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Am 28. April 1948 sandte das Amtsgericht Münsingen ein Schreiben an sämtliche württembergische Gesundheitsämter wegen der »Voruntersuchung gegen Dr. med. Stähle u.a. wg. Mords; hier: Kindereuthanasie in sogenannten Kinderfachabteilungen«. Das Amtsgericht führte seit Juli 1947 die Voruntersuchungen zum württembergischen Grafeneck-Prozess durch, mit dem Anspruch, den Tatkomplex der nationalsozialistischen »Euthanasie« mit den Vorgängen und Verantwortlichkeiten um die Tötungsanstalt Grafeneck möglichst umfassend aufzuklären. Dieser Anspruch umfasste somit auch
die Aufklärung über die Tatbeteiligung der Angeklagten an der Ermordung von Kindern im Rahmen der zentral gesteuerten Kinder-»Euthanasie« in Württemberg in sogenannten »Kinderfachabteilungen«. Die Angeklagten aus dem württembergischen Innenministerium, Eugen Stähle und Otto Mauthe, waren in ihrer Position mitverantwortlich für die Durchführung von Kinder-»Euthanasie« und »Aktion T4«.
Vom Wissen zur Wissenschaft
(2017)
Die Studie verfolgt am Beispiel württembergischer Volkskunde zwischen 1820 und 1950, ob und wie aus Wissen Wissenschaft werden kann. Dem Konzept der historischen Wissensforschung folgend untersucht sie mit kulturwissenschaftlichen Methoden, was als ethnografisches Wissen gilt, wer es mit welchen Mitteln herstellt und wie es medial aufbereitet wird. In den Blick genommen wird dabei ein breites Feld an (historisch-)landeskundlich tätigen Akteuren und Institutionen mit ihren jeweiligen Wissenspraktiken und Austauschbeziehungen. Neben zahlreichen Persönlichkeiten und Vereinen tritt vor allem der württembergische Staat mit seiner Ressortforschung als wichtiger Impuls- und Auftraggeber hervor. Das Buch beginnt im Statistisch-topographischen Bureau mit der Vor-Geschichte ethnografischen Wissens um 1820, untersucht „Volk“ als Konzept und Objekt, folgt den Sammlungs- und Publikationsunternehmungen und ihrer gesellschaftlichen und organisatorischen Verankerung, beobachtet die Formierung neuer landeskundlicher Institutionen und ihre Förderung und klärt so die Gelegenheitsstrukturen regionaler Ethnografie. Der lange Untersuchungszeitraum ermöglicht mit fünf Themenblöcken und Zeitschnitten eine bisher so nicht erfolgte Analyse von spezifischen Ressourcen und Strategien zur Etablierung einer neuen Wissenschaftsdisziplin. PD Dr. Lioba Keller-Drescher habilitierte sich 2015 mit der hier vorliegenden Studie im Fach Empirische Kulturwissenschaft an der wirtschafts- und sozialwissenschaftlichen Fakultät der Eberhard Karls Universität Tübingen.
Existenz, Freiheit und Rang
(2019)
Diese Studie befasst sich mit der spätmittelalterlichen Geschichte des Niederadels in einer bislang kaum beachteten Region in Mittelbaden: der Ortenau. Es werden neue Deutungen für die Gruppenbildung des Niederadels entwickelt und Korrekturen am Bild der Niederadelsforschung als Ganzes vorgenommen. Schwerpunkt der Untersuchung sind die Verhaltensweisen und Handlungsmuster dieser Gruppe in der Zeit von der Ortenauer Einung von 1474 bis zum Augsburger Religionsfrieden 1555, um sich Existenz, Freiheit und Rang zu sichern und auszubauen. Wo nötig, geht der Autor über die Ortenau hinaus und bezieht Straßburg und die Markgrafschaft Baden mit ein. Es werden Korrekturen an Generalisierungen der Reformationsforschung ebenso vorgenommen wie an Interpretationen mittelalterlicher Einungen und Bünde.
100 Jahre Zupfgeigenhansl
(2010)
Anlässlich des Jubiläums des Wandervogelliederbuches „Zupfgeigenhansl“, das vor 100 Jahren in Heidelberg herausgegeben wurde, fand vom 10. Oktober bis zum 23. Dezember 2009 eine kleine Ausstellung statt. Auftraggeber waren der Heidelberger Geschichtsverein e.V. und das Kulturamt der Stadt Heidelberg in Zusammenarbeit mit dem Pfadfinderbund Nordbaden e.V. und dem Germanistischen Seminar der Universität Heidelberg, das die Räumlichkeiten am Karlsplatz zur Verfügung stellte. Der Titel lautete: „100 Jahre Zupfgeigenhansl - Hans Breuer und der Wandervogel in Heidelberg“.
Meine sehr geehrten Damen und Herren, Sehr geehrte Frau Oberbürgermeisterin, im Namen des Verbands Deutscher Sinti und Roma, Landesverband Baden-Württemberg, möchte ich Sie begrüßen. Aus Anlass des 50. Jahrestages der Befreiung von der NS-Gewaltherrschaft möchte ich Ihnen einige vorläufige Anmerkungen zur Verfolgungsgeschichte der Heidelberger Sinti und Roma vortragen. Für mich als gebürtige Heidelbergerin ist das zugleich ein Stück unserer allgemeinen deutschen Geschichte, ein Stück Stadtgeschichte und auch ein Stück meiner Familiengeschichte. Unter uns gibt es keine Familie, die nicht einen großen Teil ihrer engsten Angehörigen in den Konzentrations- und Vernichtungslagern verloren hat. Allein aus meiner Familie wurden 24 Menschen von den Nazis ermordet. Die Überlebenden waren die Ausnahme. Die Völkermordverbrechen an Sinti, Roma und Juden waren nur möglich in einem System, dessen beherrschende Ideologie ein menschenverachtender Rassismus war.
Am Ende des Dreißigjährigen Krieges standen sich die Konfessionen „als klar und hart geprägte Typen gegenüber. Als Ergebnis des langen Streites, aber auch der erzieherischen Tätigkeit der Obrigkeiten, hatte sich ein geschärftes konfessionelles Bewusstsein entwickelt, ein von Abwehrbereitschaft, Hass, Misstrauen, Verbitterung und Verkennung diktiertes Verhältnis der verschiedenen Kirchengruppen zueinander.“ Der pfälzische Kurfürst Karl Ludwig passt nicht in dieses Bild. Er war der zweite Sohn des Kurfürsten Friedrich V., des „Winterkönigs“, und seiner Gattin Elisabeth von England und erhielt erst 1648 die Pfalz und „führte in kurzer Zeit das verwaiste Erbe zu neuer Blüte.“ In das entvölkerte Land rief er Einwanderer. „Alle drei christlichen Konfessionen erhielten volle Freiheit, ja, in der Kirche zur ,Heiligen Einheit‘ wurden abwechselnd katholische, calvinistische und lutherische Gottesdienste abgehalten. Auch die wiedereröffnete Universität Heidelberg sollte im Geist der Toleranz arbeiten.“ Hier wurde bei der Restitution der Universität 1652 der jüdische Stadtarzt von Heidelberg Jacob Israel
zum Professor für Physiologie, Anatomie und Chirurgie berufen, jedoch anfangs unter Verzicht auf eine Besoldung. Er fungierte zwischen 1658 und 1673 viermal als Rektor der Universität, bevor er 1674 starb. Im Feb. 1673, Israels letztem Rektorat, erhielt der Heidelberger Theologieprofessor Hans Ludwig Fabritius „von Kurfürsten Karl Ludwig den Auftrag, den niederländischen Philosophen Baruch Spinoza (1632-1677) zur Annahme des Rufes auf den Heidelberger Lehrstuhl für Philosophie zu bewegen.“ Allerdings lehnte Spinoza ab, und als 1685 mit dem Tod des Kurfürsten Karl, Karl Ludwigs Sohn, die Linie Pfalz-Simmern erlosch, versank die Pfalz in den Zerstörungen des Orleanschen Erbfolgekriegs. Sie wurde noch schlimmer verwüstet als im Dreißigjährigen Krieg, und mit den neuen Herren setzte bald auch die Gegenreformation ein. Es dauerte bis 1799, bis durch die Religionsdeklaration des Ministers Montgelas die Toleranz wenigstens für die christlichen Kirchen in der Pfalz wieder eingeführt wurde.
Wenn das Musizieren von Frauen noch im 16. Jahrhundert als „unschicklich“, „unsittlich“ gilt, so nehmen doch vereinzelt Damen an Bildungsbestrebungen schon seit dem Hochmittelalter Anteil. Zu ihnen gehört die Augsburger Bürgerstochter Clara Dett. Dieser Sängerin und hochgebildeten Frau begegnet 1459 Kurfürst Friedrich I. (1425-1476) am bayerischen Hof in München. Von ihrem Gesang ist er derart fasziniert, dass er sie mit nach Heidelberg nimmt und später mit ihr eine morganatische Ehe eingeht. Die musikalisch gebildete Clara Dett steht dem Kurfürsten beratend zur Seite, als er sich eine leistungsfähige Hofkantorei schafft und den als Sänger berühmten Johann Soest als „sengermeister“ beruft. 1911 widmet ihr Hermann Glaser das Theaterstück „Klara Dett, dramatische Dichtung“.
Am 12. Juni 1935, dem Mittwoch nach Pfingsten, schreibt NS-Ortsgruppenleiter Riehl einen Brief „An den Oberbürgermeister Pg. Dr. Carl Neinhaus“: „Vor einigen Wochen ist im Hause Steingasse 18 eine zehn bis 12 köpfige Zigeunerfamilie eingezogen . Die Kinder dieser lumpigen Gesellschaft treiben sich täglich am Neckarstaden und besonders bei der alten Brücke herum, was der Unterzeichnete ganz besonders während der beiden Pfingstfeiertage beobachten konnte. Es gereicht einer Fremdenstadt wie Heidelberg nicht zur Zierde, wenn sich dieses Gesindel am Hauptfremdenverkehrspunkt der Stadt herumtre ibt und es wäre deshalb angebracht, wenn von Seiten der Stadtverwaltung umgehend Schritte unternommen würden, um diese Gesellschaft aus dem Stadtinnern zu entfernen. ... Abhilfe tut dringend Not."
Im Jahre 2009 jährt sich das Erscheinen des weit über die Jugendbewegung hinaus bekannt gewordenen Wandervogel-Liederbuches Zupfgeigenhansl zum 100sten Mal. Kaum konnte Heidelberg das 100-jährige Jubiläum der Herausgabe von Brentanos Volksliedersammlung „Des Knaben Wunderhorn“ feiern, wurde mit dem beliebten schlanken Büchlein im Leineneinband, auf dessen Titelseite der Zupfgeigenhansl im Schattenriss prangt, 1909 eine weitere Volksliedersammlung in die Welt entlassen und sollte wider Erwarten den deutschen Sprachraum im Sturm erobern und zur „Lehre“ des Wandervogel avancieren (Abb. 1). Die Auflagen wuchsen von zuerst nur 500 Stück im Jahre 1909 bis 1933 auf über eine Million an; damit wurde der Zupfgeigenhansl, bezogen auf den Zeitraum von 25 Jahren, zu einem der verbreitetsten deutschen Bücher überhaupt.
Verschiedentlich ist auf den ungenügenden Forschungsstand zur Geschichte des Adels hingewiesen worden. Mögen rein genealogische Aspekte in den meisten Fällen als hinreichend ausgeleuchtet gelten, so besteht ungeachtet neuerer Untersuchungen noch immer Klärungsbedarf zur genauen Erhellung der einst von der adeligen Elite gepflegten sozialen Netzwerke an den Höfen, oder hinsichtlich des Assimilierungsprozesses jener Elite im Übergang vom Ancien Regime mit seinen allenfalls semipermeablen Ständeschranken, hinüber ins industriell und bürgerlich geprägte Zeitalter des 19. Jahrhunderts. Schon vor längerer Zeit waren Arbeiten zur Geschichte des Adels etwa für Hessen-Kassel, für das Münsterland, Bayern und Preußen vorgelegt worden. Ungeachtet der historisch immensen Bedeutung der einstigen Höfe von Heidelberg und Mannheim, die bekanntlich zu den wichtigsten im deutschen Sprachraum zählten, findet sich für das territoriale und politische Konstrukt „Kurpfalz“ bis heute keine entsprechende
Gesamtdarstellung. Mögen einzelne Familien im Einflussbereich des Mannheimer Hofes, wie etwa die v. StengeI oder v. Oberndorff schon einmal Gegenstand von Einzeldarstellungen gewesen sein, so mangelt es bis heute an einer Untersuchung dieses Aspekts für Heidelberg über den Zeitraum des 18. und 19. Jahrhundert zur Gänze: nur gelegentlich haben einzelne hier ehedem ansässige Familien Eingang in die Forschung gefunden. Allenfalls war eine biographische Annäherung an einzelne Persönlichkeiten erfolgt, so beispielsweise bezüglich der Heidelberger Jahre derer v. Arnim, v. Brentano, v. Graimberg etc., dies jedoch stets im Kontext der Romantiker-Forschung. Auf der anderen Seite fanden sich marginale Darstellungen einer Familiengeschichte abrissartig im Zuge baugeschichtlicher Untersuchungen zu den bekannten, barocken Heidelberger Adelspalais aus der Zeit nach dem Wiederaufbau Heidelbergs um 1700, wie beispielsweise bezüglich der Häuser derer v. Venningen, mit ihrem noch 1706 / 07 zu Residenzzeiten erbauten „Haus zum Riesen“ in der Hauptstrasse 52, dem Stadtpalais der um 1700 aus Österreich in die Kurpfalz eingewanderten Grafen v. Wiser oder zum 1703- 06 erbauten Palais Sickingen am Karlsplatz. An der Vita des erst einige Jahre nach dem Bau seines prächtigen Hauses geadelten Heidelberger Juraprofessors Johann Philipp Morass - Erbauer des gleichnamigen Palais (1712), heute Kurpfälzisches
Museum - wird exemplarisch deutlich: alteingesessener Adel, d.h. eine über die Jahrhunderte kontinuierlich nachweisbare Dynastie ist in dem durch Konfessions- und Residenzwechsel geprägten Heidelberg kaum über einen längeren Zeitraum ansässig geworden, so dass allenfalls von den „Heidelberger Jahren“ einer bestimmten Familie gesprochen werden kann. Die Gründe hierfür liegen bekanntermaßen an jener spezifischen Situation, welche dem Adel mit der Verlegung der Residenz nach Mannheim 1720 mit einem Mal ungleich weniger günstige Grundlagen zu einer Niederlassung bot als das aufblühende Mannheim: war doch die nobilitierte Oberschicht als „Fürstendiener“, sei es militärisch oder auf Verwaltungsebene, im 18. und noch über weite Strecken des 19. Jahrhunderts aufs engste an die Höfe gebunden. Die Forschung spricht in diesem Zusammenhang von einer schon im ausgehenden Mittelalter vollzogenen „Domestizierung“ des Adels durch die Landesfürsten.