Heft 2
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Schlagworte
Wann und wo wir auch über die große
politische Geschichte informiert werden,
Fakten und Interpretationen uns wichtige
Zusammenhänge erkennen lassen – es drängt
uns, darüber hinaus von menschlichen
Schicksalen zu erfahren: wie erlebte der
Einzelne diese „großen Zeiten“, damals wie
erst gestern.
Darum sind persönliche Zeugnisse wichtig,
und so liest man mit Anteilnahme in einer
Briefsammlung von Georg Richter unter dem
Titel „Liebstes bestes Clärchen“, 1982 erschienen
und wohl kaum mehr greifbar, die Niederschriften
aus den Jahren 1792 bis 94, eine aufregende
Zeit für die Stadt Karlsruhe, in der
durch Badens Nachbarschau „ein Franzosenlärm
nach dem anderen“ verursacht wurde, „so
dass die Karlsruher vielfach flüchteten“. Denn
1792 hatten sich Österreich und Preußen
gegen die Revolution in Frankreich verbündet,
der I. Koalitionakrieg war ausgebrochen, und
da es sich um einen „Reichskrieg“ handelte,
nahm auch die Markgrafschaft Baden daran
teil. Nach der vergeblichen „Kanonade von
Valmy“ und dem Rückzug der Koalitionsarmeen
griffen nun die Franzosen über den
Rhein. Diese Kanonade wurde von „Kriegsberichterstatter“
J. W. Goethe ausführlich
beschrieben, dem Onkel unserer Briefschreiberin.
Badens Präsenz
(2009)
Im 57. Jahr nach der Gründung Baden-Württembergs und im 100. Jahr der Existenz des Landesvereins
Badische Heimat halten wir es für selbstverständlich, dass unsere Zeitschrift der Frage der
aktuellen Präsenz Badens nachgeht: Wo und wie ist Baden in Baden-Württemberg auch heute
(immer noch) präsent?
Die Frage nach der Präsenz Baden ist auch eine Frage der politischen Deutungskultur. Nur wenn
sich Baden in Baden-Württemberg selbstbewußt positioniert, wird es weiterhin präsent sein. Zu
dieser Präsenz gehört unserer Ansicht nach vor allem Wahrnehmbarkeit. Nur was kontinuierlich
wahrgenommen wird, existiert auch im Bewusstsein der Menschen und trägt zu ihrer Identitätsbildung
bei.
Die Redaktion der Badischen Heimat beginnt zum Jubiläum in diesem Heft eine Serie von
Beiträgen, die die Präsenz Badens an einzelnen Beispielen darzustellen versucht. Wir stellen drei
Institutionen vor, die vom Ursprung her badisch sind und ganz wesentlich auch heute noch zur
badischen Identität beitragen: Das Generallandesarchiv als Hüter der Quellen und Sachwalter der
badischen Geschichte, die Badische Landesbibliothek mit ihren Handschriften als badisches Kulturerbe
von Rang und das Badische Landesmuseum mit der Ausstellung regionaler Kultur Badens im
Dialog. An erster Stelle der Serie „Badens Präsenz“ steht natürlich das Badnerlied, das bei vielen
Anlässen gesungen, bis auf den heutigen Tag das Zugehörigkeitsgefühl zu Baden ausdrückt.
Karlsruhe ist nach Freiburg die zweite
Station der Wanderausstellung „100 Badische
Jahre“. In Freiburg wurde die Ausstellung
zuerst gezeigt, weil dort die Badische Heimat
gegründet und nach dem Zweiten Weltkrieg
wiedergegründet wurde. Am 23. April 2009
wurde die Ausstellung unter der Obhut der
Karlsruher Regionalgruppe, ihrem Vorsitzenden
Hans-Jürgen Vogt und der Stellvertretenden
Vorsitzenden Elisabeth Schraut im
Foyer des Badischen Landesmuseums Karlsruhe
eröffnet. Etwa 200 Gäste waren gekommen,
um die Ausstellungseröffnung in angemessenen
Rahmen zu feiern.
Unter Bruchsals Straßen
(2009)
Die historisch bedeutsame Stadt Bruchsal
liegt am Austritt des Saalbaches aus dem
Kraichgauer Hügelland in die oberrheinische
Tiefebene. Der Nordteil der mittelalterlichen
und heutigen Stadt mit Marienkirche und
bischöflicher Burg befindet sich auf einer
flachen, in die Niederung ausgreifenden Geländezunge.
Südöstlich schließt lange Zeit durch
das versumpfte Saalbachbett getrennt die im
Gelände ansteigende Siedlung um die Peterskirche
an.
Entlang des Westrandes des Kraichgauer
Hügellandes verlief eine unter dem römischen
Kaiser Trajan etwa 100 n. Chr. angelegte römische
Straße. Bruchsal befindet sich unweit
dieser vermutlich auch im Mittelalter genutzten
Verkehrsachse, die von Basel über Ladenburg
nach Mainz führte. Die verkehrsgünstige
Lage begünstigte im Mittelalter das Entstehen
einer Markt- und Zollstelle in Bruchsal.
Schriftliche Nachrichten hierfür liegen jedoch
erst ab dem Spätmittelalter vor.
Als Zweiflüssestadt spielte Mannheim
schon seit seiner Gründung eine gewisse Rolle
für die Rheinschiffahrt. Ab Mitte des 19. Jahrhunderts
konnte sich die Kommune dann zu
einer der wichtigsten deutschen Hafenstädte
im Binnenland entwickeln. Die Quadratestadt
war im Laufe ihrer Geschichte aber nicht nur
als Umschlagplatz für die Flußschiffahrt von
Bedeutung. Mit der „Schiffs- und Maschinenbau
AG“, umgangssprachlich „Schimag“ abgekürzt,
besaß die Stadt an Rhein und Neckar im
19. und 20. Jahrhundert eine wichtige Schiffswerft,
die im Laufe ihres rund 80jährigen
Bestehens die unterschiedlichsten Schiffstypen
produzierte. In seiner Werbung bezeichnete
sich das Unternehmen in den 50er Jahren des
vergangenen Jahrhunderts selbst stolz als
„Größte Binnenschiffswerft in Deutschland“.
Was haben die Menschen vor rund 300
Jahren für Kleidung getragen? Bei den Gedanken
dazu überlegen wir, wie die Vorfahren z. B.
gekocht und gewaschen haben, wie die Urahnen
einst die Ernte einbrachten oder im Wald
arbeiteten. Alter Hausrat wird gesammelt,
liebevoll gepflegt, oft auch wieder funktionsfähig
gemacht und voll Stolz gezeigt und vorgeführt.
Dabei wird allerdings zumeist an
einem recht idealisierten Bild der „guten alten
Zeit“ gestrickt. In der Realität wird das Leben
unserer Altvorderen aber sicher nicht so einfach
und schön gewesen sein. Ein wichtiger
Aspekt bei all diesen Überlegungen, wie es
denn früher so war, ist aber auch die Frage der
damaligen Kleidung. Bauer und Bäuerin waren
zum Teil mit der Herstellung ihrer eigenen
Kleidung selber beschäftigt. Selbst gepflanzter
Flachs und Wolle aus dem eigenen Schafstall
verarbeiteten sie nach vielen mühevollen
Arbeitsgängen schlussendlich am eigenen
Webstuhl oder Spinnrad. Dieser aufwändige
Prozess beschäftigte unsere Vorfahren einen
großen Teil ihres Lebens. Nicht nur für die
gute Kleidung, auch für die normale Werktagsund
Arbeitskleidung musste gesorgt werden.
Für diejenigen, die sich die Stoffe dazu besorgen
mussten wurde vorgeschrieben, möglichst
billige Ware einzukaufen. Nur dem Adel und
den reicheren Bürgern waren die besseren und
wertvolleren und damit auch teureren Produkte
vorbehalten.
Das Glas … fängt das Licht ein und spielt
mit ihm, aber es hält es nicht auf. Es vollbringt
das Wunder von erstarrter Luft und von trockenem
Nass. Der Glasbläser … flößt dieser
Traummaterie Leben ein und schenkt ihr mit
unglaublicher Geschicklichkeit die verschiedensten
Formen. Sie passt sich all seinen Launen
an, bläht, dehnt und rundet sich nach
seiner Phantasie. Geheimnisvolle Künste verleihen
ihr die schillernden Farben des Regenbogens
und der seltensten Edelsteine, die
Adern des Marmors, die Trübung der Wasser,
den Dunst der Wolken, die Glut der Morgenröte.
In den Händen anderer Schöpfer lässt es
sich schleifen wie Stein, ziselieren wie Silber,
stechen wie Kupfer, bemalen wie Leinwand
und emaillieren wie Porzellan.
Gateau, Die Glaskunst
Ein Kardinal aus Durlach
(2009)
Die Zweiteilung der badischen Markgrafschaft
in die Gebiete der Linien Baden-Baden
und Baden-Durlach im 16. Jahrhundert brachte
bekanntlich nicht nur politische, sondern
auch – viel stärker trennende – konfessionelle
Grenzlinien hervor. Baden-Baden blieb auf der
Seite der katholischen Kirche, Baden-Durlach
führte die Reformation ein. Im Kampf der
beiden konfessionellen Lager auf der Ebene des
Reiches hielt sich Baden-Baden eng an den
Kaiserhof in Wien und blieb damit bei einer
alten Tradition des badischen Hauses. Baden-
Durlach dagegen tat sich unter den evangelischen
Reichsständen durch besonderen
Eifer hervor.
Wer das 1967/68 neu erbaute Gasthaus
„Großbauer-Linde“ (Bild 1) in St. Georgen-
Stockwald besucht oder sieht, wird sich kaum
ein Bild von dem einstigen, noch bis vor
wenigen Jahrzehnten an diesem einsamen Ort
stehenden stattlichen Bauerngasthaus (Bild 2)
machen können. Ein Blitzschlag um die Mittagszeit
des 5. Juni 1966 legte das altehrwürdige,
bis auf den Sockel völlig aus Holz
erbaute Großbauernhaus innerhalb einer
Stunde in Schutt und Asche. Damit war
wieder einmal mehr ein sehr geschichtsträchtiges
regionales Denkmal bäuerlicher
Kultur unwiederbringlich ausgelöscht.
Geblieben sind außer Erinnerungen der unmittelbar
Betroffenen einige alte fotografische
Bilder und Zeichnungen. Insbesondere die
Fotografien vermitteln einen unverfälschten
Eindruck von dem einstigen bäuerlichen Gasthaus
und der Atmosphäre in den Räumen
dieses stattlichen Hauses; sie regten zu der
folgenden Rückschau an.
2009 jährt sich zum 80. Male das Bestehen
der St. Hedwig-Klinik in der Mannheimer
Innenstadt. Anlässlich dieses Jubiläums soll die
Gründungsgeschichte der den Einheimischen
vor allem als Geburtsklinik wohl vertrauten
Institution erstmals ausführlich dargelegt werden.
Die unter schwierigsten Bedingungen ins
Leben gerufene Einrichtung ist ein bis heute
lebendiges Denkmal der Wohltätigkeit in den
wirtschaftlichen Notzeiten der Zwischenkriegsjahre
und zugleich ein seltenes Beispiel
für die Umnutzung eines Patrizierhauses zu
einem Krankenhaus. Das Studium der gut
versteckten Akten der Klinik hat aufgezeigt,
dass der Mannheimer Prälat Joseph Bauer
diesem Projekt seine besondere Aufmerksamkeit
geschenkt hatte und bis zu seinem Tod tief
mit dem Haus verbunden blieb. Außerdem
wird erstmals die Rolle der tief religiösen Lanz-
Tochter Emily Bumiller dargelegt, einer heute
zu Unrecht vergessenen Wohltäterin, ohne
deren Engagement es die Klinik in dieser Form
niemals gegeben hätte.