49.2007
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Auch Lahr hat seine große literarische Epoche gehabt. Es war die Zeit, als Ludwig Eichrodt nach Lahr kam. Er war 1871 zum Oberamtsrichter am Amtsgericht ernannt worden und schrieb in seinen Mußestunden jene humorigen Lieder für das Allgemeine Deutsche Kommersbuch, die bei den deutschen Studentenschaften so großen Anklang fanden. Um ihn scharten sich Lahrer Autoren, die schon zuvor etwas bekannt geworden waren, Friedrich Geßler eben, der sich schon als Zweiundzwanzigjähriger durch die Entdeckung des Grabes von Friederike Brion und durch das Friederike Album, mit dem die Errichtung einer Gedenkstätte in Meißenheim finanziert werden sollte, einen Namen gemacht hatte. Dazu kam Ludwig Auerbach, der aus Pforzheim stammte, aber in Seelbach eine Stofffabrik betrieb, zwar noch wenige von seinen Gedichten veröffentlicht hatte, aber später mit dem Lied O Schwarzwald, o Heimat, wie bist du so schön so etwas wie eine badische Nationalhymne dichtete. Das Dreigestirn in Lahr erwarb sich so viel Ansehen, dass Viktor von Scheffel, der renommierte Erfolgsschriftsteller, von Lahr als dem „Schutter-Athen“ sprach - ein uns heute eher befremdendes Lob, das aber doch anzeigt, dass man die eigene Kultur am Maßstab der Vorbild gebenden antiken Kultur maß.
Von Napoleon gefürstet
(2007)
Am 12. Juli 1806 unterzeichneten 16 süd- und westdeutsche Herrscherhäuser mit Napoleon die Rheinbundakte. Mit der Bildung des Rheinbundes traten die Mitgliedsstaaten aus dem Heiligen Römischen Reich aus, das kurz darauf mit der Niederlegung der Kaiserwürde durch Franz II. sein förmliches Ende fand. Zu den Mitgliedsstaaten des Rheinbundes gehörte auch das Territorium Hohengeroldseck, die Herrschaft des Grafen Philipp von der Leyen. Mit der Unterzeichnung der Rheinbundakte wurde Philipp von der Leyen souveräner „Fürst von der Leyen, Graf zu Hohengeroldseck“. Man wundert sich! Was waren die Gründe, die dazu führten, dass die kleine, politisch völlig unbedeutende Grafschaft Hohengeroldseck in den Rheinbund aufgenommen wurde? War Philipp von der Leyen ein kluger politischer Kopf oder verdankte er seinen Fürstentitel ausschließlich einflussreichen Beziehungen?
Das Jahr 1806 findet zur Zeit eine außergewöhnliche Beachtung in der Öffentlichkeit: bundesweit, aber auch im deutschen Südwesten erinnern zahlreiche Gedenkartikel in den Medien und weithin beachtete Ausstellungen (Berlin, Magdeburg, Karlsruhe, Rastatt, Sigmaringen usw.) sowohl an das Ende des „Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation“ als auch an die Gründung des Rheinbundes am 12. Juli 1806, eines Zusammenschlusses von meist süddeutschen Klein- und Mittelstaaten unter dem Schutz von Napoleon Bonaparte. Die Rheinbundstaaten waren wenige Wochen zuvor aus dem Staatsverband des Reiches ausgetreten und hatten sich von Kaiser und Reich losgesagt. Zu den 16 Gründungsmitgliedern zählten im deutschen Südwesten neben den Häusern Baden, Württemberg, Hohenzollern-Hechingen, Hohenzollern-Sigmaringen und Hessen-Darmstadt auch das Haus von der Leyen. Der Graf von der Leyen stand nun dem kleinsten Rheinbundstaat vor, einem Miniterritorium von ca. 4.000 Einwohnern in sieben Dörfern und trug von nun an den Titel: „Wir von Gottes Gnaden Fürst von der Leyen, Graf von Hohengeroldseck, Herr zu Ahrenfeld usw.“. Seelbach wurde somit Residenz, das Schloss Dautenstein gleichsam Residenzschloss.
Die Geschichte Badens ist über Jahrhunderte gut dokumentiert. Die Archive sind gefüllt, Personen und Ereignisse sind teilweise bis ins Kleinste erforscht. Eine Gestalt aus der badischen Geschichte aber gibt der historischen Forschung bis heute Rätsel auf. Es ist der tollpatschige junge Mann, der an Pfingsten 1828 in Nürnberg auftauchte, nur schwerfällig sprechen, aber flüssig seinen Namen aufschreiben konnte: Kaspar Hauser. Wer sich näher mit Kaspar Hauser beschäftigt, wird auf zwei Schwierigkeiten stoßen: auf ungewöhnliche Lücken in den Beständen der Historiker und auf die Weigerung, verfügbare Daten zugänglich zu machen. Einer Antwort auf die seit über eineinhalb Jahrhunderten ungeklärte Frage, wer Kaspar Hauser war - ein Betrüger oder der badische Erbprinz - kann man daher nur näherkommen, wenn man die zugänglichen Indizien und Daten genau untersucht und sie neu auswertet.
Vom Ruster Amerika
(2007)
Denkt man an den Begriff „Amerika“, so verbindet man mit ihm einen Erdteil und sucht diesen auf einem Globus oder einer Weltkarte. Nur wenige Menschen kämen auf den Gedanken, auf einer Flurkarte der Gemeinde Rust nachzusehen. Aber genau dort am nördlichen Rand der Gemarkung, an die von Kappel grenzend, liegt das Gewann „Amerika“. Zur Herkunft und Bedeutung dieses Flurnamens gibt es im Ort verschiedene Erklärungsversuche. So wird beispielsweise gesagt, dass dort die Auswanderer des 19. Jahrhunderts nach Amerika die Boote bestiegen hätten, um auf dem Taubergießen über den Rhein nach Holland zu gelangen, von wo aus die Reise in die neue Heimat beginnen sollte. Doch ein Blick auf eine zeitgenössische Karte zeigt, dass dieser Erklärungsversuch wenig tauglich ist, denn es gibt Einstiegsstellen, die näher am Dorf liegen. Warum sollte man also an das Ende der Gemarkung fahren, wenn man es näher und bequemer haben konnte. Allerdings gibt uns die Verbindung zu den Auswanderern einen Hinweis. Er führt uns jedoch nicht zu jenen Menschen, die im Zuge der großen Auswanderungswelle Mitte des 19. Jahrhunderts ihre Heimat verlassen haben, denn bereits auf einer 1828 erschienenen Rheinlaufkarte lässt sich die Bezeichnung „Nord-Amerika“ finden. Wenn also ein Zusammenhang zwischen dem Flurnamen und Auswanderungen besteht, dann weist er auf die Jahre 1816/17 hin.
Ein recht altes Dokument, das einige Informationen über die Stadt Ettenheim birgt, liegt in den Archives Departementales du Bas-Rhin in Straßburg und stammt aus dem Jahr 1312. Es wird im Findbuch unter „Kaufbrief des Amtmannes Burkhardt zu Ettenheim“ aufgeführt. Dieser Kaufbrief ist auf Pergament geschrieben und hat eine Größe von 37 cm auf 52,5 cm. Die Siegel sind leider abgerissen und fehlen. Zu diesem Original liegt eine Übersetzung „Fidimirte Copey. Kauffbrieffs Burckhardten Fustungs deß Amptmanns zue Ettenheim, Gegen Herren Rudolphes von Dellmeßingen Thumbherren der Kirchen zue Straßburg. Über Güetter, Äcker, Jaucharten, Matten, Zinß unnd Gartten“ vor, die „Georg Meyer vonn Hagennauw Straßburger Bistumbs, auß Römischer Keiserlicher Mayestat authoritet und gewaltsam, Offner geschworner Notarius, mit disser manier Eignen Hand“ erstellt hat. Diese Übersetzung wurde der Schrift nach im 16. oder 17. Jahrhundert angefertigt. Auch die Verwendung des Wortes „wydembs“ statt der in früheren Jahrhunderten üblichen Form „widern“ weist in diesen Zeitraum.
Die Deportation von 5.617 jüdischen Kindern, Frauen und Männern in Baden am 22. und 23.10.1940 war von langer Hand vorbereitet gewesen. Die jüdische Bevölkerung in Baden wurde von der Gestapo und SS-Einheiten mit Fahrzeugen der Wehrmacht zu Sammelplätzen gebracht und von dort aus über Belfort in das unbesetzte Frankreich abgeschoben. Der Chef der Sicherheitspolizei, Heydrich, Berlin, meldet am 29.10.1940 dem Auswärtigen Amt in Berlin: „Der Führer ordnete die Abschiebung der Juden aus Baden über das Elsass und der Juden aus der Pfalz über Lothringen an. Nach Durchführung der Aktion kann ich Ihnen mitteilen, dass aus Baden am 22. und 23.10.1940 mit 7 Transportzügen und aus der Pfalz am 22.10.1940 mit 2 Transportzügen 6.540 Juden im Einvernehmen mit den örtlichen Dienststellen der Wehrmacht, ohne vorherige Kenntnisgabe an die französischen Behörden, in den unbesetzten Teil Frankreichs über Chalon-sur-Saone gefahren wurden. Die Abschiebung der Juden ist in allen Orten Badens und der Pfalz reibungslos und ohne Zwischenfälle abgewickelt worden. Der Vorgang wurde von der Bevölkerung kaum wahrgenommen.“
Frieda Unger
(2007)
Als ein „Zeitalter der Extreme“ hat der Historiker Eric Hobsbawm das 20. Jahrhundert einmal bezeichnet. Dementsprechend neigen wir dazu, auch im Rückblick die Menschen dieses Jahrhunderts „extrem“ zu beurteilen - wir suchen nach den Guten oder den Schlechten, nach schwarz oder weiß, Grautöne scheint es nicht zu geben. Das hat natürlich auch damit zu tun, dass wir Geschichte häufig unter letztlich moralischen Gesichtspunkten betrachten und dabei ganz automatisch die tendenziell zweiwertige Logik und Ethik des Abendlandes anwenden: Entweder, etwas ist gut oder etwas ist schlecht, ein Drittes scheint es nicht zu geben. Die Wirklichkeit aber ist anders. Luther etwa war ein überzeugter Antisemit, Männer des Widerstandes vom 20. Juli nahmen am Völkermord in Osteuropa teil. Paulus war zuvor ein Saulus, Josef Stalin besiegte immerhin den Faschismus. Die katholische Kirche rechtfertigte den Völkermord an den Indianern Südamerikas, Willy Brandt die Berufsverbote, Bismarck die Bombardierung Paris' und die islamische Hisbollah unterhält ein segensreiches Netz der Caritas und sozialen Hilfe. Endlos könnte man so weiter machen, um am Ende festzustellen: Nicht Schwarz oder Weiß ist die Welt, sondern grau, in den mannigfaltigsten Abstufungen.
Viele Chroniken der Orte, die an der Schutter liegen, berichten immer wieder, wie sehr der Fluss in den vergangenen Jahrhunderten, vor allem bei dem gefürchteten plötzlich auftretenden Hochwasser das Leben sowie Hab und Gut der Anwohner ruinierte. Viele Aufzeichnungen enthalten Berichte, dass bei den Überschwemmungen Häuser zerstört, Ernten vernichtet worden, Feldfrüchte verdarben und Felder und Wiesen durch das flache Gefälle von durchschnittlich 7% nur langsam abfließende Wasser verschlammten. Und dabei ist die Schutter auf ihrem 55 Kilometer langen Weg von ihrer Quelle unterhalb des Hünersedel bis zu ihrer Mündung in die Kinzig, wenige Kilometer bevor diese bei Kehl in den Rhein mündet, eigentlich ein Fluss, der bei Lahr den Schwarzwald verlassen hat, gemächlich durch die Oberrheinische Tiefebene fließt und dabei eine gewisse Idylle vermittelt. Unterwegs stauen zahlreiche Einbauten für Mühlen und zu anderen Wassernutzungen sein Nieder- und Mittelwasser. Bei Hochwasser sind die lichten Weiten dieser Einbauten und der teilweise an den Mühlen vorhandenen Umlaufkanäle nicht weit genug, um die Wasserwellen ohne erhebliche Stauwirkung ableiten zu können. Hinzu kommt, dass für das geringe Gefälle die schadlose Abführung der Hochwässer das Profil des gesamten Wasserlaufs erheblich zu eng ist.