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Zeugnisse aus schwerer Zeit
(2021)
Vielerorts wurde im Jahre 2020 an die letzte
Phase des Zweiten Weltkrieges (1939 – 1945) und
an die erste Nachkriegszeit erinnert. Gern bin ich
der Einladung von Herrn Prof. Edgar Tritschler
nachgekommen, wenig bekannte Dokumente aus
dem Dekanat Villingen den Lesern dieses Jahrbuchs vorzustellen. Am 17. Mai 1945, bald nach der bedingungslosen Kapitulation der Wehrmacht (8.5.1945),
forderte Conrad Gröber (1872 – 1948, Erzbischof
von Freiburg 1932 – 1947) die Pfarrer der Erzdiözese Freiburg auf, Ereignisse in der Pfarrei vor,
während und nach der Besetzung zu schildern;
weiter sei zu berichten über Schäden an kirchlichen Gebäuden, über die allgemeine Lage und das Verhalten ehemaliger Nationalsozialisten.
Die in die Pflicht Genommenen verfügten über
große Freiheit; sogar zum Tabuthema „Vergewaltigungen“ sollten sie sich äußern!
Blumen statt Bomben?
(2006)
Auszüge aus dem zeitgenössischen Gedicht „Le dernier cri " von Erich Kästner schildern
eindrucksvoll die Situation der Frauen im Krieg und in der Nachkriegszeit.
In der Forschung war das Thema dagegen lange vernachlässigt worden und rückte erst seit
den 80er-Jahren des 20. Jahrhunderts verstärkt in das Blickfeld der Geschichtswissenschaft.
Die Nachkriegsgeschichte von Frauen wird als „Geschichte der Enttäuschungen und Demütigungen" gesehen, es ist die Rede von der „Restaurierung der Geschlechterverhältnisse" in
den 50er-Jahren oder einem „gigantischen Rollback in Sachen Frauenbild". In jüngster Zeit
beurteilt man die Stellung der Frau in der Nachkriegszeit allerdings auch positiver und wertet diese Jahre als wichtige Etappe der Frauenemanzipation. Im Folgenden soll am Beispiel Freiburgs geprüft werden, welche Sichtweise der historischen Realität eher entspricht. Wie erlebten die Freiburgerinnen das Ende des Krieges? Bedeutete die „Stunde Null" Zusammenbruch
oder Befreiung für die Frauen? Ein besonderes Augenmerk der Untersuchung wird dabei auf
den Muttertag gelegt, der einen guten Indikator für das geltende Frauenbild darstellt.
RHEIN NECKAR ZEITUNG vom 29. Mai 1947 (von F. S.)
„Die 100. Kartenperiode
Am letzten Friedenstag 1939 erschienen wie ein Blitz aus heiterem Himmel Plakatanschläge
mit der Bekanntgabe der Beschlagnahme aller Lebensmittel und der Ausgabe
von Versorgungskarten. Damit begann die erste Kartenperiode. Es gab noch
gute und reichliche Sachen. Die Kalorien waren noch unbekannt und wurden
1.urch Brot, Butter, Fett, Fleisch und Wurst reichlich aufgewogen. Die
Ubergewichtler waren zwar auf etwas bescheidenere Kost gesetzt, aber der Durchschnittsmensch
brauchte sich keine Kandare anzulegen. Noch waren alle Tabakläden
indianische Raucherparadiese, in denen die braunen Sumatra und schlanken
Virginia, die Eckstein 5 und Haus Neuerburg die Besucher anlächelten. Auf dem
Marktplatz saßen noch die Gemüsefrauen mit vollen Körben und riefen:
,,Kaafe Se Äpfel".
In den Einschränkungen und Trümmern
des „totalen Krieges“ waren in Deutschland
auch die Lichter der Theater ausgegangen. Mit
einem Erlass vom 1. September 1944 hatte
Reichspropagandaminister Joseph Goebbels
den Spielbetrieb der deutschen Bühnen eingestellt, Ensembles hatten sich darauf hin zerstreut oder aufgelöst, darüber hinaus waren viele der Staats-, Landes- und Stadttheater im
alten Reichsgebiet zerbombt, ausgebrannt oder
beschädigt.
„Das Weltjudentum ist ein Problem & zwar ein Rassenproblem“, schrieb 1945
Hans Pfitzner, ein mit Richard Strauss, Ferruccio Busoni und Franz Schreker
in den Ehrenausschuss der ersten Donaueschinger Kammermusik-Aufführungen berufener, aber erst 1939 beim Oberrheinischen Musikfest Donaueschingen mit zwei Werken (und später nicht mehr) vertretener „Antisemit und
zweifelhafte Geselle“. Mehr als betrüblich, wie der Antisemitismus noch 1958
durch die Koblenzer Gneisenau-Kaserne geisterte, wo wir Rekruten in gedankenloser Einfalt (und erst später beschämt) „Die Juden zieh’n dahin, daher / Sie
zieh’n durchs Rote Meer / Die Wellen schlagen zu / Die Welt hat Ruh!“ sangen.
Dieser Beitrag knüpft an den Aufsatz an, der unter dem Titel Nutznießer und Täter – Villingen in der Zeit des Nationalsozialismus in den Schriften der Baar
(Band 60, 2017) erschienen ist. In diesem Aufsatz wurden sowohl die Machtübernahme der Nationalsozialisten im Verlauf der ersten Monate des Jahres 1933 und die Durchsetzung
nationalsozialistischer Politik durch die Bürgermeister Hermann Schneider und Karl Berckmüller mit Hilfe ihrer in städtische Ämter gekommenen Parteigenossen als auch die im Laufe der Jahre sichtbar gewordenen innerparteilichen Machtkämpfe dargestellt. Er endet mit dem Einmarsch der französischen Truppen am 20. April 1945 in Villingen und der Übergabe der Stadt durch den Bürgermeister-Stellvertreter HERMANN RIEDEL, nachdem führende Parteigrößen der Kreis- und Gauleitung die Stadt fluchtartig verlassen hatten.
Der Kreis Bühl erlebte im 20. Jahrhundert eine wechselvolle Geschichte. Er wurde im April 1945 durch französische Truppen von der nationalsozialistischen Diktatur befreit. Es begann von diesem Zeitpunkt an die Besatzungszeit, die bis 1955 dauern sollte. Während dieses Zeitabschnitts waren die Anfänge des kulturellen Lebens in Bühl zu beobachten, welche in diesem Beitrag thematisiert werden sollen.
Frühsommer 1945: Deutschland lag in Trümmern. Das "Dritte Reich", das für sich beansprucht hatte, für alle Zeiten die Geschicke Deutschlands und der "ganzen Welt" zu bestimmen, war in einem Inferno von Tod und Unrecht in sich zusammengebrochen. Nun stand als zentrale Frage im Raum: Wie konnte nach diesem Krieg, den man in Deutschland als "totalen" Krieg bezeichnet hatte, ein Frieden aussehen? War dieses Deutsche Reich, war dieses deutsche Volk überhaupt friedensfähig, hatte es nach Auschwitz noch das Recht, einen Platz in der Gemeinschaft der zivilisierten Nationen einzunehmen? Gleich nach Kriegsende begannen die Alliierten mit dem Wiederaufbau Deutschlands, der mit der Entfernung von Nazi-Strukturen einherging.
Der Südweststaat vor Gericht
(2012)
Vor 900 Jahren wurde ein "Markgraf von Baden" erstmals urkundlich erwähnt. Mehr als zwei Jahrhunderte nach der Erbteilung von 1535 fanden die Markgrafschaften Baden-Durlach und Baden-Baden wieder zueinander. Mit der im Zuge der Neuordnung des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation erfolgten Erhebung des Markgrafen Karl Friedrich zum Kurfürsten (1803: Reichsdeputationshauptschluss) und, drei Jahre später, bedingt durch das Ende des Reichs, seinem dem Kaiser Napoleon zu verdankenden Avancement zum Großherzog (wennschon nicht König, so doch "Königliche Hoheit") begann Badens große Zeit – unter einer Dynastie, die einst Stuttgart gegründet und mit Markgraf Bernhard II. (1428–1458) auch einen Beinahe-Heiligen hervorgebracht hatte. Der Freistaat Baden war ein Land der Weimarer Republik. Er überdauerte die Zeit des Nationalsozialismus. Nicht das Ende Badens, aber sein Ende als Staat kam 1945 mit der Aufteilung Deutschlands in Besatzungszonen und der Bildung der drei südwestdeutschen Länder Württemberg-Baden, Baden und Württemberg-Hohenzollern, aus denen am 25. April 1952 der Südweststaat, das heutige Baden-Württemberg, hervorgegangen ist. Bis in das Jahr 1974 andauernde juristische Nachhutgefechte hielten die "Baden-Frage" vorübergehend
noch am Leben.
Nach dem Kriege war die Bäderstadt Baden-Baden zum Verwaltungssitz für die französischen Besatzungstruppen erhoben worden. Von nun an lebten unzählige Franzosen und Deutsche auf recht engem Raum nebeneinander, so dass sich mannigfache persönliche Kontakte anbahnten. Dies führte dazu, dass im Frühjahr 1956 die Deutsch-Französische Gesellschaft gegründet wurde. Sie bietet bis heute eine Plattform für zahllose freundschaftliche Begegnungen. Und jetzt konnte der Verein sein 60-jähriges Bestehen feiern. Da der Verfasser, damals junger Gerichtsreferendar, die Anfänge miterlebt und mitgestaltet hatte, wurde er vom Vorstand gebeten, Rückschau zu halten. Hier der Wortlaut seines Vortrages.