69.2015
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Im 1758 eröffneten Schlosstheater feiert der Bühnenvorhang von Innocente Colomba
den strahlenden Gott Apoll auf einer Wolke im Reigen der Musen. Es ist eine
Allegorie auf den kunstsinnigen Herrscher, der den Ludwigsburger Hof in der Mitte
des 18. Jahrhunderts zu einem der glänzendsten in Europa machte und Künstler wie
Niccolò Jommelli oder den Ballett-Compositeur Jean-Jacques Noverre, wie auch berühmte Sänger und Tänzer – insbesondere junge Tänzerinnen, wie die Anekdoten
um des Herzogs blaue Schuhe zu erzählen wissen – unter seiner strahlenden, geldraubenden Schirmherrschaft versammelte. Man könnte das Bild auch anders deuten:
Melpomene, die singende Muse der Tragödie, Terpsichore, die Tanzende, Thalia, die
festliche Muse der Komödie, Euterpe, die Lyrische, Erato, die Amouröse, Polyhymnia
und Kalliope, die Musen der Dichtung und Philosophie, als vielgestaltige Inspiration
des schöpferischen Genies von Niccolò Jommelli, das während seiner Jahre am
württembergischen Hof zur höchsten Vollendung gelangte und ihn zu einem »Solitär
am Musenhof des Herzogs Carl Eugen« machte.
40 Jahre Remseck am Neckar
(2015)
Was sollte aus Ludwigsburg werden? Enttäuschung und Bitternis klang aus der Rede
von Oberbürgermeister Dr. Ulshöfer zur Feier der Stadtgründung am Abend des
17. Mai 1974. Die Gemeindereform ging ihrem Ende entgegen, und was hatte sie
Ludwigsburg gebracht? Von der ursprünglich geplanten Großstadt mit 133 000 Einwohnern war nur mehr ein »Sammelsurium von Halbheiten« übrig geblieben. Mit
Poppenweiler und Neckarweihingen war die einstige Residenzstadt schnöde abgespeist worden, weder Möglingen noch Tamm, noch Asperg waren ihr vergönnt. Und
jetzt schwand auch die Hoffnung auf Aldingen und Hochdorf. Dabei hatten doch
diese beiden Nachbarkommunen aus freien Stücken einen Eingemeindungsvertrag
unterzeichnet. Ulm, Heilbronn, Pforzheim waren zu Großstädten geworden; Sindelfingen und Böblingen würden noch folgen, falls sie fusionierten. »Ludwigsburg aber
wird zu einer mittleren Provinzstadt absinken«, warnte der Oberbürgermeister. Wenn
erst einmal die Phase dieser »sogenannten Reformen« vorüber sei, werde man die
Scherben des Vertrauens wegräumen und einen neuen Anfang in nachbarschaftlicher
Zusammenarbeit suchen müssen.
Zwangsehe statt Liebesheirat
(2015)
Am 19. Dezember 1975 schrieb Oberregierungsrat Oskar Behr, der langjährige Leiter
des Kommunalamts im Landratsamt Ludwigsburg, auf das Deckblatt einer dicken
Akte: »Mit der Wahl von Bürgermeister Fetzer am 7. Dezember 1975 in Eberdingen
ist im Landkreis Ludwigsburg die Gemeindereform abgeschlossen.« Und vermutlich
mit einem tiefen Seufzer der Erleichterung fügte er noch dazu: »Der ganze Vorgang
kann nun – endlich – zur Ablage in die Registratur.«
Im Gebiet des heutigen Landkreises Ludwigsburg wurde durch die Gemeindereform die Zahl der selbständigen Kommunen von 78 auf 39 halbiert. Die Eingemeindungen und Gemeindezusammenschlüsse erfolgten in der Regel auf freiwilliger Basis,
d.h. nach entsprechendem Beschluss durch die Gemeinderäte der betroffenen Kommunen. Lediglich in zwei Fällen hat der Landtag den Vollzug der Gemeindereform
gesetzlich bestimmt: Dies betraf zum einen den Zusammenschluss von Korntal und
Münchingen zur neuen Stadt Korntal-Münchingen und zum anderen den Zusammenschluss von Eberdingen, Hochdorf an der Enz und Nussdorf zur neuen Gemeinde Eberdingen.
Die Gemeindereform löste seinerzeit heftige Emotionen querbeet durch Orte und
Parteien aus. Diese Emotionen sind auch heute noch nachvollziehbar. Schließlich
ging es nicht nur um den Austausch von Ortsschildern, sondern zur Entscheidung
stand nichts weniger als die Frage, ob die Gemeinde ihre Aufgaben auch in Zukunft
eigenständig und aus eigener Kraft erfüllen soll und erfüllen kann oder ob dies nur
in Zusammenarbeit und in der Konsequenz im Zusammenschluss mit einer anderen
Gemeinde gelingen konnte.
Die sich später nach der Limpurg bei Schwäbisch Hall nennende Familie übte an den
Höfen der Stauferkönige das Schenkenamt aus. In manchem ihrer Wappen ist daher
ein Trinkgefäß zu sehen. Nach dem Ende der Stauferzeit gelang es den Schenken, die
dem Grafenstand angehörten, eine kleine Herrschaft aufzubauen. Es entwickelten
sich zahlreiche Haupt- und Nebenlinien mit mehr oder weniger stattlichen Burgen
im Limpurger Land. Noch heute ist das Limpurger Land bekannt als Teil des Schwäbisch-Fränkischen Waldes zwischen Kocher und Bühler; im Osten grenzt es an das
Ellwanger Gebiet, im Norden an Schwäbisch Hall und im Süden an die Lein. Als die
Familie 1690 mit Schenk Wilhelm Heinrich von der Gaildorfer Linie und 1713 mit
Schenk Vollrat von der Obersontheimer Linie ausstarb, gab es insgesamt zehn Erbtöchter. In einem komplizierten Erbgang ging das Limpurgische Erbe verschiedene
Wege. Hier ist lediglich von Interesse, dass Graf Christian Wilhelm Karl von Pückler
1737 eine Enkelin des letzten Schenken Vollrat heiratete, nämlich Gräfin Karoline
Christiane von Löwenstein-Wertheim, Tochter des Grafen Heinrich Friedrich von
Löwenstein-Wertheim (1682–1721) und der Amöna Sophie Friederike Gräfin von
Limpurg (1684–1746).
Im Angesicht des Terrors
(2015)
Wenn es gilt, dass die Stadt Vaihingen vom ersten bis zum letzten Tag in das nationalsozialistische Unrechtssystem eingebunden war, dann heißt das auch, dass sich die
Vaihinger Bevölkerung vielfach ganz konkret mit den Untaten des Dritten Reichs
auseinandersetzen musste und viele vor die Entscheidung gestellt wurden, wie sie
sich angesichts einer bislang unbekannten Abweichung vom kleinbürgerlichen Alltag
verhalten sollten. Und so vielgestaltig wie die Herausforderungen waren die Erfordernisse bzw. die Möglichkeiten, darauf zu reagieren.
Die Ermordung des österreichischen Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand und
seiner Gemahlin im bosnischen Sarajewo am 28. Juni 1914 durch einen serbischen
Nationalisten war zwar der Anlass, nicht aber die Ursache für den Ersten Weltkrieg.
Schon seit Jahren schien eine militärische Lösung der wachsenden politischen
Spannungen in Europa unvermeidlich. Für Österreich-Ungarn spielten dabei
der Interessenkonflikt mit Russland auf dem Balkan sowie die aggressive nationalistische Politik Serbiens eine zentrale Rolle; Österreich-Ungarn befürchtete den
Zusammenbruch der Monarchie, weshalb es der serbisch-russischen Expansionspolitik Einhalt gebieten wollte. Das Deutsche Reich indes hatte sich durch eine
ungeschickte Außenpolitik ins Abseits manövriert und die Bildung der »Entente
cordiale« zwischen Frankreich, Großbritannien und Russland nicht verhindern
können. Der Dreibund von Deutschland, Österreich-Ungarn und Italien war kein
stabiles Bündnis, nicht zuletzt wegen der italienischen Gebietsansprüche gegen
Österreich.
Die Donaumonarchie nahm das Attentat zum Anlass, mit Serbien abzurechnen,
wobei sie sich der Unterstützung des Deutschen Reiches sicher sein konnte. Das
von Österreich-Ungarn gestellte Ultimatum vom 23. Juli, das die Einbeziehung
von österreichischen Behörden bei den Ermittlungen gegen die Hintermänner des
Attentats und deren strafrechtliche Verfolgung vorsah, war für Serbien von vornherein unannehmbar. Allerdings konnte nie ein Zusammenhang zwischen dem
Attentat und der serbischen Regierung bewiesen werden. Da Serbien auf das
Ultimatum nicht einging, brach Österreich-Ungarn seine diplomatischen Beziehungen zu dem Balkanstaat ab. Nun mobilisierten beide Staaten ihre Streitkräfte,
wobei Serbien mit der Rückendeckung Russlands rechnen konnte. Schließlich erfolgte am 28. Juli die österreichisch-ungarische Kriegserklärung an Serbien, wenn
man so will aus veralteten Ehrbegriffen, einer versagenden Diplomatie und in Verkennung der Realitäten. Russland antwortete mit Mobilmachung, die sich nicht
nur gegen die Donaumonarchie, sondern auch gegen ihren Verbündeten Deutschland richtete.
Herzog Ulrich von Württemberg wurde 1503 mit 16 Jahren für mündig erklärt. Zunächst war er ein recht erfolgreicher Regent, denn im Bayerischen Erbfolgekrieg von
1504 konnte er sein Land im Westen, Norden und Osten wesentlich vergrößern. In
Marbach war man darüber besonders glücklich, denn Stadt und Amt wurden aus der
seit 1463 währenden Lehensabhängigkeit von der Pfalz gelöst.
Seine Hochzeit mit Sabina von Bayern feierte Ulrich unter anderem am 3. Mai 1511
mit einem glanzvollen Pferderennen in Marbach. Aufgrund des Erfolges wurde die
Veranstaltung 1512 wiederholt.
Herzog Ulrich war jedoch ein selbstherrlicher Regent, der bald seine enge Bindung an
den Kaiser und den Schwäbischen Bund vernachlässigte. Seine verschwenderische und
maßlose Hofhaltung brachte ihn in finanzielle Schwierigkeiten, die er auf Kosten der
Untertanen zu bekämpfen versuchte. Eine ungerechte Verbraucherabgabe sowie die Veränderung von Maß und Gewicht blieben nicht ohne Folge, zumal viele Bauern und Weingärtner nicht mehr nur das verarmte und unmündige Proletariat auf dem Lande waren,
sondern in vielen Bereichen mehr Mitspracherecht forderten. Die aufgeheizte Stimmung
entlud sich zuerst im Remstal. Von dort erfasste der Aufruhr des »Armen Konrad« im
Frühjahr 1514 in kürzester Zeit das ganze Land, so auch Marbach und Umgebung.
Seit dem späten 17. Jahrhundert verbreitete sich die neue Frömmigkeitsbewegung
des Pietismus in den protestantischen Territorien des Deutschen Reiches. Dazu
parallel lief eine radikale Strömung, die von der Überzeugung getragen war,
dass wahres Christentum nur außerhalb der verfassten Kirche möglich sei. Diese
Richtung wird in der historischen Forschung unter dem Begriff »radikaler
Pietismus« gefasst, während man im Herzogtum Württemberg allgemein vom
Separatismus sprach. Im Rahmen dieses Aufsatzes soll der radikale Pietismus
unter einer verengten Perspektive dargestellt werden, nämlich mit der Fokussierung auf Ludwigsburg und seine Umgebung. Obwohl es sich von der personellen
Stärke der Bewegung her gesehen nie um mehr als eine Randerscheinung handelte,
hat der radikale Pietismus in der württembergischen Kirchen- und Geistesgeschichte
tiefe Spuren hinterlassen. Die im Zentrum des Landes gelegene zeitweilige Residenzstadt Ludwigsburg konnte davon ebensowenig unberührt bleiben wie das
Umland.
Georg Kerner
(2015)
»Ich lebe vollkommen im Jetzt – nicht in der Vergangenheit und auch nicht in der
Zukunft.« – »Ich tue gern Dinge, die mir Angst machen.« – »Ich besitze ein beinahe
unkontrollierbar nervöses Wesen.«
»Die 8 Monate, die ich jetzo in [der] Toskana bin, sind die unruhigsten meines revolutionären Lebens – denn ich liege Tag und Nacht auf der Straße, und meine Reisen in
den letzten 2 Monaten sind ein wahrer und harter Winterfeldzug – dabei bin ich nur
krank, sobald einige Tage von Ruhe eintreten und befinde mich sogleich wiederum besser,
wenn es wieder zu Pferd geht. […] allein, lieber Gott, ich werde so bleiben, und das
Schicksal hat mich dazu verdammt, auf dem nämlichen Punkt mich herumzudrehen.«
Die ersten drei Zitate stammen von dem australischen Filmschauspieler Heath Ledger,
der 2008 mit 28 Jahren an einem Medikamentenmix gestorben ist. Das letzte Zitat
steht in einem Brief, den Georg Kerner 1799 an Louise Scholl, die Schwester seiner
ehemaligen Braut Auguste Breyer, geschrieben hat.
Diese Gegenüberstellung soll gleich zu Beginn die Ruhelosigkeit Georg Kerners
– und damit seine Modernität – aufzeigen. Er sei, meinte ein Freund, »einem Kometen
zu vergleichen, der eine Welt von elektrischem Feuer in sich trug«. Bei Kerner ging
es immer ums Ganze, ging es um Leben oder Tod. Sein Leben lang suchte er die
Gefahr – und dafür war er in die richtige Zeit geboren.
Niccolò Jommelli (1714-1774)
(2015)
Am 10. August 1753 langte in der württembergischen Residenzstadt Ludwigsburg
eine Kutsche an, der ein etwas korpulenter, 38 Jahre alter Italiener entstieg. Dieser hatte
zusammen mit einem Bediensteten soeben eine mehrwöchige Reise durch Mittel- und Oberitalien, über die Alpen und durch Süddeutschland hinter sich gebracht,
denn der Mann kam aus Rom: Es war der Komponist Niccolò Jommelli. Vermutlich
quartierte er sich zunächst in einem Gasthof ein und machte dann am württembergischen Hof Herzog Carl Eugen seine Aufwartung, der ihn mit besonderer Freude
empfing und sogleich in seine Dienste nahm. Acht Tage später, am 18. August 1753,
erging folgendes Dekret an das Oberhofmarschallamt: »Demnach Unsers gnädigsten
Fürsten und Herrns hochfürstliche Durchlaucht den auf einige Zeit aus Rom gekommenen Capellmeister Jommelli neben freyem Logis in Stuttgardt und Ludwigsburg
ein Species Ducaten zur täglichen Diät vor seine Persohn und vor deßen bey sich habenden Bedienten täglich 30 Kreuzer Costgeldt vom 10. August an gnädigst reguliret
haben, alß wirdt ein solches fürstlichem Oberhoffmarschallenamt nachrichtlich
hiemit in Gnaden ohnverhalten.« Herzog Carl Eugen sorgte also umgehend für
seinen Gast.
Natürlich gab es zur Reise Jommellis an den württembergischen Hof eine Vorgeschichte: Herzog Carl Eugen hatte zwischen Februar und Juni 1753 eine Italienreise
unternommen. Bei einem Aufenthalt in Rom hatte er Niccolò Jommelli kennengelernt. Dieser stand damals in Diensten des Vatikans und war als Vizekapellmeister an
der Peterskirche tätig. Die herausgehobene Stellung Jommellis macht deutlich, dass
er zu jener Zeit bereits ein arrivierter Künstler war.