355 Militär
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Kalter Krieg im Schuttertal?
(2010)
Es sind 46 Jahre her, fast ein halbes Jahrhundert, dass in Seelbach und in Schuttertal von einem militärischen Projekt die Rede war, das, wäre es verwirklicht worden, die Landschaft und die Struktur der Dörfer Seelbach und Schuttertal, wohl auch Ettenheimmünsters tiefgreifend verändert hätte. Glücklicherweise nur „hätte", denn nach einigen Monaten gab es Entwarnung, die Sache geriet in Vergessenheit. Aber was war damals geplant? Wer wusste Bescheid? Schwer zu sagen, denn es gibt nichts schwarz auf weiß - oder fast nichts. Aber der Reihe nach: Bei der Durchsicht der Tagebücher meines Vater Julius Krämer fand ich unter dem 31. Januar und dem 1., 2. und 3. Februar 1963 knappe Eintragungen, die mich sofort an das damalige Geschehen erinnerten.
Maikäfer flieg …
(2020)
Das Leben eines Menschen nachzuzeichnen, braucht es etwas mehr als einer Blechdose mit ein paar persönlichen Schriftstücken, einer vom Todesschuss perforierten Kalenderseite, einer Gasmaskenbrille und eines halben Bleistifts. Auch das Grab auf einem Soldatenfriedhof in Ungarn und die Erinnerungen der Familie reichen für ein vollständiges Porträt nicht aus. Es sind einzig die 31 Briefe, die der Kaufmann Heinrich Heindel zwischen April und Dezember 1944 an seine Frau Susanna in Heidelberg richtete. Es handelt sich teils um längere, teils um kurze, oft in Eile verfasste Mitteilungen.
Vor genau 100 Jahren war jene Zeit, in welcher auch die Lahrer ganz besonders stolz waren auf „ihre Garnison“. Als nicht nur in den Kasernen mit „Kaisers Rock“ geglänzt wurde, sondern sich auch mancher junge Leutnant vorkam wie ein glänzend schimmernder Pfau - und vor der Dienstvilla des kommandierenden Generals, auch bei uns in Lahr, der Posten noch „unters Gewehr“ trat, wenn der Hausherr eintraf. Doch die Zeit der „schimmernden Wehr“ hatte auch ihre, heute oft vergessenen, Schattenseiten.
Zwanzig Jahre ist es inzwischen her, dass mit dem Abzug der kanadischen Streitkräfte aus Lahr auch das Ende von Lahr als Garnisonsstadt kam. Dies war Anlass, im Frühjahr 2013 in der Villa Jamm im Stadtpark, dem Museum der Stadt Lahr, eine Ausstellung mit zahlreichen Fotos aus den Jahren 1967 bis 1993 zu zeigen. Im Frühsommer wurde die Ausstellung im Rahmen des Freundschaftsfluges der Lahrer Delegation in die Partnerstadt Belleville dort digital gezeigt. Zudem ist geplant, sie auch im kanadischen Verteidigungsministerium in Ottawa zu präsentieren. Eine Auswahl der nahezu 200 Bilder der Ausstellung wirft ein Streiflicht auf die Zeit der Kanadier in Lahr von 1967 bis 1994, als im Mai die Abschiedsparade stattfand. Die Fotografien stammen aus dem Stadtarchiv, aber auch aus Privatbesitz.
Nach der Kaiserproklamation in Versailles und der vollzogenen Reichsgründung waren die meisten Deutschen im nationalen Überschwang und voller Begeisterung. In den süddeutschen Staaten herrschte allerdings anfänglich Skepsis und Zurückhaltung, weil man gegenüber den Preußen Aversionen und Animositäten empfand. Ob es in Lahr auch so war, lässt sich nicht belegen. Lediglich die Tatsache, dass in der Stadt erst relativ spät, im September 1873, ein Erinnerungsdenkmal eingeweiht wurde, lässt etwas Zurückhaltung erahnen. Die erste große Gelegenheit, in Lahr die Reichsgründung zu feiern, bot Kaisers Geburtstag am 22. März 1871. Am Vorabend und am Geburtstag selbst wurde ein vom Festkomitee entworfenes großes Programm abgewickelt (siehe Abb. 2). Erwähnt sei hier nur, dass die Schuljugend ein von der Firma Kaufmann gedrucktes Gedenkblatt erhielt und die „Spitaliten“ im Spital festlich bewirtet wurden.
Wer sich im öffentlichen Raum gezielt auf die Suche nach Ehrenmalen und Kriegsdenkmälern macht, der wird in vielen Städten und Dörfern im Ortenaukreis fündig. Denn es gibt wohl kaum eine Stadt oder Gemeinde, in der sich kein Gedenkstein oder sonst ein Mahnmal befindet, das in unterschiedlicher Form und auch aus unterschiedlicher Zeit an Kriege oder militärische Operationen erinnert. Solche Denkmäler gehören heute vielerorts zum prägenden Stadt- und Dorfbild und sind wichtige Zeugnisse der Ortsgeschichte. Sehr oft besitzen sie in der Bevölkerung einen hohen Aussage- und Erinnerungswert. Und dennoch wird der Erhalt oder gar die Rekonstruktion von Denkmälern, die Großteils zwischen der 1871 erfolgten Reichsgründung und dem Ersten Weltkrieg entstanden, vielfach kritisch gesehen. Zumal Friedensdenkmäler, bei denen nicht nur an die Helden an der Front, sondern auch an die Opfer zu Hause gedacht wird und die Trauer über die Toten zum Ausdruck kommt, man eher selten antrifft. Ein solches Kriegerdenkmal, das ganz ohne Kriegshelden auskommt, steht beispielsweise in Meißenheim. Der Gutacher Schwarzwaldmaler Curt Liebich hat es 1930 im Auftrag der Gemeinde geschaffen.
Im August 2014 jährt sich zum hundertsten Mal der Ausbruch des Weltkrieges der Jahre 1914 bis 1918, der von den Historikern bereits nach fast 21 Friedensjahren ab dem Jahre 1939 mit dem Beginn eines weiteren Weltkriegs als Erster Weltkrieg bezeichnet werden musste. Als Bündnispartner von Österreich war Deutschland in das Kriegsgeschehen eingebunden und erklärte im August 1914 an Russland und Frankreich den Krieg. Das Vertrauen der deutschen Bevölkerung in das Kaiserreich und in die Stärke der staatlichen und militärischen Führung war in großem Maße vorhanden. Die Mobilmachung vollzog sich daher in großer Ruhe und Ordnung. Zahllose Freiwillige meldeten sich zur Armee. Für die heutige Zeit einfach unvorstellbar - Deutsche ziehen freiwillig in den Krieg. Der deutsch-französische Krieg von 1870/ 71, der für Deutschland siegreich war und mit der Gründung des Deutschen Reiches im Spiegelsaal des Schlosses von Versailles endete, war anscheinend in den Köpfen der jungen Soldaten und den Mitgliedern der Militärvereine noch in guter Erinnerung.
„Militär und Industrie“ gilt gemeinhin als ein spannungsreiches Begriffspaar. Bis weit ins 19. Jahrhundert hinein pflegte das Bürgertum ebenso wie andere nichtadelige Gesellschaftsschichten und Klassen eine mal stärker, mal schwächer ausgeprägte Abneigung gegen alles Militärische. Thomas Nipperdey formulierte zusammenfassend: „[Zwischen] 1848 und den 60er Jahren [war] eher das Misstrauen gegenüber dem Militär dominant gewesen. Das Militär war teuer, es war privilegiert und exklusiv, anti-zivil und anti-bürgerlich, es war anti-parlamentarisch, innenpolitische Waffe der Gegenrevolution und des Staatsstreichs.“ Kurz: Militär galt als unproduktiv, parasitär, undemokratisch und zerstörerisch. Bekanntlich änderte sich das in den 1860er Jahren, doch das gleichzeitige Mit- und Nebeneinander von Industrie und Militär bemerkte noch sehr kritisch um 1900 der katholische Pfarrer und badische Abgeordnete Heinrich Hansjakob.
In insgesamt 46 erhaltenen Briefen und Postkarten aus der Zeit zwischen 9. September 1916 und 10. April 1918 berichten die Brüder über ihre Zeit erst auf Truppenübungsplätzen und dann von der Front. Ernst ab Mai 1917 und Hermann ab Dezember 1917. Ergreifend der Zusammenhalt der Familie, der sich in regem Briefwechsel zwischen Eltern und Geschwistern mit ihren beiden Soldaten ausdrückt. Zuhause sorgten sich außer den Eltern fünf Geschwister um ihre Brüder an der Front: Greta *1896, Olga (Olle) *1898, Julius *1901, Richard *1904 und Lisbeth *1906. Neben Briefen waren es zahlreiche Päckchen und Pakete mit Zigarren der väterlichen Zigarrenfabrik und Produkten aus der eigenen Landwirtschaft, die den beiden das Leben im Dreck des Heubergs und die Not im Schützengraben am „Chemin des Dames“ etwas erleichterten. Bemerkenswert: Was in diesem Krieg offensichtlich bis zuletzt funktionierte, war die Feldpost.
Liebesgaben und Transport
(2014)
An der Front verletzte Soldaten wurden entweder im Feldlazarett behandelt, oder aber zu Krankensammelstellen gebracht, die hinter der Front eingerichtet wurden, wobei die Sammelstellen an einem provisorischen Bahnhof liegen sollten. Nach einer ersten und oft flüchtigen ärztlichen Untersuchung wurde entschieden, wo die Soldaten weiter behandelt werden sollten. Die Verwundeten, die in die heimatlichen Lazarette verbracht wurden, wurden von den Bahnhöfen mit z.T. für den Krankentransport umgebauten Zügen in die Heimat transportiert. Die Züge fuhren mit Versorgungsmaterial und neuen Truppen in die Nähe der Front, wurden entladen und dann mit den Verwundeten beladen. Die Transportabteilung musste gelegentlich sehr vehement auftreten, damit man ihr die benötigten Züge und Hilfsgüter zu Verfügung stellte. In Heidelberg existierte ein Straßenbahnnetz, mit dem viele Lazarette erreichbar waren. Die Lazarettzüge kamen am Heidelberger Güterbahnhof an. Dort wurden sie vom Roten Kreuz erwartet, das am Bahnhof eine Verbands- und Erfrischungsstelle eingerichtet hatte. Zunächst wurden die verletzten Soldaten in Fuhrwerken zu den Lazaretten transportiert, was problematisch und für die Soldaten schmerzhaft war. Daher wurde vom Güterbahnhof über die Czernybrücke und Bergheimer Straße ein provisorisches Gleis gelegt, über das die Soldaten dann direkt vom Bahnhof mit der elektrischen Straßenbahn zu den für sie vorgesehenen Lazaretten gebracht wurden.