907 Ausbildung, Forschung, verwandte Themen
„Grabe wo du stehst!“ So nannte der Schwede Sven Linqvist sein „Handbuch zur Erforschung der eigenen Geschichte“, und er meinte damit, dass alle Orte voller Geschichten sind über ihre Geschichte, nicht nur die Metropolen und Machtzentren. Weil sie aber flüchtig sind wie die Erinnerung, muss man sie wieder erzählen und festhalten. Solche Geschichten werden in der Handschuhsheimer Geschichtswerkstatt erzählt. Wozu sie gut sind? Die Handschuhsheimer Geschichtswerker meinen: Wer die Geschichte seines Wohnortes, seiner Region nicht kennt, kann dort vielleicht wohnhaft sein, schwerlich aber wird er heimisch. „Grabe, wo du stehst!“ ist die Aufforderung, sich mit der nächsten Umgebung auseinander zu setzen, Fragen zu stellen. Dabei wachsen neue Wurzeln, die für das Zusammenleben wichtig sind.
Nun, in dem zusammengesetzten Wortbegriff Geschichtswerkstatt sagt das Stammwort erklärend aus, daß hier eine unkonventionelle Werkstatt oder ein Arbeitskreis gemeint sein kann, zu deren Zweckdienlichkeit gleichwohl diskutiert, aufgezeigt, ausgearbeitet, bewirkt oder bewerkstelligt, d. h. auch etwas „produziert“ wird. Ferner geht aus dem Bestimmungswort hervor, daß man sich dort mit einem Material oder Stoff, oder präzise gesagt mit Themen befaßt, die mit der Geschichte - und besonders der von Handschuhsheim - sehr wohl in Zusammenhang zu bringen sind.
„Warum erinnern? Wäre es nicht viel leichter einfach zu vergessen? Warum Vergangenes in unserer Gegenwart und Zukunft weiter ,erleben‘, wenn wir es zeitlich schon längst überlebt haben?“ So leitet eine Schülerin aus dem Philosophiekurs des Hölderlin Gymnasiums ihren Essay ein, in dem sie sich mit der Frage auseinandersetzt, wie ihre Generation mit der NS-Zeit siebzig Jahre nach Kriegsende umgehen soll. Die hier aufgeworfenen Fragen
beschreiben sehr gut die Herausforderungen einer heutigen Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus in der Schule. Für einen Großteil der heutigen Jugendlichen ist die faschistische Diktatur Geschichte aus dem Schulbuch geworden, es fehlen mittlerweile familiäre Bezüge. Daher muss die Schule andere Zugänge liefern, die den Schülern nach wie vor die Wichtigkeit einer intensiven Aufarbeitung dieser Zeit vor Augen führt. Ein Beispiel für eine schülerorientierte Annäherung an dieses zentrale Thema der deutschen Geschichte ist ein umfassendes Projekt mit sehr unterschiedlichen schulischen und außerschulischen Heidelberger Akteuren, das im Folgenden vorgestellt werden soll.
Karl Reinfried kann als bedeutender Heimatforscher der Geschichte der Ortenau bezeichnet werden. Dies kommt durch seine annähernd 200 Publikationen zu den entsprechenden Themen zum Ausdruck. Nach seinem Tode griff beispielsweise Ernst Huber in seinem in der »Ortenau« veröffentlichten Beitrag auf die Forschungen von Reinfried zurück. Dies wird ebenfalls im folgenden Abschnitt dargestellt. Schließlich stehen die historischen Impulse Reinfrieds in Form seiner Publikationen in der »Ortenau« zur Erörterung an. In einer abschließenden Beurteilung soll analysiert werden, weshalb die heimatgeschichtlichen Publikationen Reinfrieds in der »Ortenau« auch heute noch von Bedeutung sind.