Mundartforschung
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Der Bearbeiter eines Mundartwörterbuchs ist manchmal im Zweifel, ob er diejenigen,
für die er „auch" zu schreiben glaubt, denn überhaupt erreicht, ob sie wissen, wo sie
in sprachlichen Zweifelsfällen Auskunft finden könnten, oder ob er nicht vielleicht
,,nur" für die Kollegen arbeitet.
Dieser Aufsatz soll daher nicht nur den Fachmann, den Dialektologen, ansprechen,
sondern er will besonders die Anrainer, Vertreter anderer, historisch oder philologisch
arbeitender Disziplinen, auf nützliche Arbeitsmittel aufmerksam machen
und ihnen einen Überblick über Bestehendes, einen Einblick in Aufbau und Voraussetzungen,
Zielsetzung und Besonderheiten der Dialektwörterbücher des alemannischen
Sprachraums geben.
In der Öffentlichkeit werden die beiden Begriffe »Badisch« und »Schwäbisch« oft gegenübergestellt, doch führt dies zu einem falschen Bild, da »Schwäbisch« ein sprachlicher, »Badisch« dagegen ein politischer Begriff ist. Es gibt keine einheitliche badische Mundart, sondern nur Mundarten in Baden. Und diese sind extrem unterschiedlich, denn das Unterostfränkische in der äußersten Nordostecke und das Hochalemannische in der Südwestecke Badens haben nur noch wenige sprachliche Gemeinsamkeiten.
Hätten Sie gedacht, dass Sie bei der Fahrt durch das altbadische
Oberrheintal von Karlsruhe nach Basel mindestens drei große
Mundartlandschaften durchqueren und Dutzende von Mundartlinien überschreiten? Statt der schnellen Autofahrt von
2 Stunden 13 Minuten können Sie aber auch das langsamere
Fahrrad für die von Google maps auf 197 km berechnete Strecke vom Karlsruher Schlossplatz bis zum Basler Barfüßerplatz
benutzen – und ganz nebenbei die Mundartsprecher in den
Dorfwirtschaften beim Bier oder Wein belauschen. Natürlich
können hier nicht alle typischen mundartlichen Lautungen
und Wörter aufgelistet werden, sondern einige besonders wichtige, die einen kleinen Einblick in den lautlichen, grammatischen und lexikalischen Reichtum der Mundarten am Oberrhein geben sollen.
Seit ihrer frühen Geschichte verfügt die deutsche Sprache über vielfältige Lehnbeziehungen zu anderen Sprachen. Bereits in den ersten Jahrhunderten n. Chr., in einer
Zeit also, für die noch gar nicht von einer deutschen Sprache die Rede sein kann,
wirkten schon das Römische/Lateinische und das Keltische auf die germanischen
Dialekte ein. Zwischen dem 8. und dem 11. Jahrhundert, in althochdeutscher Zeit,
stammten die stärksten fremdsprachlichen Einflüsse weiterhin aus der mittlerweile
überregionalen Hochsprache Latein und aus anderen romanischen Sprachen. Dieser
Einfluss blieb auch in mittelhochdeutscher Zeit erhalten, denn Latein war weiter
äußerst bedeutsam, aber auch französische, niederländische, italienische, slawische
und orientalische Einflüsse auf das Mittelhochdeutsche sind in einem je unterschiedlichen Ausmaß im Wortschatz nachweisbar. Während heute die englischen Einflüsse
auf die deutsche Sprache dominieren, hielten noch im Frühneuhochdeutschen und in
der jüngeren Sprachgeschichte bis ins 20. Jahrhundert die lateinischen und französischen Spracheinflüsse lange an.
Die neuere Forschung zu den süddeutschen Mundarten zeigt also, dass der jeweilige Ortsdialekt
nicht das einzige sprachliche Register ist, das deren Sprechern zur Verfügung steht. Zwischen
Grundmundart und dem „richtigen“ Schriftdeutsch nutzen die Franken, Alemannen und Schwaben
in Nord-Baden-Württemberg eine Vielzahl von sprachlichen Stufen, unter denen sie je nach
Gesprächspartner, -ort und -situation variieren können. Die Kommunikationsreichweite hat sich
in den letzten Jahrzehnten stark vergrößert – man spricht nicht mehr nur mit den Leuten aus
dem Heimatort, sondern findet sich immer öfter unter Ausnutzung der eigenen sprachlichen Variantenvielfalt
auch mit „Auswärtigen“ Dialektsprechern im Dialog oder mit solchen, die lediglich
einen leicht von der Standardsprache abweichenden Akzent besitzen.
Die bisher vorhandenen kleinräumigen Unterschiede innerhalb der Mundartgebiete und zwischen
den einzelnen Dialektregionen in Nord-Baden-Württemberg mögen dadurch verschwimmen.
Ein immer wieder befürchtetes Aussterben des Dialekts ist dennoch nicht zu erwarten.
„Kleinräumige sprachliche Gebrauchsmuster“ werden zwar immer mehr in den Hintergrund gedrängt
und zugunsten solcher Formen aufgegeben, „die eine regionale oder überregionale Verbreitung
aufweisen“.26 Innerhalb dieser größeren geografischen Räume bleiben sicherlich auch
in näherer Zukunft dialektale Merkmale im Bereich der Lautung, der Grammatik und des Wortschatzes
erhalten.
Das Lateinische als abendländische Bildungssprache schlechthin, ist von
den Vulgärsprachen erst in einem langwierigen und auch heute noch nicht völlig
abgeschlossenen Prozeß ersetzt worden. Dieser Ablösungs- und Emanzipationsprozeß
lief im romanischen Sprach- und Kulturkreis anders als im germanischen
und slavischen ab, differierte fernerhin je nach Textsorte und Verwendungszusammenhang,
nach Raum und Zeit. Aus dieser skizzierten überaus komplexen
Sachlage ergeben sich einige allgemeine methodische Konsequenzen für die künftige
Arbeit. Ausgangspunkt wird zunächst eine allgemeine Darstellung der Theorie
der lingua vulgaris im Mittelalter sein müssen, wobei die Lehre von den drei
Sakralsprachen im Mittelpunkt zu stehen hat. Einschlägige Zeugnisse sind bisher
lediglich für die Karolingerzeit gesammelt und ausgewertet. Für die Folgezeit
liegen keine systematischen Untersuchungen vor. Auf diesem Hintergrund
haben die Einzelphilologien - in Zusammenarbeit mit den historischen Disziplinen
- empirische Untersuchungen durchzuführen, die wegen der Materialfülle
nur durch strenge Begrenzung des Objektrahmens förderlich sein können.
Während die Erforschung der frühmittelalterlichen Ortsnamen seit jeher als ein
wichtiges Arbeitsfeld der Mediävistik gilt und Historiker und Philologen immer
wieder zu fruchtbarem Dialog und oft auch zu intensiver Zusammenarbeit anregte,
kann dies von der Beschäftigung mit den zahlreich überkommenen frühmittelalterlichen
Personennamen nicht in gleichem Maße festgestellt werden.
Und es ist gewiß kein Zufall, daß die Neubearbeitung des Altdeutschen Namenbuches
von Ernst Förstemann, die seit 1967 von Bruno Boesch koordiniert wird, sich zunächst auf die Ortsnamen konzentrierte. Denn die Erfassung der Personennamen
zu einem Personennamen-Förstemann ist bei weitem noch nicht so
weit gediehen, wie es bei den Ortsnamen doch aufs Ganze gesehen der Fall ist.
Die Ortenau
(1988)
Die geographische, kulturelle und geschichtliche Verbundenheit des Elsaß mit
Baden manifestiert sich in der Gleichartigkeit der Mundarten rechts und links
des Rheins. Wenn Theodor Frings von der Korrespondenz der Dialektlandschaften
rechts und links des Rheins spricht (1926, S. 184 ), dann trifft dies
nicht nur auf den Nieder- und Mittelrhein, sondern auch auf den mittelbadischen
Oberrhein zu.
Eugen Gabriel hatte mich ursprünglich eingeladen, etwas über jene Sprachform
zu referieren, die neben den Basisdialekten im Sprachatlas von Bayerisch-Schwaben
(BSA) erforscht wird, nämlich über das gesprochene Schriftdeutsche unserer
Gewährsleute. Obwohl wir die zugrundeliegenden Tonbänder schon eng transkribiert
haben - es sind immerhin zwischen 30 und 35 Stunden Vorlesesprache -
und obwohl ich weiß, daß es von einem bestimmten Standpunkt aus opportuner
wäre, den Erwartungen des Wissenschaftsbetriebes zu entsprechen und die ersten
Karten eines Zwei-Situationen-Atlasses zu präsentieren (vgl. KöNIG 1989, S.
251f.; ausführlichere Literaturangaben siehe Seite 268), haben wir uns entschlossen,
beim BSA zunächst Karten zum Grunddialekt zu produzieren, von denen wir
Ihnen heute ein paar vorführen wollen.
Beschäftigt man sich als Dialektologe mit dem Bodenseeraum, sieht man sich
sogleich vor einer ganzen Reihe von Schwierigkeiten. Da ist einmal die Frage der
dialektalen Zugehörigkeit des Gebietes: läßt es sich in seiner Stellung zwischen
dem Schwäbischen und dem Südalemannischen (Schweizerdeutschen) einem
dieser beiden Teilräume des Alemannischen zuordnen, oder ist es nur ein Übergangsgebiet,
oder handelt es sich um ein eigenständiges Sprachgebiet, und wenn
ja: welches sind dann die besonderen Charakteristika dieser Sprachlandschaft?
Der Bodenseeraum ist bekanntermaßen Grenz- und Übergangszone so wichtiger
Lauterscheinungen der deutschen Mundarten wie der "neuhochdeutschen
Diphthongierung", der Entrundung der gerundeten Palatal vokale, der k- Verschiebung
und der Zweisilberdehnung in offener Silbe (bllöe, hüs/bleiba, hous 'bleiben,
Haus'; müslmfs 'Mäuse', xind/khind 'Kind' und stiiba/stüba 'Stube'). Aber diese
Dinge sind vielfach in Fluß gekommen. Wir stehen somit in einem Problemraum
ersten Ranges und mitten in der Gliederungsproblematik des gesamtalemannischen
Sprachraums.