167.2019
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Der 1870 in Karlsruhe geborene, bekannte Schriftsteller, Anarchist und Pazifist Gustav Landauer hatte sich nach dem Ausbruch der Novemberrevolution 1918 auf Einladung des neuen Ministerpräsidenten Kurt Eisner nach München begeben, um aktiv an der Umgestaltung der Gesellschaft mitzuwirken. Am 26. Februar 1919 hielt er die Totenrede auf seinen, von einem Rechtsextremisten ermordeten Freund Eisner und war vom 7. bis 16. April als Volksbeauftragter für Volksaufklärung Mitglied der Münchner Räteregierung, trat dann jedoch aus Protest gegen die zunehmende Dominanz der Kommunisten von allen Ämtern zurück. Während der Niederschlagung der Räterepublik durch Regierungstruppen wurde er am 1. Mai in Großhadern im Hause der Witwe Eisners verhaftet und am 2. Mai 1919 im Gefängnis Stadelheim von einer aufgebrachten Soldatenmenge brutal ermordet. Bei der Darstellung dieses Verbrechens stützte sich die historische Forschung bisher auf eher indirekte Quellen: damalige Zeitungsberichte, einen Brief Ernst Tollers an Maximilian Harden von 1920 sowie in erster Linie auf eine Denkschrift des bayerischen Justizministeriums vom Oktober 1922, deren Inhalt der Publizist und Pazifist Emil Julius Gumbel 1924 herausgab. Für die Landauer-Forschung hat Ulrich Linse 1974 verdienstvoll die einschlägigen Dokumente zusammengestellt. In der neuen großen Landauer-Biographie von Tilman Leder aus dem Jahr 2014 ist der bisherige Kenntnisstand souverän ausgebreitet und erläutert worden.
Krieg der Federn
(2019)
Ein Jahr nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs hielt der gerade von der Universität Heidelberg nach Berlin berufene Philosoph und Theologe Ernst Troeltsch eine Rede mit dem Titel „Der Kulturkrieg“. In dieser Rede blickte Troeltsch auf
das vergangene Jahr 1914 zurück und erläuterte, wie die Deutschen sich zu Beginn des Kriegs erst einmal verblüfft den englischen und französischen publizitischen Angriffen auf ihren preußischen „Militarismus“ und ihre kulturzerstörende „Barbarei“ ausgesetzt sahen. Mit dem Begriff „Kulturkrieg“ beschrieb Troeltsch in dieser Rede vor allem ein intellektuelles Unternehmen der Feinde Deutschlands, einen geistigen Krieg, den Kulturkrieg, den unsere Gegner in der ganzen Welt, bei sich, bei den Neutralen, ja bei den Kolonialen gegen uns schüren und hetzen. Ähnlich argumentierte Troeltsch auch in seiner im selben Jahr verfassten Studie „Der Geist der deutschen Kultur“, in der er befand: Die homerischen Helden begleiteten ihre Kämpfe mit mächtigen Scheltreden, und so hat wohl immer der Kämpfende Lust gehabt, seinen Gegner auch als moralisch minderwertig zu bezeichnen. […] Das scheint ein psychologisches Gesetz zu sein und trifft […] auf alle kämpfenden Parteien zu. Aber das, was wir heute erleben, das ist darüber hinaus noch etwas ganz anderes. Es ist ein neues, durch die moderne Presse ermöglichtes Kriegsmittel. Es ist geradezu ein Kreuzzug oder ein Kulturkrieg gegen Deutschland, der vorhandene Gefühlsdispositionen und Gegensätze benutzt, um möglichst überall eine entschlossene und unüberwindliche Antipathie zu erzeugen.
Am 21. August 1843, also vor bald genau 175 Jahren, stimmte man sich in Mannheim auf die für den folgenden Tag geplante Feier zum 25. Jubiläum der badischen Verfassung ein: Am Abend verkündeten Kanonendonner und Glockengeläute das Fest; auf dem Paradeplatze war der große Brunnen erleuchtet, Feuerwerke wurden abgebrannt, bengalische Flammen stiegen aus den Marmorbassins hervor, zeigten die Büste des Großherzogs Karl in magischem Lichte. Die Militärmusik spielte in Uniform; eine zahllose Menschenmenge wogte auf dem Platze und in den Straßen, wie es in einem Festbericht heißt. Der eigentliche Festtag, der 22. August, begann mit erneutem Kanonendonner und Choralmusik vom Rathausturm. Gegen zehn Uhr begann der Zug, gewi[ss] der größte der noch je bei freudigen Anlässen aus frei eigenem Antriebe der Bürger unsere Straßen durchzog. Die Spitze bildeten die Schüler der oberen Klassen der Volksschulen mit ihren Lehrern, ihnen folgten die Mitglieder der Liedertafel mit einer prachtvollen, von einem Verein von Jungfrauen gestickten Fahne, dann der Träger der Verfassungsurkunde in Begleitung von vier Mitgliedern des Festkomitees und zwei Fahnenträgern.
La douleur profonde
(2019)
Am Abend des 4. April 1783 traf eine kleine Reisegesellschaft in Paris ein. Es handelte sich um Markgräfin Karoline Luise von Baden und ihre Begleiter, ihren jüngsten Sohn Prinz Friedrich, Oberstallmeister Friedrich August von Üxküll, Hofdame Christine Franziska von Üxküll, Sekretär Georg Heinrich Vierordt und Vorreiter Martin Neukomm. Da die Markgräfin seit Anfang des Jahres wegen eines Treppensturzes und wegen des Todes ihrer langjährigen Sekretärin und Vertrauten niedergeschlagener Stimmung gewesen war, hatten ihr die Ärzte Ende März zur Luftveränderung und Ablenkung eine Reise nach Paris empfohlen. Sogleich waren die Vorbereitungen getroffen worden und in der Nacht auf den 1. April war die Fahrt – in großer Vorfreude auf Paris, aber unter striktem Inkognito, da sich die Markgräfin nicht imstande fühlte zu repräsentieren – losgegangen. Nachdem sie den 6. April mit Besichtigungen, Spaziergängen und einem Jahrmarktbesuch verbracht hatten, erlitt Karoline Luise abends in der Unterkunft einen Schlaganfall, der sie halbseitig lähmte. Mit der Nachricht dieses Vorfalls
wurde Vorreiter Neukomm nach Karlsruhe geschickt. Wegen des leichten Rückgangs der Lähmungserscheinungen und der geistigen Klarheit der Markgräfin hoffte man am Morgen des 8. April noch auf ihre vollständige Genesung. Am Mittag desselben Tages erlitt sie jedoch einen zweiten Schlaganfall und verstarb binnen weniger Sekunden.
Im Dezember 1581 hatte der Schultheiß des Kurfürsten von Mainz zusammen mit einer bewaffneten Mannschaft im Ballenberger Wald, in der Gegend von Krautheim, einen gefangenen Hasen gepfändet und 20 Hasengarne zerstört. Die
Gebrüder von Aschhausen sahen diese Tat als die Verletzung ihres zum Schloss Aschhausen gehörigen Jagdrechtes an. Der Kurfürst von Mainz dagegen beanspruchte das Jagdrecht in der Ballenberger Markung für sich, mit dem Argument, dass er der Inhaber des Amtes Krautheim sei. Es kam zum Prozess vor dem Reichskammergericht, dem höchsten Gericht des Heiligen Römischen Reiches, in dessen Verlauf eine Kommission gebildet wurde, die eine Inaugenscheinnahme vornahm und diese in Form einer sogenannten „Augenscheinkarte“ durch den Maler Wilhelm Besserer visualisieren ließ. Die Augenscheinkarte hatte in diesem Prozess eine besondere Funktion. Sie bildete die Übersetzung der subjektiven Wahrnehmung der Prozessparteien in
ein visuelles Medium. Sie war ein wesentlicher Bestandteil der Prozessführung und diente als Entscheidungsgrundlage im Sinne eines Beweises.
Seit einiger Zeit hat die fränkische Reichsritterschaft wieder die Aufmerksamkeit der Forschung auf sich gezogen, nachdem sie geraume Zeit doch stiefmütterlich behandelt worden war. Dabei standen noch immer die lange höchst kontrovers
diskutierten Fragen nach der Genese des ‚Corpus equester‘ und der Zeitpunkt oder Zeitraum von dessen ‚Geburt‘ sowie der Ausbildung der sechs Orte (Kantone) im Vordergrund. Mit der grundlegenden Darstellung durch Cord Ulrichs können diese Probleme als gelöst gelten. Eine andere Frage harrt dagegen noch immer der Beantwortung. Neben dem Ritterkreis auf Korrespondenztagen und dessen Untergliederungen in Orte (Kantone) auf Orttagen trat das Corpus sowohl nach außen als auch nach innen als handelnde Körperschaft auf. Das einzelne Mitglied dagegen, wenn es nicht gerade den Rang des Ritterhauptmanns bekleidete oder eine sonst wichtige Funktion einnahm, lässt sich nur als gleichsam anonymes ‚zoon politikon‘ fassen. Nicht minder blass blieb bisher das Wissen um die Binnenstruktur eines Kantons, versteht man darunter Faktoren wie Wirtschaftsweise, Bildungsinteresse, Lebensstil, Konnubium, Verhältnis zu den Untertanen und anderes mehr Freilich stößt die Klärung solcher Fragen im Rahmen eines Kantons an ihre Grenzen, da selbst in diesen die landschaftlichen Verhältnisse zu unterschiedlich sind.
Das Dominikanerinnenkloster St. Nikolaus in Undis, einst in der südlichen Vorstadt Krutenau in Straßburg gelegen, ist ein heute fast unbekannter Ort, an den nur noch der Name eines schönen, baumbestandenen Platzes erinnert. Kennern von mittelalterlichen Handschriften allerdings ist zumindest der Name geläufig, da aus dem Kloster eine reiche Produktion von Predigthandschriften hervorgegangen ist, die sich zum großen Teil in der Berliner Staatsbibliothek befinden. Auf Grund einer eingehenden Lektüre dieser Handschriften konnte Francis Rapp über die Spiritualität und die religiösen Praktiken der Klosterfrauen im 15. und 16. Jahrhundert berichten und Thomas Lentes veröffentlichte das Geschenkbuch der Dominikanerinnen aus den Jahren 1578 bis 1592.
Schon seit längerer Zeit ist in der historischen Forschung umstritten, welche Größe und welche Gestalt das einstige Neuenburger Liebfrauenmünster hatte, von dem heute keine geschlossenen Baureste mehr vorhanden sind. Der nachfolgende Beitrag sollte als ein Versuch verstanden werden, einen neuen Zugang zur frühen Stadtgeschichte Neuenburgs zu eröffnen und dadurch zu einer Rekonstruktion des Neuenburger Münsters zu gelangen. Dabei erfolgen sowohl kirchengeschichtliche, wie auch wirtschaftsgeschichtliche Neuinterpretationen des verfügbaren Quellenmaterials und es werden bisher unbekannte Quellen vorgestellt.
In dem bedeutenden Werk Exordium magnum Cisterciense, das um 1220 abgeschlossen wurde, beschrieb sein Verfasser, der Eberbacher Abt Konrad, Anfänge und Entwicklungslinien des Zisterzienserordens von der Gründung des Klosters Cîteaux im Jahre 1098 bis zu den ersten Jahrzehnten des 13. Jahrhunderts. Das Exordium ist in sechs Bücher eingeteilt, wobei die ersten vier und die letzten zwei eine unterschiedliche Anordnung aufweisen. Im Prolog geht Abt Konrad zunächst auf den Inhalt seines umfangreichen Werkes ein: Er möchte den Beginn der ruhmvollen Geschichte seines Ordens aufzeigen, welcher „im Himmel Freude bereitet und auf Erden das Heil wachsen lässt“ (quae gaudia caelis parturit et terris parat incrementa salutis). Er will in seinen Darlegungen die ruhmvollen Taten der Väter beschreiben, die Cîteaux bewegten, auch von dem Eifer der Mönche in Clairvaux berichten, damit den Lesern seines Werkes eine spannende Lektüre geboten werde.
Bern von der Reichenau, der dem berühmten Bodenseekloster vier Jahrzehnte lang – von 1008 bis 1048 – als Abt vorstand, ist der mediävistischen Forschung als einflussreicher Musiktheoretiker, Liturgiker und Verfasser kulturhistorisch bedeutsamer Briefe bekannt. Sehr viel weniger Aufmerksamkeit hat hingegen Berns sprachlich wie inhaltlich äußerst reizvolles Predigtwerk auf sich gezogen. Die 16 sermones befassen sich zum größten Teil mit der Mutter Gottes – das Reichenauer Münster hat Marienpatrozinium –, dem heiligen Markus – Reliquien des Apostels kamen im Jahr 830 auf die Reichenau – und den Feiertagen im Kreis des Kirchenjahres (Weihnachten, Epiphanias, Gründonnerstag, Ostern, Himmelfahrt, Pfingsten); zwei Predigten – der sermo de S. Matthia apostolo und der sermo de dedicatione ecclesiae – lassen sich keiner der drei Gruppen zuordnen. Handschriftlich überliefert sind nur elf dieser Predigten (Werknr. 44–54); von den übrigen sermones (Werknr. 55–61) sind lediglich einzelne Exzerpte im elften Band der von den Magdeburger Zenturiatoren um Matthias Flacius Illyricus verfassten Historia ecclesiastica erhalten.