920 Biografien, Genealogie, Insignien
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Ursula Haider
(2015)
In der Klosterkirche von St. Ursula zu Villingen
befindet sich auf der rechten Seite des Altarraumes
die letzte Ruhestätte der Reformäbtissin Ursula
Haider. Es ist ein bedeutender Ort, der zum Nachdenken
herausfordert. Leider ist die Erinnerung in
Villingen an diese außergewöhnliche Frau nicht
mehr so lebendig, wie es noch vor Jahrzehnten
und Jahrhunderten der Fall war. Dabei bewirkte
die erste Äbtissin des Villinger Klarissenklosters
durch ihr Charisma, ihre Visionen und tiefe Frömmigkeit,
dass das Klarissenkloster in Villingen zu
einem Zentrum mystisch-religiösen Lebens wurde.
„Diße ding hon ich nitt vß fürwiz geschriben sunder vs bitt ettlicher andächttiger schwestern. War sölches listt oder hörtt, der bitt gott och für mich arms schwesterle, ich sy lebendig oder tod.“ Diese ausdrucksstarken Worte Sr. Euphrosinas zeigen in knapper Form einen wesentlichen Teil ihres Ordenslebens. Sie schrieb nicht aus Neugierde, sondern aus Demut und Pflichterfüllung ihren Mitschwestern gegenüber und bittet Gott um das Gebet der Lesenden. Es sind vor allem zwei Aufgaben, die das Leben eines Ordensmitglieds bestimmen. Die Zwiesprache mit Gott im Gebet und die selbstlose Arbeit im Geist der Evangelien.
„Ein trüber Geist hat sich ins Haus geschlichen
und hält den Rundgang in dem weiten Raum.
Kein Freudenstrahl will mehr die Brust durchdringen,
sie seufzt gefangen, wie im schweren Traum.
Mein Herr und Gott, o lass’ mich nicht verzagen,
an dir nicht wanken und auf dich vertraun.
Als Glaubende in froh und trüben Tagen
mit Mut und Hoffnung in die Zukunft schaun“.
Eine begnadete Mystikerin
(2014)
Ursula Haider wurde 1413 in Leutkirch geboren
und kam als neunjährige Vollwaise in die Klause
der 1420 verstorbenen Elisabeth von Reute,
einer oberschwäbischen Mystikerin. Obwohl Elisabeth
bereits gestorben war, wurde Ursula Haider
ganz im Sinne der „Guten Beth“ erzogen. Die
Schwestern betrachteten das Leiden des Erlösers
mit großer Intensität unter dem geistlichen Einfluss
ihres Beichtvaters. In dieser Klause wuchs
Ursula Haider heran. Ihre Passionsmystik ist bis
zu einem bestimmten Punkt auf ihre Erziehung
zurückzuführen, obwohl ihre Offenbarungen stark
von Heinrich Seuse OP beeinflusst waren. Sie trat
1431 in das Klarissenkloster in Valduna ein und
wurde mit 36 Jahren zur Äbtissin gewählt. Dieses
Amt übte Ursula Haider 13 Jahre aus, und es
gelang ihr, das Kloster zu einem vorbildlichen Ort
der Frömmigkeit zu gestalten.
Für die USA war der 17. Januar 2006 ein besonders wichtiger Gedenktag der Nation: Erinnerte man sich doch hier des 300. Geburtstags eines für die Geschichte des Landes überragenden Mannes, des großen Erfinders, Politikers und Staatsmanns Benjamin Franklin ( 1706-1790) aus Philadelphla. Seine Bedeutung für die (späteren) Vereinigten Staaten von Amerika, aber
auch für Europa und darüber hinaus, war derart groß, dass die Fülle seiner Tätigkeiten und Leistungen später noch einmal erläutert werden soll. Für George Washington (1732-1799), den bekannten Feldherrn des amerikanischen Unabhängigkeitskrieges und späteren ersten Präsidenten der USA, gab es eigentlich kein richtiges „Erinnerungsdatum". Dafür hatte dann aber der Kunstmarkt Anfang 2006 mit einem Paukenschlag gesorgt: Beim Auktionshaus Christie wurde völlig überraschend ein vorzügliches, lebensgroßes Porträt George Washingtons (vom amerikanischen Maler Charles Willson Peale, 1741-1827) angeboten - und dann über einen Händler einem nicht genannten Bieter zum spektakulären Preis von 21,3
Millionen US-Dollar zugeschlagen.
Christian Meichelt
(2000)
Christian Meichelt. geb. 1776 in Nürnberg, gest. nach 1830, wird erstmals in einem Bayerischen Künstlerlexikon des Jahres 1810 genannt. Aber schon damals waren wohl die genauen Geburtsdaten nicht mehr zu ermitteln. Weitere Handbücher übernehmen und ergänzen Daten. Es wird auch auf seine Jugendzeit eingegangen, in der er ein begabter und fleißiger Schüler gewesen sein soll. Nagler berichtet ausführlich darüber. Im Künstlerverzeichnis Thieme/Becker wird schließlich alles stark verkürzend und nur in wenigen Worten unter der Überschrift Kupferstecher und Miniaturmaler Christian Meichelt zusammengefasst.
Johann Remler, der in der neuesten Literatur auch fälschlich als Remmler geschrieben wird, war ein Heidelberger Architekt und Bauunternehmer, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das Stadtbild bis in unsere Tage prägend gestaltet hat. In Heidelberg am 1. August 1847 geboren und ebenda am 3. November 1907 verstorben, war er der Sohn des Gerbermeisters Franz Remler und seiner Ehefrau Elisabeth, geborene Klar. Er besuchte die Gewerbeschule in der Kettengasse 16 in Heidelberg und war anschließend in einer großen Ludwigshafener Firma tätig, bis er 1872 sein
eigenes Baugeschäft, die Firma Heusch in der Hauptstraße 86 (heute Hauptstraße 88) erwarb. Remler war bestrebt, zweckmäßige Gestaltung, solide Ausführung und architektonische Schönheit zu vereinigen. Sein Charakter wird mit Geschäftstüchtigkeit, Zuverlässigkeit und Gewissenhaftigkeit umschrieben , das zu einem „Vertrauen und Ansehen in weiten Kreisen“ führte und Staatsaufträge und Aufträge von privater Hand zur Folge hatte. Das Reichspostamt (Sofienstraße, 1884), das Kurfürst-Friedrich-Gymnasium (Neckarstaden, 1894), das Haus der Burschenschaft Frankonia (Neue Schlossstraße, 1892/93) errichtete er, und ebenso wirkte er am Heidelberger Rathaus und einer Kaserne mit. In Neuenheim legte er die Moltkestraße
an und errichtete Villen in der Weber- und der Werderstraße, sowie am Schloss Wolfsbrunnenweg. Private Bürgerhäuser wurden in der Altstadt realisiert. Die Stadt ehrt ihren Bürger seit 1929 mit der Remlerstraße im Stadtteil Neuenheim.
André Weckmann
(2001)
„Andre Weckmann gehört zu den großen Dichtern des ausgehenden 20. Jahrhunderts. Der zu Unrecht außerhalb des elsässisch-oberrheinischen Raums wenig bekannte Weckmann, der in den drei im Elsaß heimischen Ausdrucksweisen schreibt, Alemannisch, Französisch und Hochdeutsch, schuf den wichtigsten Teil seiner lyrischen Produktion in seinem Dialekt. In dieser Dialektlyrik läßt er viele künstlerische Anregungen und Tendenzen seines Jahrhunderts anklingen und findet so zu einem
unverkennbaren, ureigenen Ton. So kann man ihn in dem innovativen Kontext von zum Beispiel Giacometti, Tinguely, Hundertwasser in der bildenden Kunst, Jandl und Marti in der Literatur ansiedeln. Es darf hier auch an Brassens und an die
amerikanische Folk-, Jazz-, Gospel-, und Rap-Bewegung gedacht werden. Weckmanns Werk bezieht sich, bei weitem, nicht
allein auf seine Heimatlandschaft, sondern lebt ganz von deren Spannung zu anderen Regionen und Ländern."
Reinhold Schneider ist heute in Deutschland
weithin vergessen, zumindest bei der
jüngeren und insbesondere bei der studentischen
Generation. Die Gründe hierfür liegen
zunächst im großen gesellschaftlichen Kontext:
in der Entchristianisierung, in der Erblindung
der Lesenden für christliche Dimensionen,
eine Erblindung, die der antichristlichen,
zumindest achristlichen Grundausrichtung
heutiger Philosophie in Europa
zuzuschreiben ist. Die Folge war, zumindest
im deutschsprachigen Raum, ein generelles
Verblassen der Anziehungskraft des Renouveau
chrétien. Reinhold Schneider teilt dieses Los
mit den anderen seinerzeit bedeutenden
christlichen Namen wie etwa Gertrud von Le
Fort, Elisabeth Langgässer, Rudolf Alexander
Schröder, Werner Bergengruen, Jochen Klepper
und deren Mitstreiter. Autoren aus der
zweiten Reihe gar sind dem Gedächtnis fast
gänzlich verschwunden. Wer kennt noch, um
allein ihn zu nennen, das Werk des im Kriege
gefallenen Siegbert Stehmann?
Ludwig Scheuermann
(2007)
Der Schwiegervater des Niedernhaller Pfarrers M. Vitus Knör war Ludwig
Scheuermann, Keller in Weikersheim [2]
. Er war der Sohn des Langenburger
Forstmeisters Caspar Scheuermann und einer Dorothea unbekannter Herkunft. Der Name Scheuermann findet sich mehrfach im Hohenlohischen,
auch in Heilbronn. Rechnungen von Caspar Scheuermann sind aus den Jahren
1581 bis 1585 in den Jagd-Lagerbüchern des Grafen Wolfgang II. von Hohenlohe-Langenburg [3] erhalten, mit eigener Unterschrift. Ein anderer Sohn des
Forstmeisters, Albrecht Scheuermann, wurde Pfarrer. Ludwig Scheuermann
selbst wurde schon in jungen Jahren in gräflichen Diensten beschäftigt. Ab
1568 hat er als ein junger Schreiber für die gräflichen Frauenzimmer geschrieben, dann schickte man ihn nach Langenburg als Verschuldigungsschreiber.
Beim Umbau des Weikersheimer Schlosses war er Bauschreiber [4]
.
Einen furchtbaren Höhepunkt erreichte der Glaube an Geister, Dämonen
und den Teufel in den Hexenverfolgungen im 15. bis zum 17. Jahrhundert. 1484
verfasste der Dominikaner Heinrich Kramer den »Hexenhammer«, in dem er
beschrieb, welche Zauberkünste Hexen anwenden, welchen vielfältigen Schaden sie anrichten können und welche Verbindung sie mit dem Teufel haben.
Der Glaube, dass mancher Schaden, den die Leute erlitten, auf die bösen Zauberkünste der Hexen zurückgehe, war in der Bevölkerung weit verbreitet.
Dies erklärt die aus heutiger Sicht aberwitzige Logik der Hexenprozesse.
Fünf Monate, nachdem Herzog Friedrich I. von Württemberg (* 19. 8. 1557)
am 29. Januar 1608 gestorben war, erstellten die württembergischen Räte, insbesondere Melchior Jäger von Gärtringen (1544 –1611), [2]
ein Gutachten über
dessen Konkubinen und Kupplerinnen, die damals in Haft saßen. [3]
Mit den
sogenannten Ehebrecherinnen gingen die Räte erstaunlich milde um; sie wiesen auf deren Jugend hin und rieten, »die Strafe in Gottes Hand fallen zu lassen«. Bezüglich der sechs verhafteten Kupplerinnen meinten sie, zwei von
ihnen seien weniger belastet, nämlich die Schulmeisterin in Freudenstadt und
die Ketterlin im Harnischhaus. [4]
Strenge Strafen empfahlen sie dagegen bei der
Möringerin in Urach, der Lichtkämmerin in Tübingen, der Hausschneiderin
zu Heidenheim und der Anna Maria im Harnischhaus. Ihre Haushalte sollten
aufgelöst, sie selbst »aus den Augen geräumt« werden. Über Magdalene
Möringer habe ich bereits ausführlich berichtet. [5]
Anna Maria im Harnischhaus, Ehefrau des Trabanten Hans Jacob Stählin, [6]
und die Ketterlin [7]
finden
sich später nicht mehr in den Akten. Über die drei anderen Kupplerinnen hingegen erfährt man verhältnismäßig viel, da sie, ebenso wie Magdalene Möringer, beim Reichskammergericht (RKG) in Speyer gegen Herzog Johann Friedrich (1582–1628), den Sohn und Nachfolger Herzog Friedrichs, geklagt haben.
Johann Heinrich Jung-Stilling gehörte zu den erfolgreichsten deutschsprachigen Literaten seiner Zeit. Seine Werke hatten auch in denjenigen Landschaften des deutschen Südwestens, die Anfang des 19. Jh. zum Großherzogtum Baden zusammengefügt wurden, eine breite Leserschaft. Jung-Stilling war in Baden nicht nur literarisch wirksam. Er war dort gegen Ende seines Lebens auch wohnhaft und nahm persönlich Einfluss auf kirchliche Zusammenhänge. In zwei Abschnitten wird im Folgenden der
Einfluss Jung-Stillings in Baden nachgezeichnet. Zunächst wird Jung-Stillings Wirken zu Lebzeiten in Baden betrachtet. In einem zweiten Abschnitt geht es um die Frage, wie die Bedeutung Jung-Stillings für die Badische Erweckungsbewegung ab
den 1820er Jahren zu bewerten ist.
Vor einigen Monaten rief Gustav Löffler bei mir an. Es war ihm zur Kenntnis gekommen, dass ich mich schon seit etwa 1994/95 mit Gertrud Herrmann beschäftigt habe. Ihr Leben bewegt mich bis heute. Ich habe darum mehrfach über sie geschrieben und für meine Arbeiten Einsicht genommen in einschlägigen Archiven. Eigentlich wäre dazu die Genehmigung von Rechtsnachfolgern nötig gewesen. Ich habe zehn Jahre nach solchen gesucht; auch noch weiterhin, als das sogenannte „Lexikon“ bereits erschienen war. Aber irgendwann habe ich meine Suche, die sich bis nach USA erstreckt hatte, doch aufgegeben. Da erhielt ich 2008 überraschend Kontakt zu Gertrud Herrmanns Neffen, Harald Herrmann. Ihn hatte sie zu ihrem Erben eingesetzt, er war ihr Rechtsnachfolger. Zum Glück war er auch im Nachhinein einverstanden mit meinen Recherchen. Es besteht noch immer loser Kontakt mit ihm. – Und letztes Jahr berichtete mir Gustav Löffler, dass die Familien Löffler und Herrmann familiäre Bindungen haben!
Im ersten Band des Jahrbuchs für badische Kirchen- und Religionsgeschichte hat Prälat Gerd Schmoll als Zeitzeuge berichtet, wie er Krieg und Nachkriegszeit und die Kirche in dieser Zeit erlebt hat. Wie schon oft stellte sich mir die Frage: Wie habe eigentlich ich dies alles erlebt, 1929 in Mannheim geboren und dort aufgewachsen, zuerst als Kind, dann als Mädchen, und noch später als Heranwachsende, als Frau? Wie vermag ich heute in der Rückschau dies zu sehen? Ich bin viereinhalb Jahre älter als Gerd Schmoll und habe fast immer in Mannheim gelebt und auch gearbeitet, wobei allerdings die nicht einmal zwei Jahre, die ich aus Kriegsgründen in St. Blasien verbringen musste, von nachhaltiger Bedeutung für mich waren. Viereinhalb Jahre Altersunterschied kommen für die Zeit des „Dritten Reiches“ und der Nachkriegszeit geradezu einem Generationen-Unterschied gleich. So will ich es wagen, will einiges von meinem Erleben oder Erspüren versuchen zu benennen.
Kein hammerschwingender Thor
(2016)
An dieser Stelle soll an eine im Geroldsecker Land vor über 44 Jahren aufgestellte, ganz außerordentliche sportliche Höchstleistung durch den Lahrer Walter Schmidt erinnert werden. Sie versetzte seinerzeit die Sportwelt in Staunen, es war eine absolute Leichtathletiksensation. Die Lahrer Historikerin Christel Seidensticker hat es in ihrem Buch „Das gibt es nur in Lahr“ verewigt: Den Weltrekord eines Lahrers in einer olympischen Disziplin, im Hammerwerfen, aufgestellt in Lahr. Und bei den regelmäßigen Stadtführungen wird bei einer Aufzählung von Lahrer Persönlichkeiten und bekannten Bürgersöhnen der Hammerwerfer Walter Schmidt immer wieder genannt.
Der Kaiser vor Meersburg
(2005)
Ich uni ze ainem affen werden, als ich ze Merspurg wart. Diese Worte legte Mitte der
1340er Jahre ein anonym er Dichter Ludwig dem Bayern in den Mund und spielte damit
auf die Niederlage des kaiserlichen Heers bei der Belagerung Meersburgs an. Der Wittelsbacher, der nach einer Doppelwahl Albrecht von Hohenberg den Konstanzer Bischofsstuhl verschaffen wollte, hatte im Sommer 1334 drei Monate lang erfolglos die
Stadt berannt, in die sich Anhänger des Gegenkandidaten Albrechts zurückgezogen
hatten. Der längste Aufenthalt des Kaisers im Südwesten des Reichs brachte ihm am Ende nur Spott ein.
Die Forschung zu Ludwig dem Bayern hat diese Belagerung seit Carl Müller im
Jahr 1879, der noch einen Satz dazu verlor, in ihren Darstellungen nicht einmal mehr
erwähnt, auch die Standardwerke zur südwestdeutschen Landesgeschichte gehen nicht
auf diese Ereignisse ein. Die Regionalforschung glaubte, ohne sich eigens mit der
Belagerung zu beschäftigen, bislang im m er den Schilderungen der Chroniken, sie differenzierte nicht zwischen den Überlieferungssträngen und vermischte diese kritiklos.
Dabei kann gerade dieses Ereignis und dessen Wahrnehmung durch die Zeitgenossen
in der Frage nach dem politischen Handlungsspielraum des Wittelsbachers erhellend
wirken.
Die Damen Malterer
(2007)
In den Beständen de Freiburger Augustinermuseums befindet ich ein um da Jahr 1320 entstandener Bankbehang, der sogenannte Malterer-Teppich, aus dem Besitz des ehemaligen
Klosters St. Katharina in Adelhausen. Er wurde gestiftet von dem reichen Freiburger Geschäftsmann und Ratsherrn Johann Malterer und seiner Schwester Anna, die Nonne im Adelhauser Kloster war. Die Wappen der beiden rahmen einen Zyklus von elf Bildern ein, auf denen weibliche List thematisiert wird. Es werden verschiedene Episoden dargestellt, worin jeweils ein verdienter und großer Mann wegen seiner Liebe einer Frau verfällt und
sich dabei lächerlich macht. Da es im Folgenden um Schicksale und Handlungsspielräume der
Damen aus der Familie Malterer gehen soll, sei - nicht ohne ein gewisses Schmunzeln - die
Frage aufgeworfen, wie weit die realen Maltererdamen ihre Männer dominierten.
Niccolò Jommelli (1714-1774)
(2015)
Am 10. August 1753 langte in der württembergischen Residenzstadt Ludwigsburg
eine Kutsche an, der ein etwas korpulenter, 38 Jahre alter Italiener entstieg. Dieser hatte
zusammen mit einem Bediensteten soeben eine mehrwöchige Reise durch Mittel- und Oberitalien, über die Alpen und durch Süddeutschland hinter sich gebracht,
denn der Mann kam aus Rom: Es war der Komponist Niccolò Jommelli. Vermutlich
quartierte er sich zunächst in einem Gasthof ein und machte dann am württembergischen Hof Herzog Carl Eugen seine Aufwartung, der ihn mit besonderer Freude
empfing und sogleich in seine Dienste nahm. Acht Tage später, am 18. August 1753,
erging folgendes Dekret an das Oberhofmarschallamt: »Demnach Unsers gnädigsten
Fürsten und Herrns hochfürstliche Durchlaucht den auf einige Zeit aus Rom gekommenen Capellmeister Jommelli neben freyem Logis in Stuttgardt und Ludwigsburg
ein Species Ducaten zur täglichen Diät vor seine Persohn und vor deßen bey sich habenden Bedienten täglich 30 Kreuzer Costgeldt vom 10. August an gnädigst reguliret
haben, alß wirdt ein solches fürstlichem Oberhoffmarschallenamt nachrichtlich
hiemit in Gnaden ohnverhalten.« Herzog Carl Eugen sorgte also umgehend für
seinen Gast.
Natürlich gab es zur Reise Jommellis an den württembergischen Hof eine Vorgeschichte: Herzog Carl Eugen hatte zwischen Februar und Juni 1753 eine Italienreise
unternommen. Bei einem Aufenthalt in Rom hatte er Niccolò Jommelli kennengelernt. Dieser stand damals in Diensten des Vatikans und war als Vizekapellmeister an
der Peterskirche tätig. Die herausgehobene Stellung Jommellis macht deutlich, dass
er zu jener Zeit bereits ein arrivierter Künstler war.
Krieg der Federn
(2019)
Ein Jahr nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs hielt der gerade von der Universität Heidelberg nach Berlin berufene Philosoph und Theologe Ernst Troeltsch eine Rede mit dem Titel „Der Kulturkrieg“. In dieser Rede blickte Troeltsch auf
das vergangene Jahr 1914 zurück und erläuterte, wie die Deutschen sich zu Beginn des Kriegs erst einmal verblüfft den englischen und französischen publizitischen Angriffen auf ihren preußischen „Militarismus“ und ihre kulturzerstörende „Barbarei“ ausgesetzt sahen. Mit dem Begriff „Kulturkrieg“ beschrieb Troeltsch in dieser Rede vor allem ein intellektuelles Unternehmen der Feinde Deutschlands, einen geistigen Krieg, den Kulturkrieg, den unsere Gegner in der ganzen Welt, bei sich, bei den Neutralen, ja bei den Kolonialen gegen uns schüren und hetzen. Ähnlich argumentierte Troeltsch auch in seiner im selben Jahr verfassten Studie „Der Geist der deutschen Kultur“, in der er befand: Die homerischen Helden begleiteten ihre Kämpfe mit mächtigen Scheltreden, und so hat wohl immer der Kämpfende Lust gehabt, seinen Gegner auch als moralisch minderwertig zu bezeichnen. […] Das scheint ein psychologisches Gesetz zu sein und trifft […] auf alle kämpfenden Parteien zu. Aber das, was wir heute erleben, das ist darüber hinaus noch etwas ganz anderes. Es ist ein neues, durch die moderne Presse ermöglichtes Kriegsmittel. Es ist geradezu ein Kreuzzug oder ein Kulturkrieg gegen Deutschland, der vorhandene Gefühlsdispositionen und Gegensätze benutzt, um möglichst überall eine entschlossene und unüberwindliche Antipathie zu erzeugen.
Die Tiedemanns
(2015)
Die Lebensgeschichten mehrerer bemerkenswerter Angehöriger der Familie
Tiedemann, aus der bedeutende Wissenschaftler und Akteure der badischen
Revolution hervorgingen, sind weitgehend bekannt und beschrieben, und zwar die der Wissenschaftler Dietrich Tiedemann und seines Sohnes Friedrich, der ein renommierter Anatom in Heidelberg war und hier Ehrenbürger wurde. Ebenso ist die Biographie von dessen ältestem Sohn, Gustav Nikolaus Tiedemann, der als letzter Rastatter Festungskommandant 1849 erschossen wurde, erforscht; auch zu seinem Sohn Friedrich liegen Informationen vor. Die vorliegenden Beschreibungen des Lebenswegs des zweiten Sohnes Friedrich Tiedemanns, des an der Heidelberger Universität ausgebildeten Arztes Dr. Heinrich Tiedemann, weisen jedoch – zumal zu seinem Wirken in den USA, wohin der badische Revolutionär fliehen musste – noch so manche Lücken und Fehler auf. Er wurde zu einem bedeutenden Deutsch-Amerikaner, der das renommierte Deutsche Hospital von Philadelphia begründete und mit
Carl Schurz befreundet war. Im Jahr 2013 jährte sich sein Geburtstag zum 200. Mal. Nach einführenden Darlegungen zu seinen Verwandten sollen in diesem Beitrag insbesondere seine Person, sein Lebensweg und sein Wirken zumal in Amerika eingehender beleuchtet werden.
Am 13. November 1944 schrieb Psychiater Dr. Julius Deussen von der „Forschungsabteilung Heidelberg“ an Dr. Walter Schmidt, Oberarzt der Landesheilanstalt Eichberg bei Eltville in Hessen: „Ich hoffe, im Laufe dieser Woche, ev. aber erst nächste, nochmals nach dem Eichberg kommen zu können. [...] Aber man kann heute ja nicht disponieren. Ich bringe 3 Kinder mit, mitnehmen kann ich wegen der Transportschwierigkeiten keine. Wir müssen Kinder hier aus der Gegend nehmen. Aber vielleicht ändert sich die Kriegslage bald zum besseren. [...] Wenn ich komme, bitte ich, alle Gehirne mir zum Transport bereitstellen zu lassen. Mit den Besten Grüßen und Heil Hitler [...]". Verfasser dieses Schreibens war der Arzt Dr. phil. Dr. med. habil. Julius Deussen. Die Abteilung, von der hier die Rede ist, war eine sog. Forschungsabteilung an der Psychiatrischen Klinik der Universität Heidelberg. Hier arbeitete Deussen ab Herbst 1943 in zentraler Funktion im Rahmen der „Euthanasie-Forschung“. Wir versuchen im Folgenden Deussens Tätigkeit, seinen beruflichen Aufstieg und Werdegang nach
1945 zu umreißen. Und seine Bemühungen nachzuzeichnen, sich nach dem Krieg von jeder Täterschaft und Schuld zu entlasten.
Hebel
(2001)
Franz Horn ist der erste Literarhistoriker, der Johann Peter Hebel und sein Werk erwähnt. Zwei Geschichten aus dem Schatzkästlein des Rheinischen Hausfreunds hebt Horn dabei hervor, die Erzählung Die drei Diebe mit den Nachfolgegeschichten vom Zundelfrieder als besonders originelle Erfindung, die Erzählung Kannitverstan als eine gelungene
Nacherzählung bekannter Vorlagen: „Der neckisch-ruchlose Zundelfrieder, von dem hier nicht selten die Rede ist, wird keinen Landmann verführen, wohl aber das alte frische, nie genug zu preisende Lachen wieder hervor rufen, das jetzt fast geschwunden scheint. [...] So darf auch nicht verschwiegen werden, daß die schöne alte, sehr oft schon erzählte Geschichte von dem Herrn „Kan nit verstan“ hier von Neuem gar gut und lieblich erzählt worden ist, daß sie den besten Eindruck nicht
verfehlen kann.“ Horn weiß also um die Vorlagen zu Kannitverstan vielleicht noch besser Bescheid als heutige Leser, hält aber die Geschichten um den Zundelfrieder für eine ureigene Erfindung Hebels.
Am 18. August 1999 war es 1150 Jahre her, daß der erste deutsche Schriftsteller starb, der mit einem Teil seiner Werke heute noch ein Publikum erreicht: Walahfrid Strabo von der Reichenau. Er hat sich für seine deutsche Muttersprache interessiert, wie die sachkundigen Ausführungen zur Herkunft des Wortes „Kirche“ in seiner Liturgiegeschichte zeigen; wie fast alle seiner europäischen Zeitgenossen konnte er sich literarisches Schreiben aber nur in der „Vatersprache“ Latein vorstellen. Walahfrid ist wohl im Jahr 807 im alemannischen Raum geboren und wurde im Kloster Reichenau erzogen. Der gelehrte lateinische Beiname, mit dem man sich zu seiner Epoche - der „Karolingischen Renaissance“ - gern schmückte, hat bei Walahfrid einen bitteren Beigeschmack; denn „Strabo“ (oder „Strabus) heißt „der Schieler“, und das war Walahfrid auch. Seine erste große Stunde kam, als er nach dem Tod des Reichenauer Klosterlehrers Wetti (824) den Auftrag bekam, die aufwühlenden Visionen, die der Verstorbene kurz vor seinem Tod hatte, in lateinischen Versen darzustellen. Walahfrid erledigte die Aufgabe bravourös; seine Visio Wettini vom Jahr 825 ist sein erstes Erfolgsbuch geworden.
Die Geschichte der Korrektion des Oberrheins zwischen 1817 und 1876, mit der der Flusslauf zwischen Basel und Worms um über 80 Kilometer begradigt wurde, und die Persönlichkeit ihres Protagonisten, des Ingenieurs Johann Gottfried Tulla
(1770–1828), sind seit nunmehr 150 Jahren Gegenstand immer neuer wissenschaftlicher und populärer Veröffentlichungen. Die Historisierung und Popularisierung von Projekt und Person setzte um 1870 und damit kurz vor der Vollendung der Korrektur im Jahr 1876 mit ersten umfangreicheren Dokumentationen und der Errichtung des „Tulla-Turms“ bei Breisach ein. Beschäftigten sich zunächst vorrangig die Nachfolger des Leiters der badischen Wasser- und Straßenbaudirektion mit voluminösen Denkschriften aus Ingenieurssicht mit dem Projekt, so leuchteten im 20. Jahrhundert unter anderem Franz Schnabel, Arthur Valdenaire, Hans Georg Zier und viele andere zahlreiche technik-, landes- und biographiegeschichtliche Facetten aus. Nachdem der Autor dieses Beitrages vor nunmehr gut zwei Jahrzehnten an dieser Stelle die Neubewertung einiger Sachverhalte aus vorrangig umweltgeschichtlicher Sicht vorgeschlagen hatte, haben sich seither im Zuge des Aufschwungs der umwelthistorischen Forschung auch profilierte US-amerikanische Forscher wie David Blackbourn und Marc Cioc dem Thema aus diesem Blickwinkel zugewandt. In ihren Forschungen traten unter anderem verstärkt einzelne Umweltprobleme wie der langfristige Rückgang der Biodiversität sowie Fragen der Wasserverschmutzung in den Blick,
wobei die Person Tullas teilweise noch stärker als in der älteren Forschung stilisiert wurde, so z.B. als „The man who tamed the wild Rhine“ (Blackbourn), bis hin zu der Feststellung: „Tulla was for the Rhine what Napoleon was for Europe“ (Cioc).
Die ungarländische Peregrinationsforschung hat in den letzten Jahrzehnten immer mehr an Bedeutung gewonnen, weil sie einen wichtigen Ermöglichungsgrund des
Wissenstransfers im Ungarn der Frühen Neuzeit darstellt. [1] Besonders wertvoll ist die
von László Szögi seit 1994 herausgegebene, in Budapest erscheinende Reihe Magyarországi diákok egyetemjárasa az újkorban, die sich zum Ziel gesetzt hat, die ungarländische
Studentenperegrination in die verschiedenen Länder Europas auf der Grundlage der
Schul- und Universitätsmatrikeln sowie anderer einschlägiger Dokumente herauszugeben. Wie die Peregrinationsforschung aber auch feststellen konnte, genügen die Matrikeln allein nicht, um festzustellen, wer wo studiert hat, denn oft wurde – aus verschiedenen Gründen – eine Immatrikulation unterlassen. So durften sich beispielsweise an
der Hohen Schule in Bern nur Bürger von Bern immatrikulieren, obwohl auch Nicht-Bürger studieren konnten. [2]
Man ist also auf weitere externe Quellen angewiesen, die
Informationen über Studienaufenthalte geben: Disputationen, Dissertationen, Briefe,
Vorlesungsnotizen, Tagebücher, Stammbücher u.s.w.
Erinnerungen an Emil Thoma
(2010)
Seit meiner frühen Kindheit kannte ich
Stadtpfarrer Emil Thoma persönlich. Aufgrund dieser persönlichen Beziehung ist es
durchaus berechtigt, diesen Beitrag
„Erinnerungen an Emil Thoma” zu überschreiben.
Meine Mutter starb, als ich drei Jahre und
mein Bruder Hugo viereinhalb Jahre alt
waren. Die Schwester meiner Mutter, Tante
Mathilde Meny, verpflichtete sich an deren
Sterbebett, für uns Kinder zu sorgen - ein
Versprechen, das sie sehr ernst nahm. Mein
Vater, der als Bahnbeamter in Sinsheim
arbeitete, verheiratete sich bald wieder
nach dem Tod unserer Mutter. Deshalb verbrachten mein Bruder Hugo und ich auch
unsere Schulzeit noch in Sinsheim. Nach
dem Abschluss der Volksschule zog ich
1938 zu Tante Mathilde nach Eppingen, von
wo aus ich die Handelsschule in Heilbronn
besuchte.
»Bedeutendster deutscher Lyriker zwischen Romantik und Realismus und Hauptvertreter des schwäbischen Biedermeier« heißt es im Wilpertschen »Lexikon der Weltliteratur« über Eduard Mörike. Mörike, der zu seinen Lebenszeiten sich trotz des stetig wachsenden Ruhms still und unspektakulär im Hintergrund hielt, ist jedoch literarhistorisch ganz so eindeutig, wie in der genannten Beurteilung geschehen, nicht einzuordnen. Viel zu eng gefasst jedenfalls ist der regional und literaturgeschichtlich stark eingrenzende Begriff »Hauptvertreter des schwäbischen Biedermeier«. Bernhard Gugler, Professor für Mathematik in Stuttgart, ein Freund aus späten Jahren, schreibt 1875 in seinem Nachruf auf Mörike nicht von ungefähr: »Es ist öfters und von verschiedenen Seiten gesagt worden, kein Lyriker erinnere so sehr an die lyrischen Gedichte Goethes wie Mörike. Das mag hoch klingen; wer indes Mörikes Muse genauer kennt, wird unbedingt zustimmen. [...] Eines kommt noch hinzu, was in Goethes Liedern nicht voll anklingt: der Humor. In Mörikes Natur lag neben der tiefsten Empfindung der Sinn für das Heitere und Witzige, der sich aber immer mit Grazie ausspricht.«
Gleichzeitig mit dem Erstarken des Nationalbewusstseins in Deutschland gegen Ende
des 19. Jahrhunderts stieg auch die Wertschätzung bedeutender Persönlichkeiten aus
Geschichte, Politik, Kunst und den Geisteswissenschaften. Ihr Andenken zu bewahren
wurde deshalb Anliegen und Auftrag. Der Stolz auf ihre Leistungen für das Vaterland oder die eigene Stadt mündete in verschiedensten Formen der Wertschätzung.
Für jede Stadt war es Ehre und Verpflichtung zugleich, an ihre großen Söhne mit
Denkmalen zu erinnern, deren Geburtshäuser mit Gedenktafeln zu schmücken und
die Geburts- und Sterbetage der so Geehrten mit öffentlichen Feiern angemessen zu
begehen.
Ludwigsburg bildete da keine Ausnahme. 1882 wurde die Einweihung des Schiller-Denkmals pompös zelebriert. Aus Anlass des 10. Todestages von David Friedrich
Strauß stiftete ein Kreis von Verehrern des großen Ludwigsburger Theologen und
Philosophen eine aufwendig gestaltete Gedenktafel, die im Januar 1884 an seinem
Geburtshaus in der Marstallstraße angebracht wurde. Friedrich Theodor Vischer
schloss seine bei der feierlichen Enthüllung der Tafel gehaltene Festrede mit den Worten: »Diesem Toten gebührt mehr als eine Gedenktafel, eine künftige Generation wird
es, hoffen wir, ihm weihen: ein Monument.«
Vischers Worte hatten die Wirkung einer Initialzündung, die nächste Generation
setzte den Wunsch in die Tat um. Anlass war wieder ein »rundes Datum«, der 100. Geburtstag von Strauß im Jahr 1908. In pathetisch würdevollen Feierstunden und zahlreichen Zeitungsartikeln wurde das Leben und Werk von David Friedrich Strauß gewürdigt. Einer dieser Artikel erschien am 25. Januar 1908 in der »Frankfurter Zeitung«.
Der Verfasser, der Heidelberger Literaturwissenschaftler und Privatgelehrte Dr. Ernst
Traumann, zitierte darin unter anderem auch die oben erwähnte Passage aus der
Vischer-Rede.
Während sechs Generationen zählten die Mitglieder der Familie Baumgärtner zu
den bedeutendsten und einflussreichsten Baumeistern und Persönlichkeiten von
Ludwigsburg. Fast 200 Jahre lang, von 1755 bis 1944, gestalteten und prägten sie als
Zimmerleute, Bauaufseher, Hof- bzw. Stadtwerkmeister, Bauunternehmer, Architekten, Künstler und Stadträte entscheidend das Bild von Ludwigsburg. Die Gebäude,
die sie in Ludwigsburg erbaut haben, beweisen dies eindrücklich. Trotzdem ist
ihr Leben und Werk heute, sehr zu Unrecht, fast vergessen. Ihre für Ludwigsburg
wertvolle Sammlung von Architekturzeichnungen befindet sich im Stadtarchiv
Ludwigsburg. Die Sammlung wurde Anfang des Jahres katalogisiert (Signatur V3/33)
und damit der öffentlichen Benutzung zugänglich gemacht.
»Aecht Franck«
(2019)
Ein vergessenes und deshalb nicht gefeiertes Jubiläum war der Anlass für diesen Aufsatz. 2018 feierte Ludwigsburg programmreich »300 Jahre Stadt werden«. Ein anderes, für die Stadt und ihre wirtschaftliche Entwicklung wichtiges und
ebenfalls mit einem Jubiläum verbundenes Ereignis – 150 Jahre Industriestandort Ludwigsburg – rückte dabei in den Hintergrund: Ende 1868, Anfang 1869 nahm nämlich die Kaffeemittel-Fabrik von Johann Heinrich Franck aus Vaihingen in den neu errichteten Fabrikhallen westlich des Ludwigsburger Bahnhofs ihre Produktion auf. Die Ansiedlung von Heinrich Franck Söhne, wie die Firma jetzt hieß, war zum einen für Ludwigsburg ein Glücksfall und zum anderen für Franck das Tor zum großen geschäftlichen Erfolg. Um die steigende Nachfrage nach dem beliebten Zichorienkaffee befriedigen zu können, expandierte die Firma und gründete Zweigwerke in ganz Europa. Zum 50-jährigen Firmenjubiläum in Ludwigsburg im Jahr 1918 verlieh die Stadt den beiden Teilhabern und Geschäftsführern Robert und Richard Franck für ihre Verdienste um die Stadt die Ehrenbürgerrechte.
Mehr Licht für Ludwigsburg
(2015)
Sie werden fragen, war Louis Bührer nicht der erste Kassier der Oberamtssparkasse
Ludwigsburg, nach dem auch der Louis-Bührer-Saal der Kreissparkasse benannt ist?
Was hat er mit der Gasversorgung von Ludwigsburg zu tun? Die Antwort ist einfach,
aber nur wenig bekannt. Es stimmt, Louis Bührer war der erste Kassier der 1852
gegründeten Oberamtssparkasse. Aber er war noch mehr, nämlich ein engagierter
Bürger, der seine Position als Stadtrat konsequent ausnutzte und sich dann überall
aktiv einbrachte, wenn es galt, anstehende Probleme zu lösen oder Verbesserungen
für die Bürger der Stadt in die Tat umzusetzen. Sei es, dass er sich für die Ärmsten
in verschiedenen Wohltätigkeitsvereinen engagierte, dass er die Kassierstelle der neuen
Sparkasse übernahm oder dass er sich für die Errichtung eines städtischen Wasserwerks, vor allem aber eines städtischen Gaswerks einsetzte.
Louis Bührer griff einen in der Mitte des 19. Jahrhunderts weit verbreiteten Wunsch
der Bevölkerung nach einer besseren und komfortableren Beleuchtung von Wohnungen, Häusern und Straßen auf. Als praktikable Beleuchtungsmittel standen den
Menschen in dieser Zeit neben rußenden Talgkerzen nur Öllampen zur Verfügung, in
denen mit Hilfe eines Dochtes tierische und pflanzliche Öle, vor allem aber Mineralöle
wie Petroleum verbrannt wurden. Insbesondere die billigen Talgkerzen lieferten kein
gleichmäßiges Licht, weil der Docht nicht richtig verbrannte. Er musste mit einer
speziellen Lichtputzschere immer wieder nachgeschnitten werden, was äußerst lästig war
und Goethe zu einem Stoßseufzer in Form eines Zweizeilers veranlasste: »Wüsste nicht,
was sie Besseres erfinden könnten, als wenn die Lichter ohne Putzen brennten«.
Louis Bührer hat viel in seinem Leben bewirkt, aber nur wenig Greifbares zu seinem
Leben hinterlassen. Ein persönlicher Nachlass existiert nicht. Erhalten sind lediglich
die amtlichen Nachlassakten von ihm und seiner Frau, Protokolle und amtliche
Schriftstücke aus seiner Tätigkeit als Stadtrat sowie unzählige größere und kleinere
Artikel und Notizen in der Lokalpresse, die mit ihm in direktem oder indirektem
Zusammenhang stehen. Als Silberarbeiter schaltete er keine regelmäßigen Geschäftsanzeigen in der örtlichen Presse, die wenigen Privatanzeigen beschränkten sich hauptsächlich auf die Vermietung von Wohnungen in seinem Haus. Bleibt Louis Bührer
als Mensch weitgehend im Hintergrund, so tritt er umso deutlicher als vielseitig
engagierter Bürger von Ludwigsburg vor unsere Augen.
Wilhelm Ludwig Bührer wurde am 22. Dezember 1803 als zehntes von zwölf
Kindern des Nagelschmieds und Zunft-Obermeisters Christian Friedrich Bührer sr.
in Ludwigsburg geboren. Er besuchte zur selben Zeit wie Eduard Mörike die örtliche
Lateinschule, wurde 1817 konfirmiert und erlernte danach in Esslingen den Beruf
eines Silberarbeiters. Die Neigung zu künstlerischen Berufen lag in der Familie. Sein
älterer, am 1. Dezember 1800 geborener Bruder Christian Friedrich jr. wurde Kupferschmied und gründete 1829 in Ludwigsburg eine Werkstätte für Kupferwaren, die später
in der Firma Hünersdorff aufging. Wilhelm Ludwig Bührer arbeitete nach seiner
Ausbildung als Silberarbeiter in Tuttlingen, München und Paris, wo er vermutlich
auch seinen Rufnamen Ludwig in Louis änderte. Am 22. Juli 1829 heiratete er die
am 20. November 1805 in Paris geborene Léonide Antoinette Mortieau und ließ sich
danach beruflich in Brüssel nieder. Die Ehe blieb kinderlos.
Im Rahmen der Vorbereitungen zur Ausstellung Strasbourg 1200–1230, la révolution gothique (Straßburg 1200–1230, die gotische Revolution) kam es zu einer außergewöhnlichen Entdeckung: es handelt sich um einen der Köpfe der Apostelskulpturen des Südportals des Straßburger Münsters, der 1793, im Zuge des revolutionären Terrors, zusammen mit 200 anderen Skulpturen des Münsters verloren ging (Abb. 1). Die Geschichte dieses Fragmentes ist besonders, denn es trat zum ersten Mal Anfang des 20. Jahrhunderts in Erscheinung und verschwand danach wieder für einen Zeitraum von etwa hundert Jahren. Der Kopf wurde, zusammen mit zwei anderen, vermutlich des gleichen Ursprungs, in einigen hundert Metern Entfernung im Süden des Münsters, bei Bauarbeiten in dem Hof eines Privathauses, 1904/05 entdeckt. Ein Gipsabguss des Stückes, der vor 1914 in den Werkstätten der Straßburger Münsterbauhütte entstand, ermöglicht es, seinen Werdegang nachzuvollziehen, da es im Inventar der Gipsabgüsse als „Büste Johannes gefunden bei einer Ausgrabung Krutenauer Straße 54. Originalbesitz H. Münsterbaumeister Knauth“ erscheint. Man weiß, dass die Verwendung von Fragmenten der in der Revolution zerstörten Statuen im Unterbau neuer städtischer Straßen eine gängige Praxis war. Die
Tatsache, dass dieser Kopf nach seiner Entdeckung in der privaten Sammlung des Münsterbaumeisters und Konservators der
denkmalgeschützten Gebäuden eingegliedert wurde, wird von Johann Knauth in einem Artikel bestätigt, in dem er angibt, ihn „per Zufall im Laufe der letzten Jahre“ erworben zu haben, zusammen mit zwei weiteren Stücken aus demselben Ensemble, die im gleichen Zusammenhang wieder aufgetaucht sind.
„Retter der Cathedrale“ steht auf dem Grabstein Johann Knauths, der sich auf dem Offenburger Waldfriedhof (Gräberfeld 11) befindet. Das mannshohe, stelenartige Grabmonument aus Granit weist zwei eingelassene rechteckige Bronzeplatten auf. Die obere Tafel zeigt im Flachrelief die Büsten zweier innig einander zugewandter junger Männer, die nur mit dünnen Tüchern bekleidet sind. Es handelt sich um die jung verstorbenen Söhne Johann Knauths. Dies verdeutlicht auch die Inschrift der unteren Tafel: „Ruhestätte der Familie Dr. Hans Knauth. 30 Jahre Münsterbaudirektor und Conservator in Strassburg. Retter der Cathedrale. * 1864–1924. Mathilde Knauth, geb. Holzmann, 1868–1949. Zum Gedenken an ihre gefallenen Söhne Hans Knauth 1895–1919 (Sibirien), Josef Knauth 1898–1917 (Rumänien).“
Heute weithin unbekannt ist der am meisten beschäftigte Freiburger Barockmaler Johann Pfunner, dessen Geburtstag sich in diesem Jahr zum 300. Mal jährt. Aus Tirol stammend, kam er schon in jungen Jahren nach Freiburg, wo er später Bürgerrecht und Zunftzugehörigkeit erwarb.
Von hier aus entfaltete er eine umfangreiche Tätigkeit, von der noch knapp 300 Arbeiten an über 40 Orten zwischen Appenweier im Norden und Schliengen im Süden, Mulhouse im Westen und Schömberg im Osten, zumeist in Kirchen, erhalten sind. Es lohnt sich, ihn nicht nur als Künstler, sondern auch als Künder der christlichen Botschaft neu zu entdecken!
Glauben malen
(2018)
Die bis heute grundlegende Arbeit zu Johann Pfunner ist Hermann Ginter zu verdanken, der 1926 in seiner Freiburger Dissertation auf das Leben und Werk des Künstlers ausführlich eingeht und ein Werkverzeichnis aufführt. Es folgte im Jahr 1976 eine an der Universität Freiburg eingereichte Magisterarbeit von Irene Streit. Ansonsten gab es in den 70er- bis 90er-Jahren des letzten Jahrhunderts eine Reihe von Aufsätzen in einschlägigen Zeitschriften wie z.B. in der Vierteljahresschrift „Badische Heimat“ oder dem Jahrbuch „Schau-ins-Land“ des Breisgau-Geschichtsvereins, hauptsächlich von Professor Hermann Brommer und Pfarrer Manfred Hermann verfasst. Insbesondere Brommer hat sich intensiv mit Johann Pfunner
beschäftigt und hätte – wie er selbst sagte – gerne eine zusammenfassende Darstellung über dessen Lebenswerk geschrieben, was ihm jedoch aufgrund seines Alters und Todes nicht mehr vergönnt war. Brommers gesammelte Informationen und Unterlagen bildeten die Basis zu weiteren Nachforschungen über Johann Pfunner. Dennoch sollte es Jahre dauern bis das Gesamtwerk des Künstlers erstmals umfassend ermittelt, fotografiert, beschrieben, chronologisch geordnet und interpretiert werden konnte. Die vorliegende Kurzfassung präsentiert die Ergebnisse in Wort und Bild.
1923: im Ruhrgebiet herrscht Elend. Der Bischof von Münster, Johannes Poggenburg, schreibt im kirchlichen Amtsblatt von Münster vom 21. 2. 1923: „Die Not im besetzten Gebiete erheischt von neuem und besonders dringlich die Unterbringung unterernährter Kinder in ländlichen Familien. Die übermäßige Steigerung der Lebensmittelpreise, die wachsenden Schwierigkeiten der Zufuhr, vor allem der große Mangel an Milch gefährden Gesundheit und Leben vieler Kinder. Die Unterernährung nimmt in erschreckendem Masse zu. In einer Stadt des neu besetzten Gebietes ist ermittelt worden, dass 35% der Schulkinder unterernährt sind ( ... ) [Daher] richte ich an die ländliche Gemeinden die dringende väterliche Mahnung und Bitte, mit erneuter Bereitwilligkeit unterernährte Kinder bei sich aufzunehmen.“ In der gleichen Ausgabe wird gemeldet: „Im Jahre 1922 [sind] einige tausend Kinder aus Stadt und Industrie in den ländlichen Gemeinden des Bistums untergebracht worden.“ Gleichartige Berichte und bischöfliche Aufrufe findet man in diesen Jahren in den Amtsblättern der Bistümer Paderborn und Köln. In 1922 hört Kaplan Josef Merk - ein junger, lungenkranker Priester, der als Hausgeistlicher im Krankenhaus zu St. Blasien arbeitet - zum ersten Mal durch seine Kontakte mit den Kranken von Rhein und Ruhr von dem großen Elend und der Kindernot im Ruhrgebiet und wird nach Horst-Emscher (bei Gelsenkirchen) eingeladen.
Adolf Schmitthenner
(2005)
Kindheit und Jugend
Am Ende des Jahres 1850 bezog in Neckarbischofsheim eine junge Pfarrfamilie das
Haus des zweiten Pfarrers, das gegenüber dem Turm der Stadtkirche steht. Heinrich
Schmitthenner, der neue Pfarrer, kam von Kälbertshausen'. Das „Dörflein, das
fernab von aller Welt liegt", wie Adolf Schmitthenner später dessen Lage am Rande
des Kraichgaus in der Erzählung „Friede auf Erden" beschreibt2
, war fünf Jahre
lang die erste Pfarrstelle von Heinrich Schmitthenner gewesen.
Seine Frau Mathilde Luise war eine Tochter des Pfarrers Christian Philipp Herbst,
der zuletzt Pfarrer in Mundingen, im Kirchenbezirk Emmendingen war. Das Ehepaar
Schmitthenner zog mit zwei Kindern in das zweite Pfarrhaus ein, mit Auguste,
der älteren und dem knapp einjährigen Heinrich, der später einmal einer der
Nachfolger seines Vaters in Kälbertshausen werden sollte. Ein drittes Kind, Theodor,
war nach drei Monaten gestorben und ruhte auf dem Friedhof in Kälbertshausen.
Jakob Müller
(2003)
Jakob Müller hat zu Beginn des 17. Jahrhunderts das Langhaus der Stadtkirche gebaut und damit das Bild von Neckarbischofsheim bis auf den heutigen Tag nachhaltig geprägt. Müller war jedoch nicht in erster Linie Baumeister, sondern Bildhauer. Nur zweimal trat er auch als Architekt auf. Außer der Stadtkirche in Neckarbischofsheim baute er auch die Kirche des Schlosses Liebenstein bei Neckarwestheirn, die im Jahr 1599 errichtet wurde.
Ruth Schwob-Bloch
(2002)
Sie ist mittlerweile über 80 Jahre alt und es drängt sich der Gedanke auf: So könnte Sara ausgesehen haben, die Frau Abrahams. So könnte sie ausgesehen haben, als sie sich über den kleinen Isaak beugte, auf dem die Verheißung Gottes ruhte, dass er zu einem großen Volk werden sollte. Nein, sie ist nicht Sara, aber sie ist eine Tochter Saras, geboren im zweiten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts. Geboren wie ihr Urvater Isaak abseits der Städte und großen Straßen in einem Landstädtchen in der Provinz. Neckarbischofsheim war ihre erste Heimat. Dort kam sie in dem kleinen zweistöckigen Haus auf die Welt, das noch heute an der Hauptstraße steht. Dort verbrachte sie ihre ersten Kinderjahre als Tochter des Kantors und Religionslehrers
Heinrich Bloch, geistliches Oberhaupt der jüdischen Gemeinde. In der Kleinstadt ein hoch geachteter Mann, der auch immer wieder in den örtlichen Vereinen Aufgaben übernahm.
Entgegnung
(2023)
Marcel van Eeden wurde am 13. August 2023 in Bernau im Schwarzwald der Hans-Thoma-Preis, der Staatspreis des Landes Baden-Württemberg für Bildende Kunst, verliehen. Für die zeitgleich eröffnende Preisträgerausstellung im Hans-Thoma-Kunstmuseum schuf er mit 1898 eine Serie von 152 Gummidrucken, die er an verschiedenen Orten der Niederlande aufgenommen hatte. 1 Motivisch beziehen sich die Bilder auf eine bis dato wenig bekannte Reise Hans Thomas aus dem Jahr 1898, deren Stationen van Eeden im Rahmen der Ausstellungsvorbereitungen recherchiert hatte. Die von van Eeden bewusst als künstlerisches Mittel eingesetzte zeitgenössische Motivik, die etwa heutige Strandszenen, moderne Windkraftanlagen oder Museumsbesuche umfasst, verdeutlicht die Distanz zum historischen Gegenstand von 1898. Darin vermittelt sich van Eedens kritische Grundhaltung gegenüber den Möglichkeiten und Fallstricken der Geschichtsschreibung. Die Serie beinhaltet zudem eine Reflexion von van Eedens eigener Annäherung an die Vergangenheit, so etwa Bilder von Orten und Personen, die seine Recherchen zu Thoma geprägt haben. Die gewählte Technik des Gummidrucks erzeugt eine Ästhetik vermeintlicher Authentizität des ausgehenden 19. Jahrhunderts und trägt in Konkurrenz zu den zeitgenössischen Bildinhalten ihrerseits zur Skepsis gegenüber historischen Aussagen bei. Unterbrochen wird die Serie von 30 Zitaten von Hans Thoma, von ausgewählten Zeitgenossen und nachrangig auch aus der späteren Sekundärliteratur, mit denen van Eeden eine zweite inhaltliche Ebene eröffnet. Darin geht es um Hans Thomas Kontakte zu völkischen Kreisen im deutschen
Kaiserreich, insbesondere jene zum antisemitischen Kulturtheoretiker Julius Langbehn, dessen Buch Rembrandt als Erzieher (1890) als Grundlagenwerk der völkischen Bewegung gilt. Van Eeden problematisiert auf diese Weise das dominante eindimensionale, rein affirmative Bild Hans Thomas in der Öffentlichkeit, zu dessen Wahrung völkische Sympathien und antisemitische Äußerungen ausgeblendet oder nivelliert werden. Im Auftrag des Ministeriums für Wissenschaft, Forschung und Kunst Baden-Württemberg habe ich für die Staatliche Kunsthalle Karlsruhe die kuratorische Begleitung der Ausstellung 1898 des Thoma-Preisträgers Prof. Marcel van Eeden 2023 in Bernau im Schwarzwald übernommen (Hans-Thoma
Kunstmuseum, Bernau, 13.8.-15.10.2023). Die Ausstellung wurde ergänzt durch eine von mir herausgegebenen Publikation, in dem unter anderem auch ein wissenschaftlicher Aufsatz von mir zum Ausstellungsgegenstand enthalten ist.
Über den Höhen des Schwarzwaldes im Westen von Schonach zum Prechtal hin, inmitten wilden Baumwerks, liegt der Zinken ,,Feldern“. Dort wurde am 5. Oktober 1910 der Akademische Maler, Graphiker und Buchdrucker meister Eugen Gross als jüngstes von acht Kindern geboren. Es war ein hartes Leben in der Abgeschiedenheit des Hochschwarzwaldes
Durch die Analyse eines Gedichts des Dichters Nicolaus Rüdinger (aus: Rüdiger) können die Autoren nachweisen, dass dessen lateinischer Beiname >>Pisovernas<< >>Schefflenzer<< bedeutet. Aus seiner Korrespondenz und seinem poetischen Austausch geht hervor, dass der als Lehrer und Kämmerer in Wertheim wirkende Poet unter den dichtenden Humanisten seiner Zeit durchaus anerkannt war. Dass weder Augusta Bender nach Edwin Roedder als Schefflenzer Heimatforscher auf ihn gestoßen sind, ist erstaunlich. Seine durchweg auf Latein verfassten >>Elegiae Evangelicae<< (Gedichte zu den christlichen Sonn- und Feiertagen), in lutherischem Geist, sind sein Hauptwerk. Aus seinen Kasualgedichten werden das dichterische Netzwerk und manche seiner biographischen Umstände deutlich. Der Aufsatz ist als Vorläufer einer Teilausgabe seiner Werke gedacht, die im Jahr 2020 von denselben Autoren zu erwarten ist.
Aus dem Bericht des Diözesanausschusses Baden-Baden im Jahre 1914: Das Bezirksfest der Äußeren und Inneren Mission, das am Sonntag, dem 21. Juni 1914, nachmittags in der freundlichen kleinen Kirche zu Gaggenau unter zahlreicher Gemeindebeteiligung und schönem Mitwirken des dortigen Kirchenchors gefeiert werden konnte, war noch vom Hauch des Friedens umweht. [...] Eine stimmungsvolle Nachfeier hielt die von auswärts zum Fest Gekommenen noch eine frohe kleine Weile mit den heimischen Festgenossen zusammen. Ob freilich die Eindrücke diesmal irgendwie haftend waren, wer will dies sagen? denn kurze Zeit darauf brach der ungeheure Kriegsorkan über uns herein, riss alles Empfinden, alle Gedanken, alle Kräfte an sich und beherrscht seither mit seinen gewaltigen Sturzwellen unser ganzes Leben.
Mina Becker
(2021)
Wieder einmal mache ich Halt am Fuß des Schutterlindenbergs, in Lahr, wo ich in den 40er und 50er Jahren des vorigen Jahrhunderts meine Schulzeit verbrachte. Der Rosenbrunnen in der Lahrer Altstadt ist das letzte Zeugnis der Anwesenheit von Mina Becker, die von 1912 bis 1956 mit ihrem Geist und ihren Impulsen das Leben in Lahr inspirierte und prägte. Sie war meine Großmutter. Die im Brunnentrog eingemeißelte Jahreszahl 1917 bedeutet mehr als das Jahr der Errichtung des Brunnens, das war 1919. Im September 1917 war Minas Mann Karl im Weltkrieg in Belgien gefallen, und sie veranlasste anstelle des alten, wohl baufälligen Brunnens die Neuerrichtung nach dem Entwurf des Karlsruher Architekturprofessors Gisbert von Teuffel. Dies entsprach einem Versprechen, welches sich die Eheleute für den Fall von Karls Tod im Krieg gegeben hatten. Auch in späteren Jahren war dieser Brunnen ein generationenübergreifendes Symbol. Ein Foto zeigt einen Teil der Familie im Sommer 1942 beim Holen des Taufwassers für die beiden neugeborenen Enkel.
Otto Ehrlich (1909–1971) schloss sein Medizinstudium in Heidelberg im Dezember 1936 mit dem Staatsexamen ab. Bald darauf reichte er seine Dissertation ein und bestand die Doktorprüfung, doch der Erhalt des „Diploms“ war zu diesem Zeitpunkt keine Selbstverständlichkeit mehr. Ehrlich musste vielfältige Anstrengungen unternehmen und bürokratische Hürden überwinden, „um das Doktordiplom zu erhalten, da dies für mich für meine Auswanderung von lebenswichtiger Bedeutung ist“. Seine Bemühungen spiegeln sich in umfangreicher Korrespondenz und führten letztlich zum Ziel. Exemplarisch zeigen die von uns bearbeiteten Dokumente die sich verstärkenden Einschränkungen für jüdische Promovierende, die detaillierte bürokratische Regulierung und die verschiedenen Stellen, die mit dem Anliegen zu befassen waren – diese reichten von der Ebene der Universität mit Dekanat und Rektorat über das Badische Ministerium für Kultus und Unterricht in Karlsruhe bis zum Reichserziehungsministerium. Bürokratische Spielräume auf lokaler Ebene scheint es aufgrund
der direkten Kontrolle durch das Reichsministerium im Einzelfall kaum gegeben zu haben. Dennoch stellt sich die Frage nach der Umsetzung der Vorgaben an der Heidelberger Medizinischen Fakultät. Welchen Einfluss hatten die beteiligten Ministerien und die verschiedenen Ebenen der Universitätsverwaltung? Handelten sie streng nach Vorschrift? Versuchten sie, eigene Handlungsimpulse umzusetzen, entweder
um den Betroffenen zu helfen oder um die Aushändigung des Doktordiploms zu verhindern? Wir gehen den genannten Fragen an zwei Beispielen nach. Zunächst stellen wir kurz die Entwicklung der Gesetzeslage dar, um dann die „Fallgeschichten“ von Otto Ehrlich und Lore Hirsch einordnen zu können.
Am 2. September 2003 starb Werner Hanagarth völlig unerwartet während einer Exkursion auf den Einödsberg in den Allgäuer Alpen. Gemeinsam wollten wir die Probenfläche eines neuen Forschungsprojektes besichtigen. Wir waren am frühen Morgen von Karlsruhe losgefahren, dann von Einödsbach bei Oberstdorf den steilen Pfad zur Einödsalpe und weiter nach der Mittagsrast zum Gipfelgrat aufgestiegen. Die ersten Bodenfallen waren kontrolliert und wir freuten uns auf den Abend in der Alphütte, auf eine der in der Alltagshektik so seltenen Gelegenheiten, unbeschwert die Erinnerungen an viele gemeinsame Erlebnisse in den Anden, im Beni oder im Amazonastiefland in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten wieder aufleben zu lassen. Doch kurz unter dem Gipfelgrat brach Werner Hanagarth zusammen, jede Hilfe kam zu spät.
Dr. Peter Volz 1903-2002
(2002)
Am 5. März 2002 starb Dr. Peter Volz in Heidelberg, kurz vor Vollendung des 99. Lebensjahres. Er war einer der letzten universalen Bodenzoologen, der sich intensiv mit zahlreichen Tiergruppen quer durch das Tierreich befasste. Er erarbeitete sich nicht nur die entsprechenden Artenkenntnisse, sondern betrachtete zugleich ihre Biologie und - als das Wort noch lange
nicht Mode war - ihre Ökologie. Die Bodentiere sah er stets im Zusammenhang mit ihrem Lebensraum und den dort ablaufenden biologischen Prozessen. Den daraus resultierenden Zustand der Böden, vornehmlich Waldböden, und ihre Lebensgemeinschaften, die ihm als Kenner so vieler Tiergruppen in der Zusammenschau als .Physiognomie’ der Böden anschaulich vor Augen traten, versuchte er in der Hauptphase seines wissenschaftlichen Schaffens in einer 'pedozoologischen Standortslehre' zusammenzuführen.
Hermann Maas als Kreisdekan
(2008)
Im Rückblick auf sein Leben schrieb Hermann Maas 1952: Im Sommer desselben Jahres [1945] wurde ich wieder in den aktiven Kirchendienst aufgenommen und zum Kreisdekan für die zehn Dekanate Nordbadens ernannt. So habe ich als alter Mann fast mehr zu tun als je in meinem Leben, weil die Ökumene, der Kampf gegen den Antisemitismus, die Arbeit und Fürsorge für die einst Geknebelten und Verfolgten, die Pflege der Beziehungen zu den amerikanischen Männern, ein großer Briefwechsel mich im Banne halten, neben der eigentlichen Berufstätigkeit in meiner Kirche.
„Einen anderen habe ich in Tegel noch mehr gesehen und gelegentlich auch heimlich gesprochen, den Jesuitenpater Delp. Weder seine Kleidung noch auch sein etwas rustikales Denkergesicht verrieten den Kleriker; er war Konvertit und einer der scharfsinnigsten und einfallsreichsten Mitarbeiter der ,Stimmen der Zeit‘, jenem bedeutenden, in jeder Hinsicht hochstehenden Organ der Jesuiten. […] Er war – wie die meisten – ungebeugt und ungebrochen“. Diese Sätze stammen aus den Erinnerungen des Theologen Hanns Lilje (1899–1977) und schildern seinen Eindruck von seinem Mithäftling Alfred Delp, der am 11. Januar 1945 vom Volksgerichtshof wegen „Hoch- und Landesverrats“ zum Tode verurteilt und am 2. Februar 1945 in Berlin-Plötzensee hingerichtet wurde.
Vor 100 Jahren wurde der Jesuit und Theologe Karl Rahner in Freiburg i. Br. geboren. Seiner Geburtsstadt blieb Rahner, der häufig als der bedeutendste katholische Theologe des 20. Jahrhunderts bezeichnet wird und dessen umfangreiches und weitgespanntes Werk bis heute die Gestalt der katholischen Theologie prägt, zeitlebens verbunden. Noch kurz vor seinem Tod am 30. März 1984 in Innsbruck erreichte ihn die Nachricht, die Stadt Freiburg habe beschlossen, ihn zum Ehrenbürger zu ernennen. Ein nach ihm benannter Platz im Freiburger Universitätszentrum erinnert heute an diesen großen Sohn der Stadt an der Dreisam. Dennoch lässt sich die Frage, ob Rahner ein „Freiburger Theologe" genannt werden könne, nicht einfach beantworten. Denn Rahners Lebens- und Arbeitsschwerpunkte lagen nicht in Freiburg, sondern in Innsbruck, Wien, Rom, München und Münster. Als der Abiturient im Jahr 1922 seine Heimatstadt verließ, um in Feldkirch in Vorarlberg in das
Noviziat des Jesuitenordens einzutreten, sollte dies ein Abschied für lange Zeit bedeuten. Und abgesehen von seiner Promotionszeit ist Rahner auch nie mehr für längere Zeit nach Freiburg zurückgekehrt. Dennoch haben Freiburg und die Erlebnisse und Erfahrungen seiner Freiburger Zeit Rahners Denken und Wirken zeitlebens begleitet und auch geprägt. Dies lässt sich nicht nur an den Stationen seines Lebenslaufs aufzeigen, sondern auch aus einzelnen Äußerungen des Theologen
entnehmen.
Im November 2018 waren es 70 Jahre, dass der Bäckermeister Hermann Müller nicht länger Bürgermeister in Reichenbach bei Lahr sein wollte. Von den Franzosen im Juni 1945 eingesetzt, amtierte er nur eine kurze Zeitspanne gemessen an den
Amtszeiten seiner Nachfolger. Während diese im Ort aber noch in guter Erinnerung sind, ist die Person Hermann Müllers weitgehend in Vergessenheit geraten. Wer war dieser Mann? – Die untersuchten Quellen verraten wenig über den Menschen Hermann Müller. So muss man sich sein Wesen und seine Lebenseinstellung herleiten aus den Zeitumständen, die in jenen Jahren in Reichenbach herrschten, und wie Müller mit diesen umging. Hilfreich sind dabei auch die Erinnerungen seiner Söhne Bernhard und Franz, die der Person des Vaters eine Kontur und seinem Naturell Farbe geben. Aber vieles muss Vermutung bleiben.
An dem Weg, der entlang des Waldes zwischen Kuhbach und Reichenbach verläuft, steht ungefähr auf halber Strecke, dort, wo die Verbindung zum Langenhard hinauf abzweigt, ein markantes Sandsteinkreuz. Es trägt die Inschrift: „Zur Erinnerung an unsere liebe Tochter und Schwester Emma, die hier an dieser Stelle am 25. November 1948 im Alter von 20 Jahren verunglückte. Mein Jesus Barmherzigkeit. Gewidmet von ihren Eltern Mathias Haas und Hermine, geborene Maier.“ Bereits im Jahr 1950 hatten Emmas Eltern das Kreuz von dem Ettenheimer Steinmetzmeister Beck errichten lassen - keine zwei Jahre also nach dem schlimmen Tod ihrer ältesten Tochter. Auf dem Stein findet der Eltern Verwurzelung im christlichen Glauben Ausdruck
in der Bitte um Barmherzigkeit, um Jesu Hilfe in ihrer Not. So steht dieses Sandsteinkreuz nun also seit fast 70 Jahren an der genannten Weggabelung und doch weiß kaum einer unter den vielen Menschen, die täglich an ihm vorbeikommen, von jenem schicksalshaften und schrecklichen Ereignis, das zu seiner Erstellung geführt hatte.
Im Jahr 1977 wurde die Bundesrepublik Deutschland von einer Welle terroristischer Straftaten in einem bisher nicht bekannten Ausmaß überzogen. Den Auftakt zu dieser Mordserie bildete das Attentat auf Generalbundesanwalt Siegfried Buback am Gründonnerstag, dem 7. April 1977 mitten in Karlsruhe. Der Anschlag, dem auch die beiden Begleiter Wolfgang Göbel und Georg Wurster zum Opfer fielen, erschütterte das ganze Land und im Besonderen die Stadt Karlsruhe – der Staatsakt am 13. April 1977 fand in der Karlsruher Stadtkirche statt, zugleich die Bischofskirche der Evangelischen Landeskirche in Baden. Das Attentat hatte sich am 7. April 1977 gegen 9.15 Uhr auf der Linkenheimer Landstraße in unmittelbarer Nähe des Karlsruher Schlosses und des Bundesverfassungsgerichts abgespielt: der blaue Dienst-Mercedes von Generalbundesanwalt Buback wurde von einem Suzuki-Motorrad an einer Ampel überholt, der Beifahrer auf dem Motorrad eröffnete daraufhin mit einer automatischen Waffe sofort das Feuer auf Türen und Fensterscheiben des Dienstwagens. Der Mercedes von Generalbundesanwalt Buback rollte einige Meter weiter und kam an einem Begrenzungspfosten zum Stehen. Der Fahrer Wolfgang Göbel war tödlich getroffen, Generalbundesanwalt Buback erlag kurz danach auf einem Rasen am Straßenrand seinen Verletzungen, Georg Wurster verstarb am 12. April an den Folgen der schweren Verwundungen in einem Karlsruher Krankenhaus.
Heidelberg war nach West-Berlin und Frankfurt am Main eines der größten Zentren der Studentenbewegung Ende des 1960er Jahre. Dies ist umso überraschender, da die Stadt mit damals knapp über hunderttausend Einwohnern sich von ihrer Größe her
weder mit Frankfurt noch gar mit Berlin vergleichen ließ. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung bezeichnete Heidelberg 1968 gar als Brennpunkt der Studentenrevolte, die Neue Zürcher Zeitung sprach von einer Zitadelle des Aufruhrs. Dies hatte verschiedene Ursachen, eine davon war sicher die hohe US-amerikanische Militärpräsenz in Heidelberg und im nahe gelegenen Mannheim. Im Heidelberger Stadtteil Rohrbach befand sich über Jahrzehnte hinweg in der Campbell-Kaserne das US-amerikanische Hauptquartier für Europa USAREUR (United States Army Europe). Diese hohe militärische Präsenz von tausenden amerikanischer Soldaten auf dem Höhepunkt des Vietnam-Krieges inmitten einer Universitätsstadt führte zu einer enormen Politisierung der Heidelberger Studentenschaft.
„Baden trifft Rom“
(2015)
Einer der sicherlich spannendsten Abschnitte in den Amtszeiten badischer Landesbischöfe nach dem Zweiten Weltkrieg sind die Jahre 1991 bis 1997, als der badische Landesbischof Klaus Engelhardt gleichzeitig den Vorsitz des Rates der EKD innehatte. In der Zeit unmittelbar nach der staatlichen und kirchlichen Wiedervereinigung (3. Oktober 1990 beziehungsweise 28. Juni 1991) bedurfte die Tätigkeit des EKD-Ratsvorsitzenden besonderer Sensibilität, die Klaus Engelhardt nach Ansicht von Georg Gottfried Gerner-Wolfhard zu einer Art „pontifex, ein[em] Brückenbauer in der Zeit der schwierigen Wiederzusammenführung der östlichen und westlichen EKD-Gliedkirchen“ werden ließ. Als Brückenbauer verstand Landesbischof Engelhardt auch sein Engagement in und für die Ökumene, zu dessen Höhepunkten sicherlich die Begegnung mit Papst Johannes Paul II. bei dessen Deutschland-Besuch am 22. Juni 1996 in Paderborn gehörte. Klaus Engelhardt war der bisher einzige badische Landesbischof, der auch EKD-Ratsvorsitzender war. In der württembergischen Nachbarkirche hatten bereits zwei Bischöfe diese wichtigste repräsentative Aufgabe im deutschen Protestantismus innegehabt: Theophil Wurm in den unmittelbaren Nachkriegsjahren 1945 bis 1949 und Helmut Claß in der Zeit von 1973 bis 1979.
1988 legte der Historiker Clemens Vollnhals – inzwischen Leiter des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung in Dresden – eine umfangreiche Dokumentation „Die evangelische Kirche nach dem Zusammenbruch. Berichte ausländischer Beobachter aus dem Jahre 1945“ vor. Darin präsentierte er 72 bis dahin völlig unbekannte Dokumente US-amerikanischer, britischer und französischer Kirchenvertreter, die unmittelbar nach Kriegsende das zerstörte und besiegte Deutschland besucht und erste Kontakte zu deutschen Kirchenvertretern geknüpft hatten. Die Dokumente, die in der Zeit zwischen Mai und Dezember 1945 entstanden, hatte Vollnhals unter anderem in den „National Archives in Washington“, in den damals noch in Colmar lagernden Beständen der „Archives de l’Occupation française en Allemagne et en Autriche“ sowie im „Archiv des Lutherischen Weltbundes“ und des „Ökumenischen Rates der Kirchen in Genf“ entdeckt. Drei dieser ausländischen Beobachter hatten dabei auch die Badische Landeskirche und die Erzdiözese Freiburg besucht: Sylvester C. Michelfelder und Stewart W. Herman aus den USA sowie Marcel Sturm aus Frankreich. Ihre Berichte sind eine einmalige historische Quelle für die Situation der evangelischen und der katholischen Kirche in Baden in den ersten Nachkriegsmonaten 1945.
La douleur profonde
(2019)
Am Abend des 4. April 1783 traf eine kleine Reisegesellschaft in Paris ein. Es handelte sich um Markgräfin Karoline Luise von Baden und ihre Begleiter, ihren jüngsten Sohn Prinz Friedrich, Oberstallmeister Friedrich August von Üxküll, Hofdame Christine Franziska von Üxküll, Sekretär Georg Heinrich Vierordt und Vorreiter Martin Neukomm. Da die Markgräfin seit Anfang des Jahres wegen eines Treppensturzes und wegen des Todes ihrer langjährigen Sekretärin und Vertrauten niedergeschlagener Stimmung gewesen war, hatten ihr die Ärzte Ende März zur Luftveränderung und Ablenkung eine Reise nach Paris empfohlen. Sogleich waren die Vorbereitungen getroffen worden und in der Nacht auf den 1. April war die Fahrt – in großer Vorfreude auf Paris, aber unter striktem Inkognito, da sich die Markgräfin nicht imstande fühlte zu repräsentieren – losgegangen. Nachdem sie den 6. April mit Besichtigungen, Spaziergängen und einem Jahrmarktbesuch verbracht hatten, erlitt Karoline Luise abends in der Unterkunft einen Schlaganfall, der sie halbseitig lähmte. Mit der Nachricht dieses Vorfalls
wurde Vorreiter Neukomm nach Karlsruhe geschickt. Wegen des leichten Rückgangs der Lähmungserscheinungen und der geistigen Klarheit der Markgräfin hoffte man am Morgen des 8. April noch auf ihre vollständige Genesung. Am Mittag desselben Tages erlitt sie jedoch einen zweiten Schlaganfall und verstarb binnen weniger Sekunden.
Eglosheim, Amsterdam, Antwerpen, Paris, Tübingen, Hohenasperg, Schaffhausen, Ludwigsburg, Kirschenhardthof, Haifa in Palästina. So lesen sich die Stationen des bewegten Lebens von Georg David Hardegg. Den größten Teil seiner 67
Lebensjahre verbrachte er - teils freiwillig, teils gezwungenermaßen - in Ludwigsburg und der nächsten Umgebung von Ludwigsburg. Mit den politischen und
sozialen Bewegungen seiner Zeit, die sich gerade hier lebhaft entwickelten, war er
auf verschiedenste Weise verbunden: Ein Revolutionär mit zwei Anläufen.
Georg David Hardegg kam am 2. April 1812 in Eglosheim zur Welt. Er war der
zweitälteste Sohn des »Hirsch«-Wirts Johann Friedrich Hardegg und dessen zweiter Frau Sabine, geborene Eiselen. Außer David, wie er genannt wurde, hatte die
Familie noch sieben Kinder, drei davon starben jedoch im Säuglingsalter. Die
Großfamilie Hardegg war in Ludwigsburg und Umgebung alteingesessen und
angesehen, ihr entstammten Kaufleute und Gastronomen. Davids Onkel Johann
Georg Hardegg war Medizinalrat und königlich württembergischer Leibarzt; von
seinen Söhnen, also Davids Cousins, wurde der eine später Militärschriftsteller
und Erzieher des Kronprinzen Karl, der andere gar württembergischer Kriegsminister.
Diese Umstände, die gesicherte wirtschaftliche Lage der Familie und ein aufgewecktes Wesen ermöglichten David den Besuch der Lateinschule bzw. des
Lyzeums in Ludwigsburg. Dort erhielt er die klassische humanistische Bildung,
und auf sein »Studium der alten griechischen und römischen Geschichte« verwies
er auch noch viel später. 1829 - David hatte gerade nach dem Willen seiner Eltern
eine Lehre als Kaufmann bei seinem Onkel in Ludwigsburg begonnen - starb sein
Vater. Die Mutter heiratete zwei Jahre später den Gutsbesitzer Jacob Friedrich
Schiedt, mit dem sie das Eglosheimer Wirtshaus weiterführte.
Der Maler und Architekt Alfred Siekiersky (1911–1991) gehört zu den zahlreichen Absolventen der Staatlichen Akademie der bildenden Künste in Karlsruhe, die sich später einem Brotberuf zuwandten, die aber jede freie Minute für die künstlerische Tätigkeit nutzten. Bis zu seinem Tod 1991 entstand eine Vielzahl an Gemälden, Aquarellen, Zeichnungen und Pastellen. Die Arbeiten Alfred Siekierskys sind geprägt von einer gleichwohl gegenstandsbezogenen wie abstrahierten Formensprache, die Strukturen großzügig zusammenfasst. Seine Gemälde zeigen ein sicheres Gespür für Komposition und einen feinen Sinn für Farbwerte und ihre nuancenreiche Abmischung.
Am 9. Februar 1529 drangen zweihundert bewaffnete Bürger in das Basler Münster ein und zerstörten
in blinder Wut Kruzifixe, Marienbilder und Heiligendarstellungen. Von den Statuen ist
nichts übrig geblieben, weder in den Kirchen noch in den Vorhallen oder in den Säulengängen
und Klöstern. Alle Bilder sind übertüncht worden, Brennbares wurde auf den Scheiterhaufen
geworfen, anderes wurde in Stücke geschlagen. Weder Kostbarkeit noch künstlerischer Wert
setzten der Zerstörungswut irgendeine Grenze. Bald darauf wurde die Messe gänzlich abgeschafft,
man darf weder daheim far sich zelebrieren, noch in der Umgebung Messe hören. So
schildert Erasmus von Rotterdam am 9. Mai 1529 dem Nürnberger Patrizier Willibald Pirkheimer
den Bildersturm, den Höhepunkt der Reformation in Basel, die der Münsterpfarrer
Johannes Oecolampad (Hausschein) mit der Feier des Abendmahls unter beiderlei Gestalten
und der Verkündigung des Wortes Gottes allein auf der Basis der Heiligen Schrift eingeführt
hatte. Dieser Bildersturm von 1529 war für die Amtsträger und Anhänger der Alten Kirche der
letzte Anlass, die Stadt am Rheinknie zu verlassen: Der Bischof zog nach Pruntrut, das geistliche
Gericht nach Altkirch. Das Domkapitel übersiedelte nach Freiburg im Breisgau.
Martin Waldseemüller bezeichnete sich zeitlebens, zuletzt noch in seiner „Carta ltineraria"
von 1520, als Friburgense (Freiburger), also nach der Stadt, wo er seine Jugend verbracht und
sein Studium absolviert hatte. Geboren wurde er aber wahrscheinlich in Wolfenweiler, 10 km
südlich der Breisgaumetropole, wo sein Vater Konrad Waltze(n)müller mehrere Liegenschaften, u.a. fünf Fischweiher, besaß. Radolfzell am Bodensee, das von Peter P. Albert als Geburtsort Waldseemüllers genannt und noch in mehreren Enzyklopädien auf geführt wurde,
kommt nach den Untersuchungen von Franz Götz als Geburtsort nicht infrage. Konrad Waltzemüller hatte dort lediglich im Auftrag seiner Frau Margarethe deren Erbschaft aus dem
Nachlass des Radolfzeller Kirchherrn Jörg Stock eingezogen. Konrad Waltzemüller betrieb in
Freiburg im Haus „zum Hechtkopf" in der Löwengasse eine Metzgerei mit Viehhandel und war zum Spitalpfleger am Heiliggeistspital bestellt. Konrad Waltzemüller erwarb erst
1490 das volle Bürgerrecht der Stadt Freiburg, das an eine zehnjährige Ortsansässigkeit gebunden war. Er galt, wohl durch seinen freundschaftlichen Umgang mit den jüdischen Viehhändlern, als Judenküng und kam als Führer einer Opposition aus den Reihen der Zünfte gegen die etablierte Oligarchie des Freiburger Rats aus Adel und reichen Kaufleuten vor dem 3.
Juli 1492 unter ungeklärten Umständen ums Leben.
Erst nach einem Intervall von zwei Jahrzehnten nach der Aufgabe der Freiburger Druckerei von
Friedrich Riederer im Jahr 1500 und nach einem kurzen Intermezzo des Straßburger Druckers
Johann Schott, der 1503 in Freiburg die Erstausgabe der „Margarita philosophica" seines Lehrers Gregor Reisch druckte, etablierte Johann Wörlin in der Breisgauhauptstadt wieder eine
Druckerwerkstatt. Johann Wörlin wird 1517 als Mitglied der Freiburger Krämerzunft „Zum
Falkenberg" erwähnt. Der Name ist auch heute noch im südalemannischen Raum verbreitet und
bedeutet einen verkürzten Kosenamen von Werner. Eine akademische Vorbildung wie bei seinen Vorgängern Kilian Fischer und Friedrich Riederer oder wie bei dem berühmten, aus Freiburg stammenden Kartografen Waldseemüller ist in den Matrikeln der Universitäten von Freiburg und Basel nicht nachweisbar. Er handelte wohl zunächst als Buchführer. Im Jahr 1522 erschienen in seiner Werkstatt zwei Werke von Jakob Mennel, dem Freiburger Stadtschreiber und
späteren Hofhistoriografen Kaiser Maximilians. Zu den Autoren seiner Schriften zählten der
Konstanzer Bischof Hugo von Hohenlandenberg, dessen Generalvikar Johann Fabri, der Straßburger Augustinerprior Konrad Treger, der Augsburger Stadtprediger Mathias Kretz sowie der
Zürcher Unterstadtschreiber Joachim vorn Grüdt und der päpstliche Legat Lorenzo Carnpeggio. Erasmus von Rotterdarn ist bei ihm mit vier Traktaten vertreten. ,,Neüwe Zeytungen" Wörlins berichten über den Bauernkrieg, die Schlacht von Pavia und von den Türkenkriegen. Seine
Flugschriften enthalten Liedertexte und Gesundheitsratgeber. Insgesamt lassen sich im „Verzeichnis der im deutschen Sprachgebiet im 16. Jahrhundert erschienenen Drucke" (VD 16) 32
Titel aus der Werkstatt Wörlins nachweisen. Dazu kommt eine schlecht zu schätzende Anzahl
von heutzutage nicht mehr vorhandenen Drucken. Aus einem Vergleich eines Katalogs des 18.
Jahrhunderts mit heutigen Bibliotheksbeständen beziffert Engelsing den Schwund auf 30 bis
50 %.[1]
„Die kümmerliche Entfaltung des Freiburger Buchwesens hat zum provinziellen Milieu der
Stadt Freiburg im Spätmittelalter beigetragen''. So wird in der neuesten Freiburger Stadtgeschichte behauptet. Damit wird die Meinung Friedrich Kapp bestätigt, das „am Ende des 15.
Jahrhundert da Auftreten der Buchdruckerkunst in einigen kleinen deutschen Städten [darunter auch Freiburg] des Bemerkenswerten so gut wie nichts bietet". Auch Vera Sack berichtet über Freiburg: ,,So fasste auch der Buchdruck hier relativ spät in den 90er Jahren des 15.
Jahrhunderts Fuß und florierte nicht sonderlich '. Dies alles deutet auf einen eher marginalen
ja desolaten Zustand des Freiburger Buchwesens in der Frühzeit de Buchdrucks, der Inkunabelzeit hin. Sind diese Annahmen über die Bedeutung des Buchwesens in Freiburg berechtigt?
Durch welche Kriterien werden sie bestätigt? Durch die Anzahl der Drucker, die Zahl ihrer Publikationen und ihre Auflagen? Durch ihren Inhalt und durch die Qualität ihrer Werke? Durch
die Darstellung der geistigen Strömungen ihrer Zeit oder durch ihre Rezeptionsgeschichte, d.h.
ihre Nachwirkung?
Der Begriff „Incunabel" für den frühen Buchdruck, al er „noch in den Windeln lag", wurde von dem Münsteraner Domdechanten Bernhard von Mallinckrodt vor über 350 Jahren geprägt. Er hat sich für die „Wiegendrucke", die frühen Drucke bis zum Jahr 1500 durchgesetzt.
Die moderne Kommunikationswissenschaft sieht in dieser Zeit den Übergang von einem
scriptographischen Kommunikationsmittel, das nur dem Individuum oder einer kleine Gruppe
dient, zu einem typographischen Medium da durch eine Möglichkeit der Vervielfältigung
alle Bereiche der Gesellschaft in ihrer Gesamtheit erfassen kann.
Pfarrer Ludwig Müller von Bad-Peterstal war der erste Priester, der aus der Pfarrei Sankt Peter und Paul, Bad Peterstal, hervorging. Schon als Kind verspürte er den Wunsch, Priester zu werden. Der Weg zum Priester war hart, denn die Eltern waren arm und die finanziellen Sorgen groß. Pfarrer Ludwig Müller war ein frommer, gütiger und eifriger Priester. Besonders verehrte er den Heiligen Geist, die Dritte göttliche Person. Der am 1. Juli 1896 zum Priester geweihte Ludwig Müller starb am hochheiligen Dreifaltigkeitsfest, dem 27. Mai 1945. Pfarrer Ludwig Müller lebte in politisch schwerer Zeit. Er ist Vorbild, auch dann für die Wahrheit einzutreten, wenn damit Leid und Opfer verbunden sind.
2019 jährt sich das Verschwinden der wallonischen Kirche in Heidelberg zum 200. Mal. Dies mag kein Anlass zum Feiern sein, wohl aber zum Gedenken. Grund genug, auf diese Heidelberger Besonderheit zurückzublicken und insbesondere die Schlussphase dieser Einrichtung im Übergang von der Kurpfalz zum badischen Staat zu beleuchten. Diese Phase ist durch die Tätigkeit des Pfarrers Kilian, der seit dem Tod seines Amtsvorgängers Herzogenrath 1780 mehr oder weniger als Chronist des Niedergangs dieser Kirchengemeinde fungierte, recht gut dokumentiert. Wobei die Tätigkeit Kilians vielmehr ein Beispiel dafür ist, wie man selbst unter widrigen Umständen durch hinhaltenden Widerstand und zähe Selbstbehauptung die angekündigte Liquidierung der eigenen Existenz hinauszögern und den einmal eingeschlagenen Weg mit Mut und Selbstvertrauen zu Ende gehen kann.
In Chantilly, dem prächtigen von Park und Wäldern umgebenen Schloß der Prinzen von Conde, kommt am 2. August 1772 der Herzog von Enghien, Sohn des Herzogs von Bourbon und Enkel des Prinzen von Conde zur Welt. Der kleine Prinz verbringt die meiste Zeit seiner Kindheit in Chantilly, wo er in der Liebe zur Jagd und zu Pferden erzogen wird und in einer Welt unvergeßlicher Feste aufwächst, die sein Großvater dort veranstaltet. Er ist umgeben von der prunkvollen Atmosphäre festlicher Essen und Bälle, fürstlicher Gewänder und großartiger Feuerwerksdarbietungen, von Orchestermusik und überschäumenden Blumenarrangements, die sogar die vornehmen und bezaubernden Gäste, wie den König von Schweden, Kaiser Joseph II., den Bruder der Königin Marie-Antoinette oder den Großherzog Paul, den künftigen Zaren von Rußland, in Staunen versetzen. Wie sollte er dies alles vergessen? Am 17. Juli 1789, drei Tage nach dem Sturm auf die Bastille, muß sich der junge Prinz mit seinem Großvater und seinem Vater ins Exil begeben.
Am 16. April 1880 stieg am Bahnhof in Gutach ein junger Mann aus dem Zug, ein Kunstmaler, wie sich herausstellen sollte. Schon die Fahrt auf der 1873 zwischen Hausach und St. Georgen eröffneten Schwarzwaldbahn begeisterte ihn. In Gutach fand er bei Löwenwirt Aberle freundliche Aufnahme und gastliche Unterkunft .
Es gibt zwei konkurrierende Thesen zum Lebenslauf des historischen Faust. Eine alte These, die auf Johannes Manlius zurückgeht und dessen berühmten Lehrer Philipp Melanchthon als Zeugen für die Geburt des umstrittenen Magiers in Cundling (d.h. Knittlingen), mit dem Vornamen Johann, angibt. Die andere, entgegengesetzte These erschien erst 1913 mit der Edition von Kilian Leibs Wettertagebuch durch Karl Schottenloher. Mit einer knappen Aufzeichnung in diesem Werk kam zum ersten Mal ans Licht, dass Faust, mit Vornamen Georg, nun als einer von Helmstadt bei Heidelberg identifiziert wurde. Man möchte also wissen: Stammte Faust nicht aus Knittlingen, sondern aus Helmstadt? Hieß er Johann oder Georg? Was bedeutet dieser Unterschied? Der Streit um die Frage der Herkunft schuf jedenfalls Verwirrung und hat zur Folge, dass man nicht mehr glaubt, es könne eine klare Linie von den historischen Anfängen zur Legende und schließlich zum mythischen Faustbuch von 1587 gezeichnet werden.
Vor 150 Jahren, am 12. September 1860 kam Johannes Bauer in Wiesloch zur Welt. Von seinen 72 Lebensjahren verbrachte er 52 in seiner badischen Heimat. Ab 1910 wirkte er als ordentlicher Professor und Direktor des Praktisch-Theologischen Seminars an der Universität Heidelberg. Am 10. Januar 1933 ist er in Heidelberg gestorben. In der Gedenkrede sagte Willy Andreas, der Rektor der Universität Heidelberg: »Wir betrauern in ihm den in seiner Art einzigen Vertreter der praktischen Theologie, den hingebenden, volksverbundenen Erzieher einer ganzen Generation badischer Pfarrer, den im Heimatboden verwurzelten Pfleger der Kirchengeschichte unseres Landes, den besonderen Kenner und Sammler christlicher Kunst, den warmherzigen Freund unserer akademischen Jugend. Er war uns verehrungswürdig in seinem schlichten, urwüchsigen, geradgewachsenen Menschentum, der bodenständigen Echtheit seines Wesens; seine schmucklose Sachlichkeit hatte eine eigene Wucht.«
Wilhelm Bauer
(2013)
Wilhelm Bauer kam am 17. November 1924 um 11 Uhr als sechstes Kind von Georg Karl Bauer und dessen zweiter Frau Anna, geb. Schäfer, in Sinsheim am Kirchplatz 8 - dem ehemaligen katholischen Pfarrhaus - auf die Welt. Sein Vater starb überraschend, als Wilhelm drei Jahre alt war. Sein Tod bedeutete auch das Ende der Familie. Wilhelm kam in eine Pflegefamilie und wuchs in sehr einfachen und ärmlichen Verhältnissen auf. Erst später zog er mit seiner Mutter in die Ziegelgasse, wo er mit Unterbrechungen bis zu seiner Hochzeit lebte. Nach Beendigung der Volksschule 1938 begann er eine Lehre als Buchbinder, die er auch abschloss.
Wer heute Veranstaltungen an einer evangelisch theologischen Fakultät besucht, wird mit großer Wahrscheinlichkeit viele Frauen antreffen. Immer wieder heißt es, das Pfarramt „verweibliche“. Was heute als Alltag an den theologischen Fakultäten und in unseren Kirchengemeinden betrachtet werden kann, war lange Zeit nicht nur außergewöhnlich, sondern gänzlich unmöglich. Bereits seit mehr als 100 Jahren können zwar Frauen in Deutschland Theologie studieren, aber es ist nicht einmal 50 Jahre her, dass Männer und Frauen in unserer badischen Landeskirche gleichberechtigt als Pfarrerinnen und Pfarrer arbeiten können. Und doch nahm vor 100 Jahren, im August 1917, die erste badische Theologin, Elsbeth Oberbeck, ihren Dienst in der Heidelberger Heiliggeistgemeinde auf.
Im Jahr 2021 feiert die Evangelische Landeskirche in Baden nicht nur das Jubiläum ihrer Union, sondern auch 50 Jahre rechtlicher Gleichstellung im Pfarramt. Denn am 27. April 1971 wurde mit einem simplen, heute fast banal erscheinendem Satz Geschichte geschrieben: Pfarrer im Sinne der Grundordnung ist auch die Pfarrerin. Damit beendete die Landessynode 55 Jahre rechtlich legitimierter Diskriminierung von Theologinnen in der Evangelischen Landeskirche in Baden. Ein langer und steiniger Weg von der erstmaligen Zulassung einer Frau zu den theologischen Examina im Jahr 1916 bis zur ersten offiziellen badischen Gemeindepfarrerin im Dezember 1971. Der vorliegende Beitrag erläutert zunächst die grundlegenden Voraussetzungen zur Entstehung eines Theologinnenamtes, bevor die ersten Entwicklungsschritte dieses Amtes in Baden in Anlehnung an die Biographien von drei frühen badischen Theologinnen in den Blick genommen werden. Die Diskussion zwischen Landesbischof Julius Bender und Doris Faulhaber als Vertreterin des badischen Theologinnenkonvents im Zuge der Neuordnung der Landeskirche nach dem Zweiten Weltkrieg wird in einem eigenen Abschnitt vertiefend betrachtet. Im weiteren Verlauf werden
die wichtigsten gesetzlichen Regelungen bis 1971 vorgestellt.
Zwangsarbeit in Derdingen
(2020)
Auch 75 Jahre nach der NS-Zeit gibt es im Kraichgau ein höchst unterschiedliches Herangehen an die Aufarbeitung der Naziverbrechen in den örtlichen Heimatbüchern und Ortschroniken. Manche Kommunen haben diese Zeit schonungslos und detailliert aufgearbeitet und die notwendigen Quellen offengelegt, andere beschweigen diese Zeit bis heute, insbesondere was das Thema Zwangsarbeit betrifft. Dazu zählt Derdingen (erst ab 1964 „Oberderdingen“). Im „gültigen“ Heimatbuch des ehemaligen NS-Rektors und NSDAP-Funktionärs Gustav Brandauer zu den „einschneidenden
Veränderungen“: „Sie hier darzustellen ist unnötig, da sie in allen Orten Deutschlands mit geringen Schattierungen dieselben waren. Das nationalsozialistische Regime endgültig zu werten, muß auf den Zeitpunkt verschoben werden, an dem einmal alle Archive geöffnet sind und deren Auswertung durch unvoreingenommene Experten im Ergebnis vorliegen wird.“ Das hindert ihn nicht, wenig später vom „bislang ungeheuerlichsten Opfergang unseres Volkes“ zu schreiben und von den Hunderten von Derdingern, die zu den Fahnen strömten, „um ihr Heldentum in allen Erdteilen unter Beweis zu stellen“ und von den Kriegsfolgen durch die „widerlichen Exzesse“ der „Schwarzen in der französischen Armee“ und durch die „im Ort verbliebenen Fremdarbeiter aus Osteuropa, besonders die Polen“. Doch wer hat diese Menschen nach Derdingen geholt? Wer hat von der Ausbeutung ihrer Arbeitskraft profitiert, und warum war Derdingen ein lokales Zentrum von Lagern mit Kriegsgefangenen, Zwangsarbeitern, Zuchthausgefangenen und KZ-Häftlingen mit Stacheldraht, Wächtern und einer Anzahl von Toten? Darüber liegt bis heute eine „Omerta“ aller Beteiligten. Es war eben doch kein „normaler Ort“.
Er war ein Ur-Epfenbacher und wollte auch nie woanders sein. Bestimmt war er niemals mehr als drei Tage abwesend von seinem Dorf. Und geachtet war er nicht nur im Verein, sondern in der ganzen Dorfgemeinschaft. Seine hervorstechenden Eigenschaften: still, unauffällig, ausgleichend, nie im Vordergrund stehend, immer zupackend, fleißig. Wenn er Kritik übte, tat er dies ohne verletzend zu sein.
Helmut Ambiel war seit 1968 Mitglied des damaligen Arbeitskreises für Heimatpflege. Und als dieser im Oktober 1975 in den Verein für Heimatpflege überging, war Helmut Ambiel als Gründungsmitglied mit dabei und seitdem – also über 41 Jahre – im Vorstand tätig. Bei der Hauptversammlung 1998 wurde er zum Ehrenmitglied des Vereins ernannt.
Am 1. April 2001 wäre D. Dr. Otto Beuttenmüller, einer der profiliertesten und bekanntesten Vertreter der deutschen Genealogie und jahrzehntelanger rühriger Mitarbeiter im Landesverein Badische Heimat, 100 Jahre alt geworden. Mit seinen vielfältigen Beiträgen zur Heimat-, Familien- und Melanchthonforschung hat er sich bleibende Verdienste erworben, die
noch lange nachwirken werden. Am 1. April 1901 war er in der damaligen badischen Bezirksamtsstadt Bretten als Sohn
einer Fabrikantenfamilie zur Welt gekommen, die schon seit der Mitte des 19. Jahrhunderts in der Stadtgeschichte immer wieder eine bedeutende Rolle spielte. D. Dr. Beuttenmüllers Urgroßvater Joseph Beuttenmüller war in den unruhigen Revolutionszeiten der Jahre 1848/ 49 Brettener Bürgermeister. Der Großvater Christian Beuttenmüller mußte als junger
Teilnehmer an dieser demokratischen Volksbewegung gar für einige Zeit ins schweizerische Exil gehen. Nach Bretten zurückgekehrt gründete er 1862 die Blechwarenfabrik Beuttenmüller, die als wohl erste Produktionsstätte der damals technisch revolutionären Petroleumlampen in Deutschland gilt. Es war gerade diese, mit der politischen und wirtschaftlichen
Geschichte der Stadt eng verbundene Familientradition, die für Otto Beuttenmüller bereits von Kindheit an einen wichtigen Anreiz darstellte, sich mit der Geschichte seiner Familie zu befassen. Zugleich wirkten auch, wie er in einem Gespräch noch im Oktober 1998 mitteilte, frühe Anregungen von Seiten seines genealogisch gleichfalls hochinteressierten Vaters
wesentlich mit.
Im Juni diesen Jahres wurde unser Mitglied Dr. jur. Reiner Haehling von Lanzenauer 80 Jahre alt. Dieses Jubiläum soll Anlass für die Betrachtung eines badischen Lebenslaufs geben. Der Vater war gleich nach dem Ersten Weltkrieg Mitglied der Badischen Heimat geworden. Die Publikationen des Vereins stießen auch auf das frühe Interesse des 1928 in Karlsruhe geborenen Sohnes. Nach dem Tod des Vaters im Jahre 1943 führte die Mutter die Mitgliedschaft weiter. 1985 übernahm Dr. Haehling von Lanzenauer diese. Bei seinen zahlreichen historischen Aktivitäten kann er somit auf sein komplettes Archiv unserer Publikationen zurückgreifen.
„Die Geschichte von High-Tech in Kurorten
muss noch geschrieben werden“ stellte
1997 Hans-Erhard Lessing in einem Aufsatz
über Karl Drais fest.1 In der Tat fällt es bis
heute schwer, das „mondäne“ Baden-Baden mit
dem „Zeitalter der Revolutionen“ (Leopold von
Ranke) in Verbindung zu bringen. Das gilt
sowohl für die herausragende Rolle Baden-
Badens in der Revolution 1848/49 als auch auf
technischem Gebiet.
Christoph Wolff
(2010)
Vor 200 Jahren, laut Kirchenbucheintrag am 26. Juni 1810, wurde in Mannheim als Sohn eines »Blecharbeiters« Johann Christoph Wolff geboren. Der Vater Joseph stammte aus Philippsburg und war katholisch, dessen Ehefrau Ursula war eine geborene May. Der Schul- und Studienfreund von Lorenz Brentano und Friedrich Hecker wählte 1836 als Rechtspraktikant beim großherzoglichen Bezirksamt Baden (Baden-Baden) zu seinem Lebensmittelpunkt. Vereidigt wurde er vom Amtmann von Theobald, der seine politische Karriere bis zum Ende begleitete, schlussendlich sogar strafversetzt wurde.
Karl Siegfried Bader hat den ersten, 1957 erschienenen Band seiner insgesamt drei Bände umfassenden „Studien zur Rechtsgeschichte des mittelalterlichen Dorfes" mit folgender Widmung versehen: SORORIBUS FRATRI. Im Vorwort dieses ersten Bandes seines großen Werkes findet sich dazu die nachfolgende Erläuterung: ,,Ein Buch über das mittelalterliche Dorf sollte, meine ich, nur schreiben, wer dörfliches Dasein aus eigenem Erleben kennt. Obwohl mehr als 30 Jahre mich von meiner in Dörfern der Baar und des Schwarzwaldes verbrachten Jugend trennen, denke ich doch dankbar an die vielen Anregungen zurück, die ich dort, im elterlichen Hause und in der dörflichen Nachbarschaft, je und je empfangen habe. In Gesprächen mit meinen in der Heimat verbliebenen und dorthin zurückgekehrten Geschwistern sind die Erinnerungen immer wieder aufgefrischt und manche Fragen deren Lösung in diesem Buch versucht wurde, erörtert worden. Die Widmung versteht sich daher von selbst."
Fritz Schenk (1906–1985) brachte aufgrund seiner Biographie eine enge Vertrautheit mit Deutschland und Frankreich mit. Als Sohn deutscher Eltern im Grenzort Nouvel-Avricourt in Lothringen geboren, ging er zusammen mit jungen Franzosen zur Schule. Am Ende des Ersten Weltkriegs zog die Familie 1919 nach Kirchheim unter Teck, woher seine Mutter stammte. Dort legte Schenk 1925 das Abitur ab. Es folgten Studienaufenthalte in Tübingen, Berlin, Nancy (zwei Monate) und Paris (ein Semester). Nach dem Studium der Romanistik und Geschichte promovierte er 1932 in Tübingen zu einem zeithistorischen
Thema.
Die theologischen Thesen, die Martin Luther 1518 in Heidelberg vortrug und mit Theologieprofessoren der Universität diskutierte, fanden seit 1520 durch den Druck weite Verbreitung im gesamten Reich und werden bis heute vielfältig als ein Schlüsseltext für seine frühe Theologie rezipiert. Auch der genaue Ablauf der Heidelberger Disputation ist ereignisgeschichtlich in der Forschung bereits mehrfach detailliert untersucht worden. Weniger im Blickpunkt stand dagegen bisher die persönliche Interaktion Luthers mit seinem Heidelberger Publikum und die Wirkung, die er, vermittelt durch diese Zuhörer, im südwestdeutschen Raum entfalten sollte. Luthers Charisma ist vielfältig belegt. Es ist daher anzunehmen, dass er im persönlichen Kontakt stärkere Überzeugungskraft entfalten konnte, als dies durch eine rein schriftliche Vermittlung seiner Theologie möglich gewesen wäre. Diese Möglichkeit zur persönlichen Überzeugung eines südwestdeutschen Publikums sollte sich – abgesehen von dem Verhör Luthers in Worms 1521, bei dem auch zahlreiche Adlige aus dem Südwesten anwesend waren, das aber eine vollkommen andersartige Ausrichtung hatte – später nicht noch einmal bieten: Das Wormser Edikt beschränkte ab 1521 Luthers persönlichen Wirkungskreis auf Kursachsen. Die Heidelberger Disputation war insofern eine einmalige Gelegenheit, um Personen, die später zu Schlüsselfiguren der südwestdeutschen Reformation avancierten, persönlich zu beeindrucken und für seine Ideen zu gewinnen. Neben der Disputation bot der Aufenthalt in Heidelberg zudem Gelegenheit, bei persönlichen Treffen und Abendessen Bekanntschaften zu schließen und Sympathien zu gewinnen: ein Netzwerk, das vermutlich dazu beitrug, Luther eine verlässliche Basis für künftige Kooperationen zu schaffen, die dann über schriftlichen Austausch und durch die Vermittlung Dritter fortgeführt werden konnten.
Im umfangreichen Nachlass des Konstanzer Generalvikars und Bistumsverwesers Ignaz Heinrich von Wessenberg (1774-1860) befinden sich mehrere Ordensinsignien, darunter zwei ordensähnliche Kreuze, deren Identität erst vor Kurzem erforscht und aufgedeckt werden konnte. Aufgrund detaillierter ikonografischer Untersuchungen kann inzwischen belegt werden, dass es sich hierbei um Kreuze der Domherren des Bistums Konstanz handelt, über deren Existenz bisher nichts bekannt war. Domkapitel sind aus mehreren Geistlichen bestehende Körperschaften, die die feierliche Liturgie an der Kathedralkirche einer Diözese gestalten sowie den Bischof bei der Administration des Bistums unterstützen. Ihre Entstehung reicht bis ins Frankenreich des neunten Jahrhunderts zurück. Schon bald wurden die Kapitel mit besonderen Privilegien ausgestattet, wozu seit dem 12. Jahrhundert eine besondere Chortracht gehörte.
Wenn alte Villinger von ihrer Schulzeit erzählen,
kann es sein, sie erinnern sich an ein museumspädagogisches
Erlebnis besonderer Art: dass sie
nämlich beim Besuch des Alten Rathauses zur
Veranschaulichung früherer („peinlicher”) Befragungsmethoden
auf der Streckbank festgebunden
wurden 1. Diese Streckbank stand in der als „Folterkammer”
eingerichteten Arrestzelle von 1731
im 2. Obergeschoss des Alten Rathauses. Sie war
Teil eines Arrangements von Folterwerkzeugen, die
allesamt Georg Fidel Hirt (1821 – 1889) gesammelt
und an die Stadt Villingen verkauft hatte. Er tat
dies bereits vor dem offiziellen Gründungsdatum
der Städtischen Altertümersammlung, 1876. Seine
Sammeltätigkeit war die Urzelle des Villinger
Museums.
Im Chor der ehemaligen Franziskanerkirche ist eines der größten Exponate des Franziskanermuseums ausgestellt: die Verkleidung eines Heiligen Grabes aus dem Münster. Bei Konzerten bilden ihre scherenschnittartigen Umrisslinien einen außergewöhnlichen Hintergrund. Sie ist aber auch häufig durch eine Schalwand verdeckt. So führt dieses Kunstwerk ein relativ bescheidenes und unauffälliges Dasein, nur dem aufmerksamen Museums- und Konzertbesucher gibt es Rätsel auf: Um was handelt es sich bei diesem merkwürdigen Exponat? Gehört es zur ursprünglichen Ausstattung der Franziskanerkirche? Wurde es das ganze Jahr in einer Kirche präsentiert? Wie genau wurde es genutzt? Was ist dargestellt? Alle diese Fragen werden im Altertümerrepertorium, also dem ersten Verzeichnis der Altertümersammlung der Stadt Villingen (um 1876), beantwortet.
In den Rheinischen Beiträgen zur Gelehrsamkeit, einer in Mannheim verlegten wissenschaftlichen Zeitschrift, erschienen 1781 unter der Überschrift „Briefwechsel eines pfälzischen Blinden“ in mehreren Folgen Schreiben eines blinden Mannheimers. Von diesen Briefen wurde versichert, sie seien eigenhändig niedergeschrieben und nicht etwa diktiert worden, was mehr als vier Jahrzehnte vor Entwicklung der Braille-Blindenschrift verständlicherweise für Aufsehen und Bewunderung sorgte: „Wie!
ein Brief … von Ihrer eigenen Hand? noch dazu … mit aller orthographischen Genauigkeit? Wer sollte das von einem Blinden
glauben?“
Johnny 1949
(2016)
Ich, Johnny, war acht Jahre alt, als meine Mutter (Mutti) mich kurzerhand von jener fürchterlichen Privatschule – der Belmont School, Wood Lane, Falmouth – nahm und entschied, dass ich sie nach Deutschland begleiten sollte, wo sie sich auf die Suche nach ihrer (und meiner) Familie machen und die Stadt sehen wollte, in der sie geboren war: Heidelberg, in das sie, wegen des Kriegs und ihres halbjüdischen Bluts, nicht hatte zurückkehren können. Ich wusste von diesen Dingen natürlich nichts, jung wie ich war; ich hatte nur eine vage Vorstellung davon, dass wir den Krieg gewonnen und die verhassten Deutschen ihn verloren hatten. Ich habe blasse Erinnerungen von Gefechten auf dem Spielplatz, bei denen ich bestimmte, Andy Dell solle Hitler spielen, während ich der strahlende Held war, der ihn erschoss. Andy brach in Tränen aus, da ich darauf bestand, als der niederträchtige Bösewicht müsse er sterben.
Als 1946 die große Freiburger Fronleichnamsprozession erstmals Station an einem prächtigen Altar vor dem Haupteingang der Universität machen konnte und sich vor den Statuen von Homer und Aristoteles die Monstranz erhob, war das für Joseph Sauer Anlass, auf fünfzig Jahre Katholizismus und Universität zurückzublicken.
Am 26. Februar 2013 jährte sich der Geburtstag von Eugen Falk-Breitenbach, den seine Freunde und Verehrer auch gerne ,,'s Hansjaköble von Huuse" nannten, zum 110. Mal. In Offenburg kam er als Sohn eines Lokführers auf die Welt. Als er acht Jahre alt war, wurde der Vater nach Hausach versetzt. Die Vorfahren der Falks stammen aus Haslach; einer von ihnen ist der von Hansjakob geschilderte „Jägermurer", der so genannt wurde, weil er im Sommer Maurer und im Winter Jäger war. Früh zeigte
sich, dass der junge Eugen künstlerisch begabt war. ,,Ich sah jeden Maler für einen Heiligen an, und es wurde in
mir der Wunsch wach, auch einmal ein Maler zu werden," sagte er einmal im Rückblick.
Ernst Leube
(2018)
Betritt man Ludwigsburgs »Alten Friedhof« vom Eingang an der Schorndorfer Straße aus, stößt man 20 Schritte hinter der alten neogotischen Friedhofskapelle – heute Mahnmal für die Toten des Zweiten Weltkriegs – auf eine Familiengruft. Drei Grabsteine stehen in Nord-Süd-Ausrichtung nebeneinander, deren Zusammengehörigkeit durch eine gemeinsame, mit Efeu überwucherte Umfriedung erkennbar ist. Im »Verzeichnis der Begräbnis-Plätze für Erwachsene auf dem Friedhof in Ludwigsburg vom 19.11.1870 an« ist die Lage der Gruft mit »Feld A, Reihe III« bezeichnet. Links auf der Gruft sieht man die von einem antikisierenden Henkelpokal gekrönte Grabstele von Luise Leube, welche die Inschrift »Luise Leube/geb. Dieterich/Witwe des/Oberst Max von Leube/*6. Oct. 1816/† 3. März 1905/in Ulm« trägt. Rechts auf der Gruft steht ein schlichtes, hohes Kreuz auf einem quaderförmigen Unterbau. Auf einer hellen Platte am Sockel liest man: »Marie Leube/geb. den 28. September 1840/gestorben den 12. Juli 1861«. Neben dem Grab Marie Leubes sieht man eine kleine, etwa 50 cm hohe, auf dem Boden liegende, mit Moos überwucherte Steinplatte. Kratzt man das Moos behutsam ab, liest man auf dem Stein den Namen »Adolph« ohne weitere Angaben zum Geburts- oder Todestag.
In der südöstlichen Ecke des »Alten Friedhofs« von Ludwigsburg befindet sich das
vom ehemaligen Sanitätsverein gestiftete Denkmal für jene deutschen Soldaten bzw.
in der damaligen Diktion »Krieger«, die den Sieg im Deutsch-Französischen Krieg
von 1870/71 mit ihrem Leben bezahlten und in der württembergischen Garnisonsstadt unterhalb des Monuments bestattet wurden. Das Denkmal, seine Entstehungsgeschichte, Ikonographie sowie seine Einordnung in den Kontext patriotischer
Erinnerungskultur wurden jüngst in einem Beitrag für die Ludwigsburger Geschichtsblätter ausführlich beschrieben. Darin konnte bereits kurz auf das Schicksal der
auf dem deutschen Denkmal genannten 34 Soldaten eingegangen werden. Aus den
hierfür ausgewerteten preußischen, bayerischen und württembergischen Verlustlisten
ließen sich jedoch nur lückenhafte Informationen gewinnen. Weitere Quellenfunde
im Hauptstaatsarchiv Stuttgart und im Stadtarchiv Ludwigsburg sowie die Auswertung des »Sanitäts-Berichts über die Deutschen Heere 1870/71«, der Berichte der
behandelnden Ärzte, zahlreicher zeitgenössischer Regimentsgeschichten, des gedruckten »Kirchen-Registers« der Stadt Ludwigsburg für die Jahre 1870 und 1871 und der
Kriegsausgaben des »Ludwigsburger Tagblatts« erlauben jetzt genauere Angaben zu
den deutschen Soldaten, die in Ludwigsburger Spitälern verstorben, auf dem »Alten
Friedhof« begraben und auf dem dortigen Denkmal verzeichnet worden sind.
Pfarrer Georg Friedrich Schlatter (1799–1875) gehörte in der Mitte des 19. Jahrhunderts zu jenen Geistlichen in Baden, die die demokratische Bewegung unterstützten und in die 48er Revolution involviert waren. Als Alterspräsident eröffnete er am 11. Juni 1849 die erste Sitzung der Konstituierenden Landesversammlung, reiste aber bereits am 19. Juni in seine Pfarrei Mühlbach zurück, enttäuscht von den durch Zank und Uneinigkeit geprägten Diskussionen. Einen Monat später wurde er in Mühlbach verhaftet und später zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt, von denen er gut sechs Jahre absitzen musste. Zugleich verlor er damit seine Stellung als Pfarrer und alle Versorgungsansprüche. In den Jahren nach der Haftentlassung versuchte er sich und seine noch nicht erwachsenen Kinder – seine Frau war während seiner Haft verstorben – durch Gelegenheitsschriften über Wasser zu halten. 1875 starb er in Weinheim. Innerkirchlich geriet er fast vollständig in Vergessenheit. Erst 1999 hat die Landeskirche Schlatter auf Initiative von Konrad Fischer hin gewissermaßen rehabilitiert, stellvertretend für alle Freunde der Demokratiebewegung, die damals von der Kirche härter noch als von staatlicher Seite Repressalien ausgesetzt waren.
Aus den Inhaberreihen von 96 hiesigen Lehengütern, die mir lückenlos von
1470 bis 1840 vorliegen,2 kann man herauslesen, dass hier viele Familien acht
oder gar zehn bis fünfzehn Generationen auf dem gleichen Hof saßen. Diesen
Umstand führe ich hauptsächlich darauf zurück, dass die betreffenden Güter
alle als Erblehen verliehen worden waren und somit für deren Inhaber auf
Dauer eine sichere Sache gewesen sind.
Blumenstraße 1
(2013)
Im Haus Blumenstraße 1 habe ich meine Studienzeit verbracht, in einem riesigen Zimmer, ganz oben, mit zwei großen Fenstern zur Straße, einem winzigen Tapetenfenster zum Gaisberg, zwischen kuriosen Antiquitäten und einem mächtigen, grünen Kachelofen. Kaltwasser zum Kochen und Waschen gab es im Flur. Für 80 Mark im Monat. Die Unterkunft hatte ich Rainer Elfferding zu verdanken, einem dem libertären Flügel des 1970 verbotenen SDS zuzurechnenden Altgenossen aus der Basisgruppe Jura, mit dessen Bruder ich in Landau Abitur gemacht hatte.
Erwin von Steinbach
(2000)
„Man könnte behaupten, im Sinne einer Verallgemeinerung, ein Mythos sei eine Geschichte, eine symbolträchtige Fabel, einfach, treffend, in der eine Vielfalt von mehr oder minder vergleichbaren Situationen zusammengefasst wird . . . Ein Mythos hat keinen Urheber. Sein Ursprung muß dunkel sein und sein Sinn teilweise auch. Indessen bleibt das bedeutendste Merkmal des Mythos die Gewalt die er auf uns ausübt, meistens ohne daß wir uns dessen bewußt sind." Denis de Rougemont in „Amour et Occident" - Liebe und Abendland, 1939. Ich möchte hinzufügen, daß ein Mythos, wenn schon sein Ursprung geheimnisvoll ist, auch kein Ende hat, kein Ende haben darf, wenn er als Mythos weiter bestehen soll. Der Ursprung des Mythos Erwin von Steinbach ist recht deutlich in der Baugeschichte des Straßburger Münsters eingetragen. Erst nach Beginn der Tätigkeit Erwins am Riesenbau, verzweigt sich sein Baumeisterschicksal, verliert sich beinahe seine Baumeisterspur. Es werden ihm andere, neue Aufgaben gestellt, sein Wirken verschwindet im Dunkel der Jahrhunderte und wird allmählich durch den Mythos ersetzt. Ein Mythos, der zum Teil auch aus der Notwendigkeit entsprungen sein könnte, einen Menschen für die Errichtung des gewaltigen Kirchenbaues gewissermaßen verantwortlich zu machen.
[...] Der dritte aber war ein schöner, junger Mann, der am besten tanzte weit und breit, und daher den Namen Tanzbodenkönig hatte. Er war ein armer Mensch gewesen und hatte bei einem Holzherren als Knecht gedient; da wurde er auf einmal steinreich; die einen sagten, er habe unter einer alten Tanne einen Topf voll Geld gefunden, die anderen
behaupteten, er habe unweit Bingen im Rhein mit der Stechstange, womit die Flößer zuweilen nach den Fischen stechen, einen Pack mit Goldstücken heraufgefischt, und der Pack gehöre zu dem großen Nibelungenhort, der dort vergraben liegt; kurz, er war auf einmal reich geworden und wurde von jung und alt angesehen wie ein Prinz. [ ... ] Diese Schilderung eines Mannes, der seiner Mit- und Nachwelt bemerkenswert erschien, weil er binnen kurzer Frist zu ungewöhnlich großem Reichtum und einem entsprechend hohen Sozialprestige gekommen war, ist nachzulesen bei Wilhelm Hauff in dessen 1828
postum veröffentlicher Erzählung „Das kalte Herz". Natürlich sollte man sich hüten, diese literarische Gestalt kurzerhand mit einer historischen Person zu identifizieren. Aber ganz zweifellos erinnert sie an einen Typus, den es im Nordschwarzwald tatsächlich einmal gegeben hat, an den Typus des - wenn man so will - ,,Proto-Unternehmers", der in den Regionen um Nagold und Enz, Kinzig und Murg in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts gleich mehrfach anzutreffen war.
Talheim ist - herrschaftsgeschichtlich betrachtet - eine der interessantesten Gemeinden
im ganzen Landkreis Heilbronn. Vom Mittelalter bis zum Ende des Alten
Reiches war es Kondominat beziehungsweise Ganerbschaft. Das heißt, für die
Herrschaft im Dorf waren mehrere, zeitweise ein halbes Dutzend Herren zuständig.
Auch Gemmingen, Heinsheim und Jagsthausen, desgleichen Neipperg und
Schwaigern, waren zeitweise Ganerbschaften; aber anders als Talheim blieben die
zuletzt genannten Orte ganz überwiegend im Besitz verschiedener Zweige derselben
herrschaftlichen Familie. In Talheim hingegen waren - ähnlich wie in Widdern,
wo man die einzelnen Anteile schließlich nach 512teln bemaß!
- bereits im Mittelalter
ganz unterschiedliche Herrschaftsträger beteiligt, anfangs allein solche ritteradliger
Herkunft, seit 1499 in wachsendem Umfang der Deutsche Orden.
Weshalb nur schrieb Goethe ein Drama über Götz von Berlichingen, nicht aber eines über Franz von Sickingen? Weshalb ein Drama über Götz, einen notorischen Unruhestifter und „Raubritter“ eher provinziellen Zuschnitts, der mit seinen aus der Zeit gefallenen Fehden ganz Oberdeutschland in Atem hielt, der mit seinem Engagement im Bauernkrieg scheiterte und der über dem anschließenden langjährigen Hausarrest auf seiner Burg Hornberg am Neckar alt wurde, einen Mann, dem – abgesehen von dem durch ihn selbst in Auftrag gegebenen Grabmal im Kloster Schöntal an der Jagst – bislang nur zwei Denkmäler gesetzt wurden, 1962 unterhalb der Burg Krautheim an der Jagst in Erinnerung an seinen dort entbotenen, viel zitierten Gruß, man möge ihn hinden lecken, und schließlich 1999, anlässlich des fünfzigjährigen Jubiläums der örtlichen Burgfestspiele vor dem Rathaus in seinem mutmaßlichen Geburtsort Jagsthausen. Freilich: Zu Ehren sowohl Götz von Berlichingens als auch Franz von Sickingens hat bereits im späten 18. Jahrhundert der kunstsinnige, im Stil der Zeit mit einer literarischen
Tafelrunde die Ritterromantik pflegende fränkische Reichsritter Christian Freiherr Truchseß von Wetzhausen im Landschaftspark seines Schlosses Bettenburg in den Haßbergen ein Denkmal errichten lassen. Es wäre denkbar, dass Götz und Franz zu den Vorfahren des Truchsessen gehörten.
750 Jahre Familiengeschichte von Mentzingen! Zum ersten, zum zweiten, zum ... Halt! - Sind nicht die Freiherren von Mentzingen nach Ausweis ihres Raben-Wappens eines Stammes mit denen von Helmstatt und den Gölern von
Ravensburg, und findet nicht der gemeinsame Stammvater aller drei Familien mit dem Raben-Wappen, der Reichsministeriale Raban von Wimpfen, seine erste Erwähnung bereits 1190?! Also: 813 Jahre Geschichte der Familien mit dem Raben-Wappen! Zum ersten, zum zweiten, zum ... Halt!