136.2016
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„Ich wurde am 3. September 1896 in Gutenstein, jetzt Sigmaringen 4, geboren als Ältester von noch folgenden fünf Geschwistern“, beginnt Alfons Beil im Alter von 93 Jahren den zwei Seiten umfassenden kursorischen Überblick „Mein Lebenslauf“, der dem Manuskript „Aus meinem Leben. Erfahrungen, Zeugnisse und Fragen“ (Mai 1989) vorangestellt ist. Als 29-jähriger Vikar hatte er bereits am 7. April 1926 in Mosbach ein handschriftliches „Curriculum vitae“ mit seinen biografischen
Grunddaten angefertigt, ein Dreivierteljahr nach seinem dortigen Dienstantritt. Seine Unterschrift auf diesem Blatt versah er mit dem Zusatz „jr.“, der fortan in den Personalakten des Öfteren vermerkt ist zur Unterscheidung vom gleichnamigen Vetter, einem Sohn seines Onkels Philipp Jakob Beil.
(Kein) Ende der Debatte?
(2016)
Bei diesem Thema kann man sehr leicht sehr viel falsch machen – gerade jemand, der als katholischer Kirchenbeamter von vornherein unter dem Verdacht steht, parteiisch zu sein: Der Bistumsarchivar, der über einen Erzbischof spricht, kann doch eigentlich nichts anderes betreiben als Heiligengeschichtsschreibung? Wenn er hingegen versuchen wollte, unparteiisch zu sein, dann liefe er Gefahr, in die andere Richtung zu weit zu gehen, zu kritisch zu urteilen und letztlich das eigene Nest zu beschmutzen. Zumindest könnte dies aus katholisch-kirchlicher Sicht so wahrgenommen werden. Daher habe ich mich dazu entschieden, nicht direkt über Gröbers Verhältnis zum Nationalsozialismus zu sprechen, sondern über die Debatten, die darüber geführt wurden und werden. Das könnte als Drückebergerei verstanden werden, bietet sich so natürlich die Möglichkeit, auf eigene Stellungnahmen zu verzichten und nicht unbedingt die eine oder die andere Sichtweise zu vertreten. Andererseits besteht hierdurch aber die Chance, auch solche Perspektiven vorzustellen, die nicht die eigenen sind: Ich kann also die eine oder andere besonders Gröber-kritische Äußerung wiedergeben, umgekehrt aber auch solche Stimmen zu Gehör
bringen, die Gröber vielleicht sogar zu unkritisch verteidigen.
"Halb Kloster, halb Palast"
(2016)
Zwar waren es kaum zwei Jahre, die Bartholomä Herder – der 1774 in Rottweil geboren worden war – erst als Schüler, dann auch als Novize in St. Blasien verbrachte; aber sie haben ihn für immer geprägt. Das weithin bekannte, ja berühmte Kloster verfügte nicht nur über eine große Bibliothek, sondern auch über eine eigene Buchdruckerei und -binderei, deren Erzeugnisse in alle Lande gingen. In diese Welt trat Bartholomä selber ein, als er, nach manchen Umwegen, schon 1801 in Meersburg einen Verlag gründete, den er 1803 nach Freiburg verlegte; und als nach der Aufhebung von St. Blasien dessen Druckerei an die Universität Freiburg überging, hat Herder sie gepachtet, den Vertrieb der Werke übernommen und sich so „pietätvoll auch als Buchhändler noch in den Dienst des Erbes seiner Lehrer gestellt“. (In ähnlicher Weise setzten Joseph Kösel, der letzte Faktor des Klosters Kempten, und Franz Sales Benziger, der letzte Faktor des Klosters Einsiedeln, die Tradition in eigenen Verlagen fort.)
Es gibt kaum ein historisches Sachbuch, dem in den letzten Jahren ein solcher Erfolg beschieden gewesen ist, wie „Die Nonnen von Sant’Ambrogio. Eine wahre Geschichte“ aus der Feder des Münsteraner Kirchenhistorikers Hubert Wolf. Wolf schildert in der „exzellent recherchierte[n] Story“ im Stile eines Kriminalromans „die Geschichte der Prinzessin Katharina von Hohenzollern-Sigmaringen (1817–1893), die nach zweifacher Verwitwung und einem gescheiterten ersten Klosteraufenthalt [im Elsass, G.P.] auf Anraten ihres Beichtvaters, des [überaus konservativen, zum Mystizismus neigenden, G.P.] Kurienkardinals Karl August von ReisachIII, in das Kloster […] Sant’Ambrogio in Rom ein[tritt]“. Schon unmittelbar nach Beginn ihres Noviziats im Jahr 1858 sieht sich die Fürstin jedoch mit sittlichen und strafrechtlichen Vergehen in ungeahntem Ausmaße konfrontiert, die in Mordanschlägen auf ihre Person, einer spektakulären Flucht im Juli 1859 und letztlich sogar in der Aufhebung der Gemeinschaft gipfeln. Im Rahmen des in diesem Zusammenhang von Katharina angestrengten Inquisitionsprozesses treten massive strukturelle Probleme zutage. Insbesondere sexuelle Verfehlungen und disziplinarische Auswüchse scheinen in dem von der charismatischen Mystikerin Maria Agnese Firrao († 1854) um 1800 ins Leben gerufenen Konvent seit der Gründung üblich und somit systemimmanent gewesen zu sein.
Im 18. Jahrhundert wurden die Mönche moderner. Angeregt von den französischen Maurinern und infrage gestellt von Aufklärern verschiedener Couleur, verschoben vor allem die Prälatenorden, allen voran die Benediktiner, die Rechtfertigung ihres Daseins von weltabgewandter Frömmigkeit hin zu intellektueller Leistung für die Welt. Die neuere Forschung zu diesem Thema hebt unter Leitbegriffen wie „benediktinische Gelehrtenrepublik“ und „monastische Aufklärung“ eine von Mönchen getragene eigenständige Geisteskultur hervor, die im Humanismus und sogar noch im Mittelalter wurzelt und zugleich wesentliche Ansätze der Aufklärung aufnimmt. Durch die klösterlichen Netzwerke verbreitet sie sich über die höfischen und urbanen Zentren hinaus auch in den ländlichen Regionen Oberdeutschlands. Allenthalben sehen wir „enlightened monks“ am Lese- und Schreibpult, die sich die Ideen der Epoche anverwandeln. Sie sammeln Quellen und verfassen Kloster-, Bistums- und Landesgeschichten, die zu den bedeutenden Werken der Geschichtswissenschaft des 18. Jahrhunderts gehören; ihre Theologie lässt die jesuitische Scholastik hinter sich und wendet sich historisierend den
Kirchenvätern zu; sie bringen die Mathematik voran und konstruieren Maschinen und astronomische Uhren; die Äbte treiben Aufwand für Bibliotheken und Naturalienkabinette. Im Zusammenhang damit ergriff nach der Jahrhunderthälfte ein Geist der Kritik und der „Verdiesseitigung“ viele Benediktiner und verwandelte mancherorts die Konvente fast schon in bürgerliche Gelehrtenzirkel. Das Dilemma des Aufklärungskatholizismus zwischen Freisetzung schöpferischer Kräfte und
Verlust an religiöser Tiefe und konfessionellem Profil wird auch hier sichtbar.
Nach dem Dreißigjährigen Krieg galt es in erster Linie, die zerstörten wirtschaftlichen Grundlagen neu zu schaffen. Erst danach konnten auch Kirchen und Klöster darangehen, Zerstörtes wieder aufzubauen und neu auszustatten. Als End- und Höhepunkt dieser baulichen und der damit einhergehenden künstlerischen Entwicklung gilt die Zeit des Barock, die mit ihren kleinen und großen Kirchenbauten sowie mit ihren bescheidenen und mächtigen Klöstern gerade der oberschwäbischen Landschaft ihr Siegel aufgedrückt hat. Zeitgleich entfaltete sich auch die Malerei. Diese blieb über längere Zeit hinweg jedoch auf die Altar- und Tafelmalerei beschränkt. Erst mit der Entdeckung der mächtigen, rippenlosen Gewölbeflächen, entstehen ab etwa 1725 immer größere Malereien, die am Ende randlos die ganze Decke ausfüllen. Hier haben sich gute Künstler einen großen Namen gemacht. Ihr Werk fällt ins Auge. Die Tafelmalerei tritt zurück. Caspar Fuchs war und blieb ein Altarmaler. Er hat jedoch in seinen späteren Schaffens- und Lebensjahren die Anfänge dieser neuen Maltechnik noch miterlebt.
Als ich vor knapp 50 Jahren in Trient einen Einwohner der Stadt nach der „Chiesa del Concilio di Trento“ fragte und er mich zur Kirche „San Vigilio“ wies, meinte ich, er habe mich missverstanden, denn dass eine verhältnismäßig kleine Kirche Raum für ein Konzil geboten haben könnte, war mir nicht vorstellbar. Noch hatte ich das II. Vatikanische Konzil (1962–1965) in der Peterskirche in Rom in frischer Erinnerung. So musste ich lernen, dass eine kleine Zahl von Menschen im umgekehrt
proportionalen Verhältnis zu ihrem Erfolg stehen kann. Am Tag der Wiedereröffnung des Trienter Konzils, am 1. Mai 1551, hatten sich außer den drei vom Papst bestimmten Präsidenten nur 15 Mitraträger eingefunden. Mit allen anderen zusammen, den gelehrten Theologen, Mitgliedern des Domkapitels von Trient und Vertretern des Stiftsadels waren es kaum 50 Personen. Es fehlten die Vertreter des ganzen europäischen Nordens, Englands, Skandinaviens einschließlich Frankreichs, dessen Bischöfe erst knapp einen Monat vor der Schlusssitzung 1563 einzogen. Doch wenn „die Weltwirkung der Reformation“ (G. Ritter) unbestreitbar ist, so ist es die „Weltwirkung“ des Konzils von Trient nicht weniger. Mit ihm wird die Barockkunst, der liturgische Reichtum der Gottesdienste, des Brauchtums in den folgenden Jahrhunderten wie der Mut
für die Missionierung in den neu entdeckten Kontinenten in Verbindung gebracht. Kurz: die Kirche, wie wir sie bis zum II. Vatikanischen Konzil kannten, verdankt ihr Bild der Reformation! Neuer Wind begann wieder zu wehen. Siegeszuversicht breitete sich aus. Und wenn wir heute dem letzten katholischen Abt des ehemaligen Benediktinerklosters St. Georgen, Johannes V. Kern (1530–1566), und dem Konzil von Trient unsere Aufmerksamkeit zuwenden, so machen uns Akten – altbekannte und neu gefundene – die dramatische Geschichte unserer Heimat bewusst.
Bildzeugen der Pest, die an vielen Orten gesehen werden können, sind Pestkreuze, Bildstöcke und Pestsäulen. Aber auch Grabsteine von Personen, die an der Pest gestorben sind, Friedhöfe und nicht sehr häufig Pestsärge. Allerdings muss festgestellt werden, dass viele dieser Denkmale verschwunden sind. Um auf die Überschrift einzugehen, muss zu diesem Vers gesagt werden, dass es solche Grabsteine mit diesem oder ähnlichem Text gibt, trotzdem wird es sich meistens um eine
Wandersage handeln. Das Gegenteil beweist das Grabkreuz von Berg bei Ravensburg. Im alten Friedhof um die Peter-und-Paul-Kirche steht ein Pestkreuz, das einem gewohnten Grabkreuz gleicht. Aber an diesem lässt sich ein Gehäuse öffnen. Im Innern steht an der Rückwand der Spruch geschrieben: „ACH, DASS GOTT ERBARM, 70 IN EINEM GRAB † 1628.“ Am 23. Juni dieses Jahres starb in Berg das erste Pestopfer (Abb. 1 und Abb. 2, siehe Bilder auf Seite 33).