920 Biografien, Genealogie, Insignien
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„Max Weber und Stefan George galten für manche als die geistigen Titanen ihrer Zeit, nicht nur für Heidelberg, sondern für Deutschland überhaupt. Das Verhältnis beider war, wie von Soziologie und George überhaupt, zunächst eher ein Nicht-Verhältnis. Ende der 1890er Jahre versuchte der Philosoph Heinrich Rickert dem Freund Max Weber den Dichter nahe zubringen, aber der frischgebackene Professor der Nationalökonomie verschmähte die Poesie. Doch das änderte sich einige Jahre später. Durch eine langjährige Lebenskrise geläutert, entdeckte der Rekonvaleszent seine poetische Ader (...); er las George und trug Gedichte selbst vor.“ Was Rickert in Freiburg noch nicht gelungen war, kam dann im Jahr 1910 in Heidelberg zustande. Diesmal war es eine Studentin, Dora Jellinek, die den folgenreichen Kontakt zustande brachte. Sie hatte für eine germanistische Seminarveranstaltung einen Vortrag (s.u. Quellenanhang) ausgearbeitet, der wohl durch Vermittlung ihres Vaters Georg Jellinek an das Ehepaar Weber kam und sowohl Marianne Weber („die Arbeit einer begabten Frau“) als auch Max Weber beeindruckte. Max Weber würdigte das Referat in einem ausführlichen Brief an die Studentin und setzte sich dabei auch mit Stefan George, mit seiner Dichtung und mit seinem Freundeskreis auseinander.
Der Philosoph Karl Löwith (1897-1973) war eine der großen akademischen Persönlichkeiten, die den Heidelberger Geisteswissenschaften in der Zeit zwischen der universitären Restituierung nach dem Krieg und der Hochschulkrise um 1968 weite Resonanz verschafften. Wie kaum ein anderer seiner Zeit verkörperte der deutsch-jüdische Gelehrte an der Ruperto Carola den mittlerweile weitgehend verschwundenen Typus des Geistesaristokraten, wobei er - darin seiner Wirkungsstätte am Neckar nicht unähnlich - auf eigentümliche Weise über die Zeitläufte erhaben wirkte.
Der vergessene Dichter Johann Georg Deeg (1814-1846) und die Heidelberger Zeitschrift "Braga"
(2009)
Über den Schriftsteller Johann Georg Deeg ist wohl zum letzten Mal etwas nach seinem frühen Tod in Heidelberg geschrieben worden: Ein erstaunlicher Nekrolog erschien in der Mannheimer Abendzeitung, dem Sprachrohr der radikalen und demokratischen badischen Opposition. Es scheint reizvoll, diesen vergessenen Autor zunächst mit dem eindrucksvollen Text vorzustellen. Der Artikel wurde wie üblich anonym veröffentlicht unter einem Verfasserzeichen. Es war nicht möglich, die Identität dieses wohl in Heidelberg wohnenden Korrespondenten aufzudecken.
Die Enkelin des Philosophen
(2009)
Fragt man heute die Wenigen, die - meist als Kinder - die Heidelberger Ärztin Marie Clauss noch gekannt haben, so fördert ihre Erinnerung ungefähr folgendes Bild: Sie war eine eher kleine, unscheinbare Frau, freundlich und gütig; war immer da, wenn man sie brauchte. Sanft war sie, aber entschieden; still und unerschrocken; immer wieder wird diese Mischung von deutlicher Entschlossenheit und Milde hervorgehoben. Als Ärztin besaß sie eine starke Ausstrahlung, man fasste schnell Zutrauen zu ihr. Sie hatte einen riesigen Patientenkreis, sowohl als Hausärztin vieler Professorenfamilien als auch bei den Armen in den heruntergekommenen Hinterhöfen der Altstadt. „Sie und Dr. Thorspecken waren die Starärzte von Heidelberg“, urteilt eine jüngere Kollegin, die sie noch kannte. Mittellose behandelte Marie Clauss unentgeltlich. Sie lebte bescheiden. Was ihr am entschiedensten Profil gibt, ist, was sich sonst noch herumsprach, ohne dass man damals Genaueres wusste, weil Verschwiegenheit geboten war: Sie setzte sich für die verfemten Juden ein. „lm Grunde war sie eine Kämpfernatur. Dass sie nicht ins KZ kam, war ein Wunder.“
Die persönlichen Beziehungen Friedrich Schillers (1759-1805) zu Heidelberg waren marginaler Natur: Nur wenige Male kam er während seiner Mannheimer Jahre zu einem kurzen Besuch herübergereist, ein nennenswerter literarischer Austausch mit hier ansässigen Persönlichkeiten ist über die Quellen nicht dokumentiert. Dennoch ergaben sich wichtige Berührungspunkte, etwa bezüglich Schillers Kontakten zu den Heidelberger Mitgliedern des Illuminaten-Ordens oder einzelnen Vertretern der Studentenschaft. Eine Erweiterung des Betrachtungshorizonts über seine Person hinweg offenbart zudem für die Jahre nach seinem Tod ein durchaus dichtes Beziehungsgefüge zwischen Weimar und Heidelberg, in dessen Mittelpunkt die Familien Schiller und Voss stehen; auch weilten beide Schiller-Söhne in den Jahren um 1810/13 als Studenten an hiesiger Universität. Darüber hinaus hatte mit dem Ableben des Dichters am Neckar und andernorts jene Bewegung an Dynamik gewonnen, die sich bis über die Mitte des 19. Jahrhunderts nachgerade zu einem Taumel nationaler Selbstidentifizierung steigern sollte und auf deren imaginärem ideengeschichtlichem Banner Schillers Bildnis als Nationaldichter und Identifikationsfigur wie ein Fanal der Hoffnung prangte. So erscheint es lohnenswert, den Hauptaspekten dieses komplexen literatur- und kulturgeschichtlichen Phänomens in seinen wichtigsten Handlungssträngen erstmals mit monographischem Blick auf das geistesgeschichtliche Milieu der Universitätsstadt und seiner Bewohner nachzugehen, nicht zuletzt um die Beiträge einzelner Protagonisten einer kritischen Revision zu unterziehen: Denn viele Namen seiner einstigen hier lebenden Bezugspersonen sind heute der Vergessenheit anheim gefallen, so dass sich eine Neubewertung auf Grundlage der Primärliteratur und unbekannter Quellen anbietet. Dies ist auch insofern überfällig, als die Schillerrezeption für Mannheim und den Oberrhein als hinreichend dokumentiert zu gelten hat, Heidelberg dort jedoch
nur ganz am Rande berührt wird. Keineswegs soll im Folgenden eine literaturwissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem gut erforschten und spannungsreichen System der Heidelberger Romantik und ihrer Rezeption der Schillerschen Dichtung angestrengt werden. Dieser Komplex wird gleichwohl gestreift und auf seine maßgeblichen Tendenzen hin überprüft. Die nachfolgenden Ausführungen bilden den ersten Teil einer längeren Untersuchung, die sich auf die Jahre bis um 1810 konzentriert. Dem Heidelberg-Besuch der Dichter-Witwe Charlotte v. Schiller (1766-1826) vom August/September 1810 und den Studentenjahren der beiden Schiller-Söhne ist ein zweiter Teil gewidmet, der im nächsten Jahrbuch erscheinen wird. Ein dritter Teil beschließt das Panorama mit einer Betrachtung der Vereinnahmung Schillers durch die liberale Bewegung, dies mit Fokus
auf den Heidelberger Gelehrten Gervinus und die beiden großen Schiller-Feiern der Jahre 1859 und 1905.
Bereits in den 1920er Jahren scharte der Heidelberger Vermessungsingenieur Albert Metzler (1895-1963) eine Reihe Gleichgesinnter aus Stadt und Landkreis Heidelberg um sich, die sich in ihrer Freizeit mit Heimat- und Familienforschung beschäftigten. In den 1950er Jahren wurden aus diesen zwanglosen Treffen regelmäßige Zusammenkünfte mit festen Programmpunkten und der 11. April 1956 so zum offiziellen Gründungstag. 2006 wird nun auf ein halbes Jahrhundert zurückgeblickt, während dessen der Öffentlichkeit im Raum Heidelberg einmal im Monat, also alles in allem 600 Mal, eine Abendveranstaltung zu historischen Themen geboten wurde.
Max Weber, der von manchen Zeitgenossen so genannte „Mythos von Heidelberg“, gehört zu den Lieblingsthemen der geistes- und sozialwissenschaftlichen Forschung der vergangenen Dekaden. Eine stattliche Reihe dickleibiger und teurer Bände der Max-Weber-Gesamtausgabe, Dutzende von Tagungsbänden über das Thema „Max Weber und ... “, Hunderte von Aufsätzen zu Einzelaspekten von Webers Werk füllen die Bibliotheken der soziologischen, historischen, religionswissenschaftlichen und juristischen Seminare nicht nur der deutschen Universitäten. Doch, so meinte Gregor Schöllgen vor einigen Jahren, eine letzte große „Herausforderung für die Weber-Forschung“ blieb: die „Biographie ihres Helden“. Zwar hat es manche Versuche gegeben, eine wissenschaftliche Weber-Biographie zu schreiben, doch sie führten bislang zu keinem oder jedenfalls keinem befriedigenden Ergebnis. So blieb schließlich jahrzehntelang das berühmte „Lebensbild“ von Webers Witwe Marianne das, wegen der persönlichen Nähe von Biographin und Gegenstand freilich problematische, Standardwerk.
Die Grundstücksakten im Heidelberger Stadtarchiv sind gelegentlich dann von wissenschaftsgeschichtlichem Interesse, wenn es um die Lokalisierungen von Institutionen oder Wohnungen geht. In diesem Bestand jedoch auf Originalbriefe von Else Jaffé (1874-1973) und Alfred Weber (1868-1958) zu stoßen, ist nur ein Verdienst des Zufalls. Bevor zwei der Briefe im Wortlaut mitgeteilt werden, soll auf die Heidelberger Bauleitplanung der 1920er Jahre, auf die Biografien der handelnden Personen und auf das eigentliche Grundstücksgeschäft näher eingegangen werden.
Goebbels in Heidelberg
(2006)
Es gab eine Reihe an Verbindungen des obersten NS-Propagandisten zu Heidelberg, verschiedentlich wird die Stadt in seinen Aufzeichnungen, den „Tagebüchern“ Joseph Goebbels', erwähnt. Einige Vorbehalte gegenüber dieser Publikation sind jedoch angebracht - so formulierte der Berliner Historiker Bernd Sösemann in einer Zwischenbilanz zur Dokumentation der Niederschriften und Diktate von Joseph Goebbels Kritik an der vorliegenden Edition der täglichen Aufzeichnungen. Er stellt fest, dass sie trotz Einführung einiger editionswissenschaftlicher Standards immer noch Mängel zeige, so - im Hinblick auf den textkritischen Apparat - der Text selbst erscheint geglättet, - bezogen auf die Nichtkenntlichmachung der Heterogenität des verwendeten Textmaterials, - die Aufzeichnungen seien von Goebbels „für seine Schriftstellerei, Reden und für Zeitungsbeiträge“, für Denkschriften etc., geschrieben bzw. diktiert worden, das aus Kopien, Hand- und Maschinenschriften, von Goebbels veranlassten Abschriften, Transkriptionen bestehe und Streichungen, Abänderungen etc. von verschiedener Hand enthalte, - schließlich gebe es Kollationierungsversäumnisse.
2006 blickte die Stadtbücherei Heidelberg auf eine hundertjährige Geschichte zurück. Schon 1904 hatte ein großzügiger Spender eine Schenkung in Höhe von 30.000 Goldmark an die Stadt Heidelberg gemacht und damit den finanziellen Grundstein zur Errichtung einer dann allein aus städtischen Mitteln finanzierten Volksbibliothek und Volkslesehalle gelegt. Bald nach dem Schenkungsakt begannen von Seiten der Stadtverwaltung emsige Vorbereitungsarbeiten zum Aufbau einer Volksbibliothek, unter anderem die Suche nach geeigneten Räumen sowie einem geeigneten Bibliothekar für die Einrichtung und spätere Leitung der neuen Institution.