770 Fotografie, Fotografien, Computerkunst
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was bleibt
(2023)
Die Erinnerung an meine Kindheit auf dem Dorf malt Bilder voller Ruhe, vom Spielen in der Natur, beschaulich und friedlich. Und dann von Panzern, die in Kolonnen durch den Ort und den Berg hinauf dröhnen, vom krachenden, im Tal wiederhallenden Donnern überfliegender Kampfflugzeuge, vom wiederkehrenden Schreck und dem beunruhigenden Gefühl über die militärische Präsenz. Ich bin 1985 geboren und in Ettenheimmünster aufgewachsen. Dass meine Geburtsstadt Lahr da bereits fast 90 Jahre von verschiedenen Garnisonen geprägt und gezeichnet wurde, die kanadischen NATO-Truppen schon seit bald 20 Jahren hier stationiert waren und noch neun weitere Jahre bleiben sollten und was das für die Menschen und die Region bis heute bedeutet, würde ich mir erst viel später bewusst machen.
Kaum ist das Motiv auf dem originalen Papierabzug noch erkennbar. Der Zerfallsprozess des fotografischen Materials hat der Aufnahme bereits beträchtlich zugesetzt, es ist schwierig, die Einzelheiten des Bildes zu erkennen. Nur die Bearbeitungsmöglichkeiten der modernen digitalen Computertechnik lassen uns den Inhalt der Fotografie eindeutiger erkennen: Ein schon alter Mann mit langem weißem Bart sitzt auf dem großen Treppenaufgang seines Wohnhauses in Diersburg. Das Bild strahlt eine gewisse Ruhe aus. Der alte Mann ist in schlichtes Schwarz und Weiß gekleidet, trägt eine Mütze auf dem Kopf, die Kleidung wirkt festlich. In der Hand hält er eine lange Pfeife, die er zum Mund führt. Wir sehen eine Gestalt aus einer längst vergangenen Zeit. Das Bild zeigt den zum Zeitpunkt der Aufnahme hoch betagten jüdischen Bäckermeister Zadok Maier aus Diersburg. Die Fotografie (im Original: 14cm x 8,5cm) dürfte um die Jahrhundertwende, kurz davor oder kurz danach, aufgenommen worden sein, da Zadok Maier im Jahr 1910 gestorben ist. Es handelt sich demzufolge um die älteste bislang bekannte Fotografie eines Mitglieds der jüdischen Gemeinde Diersburg und gleichzeitig um eine der ältesten (möglicherweise sogar um die älteste) Personenfotografien jüdischer Bürger aus Ortenauer Landgemeinden überhaupt. Die bislang bekannte fotografische Überlieferung aus den Ortenauer Judendörfern beginnt, was Personenfotos anbelangt, mit wenigen vereinzelten Quellen im letzten Jahrzehnt des 19. Jahrhunderts, es folgen dann verschiedene Fotos aus den Jahren vor dem Ersten Weltkrieg. Eine umfangreichere fotografische Überlieferung aus den jüdischen Landgemeinden der Ortenau setzt erst mit den Bildern von jüdischen Soldaten des Ersten Weltkriegs ein, in dessen Verlauf sich die Fotoproduktion offenbar steigerte.
Im Jahrbuch Bd. 7/2002 hat Carola Hoecker die verschlungenen Wege des Carlebachschen Ladenschildes minutiös aufgezeichnet. Dem ist nichts hinzuzufügen. Hier geht es um etwas anderes, nämlich um die Verlässlichkeit und Echtheit von Fotografien und um ihre Brauchbarkeit als historische Dokumente. Es existieren von Gottmann zwei Fotos der gesamten Fassade des Hauses Hauptstraße 136: Das eine ist das häufig schon wiedergegebene, das auch Alexander Huffschmidt in seiner Regesten-Sammlung über das Haus verwendet hat. Beschriftung und Schild weisen auf Carlebachs Antiquariat und Buchhandlung hin.
Zwanzig Jahre ist es inzwischen her, dass mit dem Abzug der kanadischen Streitkräfte aus Lahr auch das Ende von Lahr als Garnisonsstadt kam. Dies war Anlass, im Frühjahr 2013 in der Villa Jamm im Stadtpark, dem Museum der Stadt Lahr, eine Ausstellung mit zahlreichen Fotos aus den Jahren 1967 bis 1993 zu zeigen. Im Frühsommer wurde die Ausstellung im Rahmen des Freundschaftsfluges der Lahrer Delegation in die Partnerstadt Belleville dort digital gezeigt. Zudem ist geplant, sie auch im kanadischen Verteidigungsministerium in Ottawa zu präsentieren. Eine Auswahl der nahezu 200 Bilder der Ausstellung wirft ein Streiflicht auf die Zeit der Kanadier in Lahr von 1967 bis 1994, als im Mai die Abschiedsparade stattfand. Die Fotografien stammen aus dem Stadtarchiv, aber auch aus Privatbesitz.
Bei Recherchen zu meinem Buch über das Leben einer Sintiza im Zusammenhang mit der Geschichte der Sinti stieß ich im Bundesarchiv auf ein Foto von Karl Müller, dem bedeutenden Freiburger Fotografen (1901-1980). Im Zentrum steht rechts ein freundlich, fast verlegen lächelnder deutscher Soldat, der möglicherweise gerade etwas zu seinem Gegenüber auf der
linken Seite sagt. Die Frau, mit der er spricht, hält ihm ihre Hand mit einer auffordernden Geste hin. Ein Armband schmückt ihren rechten Arm. Ihre Haare sind von einem Kopftuch verdeckt, unter dem noch eine Haarlocke hervorschaut. Sie trägt ein großes, reich verziertes Schultertuch. Hinter ihr steht eine Frau mit einem gleichartigen Kopftuch. Ihr Gesicht sieht man nicht, nur einen Ohrring und ein Hals- oder Schultertuch. Rechts im Bild schaut ein Kamerad mit Brille amüsiert zu. Etwas distanziert beobachten zwei junge Frauen die Szene. Sie wirken erwartungsvoll, wie der Soldat reagieren wird. Beide sind in einer Tracht gekleidet, die sich völlig von derjenigen der Frauen am linken Bildrand unterscheidet. Im Hintergrund steht ein Bub an einer Absperrung, auf die sich links dahinter ein großer Mann stützt. Die Absperrung zieht sich rings um einen Platz herum, Verzierungen hängen von oben herunter. Handelt es sich um einen Rummelplatz? Weiter hinten sind noch Häuser zu erblicken, teilweise mit einer Beschriftung angeschrieben, die aber nicht zu entziffern ist.
Vom Einmarsch des 1. algerischen Spahi-Aufklärungs-Regiments am 26. April 1945 ab 13.55 Uhr sind uns einige einzigartige Fotos von privater deutscher Seite erhalten. Sie stammen von dem damals 14-jährigen Gymnasialschüler Manfred Hanloser. Er machte sie mit seiner Agfa-Box von der im 3. Stock gelegenen elterlichen Wohnung des Hauses Marktstätte 20 aus. Die Entwicklung des Agfa-Rollfilms mit den 6 x 9 cm großen Negativen und den Abzug der Papierbilder mit Büttenrand besorgte das am gleichen Platze gelegene Fotogeschäft Hepp. Der Junge hielt zwei Motive mit jeweils einer Variante fest: Das Geschehen vor seiner Häuserzeile und vor der Nordfassade der gegenüber liegenden Hauptpost. Die erste Aufnahme zeigt die haltende Fahrzeugkolonne der 1. Abteilung ohne Panzerspitze, flankiert von einem deutschen Hilfspolizisten mit weißer Armbinde und Fahrrad, welche von der Rheinbrücke aus über die Schillerstraße - Marktstätte - Kanzleistraße zum Rathaus vorstieß. Gerade eine Handvoll Zivilisten, fast ausnahmslos Frauen, sind auf der Straße auszumachen.
Ist Fotografie Kunst? Diese Diskussion ist wohl abgeschlossen. Niemand, der sich ernsthaft mit dieser Gattung beschäftigt, wird diese Frage verneinen können. Den Gegenargumenten ist inzwischen einfach die Luft ausgegangen. Fotografie und Malerei?Dies ist die sehr viel spannendere Diskussion. Schon Walter Benjamin machte darauf aufmerksam, daß man nicht nur die Frage untersuchen müsse: welchen Einfluss hat die Malerei auf die Fotografie, sondern auch: wie verändert die Fotografie die
Malerei? Es gibt inzwischen soviele Bücher, Abhandlungen, Ausstellungen zu diesem Thema. Sie kennen sicher vieles davon. Ich möchte nur einen Aspekt herausheben, der mir im Zusammenhang mit den Fotografien von Bernhard Strauss wichtig erscheint.
Lob der Reichenau
(2001)
Die UNESCO sieht eine noble Aufgabe darin, besondere Kultur- und Naturgüter zum Weltkulturerbe zu erklären, weil sie
einen „außergewöhnlichen universellen Wert" besitzen und sich auszeichnen durch ,,Einzigartigkeit" und „Authenzität". Baden-Württemberg war bisher auf dieser Adelsliste nur vertreten durch das Kloster Maulbronn, sicher ein Zentrum religiösen Lebens
im Mittelalter, begründet 1147 von zwölf Elsässer Zisterziensermönchen. Nun wurde auch die Insel Reichenau auserwählt, die
Klostergründung Pirmins von 724, die in der Folgezeit rasch zu einem geistlichen und geistigen Mittelpunkt Europas wurde.
In der Frühzeit der Fotografie verbreitete sich die neue Technik zunächst in den Städten. Für die Ortenau richtungsweisend
waren Straßburg und Baden-Baden, wo seit 1840/41 Fotografen nachweisbar sind. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts arbeiteten neben den städtischen Atelierfotografen häufig Wanderfotografen, die das neue Medium verbreiteten. Unter ihnen waren oft Portraitmaler und Lithografen, die auf die neue Technik des Fotografierens umgeschult hatten, wie die Anzeigen erkennen lassen. Diese Fotografen zogen durch Städte und über Land, wo sie für eine kurze Zeit - und wenn es sich lohnte
auch einige Tage oder Wochen länger - in Gasthäusern oder angemieteten Räumen logierten und dann weiterzogen. Ab
den 1870er Jahren machten sie auch auf Volksfesten Fotografier-Buden auf, oft genug reichten auch ein Zelt und gemalte
Hintergründe für ihre Arbeit. Ihre Dienste machten sie durch Zeitungsanzeigen, Plakate, Handzettel oder Ausruf durch den
Ortsbüttel bekannt.
Wer heute durch die Niedere Straße läuft, wird
es kaum übersehen. Das Eckhaus mit der Nummer
86, in dem sich eines der ältesten Fotogeschäfte
Villingens befindet: das Geschäft Photo-Sauer.
Das Geschäft, das seit den 1930er Jahren zum
Villinger Stadtbild gehört, hat eine abwechslungsreiche
Geschichte, an die sich Adelheid Schweizer,
die Tochter des Fotografenmeisters Carl Sauer,
lebhaft zurückerinnern kann.
Denn ihre Eltern kamen ursprünglich nicht aus
Villingen und es war purer Zufall, dass Carl Sauer
ausgerechnet in der Stadt im Schwarzwald aus dem
Zug stieg, um sie sich anzusehen. „Er konnte es
selber nicht genau sagen warum, aber er stieg hier
einfach mal aus”, erzählt seine Tochter heute, wenn
sie gefragt wird, was ihre Eltern nach Villingen
verschlug.