943 Geschichte Deutschlands
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Die Nachricht von der Mobilmachung löste in Heidelberg Bestürzung aus: Am 30. Juli 1914 drängten sich die Menschen um die Litfaßsäulen, in den Lebensmittelgeschäften kauften Hausfrauen die Vorräte auf, und vor der städtischen Sparkasse erwarteten aufgeregte Kunden die Auszahlung ihres Ersparten. Wie ein Lauffeuer habe sich die Meldung von der „Mobilisation“ verbreitet, berichteten die „Heidelberger Neuesten Nachrichten“: „Dieses Wort wirkte wie ein Schuß. Man sah, wie Viele vor Schreck erbleichten und vor nervöser Angst erzitterten, hörte die Entsetzensschreie und die laute Verzweiflung von Frauen, war Zeuge von Weinkrämpfen, und der Menschheit ganzer Jammer lud jeden zum Zeugen, der noch ruhig genug war, auf dieser bewegten Szene Zuschauer zu sein. Auf der Hauptstraße rannten die Menschen wild durcheinander.“ Kaum ein Zeitungsbericht dieser Tage schildert so mitteilsam die ängstlichen bis verzweifelten Reaktionen auf den Beginn des Ersten Weltkriegs, stehen doch sonst kollektiver Jubel und patriotische Begeisterungsstürme im Vordergrund. Allein: Der Artikel beschreibt gar nicht die Wirkung der eigentlichen Mobilmachungsnachricht –
die erfolgte nämlich erst am 1. August –, sondern die einer Falschmeldung zwei Tage zuvor. Die Journalisten des „Heidelberger Tageblattes“ waren einer Fehlinformation gefolgt und hatten rasch ein Extrablatt drucken lassen, das eilends in der ganzen Stadt verteilt wurde und jene oben geschilderte Bestürzung auslöste. Wenn nun nach der Verkündung des tatsächlichen Mobilmachungsbefehls in den „Heidelberger Neuesten
Nachrichten“ behauptet wurde, die Bevölkerung habe mit „Ruhe und Entschlossenheit“ auf „dies[e] grandios[e] Tatsache“ reagiert und Angst und Panik keine Erwähnung mehr finden, dann weckt dieser Widerspruch die Aufmerksamkeit des Historikers.
Wer aufmerksam die Gräberreihen auf dem „Ehrenfriedhof“ der Stadt Heidelberg entlang geht, wird linkerhand in den ersten Reihen auf 18 Grabkreuze mit russischen Namen stoßen. Soldatengräber aus dem Ersten Weltkrieg. Offenbar in Heidelberg verstorbene, russische Kriegsgefangene. Diese Beobachtung wirft Fragen auf. Wie ist die Anwesenheit dieser russischen Soldaten in Heidelberg fernab der Ostfront zu erklären? Was wissen wir über sie, ihre Herkunft und ihren Aufenthalt, vermutlich als Kriegsgefangene (KGF) in Heidelberg? In Lagern und Lazaretten? Und warum überhaupt befinden sich Gräber mit russischen Soldaten auf einem Soldatenfriedhof, der 1933/1934 von der Stadt Heidelberg als monumentale Gedenkstätte für die deutschen Kriegsgefallenen errichtet und in einer schauerlich-pathetischen Zeremonie am 28. Oktober 1934 „eingeweiht“ wurde? Darüber hinaus wollen wir zusammentragen, was zu den Kriegsgefangenenlagern in Heidelberg inzwischen zu ermitteln war.
Das erste große Interesse an der Heidelberger Schlossruine spiegelt sich Anfang des 19. Jahrhunderts in den nationalen und internationalen Protesten gegen den bereits verfügten Abriss der Ruine wider. Ende des 19. Jahrhunderts tobte ein Streit um den Wiederaufbau der Schlossruine, bei dem der moderne auf Erhaltung der Ruine zielende Denkmalschutz entstand. Damit verbunden war der Beginn erster wissenschaftlicher Beschäftigung mit dem Schloss durch Adolf von Oechelhäuser 1887, Bezirksbaudirektor Julius Koch und Architekt Fritz Seitz 1891, Gymnasialprofessor Karl Pfaff 1897, Baudirektor Josef Durm 1903: Die zu dem Ergebnis kam, die historische Quellenlage insbesondere, was die erste Heidelberger Burganlage betrifft, ist ausreichend uneindeutig. Einzig der Baubefund als solcher biete nach Koch und Seitz die Möglichkeit Fragen zu beantworten. So wurde erstmals die Ruine selbst als Primärquelle aufgefasst. Die Quellenlage, wie sie sich uns heute zeigt, besagt auch, dass man sich dabei vor allem auf die Ruine selbst beschränkte; was außerhalb der Ringmauer war, blieb im wahrsten Sinne des Wortes außen vor, weil die zusätzlichen Kosten der Bearbeitung durch Koch und Seitz nicht zu finanzieren waren. Insbesondere die Südwestecke ist ein relativ unbeschriebenes Blatt. Eine Erklärung dafür mag sein, dass der Zugang zum Schloss seit Jahrhunderten von Osten bzw. Süden erschlossen war.
Heute scheint diese Freude vergangen zu sein, denn Bismarck steht im wahrsten Sinne des Wortes abseits der Aufmerksamkeit der Touristen und auch der Heidelberger selbst: Die Büste befindet sich zwar weiterhin an ihrem ursprünglichen Platz, aber nunmehr am Rande des Knotenpunktes Bismarckplatz. Die Bismarcksäule ist selbst im Winter nur noch von wenigen Stellen der Stadt aus zu erahnen, früher war sie von weitem sichtbar. Dass Bismarck Ehrenbürger Heidelbergs war, dürfte den Wenigsten bekannt sein, ebenso wie die Gründe für die Benennung des Bismarckplatzes. Dies soll die vorliegende Arbeit ändern und einen Überblick bieten über die verschiedenen Ehrungen, die Bismarck aus Heidelberg zuteil wurden. Freilich war die Bismarckverehrung keine Heidelberger Besonderheit, sondern ein Massenphänomen. So wurde Bismarck allein an seinem 80. Geburtstag 1895 von hunderten deutschen Städten zum Ehrenbürger ernannt, auch befanden sich überall im Deutschen Reich Bismarckplätze und -straßen, -denkmäler sowie -säulen und -türme.
"Treu zu Kaiser und Reich"
(2014)
„Kaisers Geburtstag. Die Glocken läuten, Fanfaren schmettern, Böller werden gelöst und am Vorabend zieht ein Zapfenstreich durch die Straßen der Stadt. Festtafeln werden aufgestellt, Reden und Lieder steigen, während die Schüsseln von Gast zu Gast wandern und die Gläser gefüllt und geleert werden. An den Giebeln wehen Fahnen in den Landes- und Reichsfarben und das Leben der Stadt besinnt sich auf die allgemeine Feierstunde. Dieser eine Tag im Jahre, an dem der Kaiser seinen Geburtstag begeht, versammelt die Reichsfreunde in engeren und weitergefaßten Zirkeln; und der Tag, der längst seine traditionellen Formen gewonnen hat, bietet nicht bloß wortgewandten Rednern Gelegenheit zu rhetorischen Leistungen, sie ist dem Besonnenen und stiller Gearteten ein Tag, dazu geschaffen, um in der Stunde des Festrausches die Resultate einer Jahresarbeit ernst zu prüfen.“ So der Leitartikel vom 27. Januar 1914 in den „Heidelberger Neuesten Nachrichten“, die den Nationalliberalen nahestanden, zu den hiesigen Feiern am Geburtstag Kaiser Wilhelms II. Schon die Vorschau auf das Festprogramm lässt es lohnend erscheinen, die Gestaltung der nationalen Feiertage unmittelbar vor dem Ersten Weltkrieg zu untersuchen. Welche Ereignisse werden in Heidelberg in den Jahren 1912–1914 festlich begangen? Wer organisiert die Feiern, welche Bevölkerungsschichten nehmen daran teil, welche bleiben ausgeschlossen? In welchen Ritualen wird das Gedenken
inszeniert? Wie wird das Ereignis in Reden, Liedern und Gedichten interpretiert und bewertet? Mit welchen Absichten werden die Feiern veranstaltet? Mobilisieren sie die Bevölkerung für den möglichen Kriegsfall?
Einhundert Jahre nach Ausbruch des Ersten Weltkriegs ist die Auseinandersetzung über seine Verursacher mit Vehemenz neu entbrannt. Vor fünfzig Jahren wurde kontrovers über die These des Hamburger Historikers Fritz Fischer diskutiert, der von einer Hauptkriegsschuld der deutschen Staats- und Militärführung ausging. Seine Sicht setzte sich in den folgenden Jahren der deutschsen Zweistaatlichkeit durch, bis zu diesem aktuellen 100jährigen Jubiläum Darstellungen bekannter Historiker populär wurden, welche die Rolle der deutschen Außenpolitik relativieren. Die europäischen
Staaten seien nach der Ermordung des österreichischen Thronfolgers in Sarajewo wie Schlafwandler aus der Dynamik der Julikrise in das Inferno getaumelt. Historiker, die auf die aggressiven Kriegsvorbereitungen in Deutschland verweisen, werden zunehmend schroff kritisiert; sie würden die Quellen der ‚Kriegsgegner‘ nicht kennen. Dem Deutschen Reich habe, eingezwängt zwischen den Bündnissen der Entente, nur der Weg in die Konfrontation offen gestanden. Es ist der Stand der Geschichtsschreibung der 1950er Jahre, der die öffentliche Meinung über den Kriegsausbruch 1914 allmählich zurückerobert. Vor allem sozialhistorische Aspekte treten in der aktuellen Debatte in den Hintergrund. Dieser Beitrag stützt sich auf ausgewählte Archivalien aus dem Heidelberger Stadtarchiv und aus dem Universitätsarchiv sowie auf zeitgenössische Zeitungsberichte. Aus gedruckten Quellen ergibt sich ein nur lückenhaftes Bild vom Heidelberger Alltag in der Zeit des Krieges.
Nach der Kaiserproklamation in Versailles und der vollzogenen Reichsgründung waren die meisten Deutschen im nationalen Überschwang und voller Begeisterung. In den süddeutschen Staaten herrschte allerdings anfänglich Skepsis und Zurückhaltung, weil man gegenüber den Preußen Aversionen und Animositäten empfand. Ob es in Lahr auch so war, lässt sich nicht belegen. Lediglich die Tatsache, dass in der Stadt erst relativ spät, im September 1873, ein Erinnerungsdenkmal eingeweiht wurde, lässt etwas Zurückhaltung erahnen. Die erste große Gelegenheit, in Lahr die Reichsgründung zu feiern, bot Kaisers Geburtstag am 22. März 1871. Am Vorabend und am Geburtstag selbst wurde ein vom Festkomitee entworfenes großes Programm abgewickelt (siehe Abb. 2). Erwähnt sei hier nur, dass die Schuljugend ein von der Firma Kaufmann gedrucktes Gedenkblatt erhielt und die „Spitaliten“ im Spital festlich bewirtet wurden.
Liebesgaben und Transport
(2014)
An der Front verletzte Soldaten wurden entweder im Feldlazarett behandelt, oder aber zu Krankensammelstellen gebracht, die hinter der Front eingerichtet wurden, wobei die Sammelstellen an einem provisorischen Bahnhof liegen sollten. Nach einer ersten und oft flüchtigen ärztlichen Untersuchung wurde entschieden, wo die Soldaten weiter behandelt werden sollten. Die Verwundeten, die in die heimatlichen Lazarette verbracht wurden, wurden von den Bahnhöfen mit z.T. für den Krankentransport umgebauten Zügen in die Heimat transportiert. Die Züge fuhren mit Versorgungsmaterial und neuen Truppen in die Nähe der Front, wurden entladen und dann mit den Verwundeten beladen. Die Transportabteilung musste gelegentlich sehr vehement auftreten, damit man ihr die benötigten Züge und Hilfsgüter zu Verfügung stellte. In Heidelberg existierte ein Straßenbahnnetz, mit dem viele Lazarette erreichbar waren. Die Lazarettzüge kamen am Heidelberger Güterbahnhof an. Dort wurden sie vom Roten Kreuz erwartet, das am Bahnhof eine Verbands- und Erfrischungsstelle eingerichtet hatte. Zunächst wurden die verletzten Soldaten in Fuhrwerken zu den Lazaretten transportiert, was problematisch und für die Soldaten schmerzhaft war. Daher wurde vom Güterbahnhof über die Czernybrücke und Bergheimer Straße ein provisorisches Gleis gelegt, über das die Soldaten dann direkt vom Bahnhof mit der elektrischen Straßenbahn zu den für sie vorgesehenen Lazaretten gebracht wurden.
Die Brücke. – 29 (2014)
(2014)
Wer [...] an den großen Bekenntnissynoden [...] teilgenommen hat, wird niemals wieder den tiefen Eindruck dieser Tage vergessen. Vor allem nicht den der Synode von Barmen [...]. Die klare, ja, freudige Entschlossenheit der Versammelten [… !]
Und die große öffentliche Schlusskundgebung im Freien: Wie da das Kirchenvolk zu Zehntausenden zusammenströmte aus dem ganzen bergisch-märkischen Lande! Mit der Bahn, auf Fahrrädern, mit Omnibussen, Bauernwagen, Fahrzeugen jeder nur denkbaren Art. Bergleute, Bauern, Bürger, Industriearbeiter, Gebildete und Ungebildete – alles vereint im Drang des Bekennens und im offenen, lauten Gebet um die Freiheit des Glaubens. So schildert der Freiburger Historiker Gerhard Ritter im Rückblick jene erste Bekenntnissynode, die vom 29. bis 31. Mai 1934 in der Evangelischen Kirche von Barmen-Gemarke (Wuppertal) stattgefunden hat. Ein wenig klingt es wie „Kirchentag“, und man wundert sich auch nach 80 Jahren noch: Was muss das für ein Ereignis gewesen sein? Dieser Frage werden wir in drei Schritten nachgehen. Im Anschluss an die Bewertung der Synode durch Gerhard Ritter informieren wir uns zunächst über die badische Barmen-Delegation. Wir befassen uns mit dem Auslöser der Barmer Theologischen Erklärung, den kirchenpolitischen Zielen der sog. Glaubensbewegung Deutsche Christen und mit ihrem politisch-theologischen Hintergrund. Schwerpunkte bilden
dabei die Propagierung des „Arierparagraphen“, die Sportpalastveranstaltung und die wichtigsten jener Maßnahmen, die auf die sog. Gleichschaltung der Evangelischen Kirche zielten.
Der offizielle Hurrapatriotismus des Kaiserreichs und die fast einhellige Kriegsbegeisterung im städtischen Bildungsbürgertum, anfängliche Siegesmeldungen von der Front, bald aber auch Nachrichten von vielen Verwundeten und Gefallenen versetzten die Pfarrer in den Heimatgemeinden bereits vom August 1914 an unter einen besonderen Erwartungsdruck ihrer Gemeindeglieder. Die Kriegsstimmung musste aufgenommen werden; bei den meisten Predigern geschah es bis zuletzt mit überzeugtem Nationalismus. Andererseits galt es, Verantwortungsträger zu ermutigen und Leidtragende zu trösten sowie eine Deutung des Geschehens und Weisung zu geben. Die Predigten waren somit meist weniger Bibeltextauslegungen als Thema- oder Mottopredigten, eben „Zeitpredigten“ (Ernst Lehmann). Die älteren Pfarrer an der „Heimatfront“ wurden, trotz immer wieder neuer Mobilmachungsaktionen, durchweg als unabkömmlich eingestuft, jedoch neben ihrem eigentlichen Gemeindedienst als Garnison- oder Lazarettpfarrer eingesetzt. Ihre Kriegspredigten und Kriegsandachten ließen sie oft drucken, damit sie auch ihren Gemeindegliedern im Felde zugesandt werden konnten oder um mit dem Verkaufserlös Hilfsmaßnahmen zu unterstützen.
Der Autor befasst sich mit der Frage, was Verlust der Heimat bedeutet, insbesondere auch im
Zusammenhang mit der Verfolgung unserer jüdischen Mitbürger zur Zeit des Nationalsozialismus.
Er zeigt anhand von Beispielen aus Bruchsal, wie derer gedacht werden kann und
muss, denen ihre Heimat genommen wurde.
Am 1. Dezember 1503 verstarb Herzog Georg von Bayern-Landshut in Ingolstadt ohne männliche Nachkommen hinterlassen zu haben. Der Tod des Fürsten war ein Ereignis, das heftige Betriebsamkeit auf der diplomatischen Bühne auslöste. Unter Vermittlung Kaiser Maximilians I. wurden Bemühungen zur Schlichtung zwischen den Herzögen von Bayern-München und den Pfalzgrafen bei Rhein unternommen, da beide Anspruch auf das Landshuter Erbe erhoben. Argumentativ war Albrecht IV., das Oberhaupt der Münchener Linie, zweifellos im Vorteil. Er konnte sich auf eine Vielzahl von Urkunden, hier besonders prominent auf die Teilungsurkunde von 1392, sowie auf die agnatische Verbindung zu Herzog Georg berufen. Die Pfälzer hingegen bauten ihre Argumentation
darauf auf, dass die Tochter des Verstorbenen, Elisabeth, den Sohn Kurfürst Philipps, Ruprecht, geheiratet hatte. Bereits 1496 hatte Herzog Georg in seinem Testament die Hochzeit mit einem Sohn des Kurfürsten bestimmt und – gegen die Regelungen in der Teilungsurkunde – festgelegt, dass das Landshuter Erbe durch die weibliche Erbfolge an die pfälzischen Wittelsbacher fallen sollte. In den letzten Jahren vor seinem Tod war der Herzog vor allem darum bemüht gewesen, Vorkehrungen dafür zu treffen, dass das Fürstentum nach seinem Ableben über Elisabeth an die kurpfälzische Linie des Hauses kam.
Nach der Auflösung der Heil- und Pflegeanstalt in der Illenau bei Achern 1940 wurden nach und nach drei nationalsozialistische Internatsschulen dort eingerichtet. Zuerst wurde im November 1940 eine Reichsschule für Volksdeutsche geschaffen, für Kinder von sogenannten Optanten aus Südtirol, die für Deutschland bzw. das angeschlossene Österreich optiert hatten und umsiedeln wollten, nachdem Hitler gegenüber Mussolini auf die Rückgabe von Südtirol verzichtet hatte. In die Illenau kamen die Mädchen, während für die Südtiroler Jungen eine solche Reichsschule in der noch 1939 von den Franzosen geräumten Heil- und Pflegeanstalt Rufach im besetzten Elsass eingerichtet wurde. Die Schule in der Illenau führte ab Herbst 1943 die Bezeichnung Deutsche Heimschule. Die Leitung hatte die Studienrätin Klara Keit.
Das Häuflein Neonazis, das ca. zweimal jährlich Sinsheim heimsucht, beruft sich auf Sinsheim als eine „Stadt der Bewegung." Und bis zur Auflösung des Kreises wurde das Autokennzeichen SNH von Auswärtigen spöttisch mit „Sehnsucht nach Hitler" übersetzt. Aber waren Stadt und Amtsbezirk Sinsheim wirklich eine frühe und besonders starke Hochburg der Nationalsozialisten? Für die Zeit der Weimarer Republik und danach liegen über den Raum Sinsheim im Gegensatz zu den umliegenden Städten und fast allen Nachbargebieten nur sehr wenige Veröffentlichungen vor. Zwar gibt es für 39 der 45 Orte Ortschroniken, aber die Zwanziger Jahre und die anschließende NS-Zeit finden darin mit wenigen Ausnahmen nur summarisch Erwähnung als Notzeit nach Krieg und Weltwirtschaftskrise, sowie Ehrentafel der Gefallenen und Vermissten, allenfalls werden noch ein paar Wahlergebnisse angeführt.
In Adolf Gecks „Kriegsbildern" im Offenburger Tageblatt aus dem zweiten Kriegsjahr des Ersten Weltkriegs findet sich auch der Bericht eines Klassenkameraden über den unerwarteten Tod seines Anfang 1915 gefallenen Freundes Schorsch. Darin beschwört er die gemeinsame Schulzeit am Gymnasium und schließt mit den Worten: ,,0 Tod, das hast Du schlecht gemacht,
der solche Kraft gering geacht." R. H. Der inhaltsreiche Nachruf mit seinen detaillierten Angaben wurde Anlass zu vertieften Nachforschungen über das Schicksal hinter den beiden unbekannten Namen, deren Ergebnisse hier vorgelegt werden. Sie stehen in der Mitte dieser alphabethisch gegliederten Untersuchung und haben, trotz der inzwischen 100 vergangenen Jahre, viel Quellenmaterial ans Tageslicht gebracht. Diese Abhandlung trennt die Darstellungen zweier Freundesschicksale am Anfang, bei denen ein Freund überleben konnte, von den beiden am Schluss, bei denen beide Freunde gefallen sind.
Mauer im Jahr 1820
(2015)
Für die Zeitschrift „Palaeos", die der Verein „Homo heidelbergensis von Mauer
e.V." in unregelmäßigen Abständen herausgibt', recherchierte ich 2014 hauptsächlich
im Generallandesarchiv Karlsruhe für einen Beitrag über die Geschichte der
Sandgrube, in der im Jahre 1907 der Unterkiefer des Homo heidelbergensis gefunden
worden war. Heinz Roth, Archivar der Gemeinde Mauer, machte mich darauf aufmerksam, dass im
Archiv des Rathauses in
Mauer die alten „Beilagen"
der Gemeinde-Rechnung
Mauer vorhanden
sind. Gemeinsam
sichteten wir die in
Halbleder gebundenen
Unterlagen (Abb. 1) und
ordneten sie chronologisch.
Bis auf einen Band
waren alle von 1820 bis
1908 in relativ gutem
Zustand erhalten. Deshalb
dehnte ich die Recherchen
zum Sand und
zum Sandabbau in Mauer
auf die Beilagen aus.
Die Weimarer Zeit ist oft ein Stiefkind der Ortsgeschichte. Das mag damit zusammenhängen, dass es Experimente mit „Arbeiter- und Soldatenräten" in kleineren Ortschaften nicht gab und Deutschland damals stärker zentralisiert wurde, als je zuvor. Trotzdem ist auch in der Weimarer Zeit eine Zusammenschau lokaler und überregionaler Ereignisse lohnenswert: Die lokalen Ereignisse werden vor dem Hintergrund größerer Zusammenhänge besser verstehbar und die Ortsgeschichte kann ihrerseits konkretisieren, warum die Weimarer Republik mit Problemen kämpfte. Der vorliegende Beitrag nähert sich der Geschichte Rappenaus und seiner Umgebung in der Weimarer Zeit anhand von zeitgenössischen Presseartikeln. Berücksichtigt wurde vor allem der liberale „Landbote" aus Sinsheim und das SPD-Blatt „Volkszeitung", das in besonderer Weise zeigt, wie die Ortsgeschichte in die große politische Geschichte eingebunden ist. Wegen der damaligen gesellschaftlichen Gegensätze besaßen allerdings auch Katholiken (mit dem „Pfälzer Boten"), Konservative (mit den „Heidelberger Neuesten Nachrichten"), und Nationalsozialisten (mit der „Volksgemeinschaft") eigene nordbadische Regionalzeitungen, die in der Karlsruher Landesbibliothek eingesehen werden können und hier nur vereinzelt zitiert werden.
Der Deutsche Städtetag bietet eine Übersicht an, die laufend aktualisiert wird und in der für 2015 19 Städte genannt sind, die in diesem Jahr ein Stadtjubiläum feiern. Angeführt wird diese von Bitburg, das auf eine 1300-jährige Geschichte zurückblicken kann. Die am 17. Juni 1715 gegründete Stadt Karlsruhe kann da altersmäßig natürlich nicht mithalten und nur das vor 150 Jahren zur württembergischen Stadt Weingarten erhobene vormalige Altdorf verhindert, dass Karlsruhe in dieser Liste auf dem letzten Platz steht. Trotz seines jugendlichen Alters hat Karlsruhe aber schon eine, wenn auch – vor allem wegen des Jubiläumsjahrs 1915 – nicht ungetrübte Tradition von Stadtjubiläen aufzuweisen. Im Folgenden soll diese Tradition vor allem
unter dem Aspekt des Ertrags für die Stadtgeschichtsschreibung und des jeweiligen Beitrags des Stadtarchivs vorgestellt
werden.
Heinrich Hansjakob (1837–1916) gehört mit seinen 74 Werken bis heute zu den bekanntesten
Schriftstellern Badens. Der Autor von »Bauernblut« und »Erzbauern« wurde von den
Nationalsozialisten vereinnahmt und seine Bücher als »Blut- und Boden-Literatur» verfälscht.
Manfred Hildenbrand untersucht die Hintergründe dieser Fehlinterpretation.
Baden - Tag für Tag
(2015)
Das 2006 erschienene „Badische Kalendarium", welches von Heinrich Hauß und meinem
Vorgänger Adolf Schmid herausgegeben wurde, war bereits eine wichtige „badische
Fundgrube" und ein großer Erfolg. Ich bin dem Chefredakteur der Badischen Heimat,
Heinrich Hauß, außerordentlich dankbar, dass er meiner Anregung zu einer umfassenden
Neubearbeitung gefolgt ist.
Das nun vorliegende Buch ist wahrhaft ein 11 großer Wurf" geworden. Die hier vorliegende
chronologische Zusammenstellung der badischen Geschichte und bedeutender Persönlichkeiten
ist in dieser Form einmalig. Man findet hier viele Informationen, die es im Internet
entweder gar nicht gibt oder nur sehr schwer zu finden sind. Das Buch erlaubt, auf ganz
einfache Weise nachzuschlagen, was sich an einem bestimmten Tag ereignet hat, oder nachzuschauen,
welche Gedenktage es in einem bestimmten Jahr zu feiern gilt.
Das Buch ist in vier Teile aufgeteilt: Im Kalendarium kann man zur schnellen Orientierung
feststellen, was sich an einem bestimmten Tag ereignet hat. Im zweiten Abschnitt des Kalendariums
finden sich - ebenfalls nach Tagen geordnet- Kurzbiographien bedeutender
Persönlichkeiten und ausführliche Erläuterungen zu bestimmten Ereignissen. Der dritte Teil,
die Chronologie, erlaubt es, gezielt nach Jubiläen Ausschau zu halten. Das Personenregister
erschließt das ganze Buch - es werden hier nicht nur Geburts- und Sterbedaten aufgeführt,
sondern auch andere Termine, an denen diese Person beteiligt war.
Das Fürstlich Fürsten bergische Archiv in Donaueschingen ist eine bedeutende Quelle zur Geschichte des Kinzigtales, da
Teile dieser Landschaft einst zum Fürstenbergischen Hause gehört hatten. So finden sich in Donaueschingen viele amtliche Dokumente, Archivalien und Urkunden, die - vor allem, was die ältere Geschichte betrifft - sorgfältig ediert in Urkundenbüchern und Findbüchern erschlossen sind. Doch nicht alles ist publiziert und so kann man gelegentlich Zufallsfunde machen, wie die im Folgenden vorgestellte Korrespondenz des Fürsten Friedrich Rudolph von Fürstenberg mit seinem Amtmann in Haslach, Simon Fink. Das Besondere an diesen Schreiben: Sie sind partiell in Geheimschrift geschrieben, die der Empfänger Fink entschlüsseln musste. Das tat er, indem er den entsprechenden Buchstaben unter die Chiffre geschrieben hat, sodass man sich auch als heutiger Leser keine große Mühe mit dem Entziffern machen muss. Der derart entschlüsselte Satz lässt sich problemlos lesen, der Geheimcode des Fürsten ist geknackt.
Als am 6. September 1950 die 32 Abgeordneten des Sinsheimer Kreistages den Bürgermeister von Mühlacker, Dr. Paul Herrmann, im zweiten Wahlgang mit 17 zu 15 Stimmen zum neuen Landrat wählten,2 glaubten nur wenige Kreiseinwohner, dass der 36-jährige Volkswirt, der sich überraschend gegen die favorisierten Mitbewerber Carl Dornes und den amtierenden kommissarischen Landrat Walther Reidel durchgesetzt hatte, dem Landkreis Sinsheim die nächsten 22 Jahre ununterbrochen vorstehen sollte. Diese Vermutung wird indirekt durch eine - freilich nicht repräsentative - Meinungsumfrage in der Elsenzstadt bestätigt, die die „Rhein-Neckar-Zeitung fünf Tage nach der Wahl Herrmanns veröffentlichte. Wenngleich einige der Befragten hofften, dass es mit dem neuen Landrat nun endlich aufwärts gehe, so überwog jedoch bei der Mehrzahl große Skepsis.
Im Jahre 1920 gründeten heimat- und geschichtsbewusste Männer und Frauen aus Bruchsal
und Umgebung die, wie man damals noch sagte, »Ortsgruppe Badische Heimat Bruchsal«. Der
Beitrag des heutigen Vorsitzenden Jörg Teuschl gibt einen Überblick über die geschichtliche
Entwicklung der jetzigen Regionalgruppe.
Am Sonntag, 23. März 2014, um 17 Uhr fiel der Startschuss zur 750-Jahr-Feier der Gemeinde Altschweier (Bühl). Vor mehr als 500 Jahren, im Jahre 1514, versuchte der „Gugelbastian" im Bühler Amt, wozu auch Altschweier gehörte, einen Aufstand
anzuzetteln. Grund genug, mithilfe einiger Dokumente die damaligen Verhältnisse erneut unter die Lupe zu nehmen, zumal eine Bastian-Gugel-Statue auf den Anführer hinweisen soll. Der Aufstand, der sich im Bühler Amt im Jahre 1514 abspielte, ist schon vielfach behandelt worden. Die Autorennamen reichen von Heinrich Schreiber, 1824, über Albert Rosenkranz, Karl Reinfried, zahlreichen Zeitungsartikeln bis hin zu Michael Rumpf, um nur einige zu nennen. Trotzdem bleiben viele Fragen offen. Einige, wenn auch auf den ersten Blick z. T. nebensächliche Aspekte, sollen im Folgenden angesprochen werden.
Jubiläen bieten willkommene Anlässe, sich auf die Historie zu besinnen. Während 2014 vielerorts der Erste Weltkrieg das beherrschende Thema war, stand das Jahr in
Konstanz überwiegend im Zeichen des Konziljubiläums. Noch bis 2018 wird man sich
verstärkt mit der größten Kirchenversammlung des Mittelalters auseinandersetzen – ein
Gedenk-Unterfangen, dem mehrjährige Planungen vorausgingen. Eine von vielen Ideen
war es, im Jahr 2017 ein »Belehnungsfest« zu feiern, 600 Jahre nachdem König Sigismund auf dem Obermarkt dem Hohenzollern Friedrich VI., Burggraf von Nürnberg,
förmlich die Herrschaft über Brandenburg übertragen hatte. Das am Platz gelegene Haus
Zum hohen Hafen erinnert noch heute mit seiner historistischen Fassadenmalerei an das
Ereignis. Streng genommen hatte Sigismund bereits im April 1415 Friedrich unter gewissen Einschränkungen zum Markgrafen und Kurfürsten erhoben, was also als Vorwand
für diesen Beitrag zum jetzigen Zeitpunkt dienen könnte. Es lohnt sich aber unabhängig
davon, das Thema Preußen und Konstanz einmal näher zu betrachten.
Obwohl durch die Haager Landgerichtsordnung von 1907 Angriffe auf unbefestigte Orte und Städte geächtet waren, wurden bald nach Kriegsbeginn 1914 auch unverteidigte Städte aus der Luft angegriffen. Aufgrund der räumlichen Nähe zur Westfront wurden auf deutscher Seite vor allem die südwestdeutschen Großstädte Mannheim, Karlsruhe und Freiburg Opfer von französischen und britischen Luftangriffen. Erste Versuche, weiter entfernt gelegene Rüstungsfabriken zu treffen, führten zu Flügen über den Schwarzwald nach Friedrichshafen, Rottweil und Oberndorf. Diese drei Städte wurden im Laufe des Krieges mehrfach gezielt angegriffen, während andere Orte eher zufällig getroffen wurden. Nach einem Überblick über den Stand der Luftrüstung zu Beginn des Krieges werden im Folgenden zunächst die Angriffe auf die Rüstungsbetriebe dargestellt und
anschließend die eher zufälligen Bombenabwürfe auf weitere Städte und Dörfer der Region aufgeführt.
Es war im Februar 1945. Mein Mann war schon im Dezember 44 zu den nach Hinterzarten
ausquartierten beiden Töchtern gegangen, weil die Gestapo ihn zum Schippen einziehen wollte.
Ich ging nicht mit, ich hätte ihn gefährden können. Außerdem musste jemand in der Wohnung
bleiben, um die Post auf Umwegen nachzuschicken und etwaige Recherchen abzufangen. Auch
musste ich den Kanarienvogel, der etwas krank war, versorgen. In Hinterzarten waren die Zimmer nur mit einem elektr. Öfchen notdürftig heizbar (zu kalt für den Vogel) [...]. So beginnt der Bericht über ein persönlich erlebtes, dramatisches Ereignis gegen Ende
des Krieges. Der Verfasserin Gertrud Gurlitt, in der Freiburger Burgunderstr. 30 wohnhaft,
ist offenbar bewusst, dass sie sich augenblicklich in einer bedrohlichen Lage befindet. Soll sie,
ohne zu zögern, dem Willen der Gestapo nachkommen und sich als Jüdin einem unbestimmten
Schicksal ausliefern - oder kann sie es wagen, unter Umgehung dieses Befehls die in Hinterzarten ausquartierte Familie zu besuchen und sie über ihre eigene Bedrohung zu informieren?
In beiden Fällen würde sie ein großes Risiko eingehen und mit Maßnahmen gegen ihre Freiheit
rechnen müssen. Und um beide Optionen in Ruhe gegeneinander abzuwägen, bleibt ihr keine
Zeit.
Im Mai 1913, nur 15 Monate vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs, wagte der Mediziner
und Generaloberarzt des preußischen Heeressanitätsdienstes Paul Schmidt in einem Vortrag
vor der Berliner Kaiser-Wilhelm-Akademie, in dem er die historische Genese des deutschen
Heeressanitätswesens behandelte, einen optimistischen Blick in die Zukunft: Sollte demnächst
ein großer Krieg ausbrechen, was durchaus wahrscheinlich sei, denn wer sollte sich heutigen
Tages unterfangen, noch den Traum des ewigen Völkerfriedens zu teilen, dann sei das deutsche
Lazarettwesen gut gerüstet: Die Organisation unseres Heeressanitätswesens [ist] auf eine Höhe
gebracht, dass alle Bedürfnisse der Versorgung unserer Kranken und Verwundeten auf dem
Schlachtfelde wie in den Lazaretten, des Krankentransportes und der Krankenunterbringung
erfüllt werden. Für wahr! Unser Sanitätskörper darf mit berechtigtem Selbstvertrauen und in
dem Bewusstsein seiner Kriegsbereitschaft den kommenden Ereignissen ruhigen Sinnes entgegensehen.'
Wer einem touristischen Hinweisschild „Historische Altstadt“ folgt, wird selten von geschichtlichem Erkenntnisinteresse bewegt. Man erwartet ein Ensemble aus Stadttoren, Stadtmauern, Brunnen, Türmen und allerlei „alten“ Gebäuden, sieht in solchem Inventar aber weniger Zeichen bestimmter Zeiten, sondern pittoreske Ansichten, die es von allen Seiten zu betrachten und aus günstigem Blickwinkel schließlich per Handkamera einzufangen gilt. So gesehen ist die „historische Altstadt“ weniger historisches als ästhetisches Terrain: Ein „Stadtbild“, das gleich einem Gemälde angeschaut, bewertet und dessen Schönheit nicht zuletzt auch genossen werden will. Was wirkt anziehend an solchen Stadtbildern? Die Überreste erinnern zumeist an das Mittelalter (respektive an die frühe Neuzeit), das als schaurigschöne Epoche nach wie vor besonders gerne fliehend gesucht wird. Kaum eine andere Zeit interessiert und fasziniert mehr als die der Ritter, Knappen, Edelfrauen: Fassungslos schaudert man hier vor der umstandslosen Bereitschaft der Zeitgenossen zu hemmungsloser Gewaltanwendung, ergriffen bewundert man da deren gleichzeitige Fähigkeit zu innigem Glauben, tiefsinniger Mystik und wahrhafter Nächstenliebe.
Am 1. August 1914 erklärte das Deutsche Reich Russland den Krieg. Wenige Tage später befand es sich auch mit seinen westlichen Nachbarn Frankreich, Belgien und Großbritannien im Kriegszustand. Doch, obwohl die meisten Militärstrategen die
Länge und Intensität des Ersten Weltkriegs noch nicht absehen konnten oder wollten, war bereits frühzeitig klar, dass seine
Finanzierung eine große Herausforderung darstellen würde. Die eigene Bevölkerung sollte so dem kriegführenden Staat
Darlehen geben. Für dieses Vorhaben wurden bis 1918 u. a. neun Kriegsanleihen aufgelegt.
Die Ortenau. - 95 (2015)
(2015)
Im Stadtarchiv Bräunlingen hat sich ein von seinem Verfasser selbst als „Kriegs-Protokoll“ überschriebenes Konvolut erhalten, aus dem sich Details über die
Truppenbewegungen in der Region und über die von der Stadt Bräunlingen zu
tragenden Kriegslasten sowie einige private Begebenheiten aus dem Leben des
Oberschultheißen entnehmen lassen.
Am 2. Oktober 1688 erfolgte die erste Eintragung, am 17. Juli 1702 die letzte. Somit umfasst dieses Kriegstagebuch die Zeit des Pfälzischen Erbfolgekrieges
von 1688 bis 1697 sowie die Anfänge des Spanischen Erbfolgekrieges ab 1701.
Nach einer Darstellung der politischen Hintergründe der kriegerischen Auseinandersetzung zu Ende des 17. Jahrhunderts beschreibt der folgende Beitrag das
Amt des Bräunlinger Schultheißen, die Lebensumstände des Johann Konrad
Gumpp und die Kriegsereignisse in und um Bräunlingen, soweit sie aus seinem
Tagebuch hervorgehen.
Im Staatsarchiv Freiburg findet sich ein bisher in der Forschung eher wenig beachteter Aktenbestand „Entnazifizierung evangelischer Pfarrer 1945-49“. Das Freiburger Staatsarchiv verwaltet als Teil des Landesarchivs Baden-Württemberg vor allem Bestände der Ministerien und Behörden des 1952 erloschenen Landes (Süd-) Baden sowie Verwaltungsunterlagen staatlicher Behörden im Bereich Süd-Baden seit 1806, des weiteren wichtige Dokumente aus der französischen Besatzungszeit. Zudem enthält das Staatsarchiv auch den – teilweise lückenhaften – Bestand sämtlicher Entnazifizierungsakten aus dem südbadischen Teil der französischen Besatzungszone. Die Entnazifizierungsakten von stärker NS-belasteten Personen, die deswegen interniert wurden, befinden sich im Archiv des französischen Außenministeriums „Centre des archives diplomatiques“ in La Courneuve bei Paris. Einen ersten Überblick zur Kirchenpolitik der französischen Besatzungsmacht lieferte Jörg Thierfelder bereits 1989. Zu diesem Zeitpunkt gab es zu diesem Thema noch überhaupt keine Publikation. Dabei wies Thierfelder darauf hin, dass die Franzosen im Gegensatz zu US-Amerikanern und Briten keine eigenständige Planung für die Kirchenpolitik in ihrer Besatzungszone hatten. Die Zeitspanne zwischen der Konferenz von Jalta im Februar 1945, auf der Frankreich eine eigene Besatzungszone zugesprochen worden war, und dem Einmarsch der französischen Armee nach Südwestdeutschland ab Ende März 1945 war hierzu viel zu kurz gewesen. Insgesamt stellte Thierfelder eine ausgesprochen freundliche Behandlung der beiden Kirchen durch die französische Besatzungsmacht fest, die sich positiv von der allgemeinen Behandlung der deutschen Zivilbevölkerung abhob. Für den Bereich der württembergischen Landeskirche gab es so gut wie keine Berichte über Hausdurchsuchungen von
Gottesdiensträumen oder Pfarrhäusern und von Beschlagnahmungen.
Am Sonntag, den 31. Oktober 1909, morgens um 11 Uhr, also am Reformationstag und also fünf Jahre vor Ausbruch des Ersten und 30 Jahre vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs bot sich in der Heidelberger Peterskirche ein merkwürdiges und zugleich bedrückendes Schauspiel: der akademische Trauergottesdienst für die Theologen Adolf Hausrath († 2. August), Adalbert Merx († 4. August) und Heinrich Bassermann († 29. August). Mit ihnen verabschiedete sich ein erheblicher Teil der prägenden Theologen, die nach der Krise der Fakultät in den 1870er Jahren den liberalen Ruf der Heidelberger Theologie hatten begründen helfen; liberal und fürstlich hochdekoriert, und (insbesondere Hausrath) von einer preußenkritischen zu einer propreußisch-nationalen Option sich durchringend. Vor allem Bassermann und Hausrath gehörten dabei durch Geburt oder Heirat Milieus an, die mit Kriegsbeginn zerbrachen. Die nationalliberale Bindung war das eine, die am Handel orientierte und kosmopolitische Herkunft ein anderes. Man denke nur – jetzt erneut Hausrath als Beispiel genommen
– an die Familienbeziehungen des Theologen zu den Familien Weber oder auch Baumgarten. Nun war Max Weber kein Theologe und der mit ihm verbundene Ernst Troeltsch Theologe nur bis 1915, und der dem gleichen Dunstkreis entsprungene badische Theologe Otto Baumgarten – auch er sprach 1915 vom Krieg als Erneuerung und Wiedergeburt des deutschen Volkes – wirkte in Kiel. Das vielleicht aufreizende „name dropping“ soll ein methodisches Problem spiegeln, nämlich: Auch die im Folgenden zu nennenden Heidelberger Theologen standen als Individuen in weiten und weiteren Kontexten, die keineswegs innerhalb des Vortrags erhellt werden können. Und sie standen in Kontexten, die wohl wirkmächtiger waren als das Biotop Theologische Fakultät.
Nicht nur unbeschwertes Feiern unter dem Vorzeichen der Heimattage, auch kritisches
Hinterfragen von problematischen Aspekten der Regionalgeschichte gehören in Bruchsal
erklärtermaßen zum Spektrum der Heimattageveranstaltungen 2015. Am Beispiel der
Deportation nach Gurs 1940 (75. Jahrestag) wie auch der Kriegszerstörung von Bruchsal
1945 (70. Jahrestag) umreißt der Beitrag die entsprechenden Bemühungen der Stadt und ihre
historischen Hintergründe.
Meist völlig unbekannt, in manchen Fällen durchaus auch mit kritischem Fragezeichen zu versehen, sind die Wechselbeziehungen zwischen Staat, Politik und Freimaurerei in Baden. Markgraf Karl Friedrich von Baden (1782-1811), der später (1806) erste Großherzog von Baden, wurde während seines Besuches in London im Jahre 1746 in den Bruderbund der Freimaurer aufgenommen. Er, der zugleich Ehrenmitglied der Loge „Karl zur Eintracht" in Mannheim war, anerkannte die
Freimaurerei zwar nie offiziell - wie dies z.B. Friedrich der Große in Preußen getan hatte-, war als Herrscher jedoch ein sehr aufgeklärter Absolutist. Während seiner Regierungszeit von 73 Jahren war er ein sehr fortschrittlicher Landesvater, der
sowohl die Folter (1767) als auch die Leibeigenschaft (1783) abschaffte. Unter seiner Herrschaft wurde das neue, badische
Landrecht, entworfen und entwickelt durch Johann Nikolaus Friedrich Brauer und den Grundzügen des Code Napoleon
folgend, geschaffen und in Kraft gesetzt.
Verlässt man auf der Karte den Oberrheingraben zwischen Freiburg und Offenburg nach Osten in Richtung des Mittleren
Schwarzwaldes, so findet man auf der Höhe von Kenzingen in einem Seitental den kleinen Ort Kirnhalden, der um 1900 folgendermaßen beschrieben wird: "Kirnhalden gehört zu den angenehmsten, kleineren Kurorten des badischen Schwarzwaldes. Inmitten üppiger Buchen- und Tannenwaldungen empfiehlt es sich durch seine reine, kräftigende Bergluft, ländliche Ruhe, reizende und gegen Winde vollkommen geschützte Lage in einem kleinen romantischen Seitenthale des Bleichthales insbesondere als Sommerfrische und Waldkurort. 8 km von der Bahnstation Kenzingen entfernt." Ähnlich äußert sich auch der Bäder-Almanach: "Kirnhalden im Bad. Schwarzwald, Bad und Luftkurort, 300m ü.d.M., inmitten üppiger Buchen- und Tannenwaldungen gelegen, daher völlig staubfreie Luft. Völlig geschützt gegen raue Winde und schroffen Temperaturwechsel."
Zu Beginn des Schuljahres 2014/2015 hat sich am Anne-Frank-Gymnasium Rheinau eine klassen- und stufenübergreifende Arbeitsgemeinschaft gebildet, deren Teilnehmerinnen, mit hoher intrinsischer Motivation, den Staffelstab der Erinnerung ergriffen haben, um außerhalb des Regelunterrichts und mit einem regionalgeschichtlichen Schwerpunkt auf der Geschichte der ehemaligen jüdischen Gemeinden Neufreistett und Rheinbischofsheim folgende - von den Teilnehmerlnnen selbst
formulierte - Leitfrage zu bearbeiten: Was hat die Shoa mit Rheinau zu tun und in welcher medialen Ausprägung kann heute
daran erinnert werden? In den sich anschließenden Ausführungen wird zunächst eine der Teilnehmerlnnen, Tina Schadt
(Klasse 10), in Form eines Werkstattberichts ihre Erwartungen und Erfahrungen bei der Auseinandersetzung mit der jüdischen
Geschichte zur Zeit des Nationalsozialismus in ihrer Heimatgemeinde darlegen. Hieran schließen sich exemplarische Überlegungen zur „Holocaust Education" in der gegenwärtigen bundesdeutschen Erinnerungskultur an.
Herzog Ulrich von Württemberg wurde 1503 mit 16 Jahren für mündig erklärt. Zunächst war er ein recht erfolgreicher Regent, denn im Bayerischen Erbfolgekrieg von
1504 konnte er sein Land im Westen, Norden und Osten wesentlich vergrößern. In
Marbach war man darüber besonders glücklich, denn Stadt und Amt wurden aus der
seit 1463 währenden Lehensabhängigkeit von der Pfalz gelöst.
Seine Hochzeit mit Sabina von Bayern feierte Ulrich unter anderem am 3. Mai 1511
mit einem glanzvollen Pferderennen in Marbach. Aufgrund des Erfolges wurde die
Veranstaltung 1512 wiederholt.
Herzog Ulrich war jedoch ein selbstherrlicher Regent, der bald seine enge Bindung an
den Kaiser und den Schwäbischen Bund vernachlässigte. Seine verschwenderische und
maßlose Hofhaltung brachte ihn in finanzielle Schwierigkeiten, die er auf Kosten der
Untertanen zu bekämpfen versuchte. Eine ungerechte Verbraucherabgabe sowie die Veränderung von Maß und Gewicht blieben nicht ohne Folge, zumal viele Bauern und Weingärtner nicht mehr nur das verarmte und unmündige Proletariat auf dem Lande waren,
sondern in vielen Bereichen mehr Mitspracherecht forderten. Die aufgeheizte Stimmung
entlud sich zuerst im Remstal. Von dort erfasste der Aufruhr des »Armen Konrad« im
Frühjahr 1514 in kürzester Zeit das ganze Land, so auch Marbach und Umgebung.
Zwischen Mars und Minerva
(2015)
Am 7. November 1914 fand im Hauptgebäude der Universität Heidelberg (der heutigen Alten Universität) die öffentliche Antrittsvorlesung des Privatdozenten Wolfgang Windelband statt. Ihr Thema lautete: Habsburg und Hohenzollern. Wolfgang Windelband hatte sich im Sommersemester mit einer Arbeit über die Markgrafschaft Baden im 18. Jahrhundert habilitiert. Dann brach der Krieg aus, und andere Themen waren gefragt, z. B. Habsburg und Hohenzollern. Windelband gab einen Überblick über das schwierige Verhältnis der beiden Dynastien seit dem 13. Jahrhundert, kam aber zu dem Ergebnis, dass man immer aufeinander angewiesen gewesen sei. Schon im 18. Jahrhundert habe man die
Gefahr eines Zweifrontenkriegs empfunden, zumal mit Blick auf die asiatische Großmacht Russland. Österreich habe Zeit gebraucht, seine Aufgabe als Puffer gegen niedrigere Kulturen zu akzeptieren. Nun aber sei der feste Bund zwischen dem Deutschen Reich und Österreich-Ungarn eine Garantie für den Sieg im gegenwärtigen Krieg und für den künftigen Frieden.
Ein wichtiges Ereignis für die historische Entwicklung des rheinfränkischen Raumes war zweifellos die Gründung der Benediktinerabtei Lorsch im Jahre 764. Diese Abtei wurde damals als Eigenkloster von Cancor, dem Grafen im Oberrheingau, zusammen mit seiner Mutter Williswinda gestiftet. Der Klosterort lag auf einer Insel, die sich zwischen zwei Armen der Weschnitz befand. Diese Niederung stellte einen alten Nebenarm des Neckars dar und war daher
ein relativ tiefes Feuchtgelände. Die Stifter übergaben das Kloster ihrem prominenten Verwandten, dem Erzbischof Chrodegang von Metz, dem Primas der fränkischen Reichskirche. Dessen Bruder Gundeland besetzte als erster Abt das neue Kloster mit Mönchen aus Gorze, wo er zuvor Abt gewesen war. Chrodegang erhielt 765 die Reliquien des hl. Nazarius und ließ diese nach Lorsch übertragen, wo sie die Bedeutung der Neugründung steigerten. Im Jahre 774 wurde das Kloster von Altenmünster, das sich ungefähr 500 Meter westlich der späteren
Abtei befand, in feierlicher Inszenierung auf die neue Stelle verlegt. Bei diesem Akt waren Karl der Große, der Mainzer Erzbischof Lul und weitere vier Bischöfe anwesend, was ohne Zweifel auf die hohe Bedeutung dieses Vorgangs und die Ausstrahlung der neuen Abtei hinweist. Karl der Große entschied 772 auch einen Streit zwischen Cancors Sohn und Abt Gundeland um Besitzrechte zugunsten des Klosters. Im gleichen Jahr übergab Abt Gundeland sein Kloster dem mächtigen Frankenkönig und erhielt dafür Immunität und Königsschutz. Damit war Lorsch in die Reihe der Reichsklöster aufgestiegen und Teil der
karolingischen Klosterpolitik geworden.
Ganz schön aufgeweckt
(2015)
In dem Buch »100 Jahre für Baden« ist ein ausführlicher Bericht über die Geschichte der Regionalgruppe Karlsruhe im 20. Jahrhundert enthalten. Besonders hervorgehoben wird die rege Veranstaltungstätigkeit unter den Vorsitzenden Dr.
Eberhard Knittel (1951–1987), Reg.-Dir. Udo Theobald (1987–1992) und OStR Jörg Vögely (1992–2002). In den fünfziger Jahren gab es manchmal bis zu drei Veranstaltungen im Monat und die Mitgliederzahl war auf fast 1000 gestiegen. Nach einer Vakanz im Vorstand im April 2002 wurde am 9. April 2003 ein neuer Vorstand gewählt. 1. Vorsitzender wurde der Stadtrat Dr. Hans-Jürgen Vogt, als Stellvertreter wurde Prof. Dr. Siegfried Rietschel gewählt und Elisabeth Schraut M.A. übernahm die Presse- und Öffentlichkeitsarbeit.
1. Stadtmuseum: Die Geschichte der Stadt soll anlässlich des Stadtjubiläums »gegen den Strich gebürstet« werden (Flyer). Die Ausstellung setzt sich damit bewusst von einer konventionellen, allzu positiven, hochlobenden Sicht ab. Diese Sicht entspricht einem Trend, alles möglichst mit Augenzwinkern, mit Ironie zu sehen. 2. Pfinzgaumuseum: Die Ausstellung im Pfinzgaumuseum ist mit 15 Stationen kompakter und überschaubarer als die Ausstellung im Karlsruher Stadtmuseum. Die Zeitspanne umfasst Stationen wie 1196 (Tatort Durlach, ein spektakulärer Kriminalfall) und 1689 (Zerstörung der Stadt) und reicht bis 2015 (»Durlach«-Schriftzug am Turmberg a la Hollywood).
Zwei Kaiser, eine Memoria?
(2015)
Der Speyerer Dom ist einer der bedeutendsten Erinnerungsorte Europas. Seit seiner Stiftung am Anbruch des zweiten Jahrtausends ist er ein christlicher Sakral- und Memorialbau einzigartigen Rangs. Das hat der Dom vor allem seinen Kaiser- und Königsgräbern zu verdanken. Nach der Bestattung seines Stifters, dem ersten Salierkönig Konrad II. (1024–1039), wurde der Dom mit den Begräbnissen der übrigen salischen Herrscher, Heinrich III. (1039–1056), Heinrich IV. (1056–1106) und Heinrich V. (1106–1125), zunächst zur dynastischen Grabkirche und entwickelte sich dann bis in das 14. Jahrhundert mit weiteren
Königssepulturen zur hervorragendsten Herrschergrablege des Heiligen Römischen Reichs. Dementsprechend wurde an diesem symbolträchtigen Ort die liturgische Memoria der toten Herrscher in besonderem Maße gepflegt. Noch Ende des 15. Jahrhunderts sprach der Humanist und Speyerer Domvikar Jakob Wimpfeling bei einer von Kaiser Maximilian I. angeordneten Seelmesse für die verstorbenen Könige in seiner Lobrede vor dem Habsburger und seinem Gefolge sowie weltlichen und geistlichen Dignitären mehrerer europäischer Herrschaftsterritorien vom Dom als dem ruhmvollsten Begräbnisort (sepulture gloriosissimum locum), an dem das Gedächtnis jener Könige rege sei (Hic crebra est illorum regum memoria).
Karlsruhe und Baden-Baden
(2015)
Karlsruhe ist mit seinen 300 Jahren Stadtgeschichte eine junge Stadt. Als solche fühlt sie sich auch, leichtfüßig, mit tiefer badischer Bindung, aber eben ohne tradierte, historische Verwurzelung. Diese »Leichtigkeit« der Jugend ist es aber gerade, die den deutlich älteren Teilen der Stadt zuweilen missfällt. So fühlen sich Grötzingen mit den amtlichen Wurzeln seit 935 n. Chr. und vor allem die alte Residenz Durlach nicht nur als Vorfahren, sondern quasi als Mütter von Karlsruhe. Auch wundert sich so manche historisch reich entfaltete Stadt der Region über diese »jugendliche Unbeschwertheit« Karlsruhes, wie zum Beispiel
Bretten mit seinem berühmtesten Sohn Philipp Melanchthon (1497–1560), Bruchsal, seit dem ausgehenden Mittelalter Sommerresidenz der Speyrer Bischöfe, Ettlingen mit seiner reichen römischen Vergangenheit oder Rastatt und Bühl, die beide auf eine annähernd 1000-jährige Geschichte zurückblicken können.