ottersweier und richtete in ihr eine Mädchenschule ein. Zu ihrer Leitung berief sie die „Regulierten Chorfrauen des Heiligen Augustinus von der Kongregation Unserer Lieben Frau", die 1597 in Lothringen gegründet worden waren und sich 1731 in Altbreisach niedergelassen hatten. Am 21. Oktober 1783 wurde das Institut feierlich eröffnet. Es folgten gute, dann aber immer schwierigere Jahre, sodass man schließlich beschloss, die Schule nach Offenburg zu verlegen, wo sie im Jahre 1823 das ehemalige Franziskanerkloster bezog. Hier blühte sie nun förmlich auf, zusammen mit dem ihr angeschlossenen, ,,von den Töchtern des badischen Landes mit Vorliebe besuchten Pensionat".
Die Freilegung - mit Drahtbürsten! - der a secco Malerei von etwa 1230 im Chor
der ehemaligen Klosterkirche Lobenfeld unter der Ägide der Gebrüder Mezger hat
nicht nur allgemein dem Eindruck des Kirchenraumes unwiderruflich geschadet.
Seit 1910/12 bemühen sich Theologen und Kunsthistoriker um die Klärung der ungewöhnlichen
Ausmalung im Chor, die das Skriptorium der Augustinerkanoniker
Frankenthal verantwortete.
Der Freiburger Theologieprofessor und Denkmalverantwortliche Joseph Sauer hat
sich seit 1910 damit auseinander gesetzt (Freiburger Diözesanarchiv 1912 und bei
Oechelhäuser, Die Kunstdenkmäler im Großherzogtum Baden, 1913 ). Beide bewerteten
die Architektur, besonders jedoch die Wandbilder, sehr hoch. Paul Clemen
(1866-1947), seit 1893 Konservator der Rheinprovinz, hat sich mit den jüngeren
Lobenfelder Malereien beschäftigt, ansonsten waren die „Schätze" weitgehend
vergessen.
In der Vorbereitungs- und Planungsphase der kürzlich abgeschlossenen Restaurierung des Innenraums der sogenannten
Leut- oder Gutleutkirche in Friesenheim-Oberschopfheim wurde der im Chorbereich vorhandene Wandmalereizyklus
ausführlich restauratorisch untersucht. Die ersten Untersuchungen erfolgten im November 2011 und wurden im Mai
2012 fortgesetzt. Weitere Befunde traten während der Restaurierung Juli bis Oktober 2014 zutage. Die restauratorischen Untersuchungen, das darauf basierende Restaurierungskonzept und die Ausführung der Maßnahmen wurden von Bernhard Wink mit Unterstützung von Regine Dendler vorgenommen. Die komplexen Untersuchungsergebnisse werden im Folgenden zusammenfassend dargestellt: Im ersten Teil beschreibt Bernhard Wink die Erkenntnisse aus Untersuchung und Restaurierung, im zweiten Teil vergleicht Regine Dendler die materiellen Befunde mit den anlässlich der Voruntersuchung erhobenen Archivalien. Eine Zusammenschau beider Teile kann ein annähernd vollständiges Bild der Entstehungsgeschichte der Innenraumgestaltung bzw. der Wandmalereien in der Leutkirche vermitteln, wie es auch grundlegende Voraussetzung für
viele konservatorische Entscheidungen in den nun abgeschlossenen Maßnahmen war.
Ettenheimer Gärten, Teil 7-9
(2015)
1596 in der Ortenau. Katharina Treyschneizler aus Ortenberg sagte aus, sie habe vom Teufel eine Gerte als Lohn dafür bekommen, dass sie „diesem zu Willen gewesen". Die beiden Pferde, die sie mit der Gerte geschlagen habe, seien kurz darauf eingegangen. Sie habe auch auf der Riethalde bei Rammersweier ein Unwetter gezaubert; dadurch seien die Trauben verdorrt. Niemandem kamen damals Zweifel, dass dies alles der Wahrheit entsprach. Mehr oder weniger identische Aussagen wurden auch in Friesland, Bayern oder der Eifel von den Gerichtsschreibern aufgezeichnet. Hexen, Unholde, Zauberer und Wettermacherinnen - für Generationen waren sie totale Existenzbedrohung. Krankheit, Tod, sieches Vieh und Missernten - alles Hexenwerk. Sie sagten Gott ab und trieben Unzucht mit dem Teufel, flogen zum Hexensabbat und töteten ungetaufte Säuglinge. Theologen und Juristen hatten die theoretischen Voraussetzungen für den Wahn geschaffen, das Volk sie dankbar aufgenommen.
Wer einem touristischen Hinweisschild „Historische Altstadt“ folgt, wird selten von geschichtlichem Erkenntnisinteresse bewegt. Man erwartet ein Ensemble aus Stadttoren, Stadtmauern, Brunnen, Türmen und allerlei „alten“ Gebäuden, sieht in solchem Inventar aber weniger Zeichen bestimmter Zeiten, sondern pittoreske Ansichten, die es von allen Seiten zu betrachten und aus günstigem Blickwinkel schließlich per Handkamera einzufangen gilt. So gesehen ist die „historische Altstadt“ weniger historisches als ästhetisches Terrain: Ein „Stadtbild“, das gleich einem Gemälde angeschaut, bewertet und dessen Schönheit nicht zuletzt auch genossen werden will. Was wirkt anziehend an solchen Stadtbildern? Die Überreste erinnern zumeist an das Mittelalter (respektive an die frühe Neuzeit), das als schaurigschöne Epoche nach wie vor besonders gerne fliehend gesucht wird. Kaum eine andere Zeit interessiert und fasziniert mehr als die der Ritter, Knappen, Edelfrauen: Fassungslos schaudert man hier vor der umstandslosen Bereitschaft der Zeitgenossen zu hemmungsloser Gewaltanwendung, ergriffen bewundert man da deren gleichzeitige Fähigkeit zu innigem Glauben, tiefsinniger Mystik und wahrhafter Nächstenliebe.
Historische Natursteinbauwerke sind in der Regel ein Spiegelbild der im Untergrund anstehenden Gesteinsschichten. Im Bauland stechen zahlreiche Gebäude, die aus Muschelkalkquadern errichtet wurden, hervor. Entlang des unteren Neckartales strahlen die Burgen im leuchtenden Rot des Buntsandsteins. In den Dörfern am südlichen Rand des Strombergs, v.a. in Ochsenbach, dominieren Mauerwerke und Gebäudesockel aus dem hellgrauen grobkörnigen Stubensandstein. Im Heilbronner Unterland und dem Zabergäu geben unzählige Bauwerke aus dem feinkörnigen und gelbbraunen Schilfsandstein den Siedlungen ihr Gepräge. In vielen Kraichgaudörfern nordwestlich des Ottilien- und Heuchelberges bis etwa zu einer Linie von Wiesloch bis Sinsheim sind fast alle mittelalterlichen Burgen und Zehntscheuern, Schlösser und ab dem 19. Jahrhundert auch Kirchen, Schulen und Tabakfabriken aus Schilfsandstein errichtet worden.
Am 1. August 1914 erklärte das Deutsche Reich Russland den Krieg. Wenige Tage später befand es sich auch mit seinen westlichen Nachbarn Frankreich, Belgien und Großbritannien im Kriegszustand. Doch, obwohl die meisten Militärstrategen die
Länge und Intensität des Ersten Weltkriegs noch nicht absehen konnten oder wollten, war bereits frühzeitig klar, dass seine
Finanzierung eine große Herausforderung darstellen würde. Die eigene Bevölkerung sollte so dem kriegführenden Staat
Darlehen geben. Für dieses Vorhaben wurden bis 1918 u. a. neun Kriegsanleihen aufgelegt.
Im Urkundenbestand des Stadtarchivs Freiburg befindet sich ein undatiertes broschiertes Doppelheft, das zeitlich wohl um das Jahr 1522 einzuordnen ist. Es handelt sich dabei um die Niederschrift aus der Hand eines Freiburger Ratsschreibers von Rechtfertigungsaussagen eines nicht
genannten evangelisch Gesinnten, der Anschuldigungen eines Münstergeistlichen zurückweisen
will, er habe sich mehrmals öffentlich gegen dessen katholische Predigten geäußert. Die Beschaffenheit und das Äußere des Hefts geben indes mancherlei Rätsel auf. Seine Blätter sind beidseitig
in Spalten (mit Ausnahme von Blatt 1) beschrieben, wie wir es etwa auch aus den Freiburger
Ratsprotokollen kennen, freilich mit Streichungen, Einschüben und eingenähten Viertel- oder
Halbblättern. Daraus ist zu schließen, dass es sich um schriftliche Eingaben des Angeklagten
bei einem Verhör handelt, das sich über mehrere Termine bzw. Tage erstreckte; diese hat der
Schreiber sodann im Protokoll wörtlich übernommen. Diese Vermutung wird dadurch erhärtet,
dass die Antworten des Angeklagten recht detailliert ausfallen, mit zumeist getreu zitierten Belegstellen aus beiden Testamenten der heiligen Schrift sowie dem „Decretum Gratiani", sowohl
auf Deutsch als auch auf Latein, die mündlich kaum so hätten vorgetragen werden können. Es
verwundert dennoch, dass der Schreiber einer katholisch gebliebenen Stadt dieses evangelische
,Beweismaterial' in solcher Ausführlichkeit zu Papier gebracht hat, es sei denn, die Obrigkeit
wollte sehr genaue Auskünfte über das Ausmaß der evangelischen Gesinnung in der Stadt und
den Kenntnisgrad ihrer Anhänger gewinnen. 2 Noch befremdlicher ist die Tatsache, dass das Heft
die Antworten auf zwei Beschwerdepunkte enthält, eine dritte jedoch nach zunächst niedergeschriebener, dann gestrichener Inhaltsangabe weglässt. Darauf wird zurückzukommen sein.
Am 22. Juni 1914 schreibt der 77jährige Albert Helbing, Exzellenz und wirklicher Geheimrat und seit 1903 Präsident des
Evangelischen Oberkirchenrats der badischen Landeskirche, an seinen Schwager Heinrich Spengler: Ob für mich auch noch einmal eine kurze Zeit der Ruhe hienieden anbrechen wird? Ich sehne mich oft unaussprechlich danach. Aber es scheint fast, als ob mir dieses Glück nicht sollte beschieden werden. Vom 8.-16. d.M. war ich wieder in Eisenach, fand bei meiner Rückkehr viel Arbeit und Sorgen und stehe nun vor der Generalsynode, die voraussichtlich kein sonderliches Vergnügen aber jedenfalls eine große Anstrengung sein wird. Das ist nun die achte, die ich erlebe, die dritte als Präsident und diese zum
größten Teil [mit] neuen erstmals gewählten Mitgliedern. Indes – Deus providebit. Schon drei Jahre zuvor zeigte der damals 74jährige Amtsmüdigkeit und wollte zurücktreten. Aber seine Tochter schreibt ihm: Deinen Rücktritt würde ich in erster
Linie für Dich bedauern. Die Tätigkeit würde Dir doch sehr fehlen. Doch darüber werden wir jedoch miteinander reden. Offenbar hast Du wieder Unannehmlichkeiten haben müssen. Und so bleibt der greise Kirchenpräsident weiter im Amt in der Blumenstraße in Karlsruhe, dem sogenannten Roten Haus. Im Jahr 1907 hatte er den unter seiner Regie erbauten Dienst- und Wohnsitz der badischen Kirchenleitung bezogen. Seit 1906 verwitwet lebte er dort in unermüdlicher Tätigkeit, stets aufs äußerste bedacht, alle Fäden in der Hand zu behalten und die Zügel nicht zu verlieren. Einer seiner Gegner auf der Linken, der Mannheimer Pfarrer Ernst Lehmann, hat seine Amtszeit nach seinem Tod und nach dem Ende des Ersten Weltkrieges mit dem ambivalenten Begriff der „Ära Helbing“ gekennzeichnet, die an ihm hängen geblieben ist.
Bis jetzt zählte die Bibliothek des Priesterseminars in Straßburg 237 Wiegendrucke. Durch einen unglaublichen Zufall vermehrte sich die Zahl um ein Exemplar, das sich schon lange im Priesterseminar befand, aber nicht in der Bibliothek: Es diente, zusammen mit einem Andachtsbuch gleichen Umfangs, als Keil oder Unterlage einer Terrakotta, um sie ins Gleichgewicht zu bringen. Die zwei alten Bücher wurden entdeckt, als die infrage kommende Pieta umziehen musste.
Die Julikrise stürzte die Sozialdemokraten in ein argumentatives Dilemma. Dem nationalistischen Taumel, der fast alle europäischen Gesellschaften erfasste, stand die traditionell internationalistisch ausgerichtete europäische Arbeiterbewegung wie gelähmt gegenüber. Bis wenige Tage vor Kriegsausbruch hielt auch die deutsche Arbeiterbewegung an ihrer bisherigen Friedenspolitik unbeirrt fest. Noch am 25. Juli 1914 verkündete der SPD-Parteivorstand: ,,Wir wollen keinen Krieg! Nieder mit dem Kriege! Hoch die internationale Völkerverbrüderung!" Gleichzeitig herrschte allgemeines Verständnis auch in den Reihen der Genossen für eine lokal begrenzte Strafaktion Österreich-Ungarns an Serbien, dem die Verantwortung für das Attentat auf den österreichischen Thronfolger zugeschrieben wurde. Die Gefahr, dass dabei die Logik der Bündnisverpflichtungen innerhalb der europäischen Staaten eintreten und damit der Weg zum Krieg beschritten werden würde, wurde allgemein als sehr gering eingeschätzt. Weitgehend Einigkeit bestand schon vor 1914 in den Reihen der Sozialdemokraten, dass sie im Falle eines Angriffskrieges gegen Deutschland uneingeschränkt ihrer patriotischen Pflicht nachkommen werden. Schon der Übervater der Partei, August Bebel, hatte dies in der sog. ,,Flintenrede" 1904 im Reichstag ausgesprochen: ,, ... aber wenn der Krieg ein Angriffskrieg werden sollte, ein Krieg, in dem es sich dann um die Existenz Deutschlands handelte, dann - ich gebe Ihnen mein Wort - sind wir bis zum letzten Mann und selbst die Ältesten unter uns bereit, die Flinte auf die Schulter zu nehmen und unseren deutschen Boden zu verteidigen".
Viele Jahrhunderte diente der Friedhof
bei der Pfarrkirche St. Johann (,,Totenkirche")
als Begräbnisplatz für die Verstorbenen
von Neckarbischofsheim.
Lange war er am Rand des Städtchens
gelegen. Mittlerweile aber war der Ort
gewachsen, wodurch der Friedhof seine
Randlage verloren hatte. Da eine Erweiterung
nicht mehr möglich war, begann
man am Rand der Stadt einen neuen
Friedhof anzulegen.
Am 5. Juli 1860 teilte der Gemeinderat
Neckarbischofsheim dem Großherzogliehen
Amt Neckarbischofsheim mit,
dass „die Begraebnißstaette fertig ist
und dass sie dem Gebrauch übergebenwerden
kann" 1•
Jung und Alt im Spiel
(2015)
Die Welt? Ein Kind beim Spiel, die Brettsteine setzend.
Heraklit (500 v.Chr.)
Was können Jung und Alt heutzutage noch miteinander anfang~_n? Das beschäftigt
die Alter(n)sforschung seit geraumer Zeit. Die Zunahme der Altesten in unserer
Gesellschaft ist das stärkste Merkmal des demografischen Wandels, andere Zeichen
sind die niedrige Geburtenrate und die Segregation von Menschen verschiedener
Lebensalter, das Auseinanderdriften von Generationen im verlängerten Leben.
Neu ist die Veränderung des demografischen Wandels durch Flucht- und Arbeitsmigration,
die momentan schwer einzuschätzen ist.
Das Institut für Gerontologie der Universität Heidelberg verfolgt unter der Leitung
von Prof. Dr. Dr. Andreas Kruse den Ansatz, Zugehörigkeit und Mitverantwortung
im hohen Alter zu fördern. Dies soll durch die Entwicklung sozialer Praxiskonzepte
zur Stärkung der Teilhabe älterer Menschen beschleunigt werden.
Die Ortenau. - 95 (2015)
(2015)
Die acht szenischen Bilder der Südwand (S) teilen sich in eine obere (Sl-S4) und in eine untere Reihe (S5-S8). Nur eine Darstellung auf den acht Bildern war bisher immer unbestritten, nämlich die Abbildung Daniels in der Löwengrube (rechts der
Mitte, S7). Bei der ersten Beschreibung der Lobenfelder Wandmalereien nach ihrer Entdeckung ist außerdem das Bild ganz rechts unten (S8) sehr plausibel auf ein Martyrium gedeutet worden, das aus der Verweigerung einer Götzenanbetung resultiert. Und inzwischen ist noch ein Bild der unteren Reihe identifiziert: Aus Buchstabenresten ergibt sich, dass die Darstellung unmittelbar links neben Daniel aus dem alttestamentlichen Buch Hiob stammt (S6). Es handelt sich um eine im Mittelalter unzählige Male abgebildete Szene, in der Hiob in seinem Elend von seiner Frau und seinen Freunden verspottet wird.
Zu den ersten Heidelberger Hochschullehrern, die aus dem Universitätsdienst noch vor dem Erlass des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 aus rassischen Gründen beurlaubt wurden, gehörte Leopold Perels. Bereits am 5. April 1933 hatte der für Baden zuständige, neu ernannte Reichskommissar und spätere Reichsstatthalter Robert Wagner mit Rücksicht auf die starke Beunruhigung der Öffentlichkeit, zum Schutz
und im Interesse der in Baden lebenden Juden angeordnet, dass alle im badischen Staatsdienst und anderen öffentlichen Körperschaften beschäftigten Angehörigen der jüdischen Rasse (ohne Rücksicht auf die konfessionelle Zugehörigkeit) bis auf weiteres vom Dienst zu beurlauben sind. Nur einen Tag später, am 6. April, informierte der Staatskommissar des Kultus und Unterrichts, Dr. Wacker, auf Wagners Anweisung hin den Engeren Senat der Heidelberger Universität darüber, dass sämtliche Dozenten und Assistenten jüdischer Rasse ausnahmslos
unverzüglich von dem Dienst zu beurlauben sind. Mit Bestürzung
reagierte die Universität auf diese Anordnung, welche als undurchführbar erschien. Schon aus anthropologischen Gründen gab es keine jüdische Rasse; unklar war daher, welchen Personenkreis der Erlass umfassen sollte.
Die Gründung des Stadtarchivs Karlsruhe als älteste von der Stadt allein getragene Kultureinrichtung geht auf einen 1882 veröffentlichten Aufruf an die Karlsruher Bevölkerung zurück, »etwa in ihrem Besitz befindliche Pläne, Ansichten und Beschreibungen, welche von dem baulichen Zustande und der Entwicklung der hiesigen Stadt in früherer Zeit Kunde geben« einem zu gründenden Stadtarchiv zur Verfügung zu stellen. Damit war ein Sammlungsauftrag formuliert, den das Stadtarchiv seit seiner offiziellen Gründung im Jahr 1885 als einen Schwerpunkt seiner Arbeit umsetzt.
„De miraculis et virtutibus beati marci evangelistae aliquid scribere cupientes“.
(„Ich möchte über die Wunder und Tugenden des glücklichen Evangelisten Markus etwas schreiben.“) Mit diesen Worten beginnt der um 940 verfasste Bericht
eines unbekannten Reichenauer Mönches über die feierliche Überführung der Reliquie, die sogenannte Translation, im Jahr 830 und die in den folgenden Jahren
geschehenen Wundertaten des hl. Markus auf der Reichenau. Diese Miracula
S. Marci, denen zufolge die Reliquie als Geschenk des Veroneser Bischofs Ratold
in das Reichenauer Inselkloster kam, fallen also in die erste Blütezeit des Klosters
im 8. und 9. Jahrhundert unter den Karolingern.
Das Haus Baden schenkte der Stadt Karlsruhe zum 300. Geburtstag ein Denkmal an ihren
Vorfahren und Stadtgründer Markgraf Karl III. Wilhelm von Baden-Durlach. In Auftrag gegeben
wurde das Kunstwerk von Prinz Bernhard von Baden bei dem bekannten badischen
Künstler Stefan Strumbel. Die feierliche Übergabe an die Karlsruher Bürger fand am 16. Juni
2015, am Vorabend der Stadtgründung, im Schlosspark in Karlsruhe statt.
Die alte Gymnasiumsbibliothek und die neue Historische Bibliothek des Bismarck-Gymnasiums Karlsruhe
(2015)
Am Anfang standen einige wenige zu Demonstrationszwecken aufbewahrte Bücher des 16. und 17. Jahrhunderts und eine Vielzahl vor allem griechischer und lateinischer Bücher, ein provisorischer Zettelkatalog sowie eine Bibliotheksausstattung
und ein Bibliotheksraum. Letzterer war ungenutzt und glich eher einem Abstellraum als einer Bibliothek. Das war die Ausgangslage, bevor das Bibliotheksprojekt »Mit alten Büchern Neues lernen« 2010/11 in Angriff genommen wurde.
Im Stadtarchiv Bräunlingen hat sich ein von seinem Verfasser selbst als „Kriegs-Protokoll“ überschriebenes Konvolut erhalten, aus dem sich Details über die
Truppenbewegungen in der Region und über die von der Stadt Bräunlingen zu
tragenden Kriegslasten sowie einige private Begebenheiten aus dem Leben des
Oberschultheißen entnehmen lassen.
Am 2. Oktober 1688 erfolgte die erste Eintragung, am 17. Juli 1702 die letzte. Somit umfasst dieses Kriegstagebuch die Zeit des Pfälzischen Erbfolgekrieges
von 1688 bis 1697 sowie die Anfänge des Spanischen Erbfolgekrieges ab 1701.
Nach einer Darstellung der politischen Hintergründe der kriegerischen Auseinandersetzung zu Ende des 17. Jahrhunderts beschreibt der folgende Beitrag das
Amt des Bräunlinger Schultheißen, die Lebensumstände des Johann Konrad
Gumpp und die Kriegsereignisse in und um Bräunlingen, soweit sie aus seinem
Tagebuch hervorgehen.
Der Zugriff der Könige
(2015)
Am 1. Januar 2016 wird in Frankreich die regionalpolitische und administrative Einheit Elsass
aufgelöst. Sie hatte, von den reichsdeutschen Zwischenzeiten abgesehen, seit dreieinhalb
Jahrhunderten in unterschiedlichen Formen Bestand. Das Land mit seiner sehr besonderen
Geschichte und Bevölkerung wird nun in eine Großregion eingebettet sein, die von der Ile de
France bis zum Rhein reicht. Was wird die Umarmung mit sich bringen? Sind weitere Verluste
an Eigenart zu erwarten? Die Anfänge der Geschichte können Sie in dem folgenden Beitrag
kennen lernen.
Wenn in diesem Jahr die art KARLSRUHE nun schon zum 12. Mal ihre Pforten öffnen wird, dann blickt man in der
Fächerstadt auf eine Erfolgsgeschichte zurück, an der viele mitgewirkt haben, welche jedoch ohne die Ideen und Energie
des Kurators und Projektleiters der Kunstmesse Ewald Schrade nicht denkbar gewesen wäre. Die Geschichte der art KARLSRUHE ist eng verbunden mit dem Bau der Neuen Messe Karlsruhe. Politisch war der Bau zwar bereits zur Jahrtausendwende beschlossen worden, doch bis zur Einweihung des Messegeländes in Rheinstetten sollte es noch bis zum Oktober 2003 dauern. Dem damaligen Geschäftsführer Claus Hähnel standen nunmehr vier Messehallen mit insgesamt 52 000 m2 Ausstellungsfläche sowie 10 000 m2 Freifläche zur Verfügung, die durch ein vielfältiges Messe- und Veranstaltungsprogramm mit Leben gefüllt werden sollten.
Professor Ernst Caramelle leitet seit 2012 die Staatliche Kunstakademie Karlsruhe als Rektor. Der 1952 in Hall in Tirol geborene Künstler ist seit 1994 Professor für Malerei an der Hochschule. Zuvor lehrte er von 1981 bis 1983 an der Städelschule in Frankfurt am Main und von 1986 bis 1990 an der Hochschule für angewandte Kunst Wien, wo er selbst seine Ausbildung absolviert hatte. Im Gespräch mit den Kunsthistorikerinnen Dr. Ursula Merkel und Susanne Schiller-Winkel
wirft er einen Blick auf die Geschichte und die heutige Bedeutung der Staatlichen Akademie der Bildenden Künste Karlsruhe.
Bisherige Publikationen über die Eppinger Linien, der Verteidigungsanlage gegen
die französischen Einfälle Ende des 17. Jahrhunderts, haben vorwiegend die bauliche
Anlage, deren Verlauf, sowie das Kriegsgeschehen zum Inhalt.
Diese Eppingen Linien blieben jedoch nicht nur im Hinblick auf das Kriegsgeschehen
und die „große Politik" nicht ohne Folgen.
Im Staatsarchiv Freiburg findet sich ein bisher in der Forschung eher wenig beachteter Aktenbestand „Entnazifizierung evangelischer Pfarrer 1945-49“. Das Freiburger Staatsarchiv verwaltet als Teil des Landesarchivs Baden-Württemberg vor allem Bestände der Ministerien und Behörden des 1952 erloschenen Landes (Süd-) Baden sowie Verwaltungsunterlagen staatlicher Behörden im Bereich Süd-Baden seit 1806, des weiteren wichtige Dokumente aus der französischen Besatzungszeit. Zudem enthält das Staatsarchiv auch den – teilweise lückenhaften – Bestand sämtlicher Entnazifizierungsakten aus dem südbadischen Teil der französischen Besatzungszone. Die Entnazifizierungsakten von stärker NS-belasteten Personen, die deswegen interniert wurden, befinden sich im Archiv des französischen Außenministeriums „Centre des archives diplomatiques“ in La Courneuve bei Paris. Einen ersten Überblick zur Kirchenpolitik der französischen Besatzungsmacht lieferte Jörg Thierfelder bereits 1989. Zu diesem Zeitpunkt gab es zu diesem Thema noch überhaupt keine Publikation. Dabei wies Thierfelder darauf hin, dass die Franzosen im Gegensatz zu US-Amerikanern und Briten keine eigenständige Planung für die Kirchenpolitik in ihrer Besatzungszone hatten. Die Zeitspanne zwischen der Konferenz von Jalta im Februar 1945, auf der Frankreich eine eigene Besatzungszone zugesprochen worden war, und dem Einmarsch der französischen Armee nach Südwestdeutschland ab Ende März 1945 war hierzu viel zu kurz gewesen. Insgesamt stellte Thierfelder eine ausgesprochen freundliche Behandlung der beiden Kirchen durch die französische Besatzungsmacht fest, die sich positiv von der allgemeinen Behandlung der deutschen Zivilbevölkerung abhob. Für den Bereich der württembergischen Landeskirche gab es so gut wie keine Berichte über Hausdurchsuchungen von
Gottesdiensträumen oder Pfarrhäusern und von Beschlagnahmungen.
Wirtschaft in Karlsruhe
(2015)
Das Wirtschaftsleben ist ein fester Bestandteil der badischen Kultur. In der heutigen TechnologieRegion Karlsruhe hat es in 300 Jahren das Lebensgefühl mit geprägt und zeigt sich dabei vor allem modern und selbstbewusst. In Zeiten eines tiefgreifenden Wandels durch Internationalisierung und die Digitalisierung der Wirtschaft ist Karlsruhe Motor für innovative technologische Entwicklungen, für Online-Handel und für Industrie 4.0, die sogenannte »Vierte Industrielle Revolution«. Die Region von Waghäusel bis Bühl – unter dem Namen TechnologieRegion Karlsruhe als Marke bekannt – zählt zu den wirtschaftsstärksten Regionen Deutschlands und Europas. Mit im Durchschnitt 95–98 Prozent Beschäftigungsquote herrscht hier de facto Vollbeschäftigung. Ein entscheidender Faktor dafür ist die Branche der Informations- und Kommunikationstechnologie (IKT) mit über 4100 Unternehmen und rund 30 000 Beschäftigten.
»Die Ausstellung präsentiert, was Expertinnen und Experten aus Planung, Politik und Bürgerschaft im Rahmen des Leitbildprozesses bislang entwickelt haben. Zu sehen ist kein fertiger Leitbild-Plan, keine Blaupause für die Zukunft – gezeigt werden verschiedene Entwicklungsoptionen für Karlsruhe«. »Das räumliche Leitbild ist eine der bedeutendsten
städtebaulichen Projekte derer sich Karlsruhe in den letzten Jahrzehnten angenommen hat.« Es handelt sich dabei um eine »Vorstellung der gewünschten Entwicklung der Stadt für die nächsten Jahrzehnte«, Grundlage für einen Diskussionsprozess zwischen Bevölkerung, Planern und Politikern. Es geht darum, die Vorstellungen »im Raum zu testen« und zu sehen, ob sie dann sich als »tragbar« erweisen.
Das Zentrum der Verehrung der hl. Ottilie im Kraichgau ist zweifellos der Ottilienberg bei Eppingen. Er ist der einzige Berg Badens, der diesen Namen trägt'. Er wurde spätestens im 15. Jahrhundert nach der Kapellenheiligen, der hl. Ottilie, zu
der um 1400 immer häufiger gewallfahrtet wurde, genannt. Es handelt sich bei dieser Wallfahrt um eine sog. Wallfahrtsfiliale des Klosters St. Odile bei Obernai im Elsass oder, wie Willy A. Schulze es nennt2 , um eine Sekundärwallfahrt, die immer
dort entstanden ist, wenn der Weg zur Originalwallfahrtsstätte zu weit entfernt war und die Gläubigen nicht die Zeit und das Geld hatten, das Original aufzusuchen.
Am Sonntag, den 31. Oktober 1909, morgens um 11 Uhr, also am Reformationstag und also fünf Jahre vor Ausbruch des Ersten und 30 Jahre vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs bot sich in der Heidelberger Peterskirche ein merkwürdiges und zugleich bedrückendes Schauspiel: der akademische Trauergottesdienst für die Theologen Adolf Hausrath († 2. August), Adalbert Merx († 4. August) und Heinrich Bassermann († 29. August). Mit ihnen verabschiedete sich ein erheblicher Teil der prägenden Theologen, die nach der Krise der Fakultät in den 1870er Jahren den liberalen Ruf der Heidelberger Theologie hatten begründen helfen; liberal und fürstlich hochdekoriert, und (insbesondere Hausrath) von einer preußenkritischen zu einer propreußisch-nationalen Option sich durchringend. Vor allem Bassermann und Hausrath gehörten dabei durch Geburt oder Heirat Milieus an, die mit Kriegsbeginn zerbrachen. Die nationalliberale Bindung war das eine, die am Handel orientierte und kosmopolitische Herkunft ein anderes. Man denke nur – jetzt erneut Hausrath als Beispiel genommen
– an die Familienbeziehungen des Theologen zu den Familien Weber oder auch Baumgarten. Nun war Max Weber kein Theologe und der mit ihm verbundene Ernst Troeltsch Theologe nur bis 1915, und der dem gleichen Dunstkreis entsprungene badische Theologe Otto Baumgarten – auch er sprach 1915 vom Krieg als Erneuerung und Wiedergeburt des deutschen Volkes – wirkte in Kiel. Das vielleicht aufreizende „name dropping“ soll ein methodisches Problem spiegeln, nämlich: Auch die im Folgenden zu nennenden Heidelberger Theologen standen als Individuen in weiten und weiteren Kontexten, die keineswegs innerhalb des Vortrags erhellt werden können. Und sie standen in Kontexten, die wohl wirkmächtiger waren als das Biotop Theologische Fakultät.
Im Jahr 1977 wurde die Bundesrepublik Deutschland von einer Welle terroristischer Straftaten in einem bisher nicht bekannten Ausmaß überzogen. Den Auftakt zu dieser Mordserie bildete das Attentat auf Generalbundesanwalt Siegfried Buback am Gründonnerstag, dem 7. April 1977 mitten in Karlsruhe. Der Anschlag, dem auch die beiden Begleiter Wolfgang Göbel und Georg Wurster zum Opfer fielen, erschütterte das ganze Land und im Besonderen die Stadt Karlsruhe – der Staatsakt am 13. April 1977 fand in der Karlsruher Stadtkirche statt, zugleich die Bischofskirche der Evangelischen Landeskirche in Baden. Das Attentat hatte sich am 7. April 1977 gegen 9.15 Uhr auf der Linkenheimer Landstraße in unmittelbarer Nähe des Karlsruher Schlosses und des Bundesverfassungsgerichts abgespielt: der blaue Dienst-Mercedes von Generalbundesanwalt Buback wurde von einem Suzuki-Motorrad an einer Ampel überholt, der Beifahrer auf dem Motorrad eröffnete daraufhin mit einer automatischen Waffe sofort das Feuer auf Türen und Fensterscheiben des Dienstwagens. Der Mercedes von Generalbundesanwalt Buback rollte einige Meter weiter und kam an einem Begrenzungspfosten zum Stehen. Der Fahrer Wolfgang Göbel war tödlich getroffen, Generalbundesanwalt Buback erlag kurz danach auf einem Rasen am Straßenrand seinen Verletzungen, Georg Wurster verstarb am 12. April an den Folgen der schweren Verwundungen in einem Karlsruher Krankenhaus.
Tagebücher „dienen der Niederschrift von Alltagsbegebenheiten und Erfahrungen, Empfindungen und Gedanken etc., die mit der Person des Tagebuchführenden in einem […] Zusammenhang stehen.“ Die Aufzeichnungen folgen einem chronologischen Fortgang, auch wenn nicht notwendiger Weise Kalenderdaten angegeben werden. Die einzelnen Eintragungen erfolgen i.d.R. schubweise und lassen sich daher deutlich voneinander unterscheiden. Typisch für Tagebücher ist ihre „offene Form“, d.h. sie sind prinzipiell nicht abgeschlossen oder können jederzeit wieder aufleben. Ein Bezug einer Eintragung zu früheren Eintragungen muss nicht bestehen. Die aktuellen und konkreten Aufzeichnungen werden oft durch Reflexionen über die beschriebenen Ereignisse ergänzt. Tagebücher weisen typischerweise einen unsystematischen oder fragmentarischen Charakter auf. Doch können durch nachträgliche Überarbeitungen im Zuge einer Reinschrift für eine Öffentlichkeit Bearbeitungen erfolgen, die den ursprünglichen Inhalt erheblich verändern können, wenn etwa späteres Wissen in Urteile und die Darstellung von Zusammenhängen einfließt. Im Folgenden sollen zwei Tagebücher vorgestellt werden, die von Frauen verfasst wurden, die beide in einem – wenn auch sehr unterschiedlichen – Bezug zur Evangelischen Landeskirche in Baden standen. Diese Tagebücher drängen gewissermaßen die Frage auf, welche Relevanz die Tagebucheintragungen für das Verständnis der Rolle von Frauen in der Landeskirche haben. Das erste Tagebuch stammt von der Karlsruher Künstlerin Clara Faisst und umfasst die Jahre des Ersten Weltkrieges. Das zweite Tagebuch verfasste Gertrud Hammann in der Zeit ihres Aufenthaltes in Gurs im Jahre 1940. Beide Tagebücher befinden sich in den Beständen des Landeskirchlichen Archivs.
,,Servet IÖVA Genús"
(2015)
In der evangelischen Pfarrkirche zu Sulzfeld sind 13 Adelsepitaphien aus der Zeit der Spätgotik (1502) bis zum Barock um 1770) erhalten: Zwölf Epitaphien der Familie Göler von Ravensburg und eines der Rosula von Seusslitz, geborene von Angelloch. Die Grabdenkmäler wurden aus der alten Kirche in den Neubau von 1885/86 übernommen. Erstmals genannt und beschrieben wurden alle 13 Epitaphien von Adolf von Oechelhäuser im Jahr 1909.
Freiburger Diözesan-Archiv
(2015)
Im Bericht über das Vereinsjahr 1933 hatte der Chronist, der hoch angesehene Professor Joseph Sauer, auf die radikale Umgestaltung der politischen Führung Deutschlands hingewiesen. Der Protektor des KGV, Erzbischof Gröber, vertraue der neuen Regierung. Man könne zuversichtlich sein, weil sie die Gesundheit und Reinhaltung unseres Volkes garantiere und die Kulturwerte der Heimat und der deutschen Vergangenheit pflege. „Auf dem Boden dieses Programmes werden wir unmittelbar und aktiv Mitarbeiter sein können.“ Dies war eine klare kirchenpolitische Linie seit dem überraschenden Schwenk Gröbers Ende März 1933 hin zu der neuen nationalen Regierung. Dies musste auch für den KGV Konsequenzen haben: der Stadtarchivar von Konstanz und zugleich Schriftleiter des FDA, Pfarrer Dr. Josef Clauß, ein Elsässer, verlor aus politischen Gründen seinen Archivarposten und legte konsequenterweise 1934 sein Amt als Schriftleiter des FDA nieder – ein typisches Bauernopfer, wird man sagen können – zugunsten von Pfarrer Dr. Hermann Ginter, der dann in den schwierigen Folgejahren sich behaupten musste, durch die Kriegs- und Nachkriegszeit.
Es begann 1995 im Rathaus Kraichtal-Münzesheim. Im Gespräch mit Bürgermeister
Horst Kochendörfer und dem Verfasser als damaligem Kulturreferenten entwickelte
Kurt Andermann eine kühne Idee: Eine Historikertagung in Kraichtal, die
sich im zweijährigen Turnus verschiedenen Aspekten der Landesgeschichte widmen
soll. Der Name war mit „Kraichtaler Kolloquium" rasch gefunden, ebenso
wie Gochsheim als Tagungsort mit seinem besonderen Flair. Aber wird es wirklich
möglich sein, renommierte Historiker und Teilnehmer aus ganz Deutschland in die
,,Provinz" nach Gochsheim zu locken? So fragten sich zunächst noch der Bürgermeister
und sein Mitarbeiter.
Das erste Kolloquium stand 1996 unter dem Thema „Geistliches Leben und
standesgemäßes Auskommen. Adlige Damenstifte in Vergangenheit und Gegenwart."
Referenten wie Kurt Andermann, Hermann Ehmer, Franz Staab oder Bernhard
Theil zeichneten ein lebendiges Bild der „Frauenfrömmigkeit" sowie der
notwendigen "adligen Versorgung" und stellten einzelne Stifte wie das Kraichgauer
Adelige Damenstift exemplarisch vor. Am Ende der drei Vortragstage verabschiedeten
sich die begeisterten Teilnehmer in der Gewissheit, sich in zwei Jahren
wiederzusehen. Die besondere Atmosphäre Gochsheims, der Empfang im Rittersaal
des Schlosses und selbstredend das hohe wissenschaftliche Niveau mit anregenden
Diskussionsbeiträgen verbreiteten auch bei den Verantwortlichen der
Stadtverwaltung Zuversicht und der umsichtige Tagungsleiter Kurt Andermann
konnte sich in seiner Idee mehr als bestätigt sehen.
Nicht nur unbeschwertes Feiern unter dem Vorzeichen der Heimattage, auch kritisches
Hinterfragen von problematischen Aspekten der Regionalgeschichte gehören in Bruchsal
erklärtermaßen zum Spektrum der Heimattageveranstaltungen 2015. Am Beispiel der
Deportation nach Gurs 1940 (75. Jahrestag) wie auch der Kriegszerstörung von Bruchsal
1945 (70. Jahrestag) umreißt der Beitrag die entsprechenden Bemühungen der Stadt und ihre
historischen Hintergründe.
Vom Halm zum Strohzylinder
(2015)
Das Arrangement gesammelter Dinge aus dem Schwarzwald, über die Dr. Max Wingenroth, seit 1909 als Museumskonservator für die städtischen Sammlungen in Freiburg tätig, so wertschätzend urteilte, entstammt aus dem Zusammenhang eines eng mit der Geschichte des Schwarzwaldes verbundenen Handwerks: der Strohflechterei. Diese sogenannte Hausindustrie war im Schwarzwald vom 18. bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts nicht nur für die Wirtschafts- und Sozialgeschichte von Bedeutung, sondern auch für die Kultur- und Kunstgeschichte. Das Handwerk hinterließ Spuren vor allem in Form von Dingen, in die seine Geschichte eingeschrieben worden ist. Oskar Spiegelhalder, ein Uhrenfabrikant
aus Lenzkirch, beteiligte sich um 1900 an einer auch überregional spürbaren Rettungsaktion des Bürgertums, bei der volkskundlich-kulturgeschichtliche Dinge vor dem Verschwinden bewahrt werden sollten. Mit der Aufnahme in drei nacheinander arrangierte Sammlungen verlieh er den um 1900 bereits zu großen Teilen bedeutungslosen Kulturrelikten eine neue Relevanz. Diese besteht nicht nur in der (musealen) Konservierung eines vergangenen Handwerks, sondern auch
in der Möglichkeit, die „subjektive Dingbedeutung“ der Sammlungsstücke und damit ihren individuellen Stellenwert für verschiedene Akteure zu ergründen.
Nimmt man zur Kenntnis, dass die Aufklärung – als historische Epoche und als geistige Bewegung – für das Wesen der Kirche, der katholischen im Besonderen, ja für die Existenz des Christentums und der Religion überhaupt eine Schicksalsfrage geworden ist, dann bekommt das Thema eine enorm aktuelle Bedeutung. Sehen wir also, wie sich die regionale Kirchengeschichtsschreibung mit der Aufklärung befasst und auseinandergesetzt hat. In katholischen Kreisen ist das Aufklärungszeitalter äußerst kontrovers beurteilt worden. Dabei folgte der Wandel in der Einschätzung der Aufklärung offensichtlich den Veränderungen im Selbstbild der katholischen Kirche. Man kann das unmittelbar ablesen an den Ausführungen zum Stichwort „Aufklärung“ in den aufeinanderfolgenden Ausgaben des Lexikons für Theologie und Kirche. Im ersten „Buchberger“, dem zweibändigen „Kirchlichen Hand-Lexikon“ des Herder-Verlags von 1907 wird die Aufklärung noch ganz negativ eingeschätzt, sie habe die Verweltlichung des Klerus bewirkt, Schmähungen gegen Kirche und Papsttum und platten Utilitarismus betrieben. Sie (die Aufklärung) „zersetzte und lähmte auch das praktische kirchliche Leben: Feindschaft gegen die Orden, Bewegungen gegen den Zölibat, die lateinische Kultsprache, Verwässerung der Gebet- und Gesangbücher sind die charakteristischen Zeichen der Aufklärung“.
Dreimal in sieben Jahren
(2015)
Am 1. Juli 1959 wurde Heinrich Lübke zum zweiten Bundespräsidenten der Bundesrepublik Deutschland gewählt. Als Nachfolger von Theodor Heuss trat er sein Amt am 13. September desselben Jahres an. Damit erreichte das bewegte
Leben eines Mannes seinen Höhepunkt, der als Offizier am Ersten Weltkrieg teilgenommen, das Scheitern der ersten deutschen Demokratie miterlebt, als Reserveoffizier Dienst in der Wehrmacht geleistet, und in der Bundesrepublik im zweiten und dritten Kabinett Adenauer das Amt des Bundesministers für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten innegehabt hatte. In seiner fast zehnjährigen Amtszeit als Bundespräsident besuchte Lübke die Fächerstadt Karlsruhe dreimal. Im Folgenden sollen Anlass und Ablauf dieser Besuche näher beschrieben und bewertet werden.
900 Jahre Ursenbacher Hof
(2015)
Etwa auf halber Strecke zwischen Daisbach und Hoffenheim liegt der Ursenbacherhof, in alten Urkunden auch Ursenheim und im Volksmund Bleyhof genannt. Nach umfangreichen Recherchen kam ich zu dem Schluss, dass der Ursenbacherhof im Jahr 2000 mindestens 900 Jahre alt geworden und damit viel älter ist, als das am 5. April 1349 zum ersten Mal in einer Urkunde erwähnte Dorf Dahspach, an dessen Gemarkung er lag. Johannes Bischof von Speyer stiftete am 6. Januar 1100 die Benediktiner-Abtei zu Sinsheim „auf meinem eigenen Sunnesheim genannten und mir von meinen Voraltvätern durch Erbschaft hinterlassenen Erbgute in dem Gaue Elsenzgow in der Grafschaft des Grafen Bruno [ .... ] was immer ich daselbst an Gut, Zehnten und unter irgend einem Rechtstitel habe [ ... ]". Unter den zahlreichen Ortschaften mit Besitztümern und Zehntrechten ist der Ursenbacherhof nicht namentlich aufgeführt, doch zählen Karl Wilhelmi und Franz Josef Mone aus den Sinsheimer Jahrbüchern Besitz in 26 weiteren Orten auf, welche die Abtei bekommen habe, darunter auch
den Ursenbacherhof.
Inzwischen schaut die ganze Welt auf China – aber nicht zum ersten Mal. Im 17. und vollends
im 18. Jahrhundert trafen erste Berichte aus jenem fernen Reich in Europa ein, und was
sie enthielten, regte die europäischen Herrscher nicht nur zur Bewunderung, sondern sogar
zur Nachahmung an. Auch unter den badischen Markgrafen beider Linien wurde nun Ȉ la
chinoise« gebaut und gemalt, getöpfert und getischlert, ja auch gegessen und getrunken und
musiziert; und dies aus gutem Grund.
Meist völlig unbekannt, in manchen Fällen durchaus auch mit kritischem Fragezeichen zu versehen, sind die Wechselbeziehungen zwischen Staat, Politik und Freimaurerei in Baden. Markgraf Karl Friedrich von Baden (1782-1811), der später (1806) erste Großherzog von Baden, wurde während seines Besuches in London im Jahre 1746 in den Bruderbund der Freimaurer aufgenommen. Er, der zugleich Ehrenmitglied der Loge „Karl zur Eintracht" in Mannheim war, anerkannte die
Freimaurerei zwar nie offiziell - wie dies z.B. Friedrich der Große in Preußen getan hatte-, war als Herrscher jedoch ein sehr aufgeklärter Absolutist. Während seiner Regierungszeit von 73 Jahren war er ein sehr fortschrittlicher Landesvater, der
sowohl die Folter (1767) als auch die Leibeigenschaft (1783) abschaffte. Unter seiner Herrschaft wurde das neue, badische
Landrecht, entworfen und entwickelt durch Johann Nikolaus Friedrich Brauer und den Grundzügen des Code Napoleon
folgend, geschaffen und in Kraft gesetzt.
Verlässt man auf der Karte den Oberrheingraben zwischen Freiburg und Offenburg nach Osten in Richtung des Mittleren
Schwarzwaldes, so findet man auf der Höhe von Kenzingen in einem Seitental den kleinen Ort Kirnhalden, der um 1900 folgendermaßen beschrieben wird: "Kirnhalden gehört zu den angenehmsten, kleineren Kurorten des badischen Schwarzwaldes. Inmitten üppiger Buchen- und Tannenwaldungen empfiehlt es sich durch seine reine, kräftigende Bergluft, ländliche Ruhe, reizende und gegen Winde vollkommen geschützte Lage in einem kleinen romantischen Seitenthale des Bleichthales insbesondere als Sommerfrische und Waldkurort. 8 km von der Bahnstation Kenzingen entfernt." Ähnlich äußert sich auch der Bäder-Almanach: "Kirnhalden im Bad. Schwarzwald, Bad und Luftkurort, 300m ü.d.M., inmitten üppiger Buchen- und Tannenwaldungen gelegen, daher völlig staubfreie Luft. Völlig geschützt gegen raue Winde und schroffen Temperaturwechsel."
Das vielberichtete Auftreten des leibhaftigen Teufels 1533 in Schiltach, gefolgt von einem katastrophalen Stadtbrand und
der Hinrichtung einer „Hexe", beschäftigte die Menschen über das 16. Jahrhundert hinaus. Nicht nur, dass der „Teufel von
Schiltach" redensartlich wurde, den man zitierte, ,,so man von einer erschrockenlichen Tat sagen will". Auch verschiedenste
Autoren griffen den Fall auf: Verfasser von „Neuen Zeitungen" und Wunderzeichenbüchern, Chronisten, Theologen, nicht
zuletzt Dämonologen, die Befürworter der Hexenlehre, für die er ein gut verbürgtes Exempel des Wirkens des Bösen war. Im
19. Jahrhundert historisiert, wurde er zur Spukgeschichte aus alter Zeit, der sich Sagensammler, Literaten, Künstler, Schöpfer
von Fasnachtsmasken, schließlich auch Geschichts- und Hexenforscher annahmen.
Geschichtsinteressierte auf die Spuren einer
vergangenen Gesellschaft begeben. Bis heute
lösen die Kelten allgemein, aber vor allem die
Magdalenenberger im Speziellen, eine Faszination
aus, die in Wissensdurst und Neugier mündet. Mit
dem „Keltenpfad Magdalenenberg” realisierten
die Städtischen Museen Villingen-Schwenningen
einen lang gehegten Wunsch der Bevölkerung
sowie der Fachwelt, der sowohl eine bessere Wahrnehmung
des einmaligen Kulturdenkmals als auch
die Zugänglichkeit neuester Forschungserkenntnisse
zum Ziel hat. Mit diesem Beitrag wird ein
Einblick in die Planungsgedanken der Macher
ermöglicht, darüber hinaus bietet er Hintergrundinformationen
zur Ausgangslage des Projektes und
dem zukunftsweisenden Stand der Forschung.
Die spätromanischen Malereien auf der Nord-, Ost- und Südseite des Chores der ehemaligen Klosterkirche St. Maria stellen einen fortlaufenden Zyklus dar. Der Blick des Betrachters im Chorbogen der Vierung wird von links nach rechts, von der Nordwand über die Ostwand zur Südseite geleitet. Ihm wird die Heilsgeschichte in Szenen vor Augen gestellt, von der Schöpfung bis zur Auferstehung, mit der Person und dem Werk des Erlösers, Jesus Christus, im Mittelpunkt.
Seit einigen Jahren hat eine intensivierte Erforschung der katholischen Theologen und ihrer Theologie im Nationalsozialismus eingesetzt. Zur Debatte steht nicht nur eine Art „Bestandsaufnahme“ sowie die grundständige Aufarbeitung von Affinität und Dissens der Theologen auf breiter Quellenbasis. Es geht auch darum, inwieweit biografische Erfahrung und nationalsozialistischer Kontext auf das wirkten, was die Fachwissenschaftler zwischen 1933 und 1945 (und vielleicht darüber hinaus) forschten, lehrten und entwickelten. Schlug sich beispielsweise der 1934/35 beginnende „Kampf ums Alte Testament“ oder das durch den Nationalsozialismus propagierte „arische“ Christusbild signifikant im theologischen Arbeiten der Exegeten nieder? Wie gingen die Kirchenhistoriker mit den plump konstruierten Geschichtsdeutungen des Nationalsozialismus um? Inwieweit ließen sich die Moraltheologen in die damals aktuellen Debatten um Sterilisation, Eugenik und Euthanasie ein? Veränderte sich das inhaltliche Profil der theologischen Fächer und Disziplinen durch Anpassung und Abwehr? Oder blieben sie im Kern unberührt? Bei aller Berechtigung, ja Notwendigkeit, diese spezifische Fragestellung an die theologischen Fachvertreter und ihre publizistische und lehrende Tätigkeit in den 1930er- und 1940er-Jahren anzulegen, darf die Gefahr des verengten Blickwinkels nicht übersehen werden: Wieviel an Realität wird durch eine solch übergeordnete Fragestellung überhaupt eingefangen, wahrgenommen? Was bleibt außen vor? Werden hier Menschen in ihrer Persönlichkeit nicht auf eine Perspektive verkürzt? Will man ihnen wirklich gerecht werden, gilt es, die methodisch notwendige Engführung immer wieder auch aufzubrechen durch eine möglichst breite Herangehensweise. Im Folgenden sei dies versucht am Beispiel des Kirchenhistorikers Karl August Fink (1904–1983).
„Zu den eindrucksvollsten Leistungen der Generation deutscher Mittelalterhistoriker, die dem Zweiten Weltkrieg zum Opfer fiel, zählt das Werk von Konrad Josef Heilig, Ostrom und das Deutsche Reich um die Mitte des 12. Jahrhunderts (1944).“ Der vor allem um die Edition der Urkunden Friedrich Barbarossas verdiente Heinrich Appelt hatte mit dieser seiner Wertung gewiss recht; aber er hatte nur bedingt recht, wenn er Heilig als „deutschen Mittelalterhistoriker“ kennzeichnete. Zweifel an einer solchen, auf den ersten Blick eindeutigen Etikettierung werden bereits bei einem Blick in das 2006 erschienene Buch „Österreichische Geschichtswissenschaft im 20. Jahrhundert. Ein biographisch-bibliographisches Lexikon“ wachgerufen, denn darin findet sich ohne eine einschränkende Bemerkung auch Heilig aufgenommen. Unter den dort aufgeführten Stationen seines 1907 in Erzingen in Baden beginnenden und über Freiburg im Breisgau 1929 nach Wien führenden Lebensweges fällt indessen eine zeitliche Lücke auf: Genannt werden unter anderem folgende Tätigkeiten Heiligs: „1932–38 Mitarbeiter Edition mittelalterlicher Bibliothekskataloge Österreichische Akademie der Wissenschaften, 1938–40 Archivar Erzbischöfliches Ordinariatsarchiv Freiburg i. Br.“ Die Beendigung seiner Arbeit im Dienste der Wiener Akademie im Jahr 1938 einerseits und sein Überwechseln in die badische Heimat in demselben Jahr andererseits sind angesichts dieses für Österreichs Schicksal entscheidenden Jahres zumindest des Bemerkens wert.
Wenn hier ein kurzer Blick auf die Vorsitzenden geworfen werden soll, so nicht, weil mit diesen gleichsam der ganze Kirchengeschichtliche Verein zu fassen ist oder gar auf diese Persönlichkeiten zu reduzieren sei. Die Vorsitzenden waren oftmals Exponenten dessen, was in einer bestimmten Zeit an Geschichtszugängen und -vorstellungen, auch im spezifisch landeskirchengeschichtlichen Bereich, gedacht wurde. Am Anfang des Kirchengeschichtlichen Vereins stand ein historisch interessierter Pfarrer, Dekan Wendelin Haid aus Lautenbach im Renchtal. Dieser Geistliche verstand es, seinen Kontakt zu Historikern und Theologen, zu Geistlichen und anderen Gebildeten zu nutzen, um für eine Vereinsgründung zu werben. Dabei erhielt der Verein, wie schon angesprochen, mit seiner Zeitschrift, dem Freiburger Diözesanarchiv, das nach Vorarbeiten seit 1865 ziemlich regelmäßig erscheinen konnte, sein eigentliches Profil und Forum. Als Organisation dafür stand ein sogenanntes Comité von Gelehrten zur Verfügung. Die Schriftleiter, zunächst Pfarrer Wendelin Haid, dann der Freiburger Alttestamentler Prof. Dr. Joseph König brachten ihre – wie es hieß – „lokalhistorischen“ Interessen und Kompetenzen ein.
Pluralität und Fluidität
(2015)
Nicht nur Bücher, sondern auch Texte haben ihre Geschichte. Das gilt, wie man weiß, vor allem für die Vormoderne, wo Texte noch nicht – wie in der anbrechenden Moderne – durch den Buchdruck fixiert und beliebig multiplizierbar waren. Und es gilt, um das Thema noch stärker einzugrenzen, vor allem für handschriftlich überlieferte Texte, die sich in den meisten Fällen, das liegt in der Natur der Sache, durch mehr oder weniger große Divergenz oder Varianz auszeichnen. Man spricht dann metaphorisch, um das Flüssige des Vorgangs zu verdeutlichen, von „Überlieferung“, die man, wie das Rudolf Schieffer in
einer Arbeit über die „lauteren Quellen des geschichtlichen Lebens“ 1995 getan hat, mit einem „Gewässer“ vergleichen kann, das über zahlreiche „Seitenarme“ und „Staustufen“ verfügt, also nicht nur von der „Quelle“ her zu verfolgen ist. Von daher erklärt sich auch der Titel, den ich für diese Untersuchung gewählt habe: „Pluralität und Fluidität.“ Er soll das Lebendige, Bewegliche und Fluktuierende mittelalterlicher Textualität zum Ausdruck bringen. Die gewählten Begriffe stammen von dem Mediävisten Gerrit Jasper Schenk, der diese auf einer Tagung des Konstanzer Arbeitskreises im Herbst 2011 auf den Konzilschronisten Ulrich Richental und dessen historiografisches Werk angewandt hat.
Zu Beginn des Schuljahres 2014/2015 hat sich am Anne-Frank-Gymnasium Rheinau eine klassen- und stufenübergreifende Arbeitsgemeinschaft gebildet, deren Teilnehmerinnen, mit hoher intrinsischer Motivation, den Staffelstab der Erinnerung ergriffen haben, um außerhalb des Regelunterrichts und mit einem regionalgeschichtlichen Schwerpunkt auf der Geschichte der ehemaligen jüdischen Gemeinden Neufreistett und Rheinbischofsheim folgende - von den Teilnehmerlnnen selbst
formulierte - Leitfrage zu bearbeiten: Was hat die Shoa mit Rheinau zu tun und in welcher medialen Ausprägung kann heute
daran erinnert werden? In den sich anschließenden Ausführungen wird zunächst eine der Teilnehmerlnnen, Tina Schadt
(Klasse 10), in Form eines Werkstattberichts ihre Erwartungen und Erfahrungen bei der Auseinandersetzung mit der jüdischen
Geschichte zur Zeit des Nationalsozialismus in ihrer Heimatgemeinde darlegen. Hieran schließen sich exemplarische Überlegungen zur „Holocaust Education" in der gegenwärtigen bundesdeutschen Erinnerungskultur an.
Herzog Ulrich von Württemberg wurde 1503 mit 16 Jahren für mündig erklärt. Zunächst war er ein recht erfolgreicher Regent, denn im Bayerischen Erbfolgekrieg von
1504 konnte er sein Land im Westen, Norden und Osten wesentlich vergrößern. In
Marbach war man darüber besonders glücklich, denn Stadt und Amt wurden aus der
seit 1463 währenden Lehensabhängigkeit von der Pfalz gelöst.
Seine Hochzeit mit Sabina von Bayern feierte Ulrich unter anderem am 3. Mai 1511
mit einem glanzvollen Pferderennen in Marbach. Aufgrund des Erfolges wurde die
Veranstaltung 1512 wiederholt.
Herzog Ulrich war jedoch ein selbstherrlicher Regent, der bald seine enge Bindung an
den Kaiser und den Schwäbischen Bund vernachlässigte. Seine verschwenderische und
maßlose Hofhaltung brachte ihn in finanzielle Schwierigkeiten, die er auf Kosten der
Untertanen zu bekämpfen versuchte. Eine ungerechte Verbraucherabgabe sowie die Veränderung von Maß und Gewicht blieben nicht ohne Folge, zumal viele Bauern und Weingärtner nicht mehr nur das verarmte und unmündige Proletariat auf dem Lande waren,
sondern in vielen Bereichen mehr Mitspracherecht forderten. Die aufgeheizte Stimmung
entlud sich zuerst im Remstal. Von dort erfasste der Aufruhr des »Armen Konrad« im
Frühjahr 1514 in kürzester Zeit das ganze Land, so auch Marbach und Umgebung.
Über das ehemalige obere Schloss von Neuweier wurde schon in der „Ortenau" 1934 und 1984 berichtet. Die Nachrichten
hierüber sind jedoch spärlich. Mit dem vorliegenden Bericht werden neue und bereits bekannte Dokumentationen zusammengefasst. Von der Wohnburg und dem Schlossgraben ist heute nichts mehr zu sehen. Das „Gasthaus zum Rebstock" steht auf dem Gelände des zugehörigen Ökonomiegebäudes, das die Form eines fränkischen Gutshofes hatte, und welches gleichzeitig auch der Schlosshof war. Vom linken Flügel dieses Hofes sind noch zwei Portale und ein einfacher Eingang erhalten geblieben. Diese stehen heute unter Denkmalschutz. Der „Rebstock" befindet sich z. Zt. im Umbau (2010-2013). Ein Portal enthält am Sturz den Psalmvers 127. Ein anderes trägt die Jahreszahl 1579 mit dem Steinschen Wappen und den
Buchstaben P. U. G. (Philibert und Georg). An das Schloss selbst erinnern noch die Flurnamen Steinacker, Schlossackerweg,
Steinseher Wald und Röderswald. Allgemein wird angenommen, dass dieses „Obere Schloss" älter war als das untere Schloss.
Täuferspuren im Kraichgau
(2015)
Im Vorwort der Broschüre Täuferspuren im Kraichgau schreibt Wolfgang Krauß
von dem Plan, Orte der täuferischen Geschichte zu kennzeichnen und einen
Täuferweg für alle zugänglich zu machen. Eine Projektgruppe hatte zwölf Gedenktafeln
vor allem an Versammlungsplätze ehemaliger und heutiger Gemeinden
gesetzt. Am 24. 10. 2015 fand nun die Einweihungsexkursion entlang dieses
Täuferweges statt, um die Gedenktafeln zu enthüllen. Ein Bus, bis auf den letzten
Platz mit Interessierten gefüllt, machte sich bei bestem Wetter auf den Weg.
Erste Station war der Ursenbacherhof bei Daisbach, auch Bleihof genannt, weil
dort Hanf gebleut, also gebrochen, wurde. Walter Schmutz und Ortsvorsteher
Glasbrenner berichteten von der Mennonitengemeinde, die hier von 1850- 1945
ihren Versammlungsraum hatte. Eine enge Zusammenarbeit mit der Gemeinde in
Dühren entwickelte sich. 1945 schloss man sich zusammen mit Dühren der
Gemeinde in Sinsheim an. Einer der Ecksteine des in den 1960er-Jahren abgerissenen
Versammlungsraumes war noch vorhanden. Auf ihm wurde die Gedenktafel
angebracht.
Da ist zunächst das Stichwort LEVI. Es steht für „Lernen, Entwickeln, Vereinbaren, Inspirieren“ und ist eines der Leitworte, die die Entwicklung unserer Pastoral und unserer Diözese bestimmen. Wenn es gut geht, bedeutet das: Wir reflektieren unsere Prozesse, um sie zielorientiert zu gestalten und zu erneuern. Dazu gehört Vieles. Notwendig ist auf jeden Fall: einen gewissen Abstand zu dem zu gewinnen, was gerade geschieht, um uns in ein Verhältnis zu unseren Entwicklungen zu setzen. Dazu können die Beschäftigung mit der Geschichte, die Entwicklung des geschichtlichen Bewusstseins und die Erinnerungskultur einen wichtigen Beitrag leisten. Geschichte kann helfen, Verirrungen zu verhüten und Neues anzu- stoßen. Geschichte kann zu neuen Fragen und Antworten inspirieren.
Auslöser für die folgenden Überlegungen ist die Fahrt mit Studierenden der Theologischen Fakultät Freiburg nach Buchenwald und Auschwitz in der Pfingstpause 2013, die finanziell durch die Erzbischof-Hermann-Stiftung mitgefördert worden ist. Die Gedenkstättenleitung in Auschwitz traute der Gruppe zu und gestattete, dass wir nach einer Führung durch zwei Mitarbeiterinnen auch ohne Museumsaufsicht das Gelände aufsuchten. So konnten wir erneut und gründlicher die in den ehemaligen KZ-Baracken von unterschiedlichen Organisationen und Ländern gestalteten Ausstellungen anschauen. Auffallend, weil neu und modern gestaltet, präsentierte sich die Ausstellung über den Völkermord an den Sinti und Roma in Block 13. Sie war am 2. August 2001 eröffnet worden und wird wesentlich vom Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma, Heidelberg, getragen. Die Besucherinnen und Besucher werden mit einem wenig beachteten Ausschnitt der nationalsozialistischen Verbrechen konfrontiert, und sie müssen registrieren, dass auf einer in der Ausstellung präsentierten Namensliste der im Mai 1940 nach Polen Deportierten Personen stehen, die in Walldürn, Heidelberg, Gutach, Bühl oder Freiburg geboren sind. Weil die angegebenen Geburtsjahre von 1884 bis 1939 reichen, wird klar, dass es auch um Kinder ging. Schaut man dann die Tafeln mit Familienfotos an und sieht Bilder von Erstkommunionkindern und Ministranten, dann stellt sich die Frage: Was haben die katholischen Kirchengemeinden und was hat die Leitung der katholischen Kirche – auch die des Erzbistums Freiburg – getan, um ihre Kinder zu schützen? Die Frage bleibt offen, und sie bleibt auch nach einer Abschlussarbeit offen, die nach und aufgrund der Studienfahrt entstanden ist. Hier kann vorläufig nur zusammengetragen werden, welche Wege zu beschreiten sind, um sie in Zukunft zu beantworten.
Der Schreck muss Stadtpfarrer Hugo Höfler Ende März 1941 kräftig in die Glieder gefahren sein. So kräftig, dass er selbst im nüchtern-bürokratischen Ton jenes Schreibens noch deutlich nachklingt, das er am 9. April 1941 unter dem Betreff „Reliquien der Breisacher Ortspatrone Gervasius und Protasius“ an das Erzbischöfliche Ordinariat in Freiburg richtete: „Dieses Untersuchungsergebnis ist begreiflicherweise für die hiesige Gemeinde von überaus schmerzlicher Bedeutung. Seit Jahrhunderten wird das Fest dieser Ortspatrone in hiesiger Gemeinde gefeiert wie nur wenige kirchliche Volksfeste unserer Erzdiözese. In früheren Jahren kamen Hunderte und Aberhunderte von Pilgern, besonders aus dem benachbarten Elsass, zum Gervasiusfest nach Breisach. […] Diese Tatsachen allein schon genügen, um darzutun von welcher tiefeinschneidender Bedeutung das oben erwähnte Untersuchungsergebnis für die seelsorgerlichen Belange in hiesiger Gemeinde ist.“ Was war geschehen? Am 24. März 1941 hatte P. Timotheus Stumpfl, wie er in einem ausführlichen Bericht am 30. März schrieb, „auf Wunsch des H[ochwürdigen] H[errn] Stadtpfarrers von Breisach“ den Inhalt „des derzeit in Säckingen aufbewahrten Schreines der hhl. Gervasius und Protasius“ untersucht. Das Ergebnis war ebenso eindeutig wie aus Breisacher Sicht unerfreulich.
Von der ZSKG zur SZRKG
(2015)
„Alles, was ist, ist geschichtlich“ – sagte bekanntlich Hegel. Und das Gesetz der Geschichte ist der Wandel. Dieser kann als Traditionsbruch oder in schöpferischer Kontinuität mit der Tradition erfolgen. Die Metamorphose von der „Zeitschrift für Schweizerische Kirchengeschichte“ zur „Schweizerische[n] Zeitschrift für Religions- und Kulturgeschichte“ geschah, davon bin ich überzeugt, nach dem letzteren Prinzip. Am Ende des Kulturkampfes hatte der helvetische Katholizismus einen Nachholbedarf – auch auf der akademischen, wissenschaftlichen Ebene. Mit der Gründung der „Görres-Gesellschaft zur Pflege der Wissenschaft“ 1876 hatten katholische Forscher und Publizisten in Deutschland selbstbewusst ein wissenschaftliches Forum geschaffen. In der Schweiz wurde 1889 die Universität Freiburg als katholische Kaderschmiede gegründet. Es fehlten allerdings ein Verein und ein wissen- schaftliches Organ zur Erforschung der helvetischen Kirchengeschichte aus katholischer Sicht. Der erste Impuls dazu entstand 1903 beim ersten Schweizerischen Katholikentag in Luzern.
Der Frankfurter Mediävist Johannes Fried hat einmal angesichts eines anderen Jubiläums – es handelte sich um das 50-jährige Bestehen des renommierten Konstanzer Arbeitskreises – betont, wer über das Mittelalter nicht hinausdenke, verstehe vom Mittelalter nichts. Das gilt cum grano salis auch für unser Thema. Es lässt sich von vornherein nicht auf die Epoche des Mittelalters eingrenzen. Vieles – und das gilt wohl für große Teile der Kirchen-, Religions-, Frömmigkeits- und Theologiegeschichte – beginnt zwar im Mittelalter, setzt sich aber bis in die Gegenwart fort. Das gilt für die Geschichte der Diözese und ihrer Kirchen, für die Bischöfe, für die Klöster, für die Gemeinden, für das religiöse Brauchtum, für die Frömmigkeit, die Pfarreien, die historischen Landschaften, die Kunstdenkmäler usw.
Unter den drei Buchstaben FDA verstehen Mitglieder und Freunde des Kirchengeschichtlichen Vereins nichts anderes als unsere Vereinszeitschrift „Freiburger Diözesan-Archiv“. In der großen, weiten Welt steht diese Abkürzung für etwas viel Bedeutsameres, nämlich für die US-amerikanische „Food and Drug Administration“, eine einflussreiche Behörde mit rund 13500 Mitarbeitern. Aber das ficht uns nicht an. Als Schriftleiter bin ich natürlich der Ansicht, dass unser FDA das Beste, Schönste und Wichtigste ist, was unser Verein in seinen 150 Lebensjahren hervorgebracht hat. Allerdings ist dies nicht nur meine Privatmeinung: Am 18. August 1862 hatte der provisorische Vorstand „alle Freunde der Geschichte unseres Landes“ und „deßgleichen ganz Schwabens und der deutschen Schweiz“ dazu eingeladen, dem Kirchengeschichtlichen Verein beizutreten. Und schon damals war als wichtigstes Ziel die „Gründung einer ‚Kirchlich-Historischen Zeitschrift für die Erzdiöcese Freiburg‘“ genannt. Zunächst waren die Initiatoren noch vorsichtig gewesen und hatten verlautbart, es solle erst dann „an die Ausführung des Unternehmens geschritten werden“, wenn „sich eine genügende Betheiligung von Seiten des hochwürdigen Klerus und wohlwollender Laien, woran wir nicht glauben zweifeln zu dürfen, gezeigt haben wird“. Der erste Band des FDA erschien im Jahr 1865, 133 weitere folgten. Der bislang letzte, Band 134 für 2014, kam gerade eben erst heraus. Zusammen sind das reichlich drei Regalmeter oder grob geschätzt etwa 45000 Seiten
Stellen Sie sich vor, Sie müssten auf die berühmte Frage antworten, welches Buch Sie auf eine einsame Insel mitnehmen würden. Würde Ihre Antwort lauten: selbstverständlich das FDA? Ich sehe, Sie zögern noch, daher möchte ich Ihnen einige Entscheidungshilfen geben. Unsere Frage stellt sich ja nur, wenn wir davon ausgehen, dass die einsame Insel nicht im Erzbistum Freiburg liegt, was zugegebenermaßen nicht allzu unwahrscheinlich ist. Innerhalb unserer Diözese ist das FDA
nämlich ohnehin stets in Reichweite. Dafür sorgte die Einführung der Pflichtmitgliedschaft für Pfarreien beim KGV im Jahre 1935, mit der die Verfügbarkeit des FDA vor Ort einherging. Damit wurden und werden die Erträge kirchengeschichtlicher Forschung auch dort zugänglich, wo die nächste Universitätsbibliothek weit entfernt ist. An dieser Stelle möchte ich den Wunsch formulieren, dass das FDA in den Gemeinden in größerem Maß als bisher an zugänglichen Stellen, wie beispielsweise
der Pfarrbibliothek, zur Verfügung gestellt und nicht nur auf dem Speicher gelagert wird.
Kirche und Kleinstadt
(2015)
Das gotische Liebfrauenmünster in der westlichen Altstadt von Neuenburg am Rhein stürzte 1497 ein, als der Fluss, der schon seit dem Beginn des 15. Jahrhunderts an dem Steilufer nagte, dieses endgültig untergrub und so Kirche, Rat- und Salzhaus sowie die Schule verschwinden ließ. Nur der Münsterturm blieb lange als stummer Zeuge stehen, bevor auch er den Stadtzerstörungen durch Menschenhand zum Opfer fiel. Dreißigjähriger Krieg und Spanischer Erbfolgekrieg sowie die Europäischen Bruderkriege des 20. Jahrhunderts haben, was immer die Bewohner der Stadt Neuenburg wiederaufgebaut hatten, grundlegend zerstört. Doch jedes Mal waren die Fluchtkisten gepackt und so haben die 417 Urkunden des Pfarrarchivs Neuenburg am Rhein bis heute überdauert, werden sie doch inzwischen als Depositum in dem Erzbischöflichen Archiv Freiburg im Breisgau verwahrt.
Sowohl zur Vergewisserung als auch zur kritischen Überprüfung eigener Positionen ist es sinnvoll, das, was in der Gegenwart wichtig ist und einem selbst am Herzen liegt, an dem zu messen, was früher zu dem Thema gedacht und gesagt wurde. Was sehen wir heute anders und stellen daher neue Fragen an altbekannte Quellen? Welche Forschungsinteressen sind nicht mehr im Blick, weil sie als unmodern gelten? Was möchten wir gerne wissen und müssen uns dazu auf die Suche in unbekanntes Terrain begeben? So wie heute gefragt wird, weswegen die Themen zeitgenössischer historischer Arbeiten widerspiegeln, was die Forscherinnen und Forscher derzeit bewegt, wird es auch früher gewesen sein. Von daher erlauben die Artikel einer Zeitschrift – zumal über einen respektablen Zeitraum von 150 Jahren – Rückschlüsse auf das, was in den entsprechenden Jahren wichtig war.
Lassen Sie mich mein Grußwort mit zwei kurzen Zitaten aus einer römischen Verlautbarung beginnen: „Durch die angemessene Nutzung aller von den kirchlichen Gemeinschaften hervorgebrachten Kulturgüter ist es möglich, den Dialog der Christen mit der heutigen Welt weiterzuführen und auszubauen.“ So heißt es in einem Schreiben, das die „Päpstliche Kommission für die Kulturgüter der Kirche“ am 2. Februar 1997 an alle Diözesanbischöfe gerichtet hat. An anderer Stelle im gleichen Text lesen wir: „Die in den Archiven enthaltene Dokumentation ist ein Erbe, das erhalten wird, um weitergegeben und genutzt zu werden.“ Eigentlich bezieht sich die Päpstliche Kulturgutkommission in diesem Schreiben auf die Archive als Institutionen, also auf Bistums-, Dekanats- oder Pfarrarchive. Doch der Auftrag, das Erbe zu erhalten, es zu nutzen und weiterzugeben, scheint mir ebenso gut auch für gedruckte „Archive“ zu passen und zu gelten – so wie eben unser „Freiburger Diözesan-Archiv“, und natürlich gilt es auch für diejenigen, die es produzieren und publizieren, also für den „Kirchengeschichtlichen Verein“ und seine Mitglieder.
„Die große europäische Hexenjagd war im Wesentlichen ein von der Justiz geprägter Vorgang" - so urteilt ein ausgewiesener
Kenner der Hexenprozesse zu Recht. Wohl gab es zu allen Zeiten auch Formen von Lynchjustiz oder pogromartiges Vorgehen gegen jene Menschen, die im Verdacht standen, anderen durch Zauberei geschadet zu haben; die große Hexenverfolgung in der Frühen Neuzeit aber, der im Ganzen rund 60000 Menschen zum Opfer fielen, war ein nach den Vorschriften der Zeit geordneter Vorgang, der in formalen Hexenprozessen stattfand.
Anlässlich des 300. Geburtstags der Stadt Karlsruhe zeigte die Badische Landesbibliothek vom
11. Februar bis zum 25. April 2015 die publikumswirksame Ausstellung »Karlsruher Tulpen-
KULTur. Markgraf Karl Wilhelm und seine Gartenkunst«, die von einem breit gefächerten
musealen Begleitprogramm umrahmt wurde. Im Zentrum dieser Ausstellung standen die renommierten
»Karlsruher Tulpenbücher«, die sich heute in der Badischen Landesbibliothek
sowie im Generallandesarchiv befinden und für die Öffentlichkeit nun erstmals gemeinsam
präsentiert wurden.
Die Globale
(2015)
Das neue, polyphone, multipolare Kunstformat GLOBALE des ZKM, Labor und Akademie
zugleich, begann mit dem 300-jährigen Jubiläum der Stadt Karlsruhe im Juni 2015 und dauert
300 Tage bis zum 17. April 2016 an. Es thematisiert die kulturellen Effekte der Globalisierung
und Digitalisierung, welche das Leben auf unserem Planeten verändern. Ausstellungen, Konzerte,
Performances, Vorträge, Konferenzen und Symposien zeigen erstmals die entscheidenden
künstlerischen, sozialen und wissenschaftlichen Tendenzen des 21. Jahrhunderts.
Zum Karlsruher Stadtgeburtstag 2015 lud das Generallandesarchiv seine Besucherinnen und
Besucher zu einer Reise der besonderen Art ein: Gemeinsam mit der gebildeten Markgräfin
Karoline Luise von Baden konnten sie die Metropolen Europas besuchen, aber auch die badischen
Lande kennen lernen. Wertvolle Exponate aus den eigenen Beständen zusammen mit
hochkarätigen Leihgaben aus Museen machten deutlich: In der Aufklärungszeit wurde Europa
zu einem realen „Erfahrungsraum“. Die junge Residenzstadt Karlsruhe wurde zu einem kleinen,
aber veritablen Punkt auf der intellektuellen Landkarte des Kontinents.
Es gibt wohl kaum eine Stadt, die in ihrer Gestalt den absolutistischen Gedanken deutlicher zum Ausdruck bringt als Karlsruhe – die Stadt, die ein Fürst von 1715 an förmlich aus dem Boden stampfen ließ. Ihren Mittelpunkt bildete das Schloss, von dem die Straßen ausgingen wie die Strahlen von der Sonne und wie die der Gnade von dem, der in ihm residierte; sie unterwarfen die Stadt einem geometrischen Raster, das keine Abweichungen duldete; und sie ermöglichten Blicke, denen nichts verborgen blieb.
Als jüdischer Industrieller und Politiker verkörperte Walther Rathenau in den Anfangsjahren der Weimarer Republik für die extreme Rechte alles, was sie am „Weimarer System“ verachtete und was es in ihren Augen zu einer „Judenrepublik“ machte. Rathenau habe sich als Leiter der Kriegsrohstoffabteilung bereichert, die Kriegsniederlage bewusst in Kauf genommen, als „Erfüllungspolitiker“ Deutschland den Kriegsgegnern ausgeliefert und plane im Inneren die Errichtung einer „Judenherrschaft“, so der Tenor der Hetzschriften Theodor Fritschs und Alfred Roths. Die rechtsgerichtete Presse und deutschnationale
Reichstagsabgeordnete äußerten sich kaum gemäßigter. In Freikorpskreisen kursierten die Verse: Auch Rathenau, der Walther / erreicht kein hohes Alter. / Knallt ab den Walther Rathenau / die gottverdammte Judensau. Am 24. Juni 1922 setzte die Organisation Consul, der rechtsterroristische Ableger der Marinebrigade Erhardt, diese unverhohlene Morddrohung in die Tat um. Auf dem Weg ins Auswärtige Amt wurde Rathenaus Wagen aus einem anderen Fahrzeug
beschossen und der Reichsaußenminister tödlich getroffen.
Zwischen Mars und Minerva
(2015)
Am 7. November 1914 fand im Hauptgebäude der Universität Heidelberg (der heutigen Alten Universität) die öffentliche Antrittsvorlesung des Privatdozenten Wolfgang Windelband statt. Ihr Thema lautete: Habsburg und Hohenzollern. Wolfgang Windelband hatte sich im Sommersemester mit einer Arbeit über die Markgrafschaft Baden im 18. Jahrhundert habilitiert. Dann brach der Krieg aus, und andere Themen waren gefragt, z. B. Habsburg und Hohenzollern. Windelband gab einen Überblick über das schwierige Verhältnis der beiden Dynastien seit dem 13. Jahrhundert, kam aber zu dem Ergebnis, dass man immer aufeinander angewiesen gewesen sei. Schon im 18. Jahrhundert habe man die
Gefahr eines Zweifrontenkriegs empfunden, zumal mit Blick auf die asiatische Großmacht Russland. Österreich habe Zeit gebraucht, seine Aufgabe als Puffer gegen niedrigere Kulturen zu akzeptieren. Nun aber sei der feste Bund zwischen dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn eine Garantie für den Sieg im gegenwärtigen Krieg und für den künftigen Frieden.
Ein wichtiges Ereignis für die historische Entwicklung des rheinfränkischen Raumes war zweifellos die Gründung der Benediktinerabtei Lorsch im Jahre 764. Diese Abtei wurde damals als Eigenkloster von Cancor, dem Grafen im Oberrheingau, zusammen mit seiner Mutter Williswinda gestiftet. Der Klosterort lag auf einer Insel, die sich zwischen zwei Armen der Weschnitz befand. Diese Niederung stellte einen alten Nebenarm des Neckars dar und war daher
ein relativ tiefes Feuchtgelände. Die Stifter übergaben das Kloster ihrem prominenten Verwandten, dem Erzbischof Chrodegang von Metz, dem Primas der fränkischen Reichskirche. Dessen Bruder Gundeland besetzte als erster Abt das neue Kloster mit Mönchen aus Gorze, wo er zuvor Abt gewesen war. Chrodegang erhielt 765 die Reliquien des hl. Nazarius und ließ diese nach Lorsch übertragen, wo sie die Bedeutung der Neugründung steigerten. Im Jahre 774 wurde das Kloster von Altenmünster, das sich ungefähr 500 Meter westlich der späteren
Abtei befand, in feierlicher Inszenierung auf die neue Stelle verlegt. Bei diesem Akt waren Karl der Große, der Mainzer Erzbischof Lul und weitere vier Bischöfe anwesend, was ohne Zweifel auf die hohe Bedeutung dieses Vorgangs und die Ausstrahlung der neuen Abtei hinweist. Karl der Große entschied 772 auch einen Streit zwischen Cancors Sohn und Abt Gundeland um Besitzrechte zugunsten des Klosters. Im gleichen Jahr übergab Abt Gundeland sein Kloster dem mächtigen Frankenkönig und erhielt dafür Immunität und Königsschutz. Damit war Lorsch in die Reihe der Reichsklöster aufgestiegen und Teil der
karolingischen Klosterpolitik geworden.
Von kräftiger Statur, energisch, klug, charmant und höchst attraktiv soll er gewesen sein:
Karl III. Wilhelm von Baden-Durlach. Mit der Gründung der Residenz Carols’ Ruhe 1715
schrieb der Markgraf eine wahre Erfolgsgeschichte. Heute ist Karlsruhe mit rund 300 000
Einwohnern nach Stuttgart die zweitgrößte Stadt des Landes Baden-Württemberg. Aus Anlass
des 300-jährigen Stadtjubiläums würdigte das Badische Landesmuseum Karlsruhe in
seiner Großen Landesausstellung Karl Wilhelm 1679–1738 erstmals Leben und Wirken des
legendären Stadtgründers und konnte hierfür kostbare, sehr persönliche, nie zuvor öffentlich
gezeigte Exponate in die ehemals markgräfliche Residenz zurückholen. Aus dem Zusammenspiel
von barocker Rauminszenierung und neuen Vermittlungsformaten gelang eine lebendige,
informative Ausstellung, die nicht nur den Karlsruhern in Erinnerung bleiben wird.
»KA 300«
(2015)
Als Oberbürgermeister Mentrup von der BNN nach dem Stand der Vorbereitungen des Stadtgeburtstags gefragt wurde, wollte man unter anderem von ihm wissen: »Empfinden die Karlsruher so etwas wie Stolz auf ihre Stadt?« Seine Antwort enthielt leise Kritik: »Die Karlsruher sind ein bisschen zu bescheiden«. Die Fragestellung, die ich für mein Thema mitbringe, schließt hier an und konkurriert insofern mit dem Interesse vieler Mitglieder des Marketing Clubs. Wer wollte ihnen verdenken, wenn sie wissen wollen, was vom Stadtgeburtstag für sie abfällt, ob mehr Kunden von auswärts kommen, ob die Geschäfte danach
besser gehen als davor.