Biografisch-geografische Beziehungen
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Die Inanspruchnahme und Instrumentalisierung von Schillers literarischem Werk und freiheitlichem Ideengut schritt durch die bürgerliche Emanzipationsbewegung von den Befreiungskriegen der Jahre 1813/15 über Wartburgfest von 1817, den Vormärz mit Hambacher Fest und 1848er Revolution unaufhaltsam fort. Da die Reaktion seit den Jahren um 1830 alle patriotischen Regungen erstickte, gewann zugleich die Ideologisierung Schillers stetig an Boden, zumal seine ästhetische Freiheit in der Restaurationszeit keine politische Heimat gefunden hatte. Die politisch-nationale Deutung des Schillerschen Gedankenguts trieb bisweilen bizarre Blüten, zugleich fanden sich intellektuelle Überformungen von einiger Tragweite. Zu letzterer Kategorie gehören die Arbeiten des in Heidelberg tätigen Gelehrten und Politikers Georg Gottfried Gervinus (1805-1871), der sich maßgeblich mit Schillers Dichtung und ästhetischer Theorie auseinandersetzte.
100 Jahre Zupfgeigenhansl
(2010)
Anlässlich des Jubiläums des Wandervogelliederbuches „Zupfgeigenhansl“, das vor 100 Jahren in Heidelberg herausgegeben wurde, fand vom 10. Oktober bis zum 23. Dezember 2009 eine kleine Ausstellung statt. Auftraggeber waren der Heidelberger Geschichtsverein e.V. und das Kulturamt der Stadt Heidelberg in Zusammenarbeit mit dem Pfadfinderbund Nordbaden e.V. und dem Germanistischen Seminar der Universität Heidelberg, das die Räumlichkeiten am Karlsplatz zur Verfügung stellte. Der Titel lautete: „100 Jahre Zupfgeigenhansl - Hans Breuer und der Wandervogel in Heidelberg“.
Im Kapitel „Die Geheimlehrer“ in der ersten Auflage von „Geist der Utopie“ schreibt Ernst Bloch 1918 über Stefan George und den Kult um ihn: „Hier sind vor allem diejenigen zu zählen, die die religiöse Farbe der Zeit bestimmen. So zunächst Stefan George, ein gewaltiger Lyriker und dem, der an ihn glaubt, auch Priester. Es wäre oberflächlich, um ihn herum nur eitelstes Mittunwollen, Mittundürfen lebendig zu sehen. Denn dieses gilt nur für die zahlreichen streberischen oder affenhaften Naturen, die nirgends fehlen, wo es um heraushebende Klüngels geht, und die nirgends darüber entscheiden. überall sonst hat der Georgekult zweifellos vieles Gute unter die Jugend gebracht, Demut, verecundia, entsagenden, zeitfremden Sinn fürs Echte, Freude am schönen, am formvollen Gewachsensein, Ablehnung aller frechen Verständigkeit, die die Sprünge nicht ahnt, und der notwendigen Armseligkeit ihres Subjekts dahinter.“
Nachdem die persönlichen Beziehungen Schillers zu Heidelberg und die über die Quellen greifbare Rezeption seines Werks in der Universitätsstadt für die Jahre unmittelbar nach seinem Ableben in Teil I dieser Artikelreihe abgehandelt wurden, beleuchtet Teil II das hierhin reichende Beziehungsgeflecht der engsten Angehörigen Schillers in den Jahren von 1810 bis hinein in das Zeitalter der Restauration. Herausragend ist hierbei der von der Forschung nahezu unberücksichtigte Heidelberg-Aufenthalt seiner Witwe Charlotte von Schiller im Spätsommer 1810 und das Studium beider Dichter-Söhne an der Ruperto-Carola in den Jahren 1810-1813. Eine ganze Reihe bislang unveröffentlichten Quellenmaterials, darunter ein weitgehend unbekanntes Fragment einer 1815 von Charlotte v. Schiller verfassten Reisebeschreibung, setzten hierbei neue Forschungsakzente.
Die persönlichen Beziehungen Friedrich Schillers (1759-1805) zu Heidelberg waren marginaler Natur: Nur wenige Male kam er während seiner Mannheimer Jahre zu einem kurzen Besuch herübergereist, ein nennenswerter literarischer Austausch mit hier ansässigen Persönlichkeiten ist über die Quellen nicht dokumentiert. Dennoch ergaben sich wichtige Berührungspunkte, etwa bezüglich Schillers Kontakten zu den Heidelberger Mitgliedern des Illuminaten-Ordens oder einzelnen Vertretern der Studentenschaft. Eine Erweiterung des Betrachtungshorizonts über seine Person hinweg offenbart zudem für die Jahre nach seinem Tod ein durchaus dichtes Beziehungsgefüge zwischen Weimar und Heidelberg, in dessen Mittelpunkt die Familien Schiller und Voss stehen; auch weilten beide Schiller-Söhne in den Jahren um 1810/13 als Studenten an hiesiger Universität. Darüber hinaus hatte mit dem Ableben des Dichters am Neckar und andernorts jene Bewegung an Dynamik gewonnen, die sich bis über die Mitte des 19. Jahrhunderts nachgerade zu einem Taumel nationaler Selbstidentifizierung steigern sollte und auf deren imaginärem ideengeschichtlichem Banner Schillers Bildnis als Nationaldichter und Identifikationsfigur wie ein Fanal der Hoffnung prangte. So erscheint es lohnenswert, den Hauptaspekten dieses komplexen literatur- und kulturgeschichtlichen Phänomens in seinen wichtigsten Handlungssträngen erstmals mit monographischem Blick auf das geistesgeschichtliche Milieu der Universitätsstadt und seiner Bewohner nachzugehen, nicht zuletzt um die Beiträge einzelner Protagonisten einer kritischen Revision zu unterziehen: Denn viele Namen seiner einstigen hier lebenden Bezugspersonen sind heute der Vergessenheit anheim gefallen, so dass sich eine Neubewertung auf Grundlage der Primärliteratur und unbekannter Quellen anbietet. Dies ist auch insofern überfällig, als die Schillerrezeption für Mannheim und den Oberrhein als hinreichend dokumentiert zu gelten hat, Heidelberg dort jedoch
nur ganz am Rande berührt wird. Keineswegs soll im Folgenden eine literaturwissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem gut erforschten und spannungsreichen System der Heidelberger Romantik und ihrer Rezeption der Schillerschen Dichtung angestrengt werden. Dieser Komplex wird gleichwohl gestreift und auf seine maßgeblichen Tendenzen hin überprüft. Die nachfolgenden Ausführungen bilden den ersten Teil einer längeren Untersuchung, die sich auf die Jahre bis um 1810 konzentriert. Dem Heidelberg-Besuch der Dichter-Witwe Charlotte v. Schiller (1766-1826) vom August/September 1810 und den Studentenjahren der beiden Schiller-Söhne ist ein zweiter Teil gewidmet, der im nächsten Jahrbuch erscheinen wird. Ein dritter Teil beschließt das Panorama mit einer Betrachtung der Vereinnahmung Schillers durch die liberale Bewegung, dies mit Fokus
auf den Heidelberger Gelehrten Gervinus und die beiden großen Schiller-Feiern der Jahre 1859 und 1905.
Goebbels in Heidelberg
(2006)
Es gab eine Reihe an Verbindungen des obersten NS-Propagandisten zu Heidelberg, verschiedentlich wird die Stadt in seinen Aufzeichnungen, den „Tagebüchern“ Joseph Goebbels', erwähnt. Einige Vorbehalte gegenüber dieser Publikation sind jedoch angebracht - so formulierte der Berliner Historiker Bernd Sösemann in einer Zwischenbilanz zur Dokumentation der Niederschriften und Diktate von Joseph Goebbels Kritik an der vorliegenden Edition der täglichen Aufzeichnungen. Er stellt fest, dass sie trotz Einführung einiger editionswissenschaftlicher Standards immer noch Mängel zeige, so - im Hinblick auf den textkritischen Apparat - der Text selbst erscheint geglättet, - bezogen auf die Nichtkenntlichmachung der Heterogenität des verwendeten Textmaterials, - die Aufzeichnungen seien von Goebbels „für seine Schriftstellerei, Reden und für Zeitungsbeiträge“, für Denkschriften etc., geschrieben bzw. diktiert worden, das aus Kopien, Hand- und Maschinenschriften, von Goebbels veranlassten Abschriften, Transkriptionen bestehe und Streichungen, Abänderungen etc. von verschiedener Hand enthalte, - schließlich gebe es Kollationierungsversäumnisse.
Ein französischer Romantiker - was ist das? Einer gängigen Definition zufolge ist das im Bereich der Literatur und des Geisteslebens ein Schriftsteller oder Denker der Zeit seit dem ausgehenden 18. Jahrhundert, der das „sentiment“, das Gefühl, über die „raison“, die Vernunft, stellt und die „imagination“, d. h. die Phantasie, die Einbildungskraft, über die „analyse critique“, das kritisch-analytische Denken. Dieser weitgefassten Definition steht seit einigen Jahrzehnten bei einer Reihe von französischen Literaturhistorikern eine engere gegenüber, die als die eigentliche Romantik nur solche Autoren in Betracht zieht, die sich an der Elle der deutschen Romantik messen lassen können.
In dem folgenden Textauszug geht es um eine Kutschfahrt von Mannheim über Heidelberg nach Neckargemünd, danach wird auf ein Schiff umgestiegen. Der Ich-Erzähler benutzt eine
Dienstreise, um das Neckartal bis Neckarelz und den Odenwald zwischen Erbach und Eberbach zu beschreiben. Es dürfte sich um eine der frühesten Reisebeschreibungen des oberen
Neckars und des südlichen Odenwalds handeln. Der Abschnitt ist folgender Veröffentlichung entnommen: J. G. Rieger: Vaterländische Wanderungen. Einige Kapitelchen für meinen Freund. Didaskalia oder Blätter für Geist, Gemüth und Publicität, Januar 1824, Nr. 6 und 7. Du wirst Dich noch erinnern, daß Kutscher Schmitts kleiner Josephel wie der Sonnengott mit uns aus der Stadt flog. O, was das für ein bescheidener sanfter Mensch ist! Du magst ihn fragen, was, so oft und so viel Du immer willst, er - spricht nichts. Warum mußte ich doch bei der letzten Stadtdeputirtenwahl gerade den Schnupfen haben!
Wenn ich - weder als Musiker noch als Wissenschaftler - einen spät entdeckten und erkannten Komponisten wachrufe, tue ich dies in erster Linie für meine persönliche Begeisterung vieler seiner Werke; aber auch deswegen, weil sein verhältnismäßig kurzes Leben und seine Zeit nur noch wenigen geläufig ist. Jene, die Max Reger erlebt oder gar gekannt haben, leben nicht mehr. Und so könnte es durchaus aktuell erscheinen, sein Wirken - und gerade in Heidelberg - neu zu beleben und das damalige Musikleben hervorzuheben.
"Gegessen und gefaulenzt"
(2004)
2005 ist ein Wunderhornjahr, jedenfalls wenn wir die gedruckte Angabe „1806“ im 1. Band von Des Knaben Wunderhorn ignorieren und von der tatsächlichen Ausgabe zur Michaelismesse 1805 ausgehen. 2005 wird auch ein Andersenjahr sein wird, wie dem Kalender zu entnehmen ist. Dass der dänische Dichter und Autor weltbekannter Kunstmärchen aber in Beziehung zu Heidelberg steht, wäre hier niemand aufgefallen, wenn sich nicht der Kopenhagener Fernsehproduzent Chris Kraft-Christensen mit der Bitte um Erläuterungen, weitere Unterlagen und Abbildungen ans Kulturamt gewandt hätte. Das Ergebnis der Recherche stützt sich hauptsächlich auf die Tagebücher, die mir ohne die Übersetzungen von Kirsten Kalow unverständlich geblieben wären, ergänzt um die Angaben in den „Fremdenlisten“ im Heidelberger Journal. Andere Quellen (wie den Briefwechsel) habe ich nicht ausgewertet, sodass wichtige Fragen offen bleiben, insbesondere die nach Heidelbergbezügen in Andersens Werk.