296 Judentum
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Ghetto ohne Ghetto
(2009)
Als man die Menschen aus ihren Wohnungen vertrieb, als man sie nach Gesetzen, die Willkür legitimierten, ihres Umfelds beraubte, sie mit ihren Habseligkeiten durch die Stadt ziehen ließ, vor aller Augen demütigte und in Behausungen drängte, die schon übervoll mit Menschen waren, sie dort warten ließ auf den Abtransport, sie erleben ließ, wie es dem einen Mitbewohner gerade noch gelingt, das rettende Visum zu erhalten, wie andere nach und nach „abgeholt“ werden, dann wird sichtbar, dass der Weg in den Holocaust viele Stationen hatte, an denen Entwürdigung, Entrechtung und Zerstörung stattfanden. Stationen, an denen aber auch Solidarität, Courage und Überlebenskraft sichtbar wurden. Davon zeugen die Vorgänge um die „Zusammenfassung“ jüdischer Einwohner in so genannte „Judenhäuser“, ein Vorgang, der in größeren Orten und in Großstädten seit 1939 von staatlichen, städtischen und Parteibehörden vorangetrieben wurde.
Der Verein "Begegnung"
(2006)
Mehrere Vereinen, Initiativen und Institutionen sind in Heidelberg an der Ausgestaltung der Beziehungen zwischen Juden und Nichtjuden, an Gedenken und Erinnern und dem Aufbau stabiler Kontakte aktiv. Zu ihnen zählt die Gesellschaft für christlichjüdische Zusammenarbeit, die sich dem interkonfessionellen Dialog ebenso verpflichtet fühlt wie zeitgeschichtlichen Fragen, das Partnerschaftskomitee mit der israelischen Stadt Rehovot, der Freundeskreis der jüdischen Hochschule und das (kultur) räumliche Angebot der jüdischen Gemeinde. Der Erforschung jüdischer Geschichte ist neben den wissenschaftlich-dokumentierenden Institutionen (der Jüdischen Hochschule und dem Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland) auch der Heidelberger Geschichtsverein verpflichtet. In zahlreichen Stadtführungen verschiedener Organisationen wird seit über einem Jahrzehnt die jüdische Stadtgeschichte „begangen“.
Am Ende des Dreißigjährigen Krieges standen sich die Konfessionen „als klar und hart geprägte Typen gegenüber. Als Ergebnis des langen Streites, aber auch der erzieherischen Tätigkeit der Obrigkeiten, hatte sich ein geschärftes konfessionelles Bewusstsein entwickelt, ein von Abwehrbereitschaft, Hass, Misstrauen, Verbitterung und Verkennung diktiertes Verhältnis der verschiedenen Kirchengruppen zueinander.“ Der pfälzische Kurfürst Karl Ludwig passt nicht in dieses Bild. Er war der zweite Sohn des Kurfürsten Friedrich V., des „Winterkönigs“, und seiner Gattin Elisabeth von England und erhielt erst 1648 die Pfalz und „führte in kurzer Zeit das verwaiste Erbe zu neuer Blüte.“ In das entvölkerte Land rief er Einwanderer. „Alle drei christlichen Konfessionen erhielten volle Freiheit, ja, in der Kirche zur ,Heiligen Einheit‘ wurden abwechselnd katholische, calvinistische und lutherische Gottesdienste abgehalten. Auch die wiedereröffnete Universität Heidelberg sollte im Geist der Toleranz arbeiten.“ Hier wurde bei der Restitution der Universität 1652 der jüdische Stadtarzt von Heidelberg Jacob Israel
zum Professor für Physiologie, Anatomie und Chirurgie berufen, jedoch anfangs unter Verzicht auf eine Besoldung. Er fungierte zwischen 1658 und 1673 viermal als Rektor der Universität, bevor er 1674 starb. Im Feb. 1673, Israels letztem Rektorat, erhielt der Heidelberger Theologieprofessor Hans Ludwig Fabritius „von Kurfürsten Karl Ludwig den Auftrag, den niederländischen Philosophen Baruch Spinoza (1632-1677) zur Annahme des Rufes auf den Heidelberger Lehrstuhl für Philosophie zu bewegen.“ Allerdings lehnte Spinoza ab, und als 1685 mit dem Tod des Kurfürsten Karl, Karl Ludwigs Sohn, die Linie Pfalz-Simmern erlosch, versank die Pfalz in den Zerstörungen des Orleanschen Erbfolgekriegs. Sie wurde noch schlimmer verwüstet als im Dreißigjährigen Krieg, und mit den neuen Herren setzte bald auch die Gegenreformation ein. Es dauerte bis 1799, bis durch die Religionsdeklaration des Ministers Montgelas die Toleranz wenigstens für die christlichen Kirchen in der Pfalz wieder eingeführt wurde.
Am 9. November 2004 übergab Beate Weber, die Oberbürgermeisterin der Stadt Heidelberg, im Rahmen einer Feier auf dem Synagogenplatz die an der Nordwand des ehemaligen Rabbinerhauses in der Großen Mantelgasse angebrachten Gedenktafeln an die jüdischen Opfer von Deportation und Ausweisung der Öffentlichkeit. Ein Zitat aus Jesaia 56,5 und ein schlichter Text verweisen darauf, dass die Tafeln die Namen jüdischer Bürger und Bürgerinnen enthalten, die in der NS-Zeit von 1933 bis 1945 ausgewiesen, deportiert und ermordet wurden oder als Reaktion auf Terrormaßnamen des Regimes „in den Tod getrieben“ wurden, d. h. sich selbst das Leben nahmen. Zusammen mit einer Informationstafel zur jüdischen Geschichte Heidelbergs, der farblich abgesetzte Pflastermarkierung des Grundrisses der Synagoge und dem lange Zeit auf dem neuen jüdischen Friedhof aufgestellten Gedenkstein ist ein Gedenkort gestaltet worden, der auf über 200 Jahre religiöses jüdischen Lebens in Heidelberg verweist.
"Gemeinsame Sache"
(2004)
Seit dem Übergang der Pfalz am Rhein an den Wittelsbacher Otto II. (1214-1253) im Jahre 1214 stand sie zusammen mit Bayern unter gemeinsamer Regierung. 1255 wurde unter Ottos II. Söhnen eine Nutzungsteilung der gesamten Besitztümer der Wittelsbacher in einen oberbayerischen und pfälzischen Komplex einerseits und einen niederbayerischen andererseits durchgeführt. Der jüngere, Heinrich XIII. (1253-1290) erhielt Niederbayern; der ältere, 1229 in Heidelberg geborene Ludwig II. (1253-1294) Oberbayern und die Pfalz am Rhein, freilich sollte dies für die Pfalz zunächst ohne Folgen bleiben.
1987 wurde in Heidelberg das „Zentralarchiv zur Erforschung der Geschichte der Juden in Deutschland“ eingerichtet. Es handelt sich dabei um eine Gründung des Zentralrats der Juden in Deutschland, die möglich wurde, nachdem die Bundesregierung die Finanzierung zugesagt hatte. Inhaltlich gesehen knüpft das Zentralarchiv an die Arbeit des „Gesamtarchivs der deutschen Juden“ an, das bis 1939 in Berlin bestanden hat. Bereits diese wenigen Angaben zur Entstehung werfen Fragen auf, deren Beantwortung auf eine Verortung des Zentralarchivs im Zusammenhang sowohl der jüdischen Zeitgeschichte als auch des akademischen Geschichtsdiskurses hinausläuft. Zunächst verlangen äußere Parameter wie Ort und Zeit nach Erklärung.
Jüdisches Leben in Rohrbach
(2003)
Auf eine Initiative des jungen Vereins „der punker“, der sich mit den verschiedensten - aktuellen wie historischen - Themen zu Rohrbach beschäftigt, fand im März dieses Jahres die vielbesuchte Führung „Jüdisches Leben in Rohrbach“ statt. Dieser Beitrag will die Ergebnisse, die dieser Führung zugrunde lagen, nicht nur als eine Art Chronik in Aufsatzform gebündelt sehen, sondern möchte auch den Leidensweg der Rohrbacher Juden nicht vergessen lassen. Wichtig für die jüngere Geschichte und die nationalsozialistische Zeit waren die Hinweise der alten Rohrbacher, die uns an ihren Erinnerungen teilhaben ließen, sowie die des Rohrbacher Heimatmuseums, das uns tatkräftig mit Bildern und Informationen unterstützte. Hierfür möchten wir danken.
Die Überlegung eines Investors, im Bereich zwischen Sandgasse und Theaterstraße ein Einkaufszentrum zu bauen, gab mir 2007 die Gelegenheit, erneut die Lage des jüdischen Friedhofs zu benennen und eventuell zu präzisieren. Da nach jüdischem Glauben Gräber bis zur Auferstehung unangetastet zu bleiben haben, war es das Ziel der Untersuchung, in Heidelberg einen Konflikt zu vermeiden, wie er in Hamburg-Ottensen 1991 / 92 um den Neubau eines Einkaufszentrums auf dem Gelände eines 1934 gewaltsam geschlossenen jüdischen Friedhofs entstanden war. Nach heftigem Widerstand im Wohnumfeld gegen die Größe des Vorhabens und nach internationalen Protesten gegen die Zerstörung jüdischer Gräber wurde schließlich 1995 ein Kompromiss realisiert: Ein Betondeckel schützt die Fläche des ehemaligen Friedhofs vor Eingriffen, im Innern des Gebäudes erinnert ein Mahnmal an die Namen von 4.500 Toten, und das Einkaufszentrum wurde gegenüber der Planung verkleinert. In Heidelberg gibt es inzwischen nach dem Ergebnis des vom Oberbürgermeister einberufenen Innenstadtforums vom Juni 2008 keine Planung mehr, die die Totenruhe des mittelalterlichen Judenfriedhofs stören könnte.
Im Chor der Wittelbacher Kirche „St. Peter und Paul“ im Schuttertal wurde 1974 ein Freskenzyklus aus der Zeit der Gotik um 1400 freigelegt. Der Bilderbogen schildert das jüngste Gericht und Szenen aus der Passionsgeschichte. Das am besten erhaltene Bild zeigt die Geißelung Jesu. Drei Männer schlagen auf den Heiland ein, zwei der Peiniger sind an ihren gelben spitzen Hüten als Juden zu erkennen, einem hat der Künstler eine Hakennase in herabsetzender Weise ins Gesicht gemalt. In der Zeit, als die Fresken auf die Wände der Wittelbacher Kirche aufgetragen wurde, war die Stellung der Juden auf einem Tiefpunkt angekommen. Insbesondere die Kreuzzüge des 12. Jahrhunderts hatten eine religiöse Intoleranz befördert, die alle Nichtchristen als Ketzer und Ungläubige verdammte. Der Zwang, den „gehörnten Hut“ zu tragen, wurde den Juden von dem 1267 tagenden Wiener Konzil auferlegt. Mit solchen Kennzeichnungen sollte die „fleischliche Vermischung“ von Christen und Juden verhindert werden, mit der Zeit wurde die Separierung jedoch auf alle gesellschaftliche Sphären ausgeweitet und die Juden immer mehr an den Rand der Gesellschaft gedrängt. Verantwortlich für diese Marginalisierung war die fatale Rolle als „Christusmörder“ im Heilsplan Gottes, die die christliche Theologie des Mittelalters ihnen zuwies. Die Künstler sahen es als ihre Aufgabe an, der leseunkundigen Bevölkerung diese antijudaistische Theologie so anschaulich wie möglich zu vermitteln. So steht die Wittelbacher Geißelung beispielhaft für die Dämonisierung der Juden als „Gottesmörder“, denen man alles Schlechte zutraute und die man mit dem Teufel im Bunde sah. Diese Entmenschlichung führte letztlich dazu, „im Juden Freiwild zu sehen.“ (Michael Toch).
Am Anfang der dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts gab es in Heidelberg drei Synagogen: in Rohrbach (seit 1845), in der Großen Mantelgasse (seit 1878) und in der Plöck (seit 1932). Sowohl in der Goßen Mantelgasse wie am Rohrbacher Rathausplatz erinnern Gedenksteine an diese, bald nach dem Novemberpogrom 1938 abgebrochenen, Gebäude. Keinerlei Hinweis oder Gedenken gibt es für die Synagoge in der Plöck. Es ist auch schwierig, sich dort einen Gedenkort vorzustellen, denn auf dem Gelände, wo die Synagoge sich befand, steht der massive Gebäudekomplex des Kaufhofs.