13.2009
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Heidelberga imaginaria
(2008)
Wenn die Bedeutung der Stadt Heidelberg Thema ist, sei es in einem beiläufigen Gespräch oder in einschlägiger Literatur, wenn man also das Besondere der Stadt in Worte fassen will, mag auf die bekannten Sehenswürdigkeiten verwiesen werden: auf das Schloss, das den Pfalzgrafen bei Rhein als Residenz diente, auf die alte Neckarbrücke, 1786 / 88 unter Kurfürst Karl Theodor errichtet, auf abgegangene Objekte wie den als achtes Weltwunder gefeierten, aber nie fertig gestellten Hortus Palatinus, der nicht nur zu seiner Zeit, sondern auch jüngst für mediale Aufgeregtheiten gesorgt hat, oder
auf die Bibliotheca Palatina. Diese Objekte sowie der eine oder andere Aspekt aus der Stadtgeschichte mögen, neben der Lage der Stadt, genannt werden. Was aber kaum vergessen wird, wenn es um das Essentielle geht, wenn das Eigentliche benannt werden soll, das ist der so genannte Mythos Heidelberg. Er ist gewichtigstes Argument für eine herausragende Stellung der Stadt. Seine Überzeugungskraft bezieht er dabei nicht zuletzt aus seinem Zustand - wolkig bis nebulös, eine nicht so richtig greifbare Objektivation, die sich wie ein Schleier über die Stadt legt. Versuchen wir also, diesem
Mythos Konturen zu verleihen.
Der Hortus Palatinus, der „Pfälzische Garten“ des Kurfürsten Friedrich V., wird in der kunstwissenschaftlichen Forschung als bedeutende und richtungweisende manieristische Gartenanlage gewürdigt. In der Fachliteratur findet er als „Hauptbeispiel eines manieristischen Terrassengartens in Deutschland“ und sogar als „bedeutendste Gartenschöpfung des frühen 17. Jahrhunderts in Deutschland“ Erwähnung. Betritt man den heutigen Schlossgarten in Heidelberg, ahnt man von der kunstwissenschaftlichen und garten künstlerischen Bedeutung der Anlage wenig. Lediglich die
imposante Terrassenanlage und Reste der Architekturen sind erhalten geblieben. Zum einen ist diese Situation in der historischen Entwicklung begründet, die in den Zerstörungen des Dreißigjährigen Krieges mündete und die Vollendung des ehrgeizigen Projekts Friedrichs V. und seines Architekten Salomon de Caus verhinderte. Zum anderen ist dieser Eindruck zurückzuführen auf die nachfolgende Umgestaltung des Gartens
in einen agrarwissenschaftlichen und botanischen Nutz- und Landschaftsgarten, der schließlich durch einen immer dichter werdenden Baumbestand mehr und mehr verwilderte.
Im Jahre 2009 jährt sich das Erscheinen des weit über die Jugendbewegung hinaus bekannt gewordenen Wandervogel-Liederbuches Zupfgeigenhansl zum 100sten Mal. Kaum konnte Heidelberg das 100-jährige Jubiläum der Herausgabe von Brentanos Volksliedersammlung „Des Knaben Wunderhorn“ feiern, wurde mit dem beliebten schlanken Büchlein im Leineneinband, auf dessen Titelseite der Zupfgeigenhansl im Schattenriss prangt, 1909 eine weitere Volksliedersammlung in die Welt entlassen und sollte wider Erwarten den deutschen Sprachraum im Sturm erobern und zur „Lehre“ des Wandervogel avancieren (Abb. 1). Die Auflagen wuchsen von zuerst nur 500 Stück im Jahre 1909 bis 1933 auf über eine Million an; damit wurde der Zupfgeigenhansl, bezogen auf den Zeitraum von 25 Jahren, zu einem der verbreitetsten deutschen Bücher überhaupt.
Vor der Stadtgründung
(2008)
Angesichts der Regelhaftigkeit des Straßennetzes der Kernaltstadt besteht kein Zweifel daran, dass Heidelberg seine Gründung als Stadtanlage dem Willen und Plan eines Territorialherrn verdankt. Unstreitig ist weiterhin, dass es eine ältere Siedlung gab, deren Mittelpunkt, die Peterskirche, in die Stadtgründung nicht einbezogen wurde, sondern außerhalb des Grabens blieb.
Die Überlegung eines Investors, im Bereich zwischen Sandgasse und Theaterstraße ein Einkaufszentrum zu bauen, gab mir 2007 die Gelegenheit, erneut die Lage des jüdischen Friedhofs zu benennen und eventuell zu präzisieren. Da nach jüdischem Glauben Gräber bis zur Auferstehung unangetastet zu bleiben haben, war es das Ziel der Untersuchung, in Heidelberg einen Konflikt zu vermeiden, wie er in Hamburg-Ottensen 1991 / 92 um den Neubau eines Einkaufszentrums auf dem Gelände eines 1934 gewaltsam geschlossenen jüdischen Friedhofs entstanden war. Nach heftigem Widerstand im Wohnumfeld gegen die Größe des Vorhabens und nach internationalen Protesten gegen die Zerstörung jüdischer Gräber wurde schließlich 1995 ein Kompromiss realisiert: Ein Betondeckel schützt die Fläche des ehemaligen Friedhofs vor Eingriffen, im Innern des Gebäudes erinnert ein Mahnmal an die Namen von 4.500 Toten, und das Einkaufszentrum wurde gegenüber der Planung verkleinert. In Heidelberg gibt es inzwischen nach dem Ergebnis des vom Oberbürgermeister einberufenen Innenstadtforums vom Juni 2008 keine Planung mehr, die die Totenruhe des mittelalterlichen Judenfriedhofs stören könnte.
Die Oktoberdeportation des Jahres 1940 verbuchten die Gauleiter von Baden und der Pfalz als Erfolg. Es war die erste Massendeportation von Juden aus dem Reich, also gleichsam ein Probelauf für die nachfolgenden Verschleppungen, unter strenger Geheimhaltung vorbereitet und überfallartig durchgeführt. In der Meldung nach Berlin wurde betont, die Abschiebung sei in allen Orten des Südwestens reibungslos abgewickelt worden und fast unbemerkt von der Bevölkerung. Im letzten Satz wurde angemerkt: ,„In Mischehe lebende Juden wurden von den Transporten ausgenommen.“ Es ist zu vermuten, dass diese Regelung - scheinbar eine Randfrage - das Vorgehen der Polizeikräfte vereinfacht hat und wesentlich dazu beitrug, dass bei dieser Aktion Zwischenfälle ausblieben. Das Thema der „deutsch-jüdischen Mischehen“ beschäftigte die Partei- und Staatsführung aber unausgesetzt bis hin zu den letzten Deportationen im Jahre 1945. Selbst als man im Januar 1942 auf der Wannsee-Konferenz zur „Endlösung der Judenfrage“ die bekannten radikalen Beschlüsse fasste, blieb der Text, auf den sich Heydrich und die anderen NS-Führer in dem Punkt „Ehen zwischen Volljuden und
Deutschblütigen“ einigten, charakteristischerweise zögerlich.
Im "Waldgebirgschoss"
(2008)
Während der 1840er Jahre ließ sich die Schriftstellerin Helmina von Chezy, Enkelin der Dichterin Anna Louisa Karsch und Tochter einer ebenfalls schreibenden Mutter, für fünf Jahre in Heidelberg nieder. Das war eine der längsten Ruhephasen ihres mobilen Lebens. Diese Heidelberger Zeit ist nicht leicht zu beschreiben, denn die beiden letzten Lebensjahrzehnte der Autorin sind wenig dokumentiert. In ihren letzten Genfer Lebensjahren hat die schon kranke Autorin ihrer Großnichte die Schlussfassung der Memoiren „Unvergessenes“ diktiert. Sie enden ungefähr 1832 und streifen die Heidelberger Zeit nur in zwei oder drei Vorblicken. So bleiben als Quellen die recht parteiische Autobiografie ihres Sohnes Wilhelm und Briefe. Für den vorliegenden Aufsatz konnte allerdings der in Krakau liegende Teil des Briefwechsels, der im Varnhagen-Nachlass überliefert ist, nicht benutzt werden.
Die Klaus-Tschira-Stiftung
(2008)
Es ist eine kurze, einfache und dennoch außergewöhnliche Geschichte, die Heidelberg und den Physiker und Informatiker Klaus Tschira zusammengebracht hat. Eine Geschichte, die verbunden ist mit dem Aufstieg einer Firma, deren Gründer sie in den siebziger Jahren mit charakteristischem Understatement schlicht „Systeme, Anwendungen, Produkte in der Datenverarbeitung“ (SAP) nannten, als gäbe es nichts
SelbstverständIiches. Was inzwischen zum weltweit operierenden und marktführenden Konzern im Bereich der betriebswirtschaftlichen Software geworden ist, hat - wenn man die Anfänge des kleinen Weinheimer Softwareteam von Tschira, Hopp, Wellenreuther, Hector und Plattner und den heutigen Walldorfer Produktionsstandort nimmt - den Universitäts- und Wissenschaftsstandort Heidelberg also geradezu auch geographisch umkreist.
Und ist als mäzenatisches Großprojekt hier angekommen.