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Als der Markgraf von Baden erstmals die öffentliche Nutzung für die Bestände der Hofbibliothek in Karlsruhe regelte, wurden ab Beginn des Jahres 1771 geschätzt über 11.000 Bücher für eine (eingeschränkte) Allgemeinheit zugänglich. Dieser nicht übermäßig große Bestand verdoppelte sich bis 1772 und verdreifachte sich gar innerhalb der nächsten beiden Jahrzehnte, sodass er 1799 bereits auf 30.000 Bände geschätzt wurde. Doch welche Werke im Einzelnen damit gegen Ende des 18. Jahrhunderts für Forschung und Wissenschaft zur Verfügung standen, bleibt eine weitgehend unbeantwortete Frage.
Aufgrund der historischen Umstände, die bereits vielfach aufgearbeitet wurden – namentlich die weitgehende Zerstörung des Bibliotheksbestands 1942 – ist eine Rekonstruktion des Bestandes von 1771 kaum mehr mit auch nur annähernder Vollständigkeit möglich.
Recherche nach NS-Raubgut im Zeitschriftenzugang der Badischen Landesbibliothek Karlsruhe 1942–1945
(2021)
Die Badische Landesbibliothek als eine der größten Regionalbibliotheken Deutschlands war während der Zeit des Nationalsozialismus, wie andere Kulturgut verwahrende Institutionen auch, in die staatlichen Strukturen zur Verwertung beschlagnahmter Kulturgüter aus jüdischem Vermögen eingebunden und profitierte davon. Bibliotheksdirektor Dr. Friedrich Lautenschlager wurde vom Generalbevollmächtigen für den Landeskommissarbezirk Karlsruhe zum Sachverständigen für die Begutachtung beschlagnahmter Sammlungen ernannt und begutachtete mehrere Bibliotheken, darunter auch die seines Amtsvorgängers Dr. Ferdinand Rieser, der aufgrund des Gesetzes zur Wiederherstellung des Berufsbeamtentums vom 7. April 1933 entlassen worden war. Mit der Zerstörung des Bibliotheksgebäudes am 3. September 1942 wurden sowohl die Bestände als auch das Verwaltungsschriftgut der Badischen Landesbibliothek vernichtet. Nur wenige im Luftschutzkeller gelagerte oder während des Bombenangriffs entliehene Druckschriftenbände und die bereits 1939 ausgelagerten Zimelien (Handschriften, Inkunabeln und rarifizierte Frühdrucke) überstanden dieses Ereignis unversehrt. Nach dem Bombenangriff wurde der Bestand mit Unterstützung durch die zuständigen Reichsbehörden rasch wiederaufgebaut. Buchhandel und Antiquariate, Behörden und Organisationen sowie private Verkäufer und Schenker boten der Bibliothek Bücher zum Wiederaufbau an. Heute noch vorhandenes NS-Raubgut befindet sich in diesen neu aufgebauten Beständen. Während des Jahres 2020 wurden die Zeitschriftenbestände ZA/ZB/ZC (allgemeiner Zugang) und OZA/OZB/OZC (Spezialbestand Oberrhein) systematisch auf NS-Raubgut bzw. verdächtige Provenienzen hin untersucht. Die Recherche begann mit der Auswertung der Steilkartei (Standortkatalog der Zeitschriften) und dem Abgleich der daraus ermittelten Daten mit den Zugangsjournalen und dem aktuellen Katalog für die Zugänge der Jahre 1942–1945. Im Anschluss wurden die ermittelten Zeitschriftenbestände per Autopsie untersucht. Die vorhandenen Provenienzmerkmale wurden aufgenommen und entsprechend dem Leitfaden für die Ermittlung von NS-verfolgungsbedingt entzogenem Kulturgut in Bibliotheken nach sechs Verdachtskategorien klassifiziert. Für die untersuchten 8.412 Bände ergab sich folgende Bilanz: 34,5 % der überprüften Bände sind als unbedenklich einzustufen. 64,4 % der Bände sind hinsichtlich ihrer Provenienz unspezifisch. Lediglich 1,1 % der Bände wurden mit NS-Raubgutverdacht klassifiziert und nur ein Band wurde als NS-Raubgut gesichert.
„Man thut dem Hofe sehr unrecht, wenn man ihn einer allzustarken Sparsamkeit beschuldiget“, bemerkte 1784 der brandenburgische Historiker Philipp Wilhelm Gercken nach seinem Besuch in Karlsruhe; Anlass zu diesem Gerücht, so meinte er, habe wohl die Mutter des Fürsten gegeben, „die, bey dem Anfall des Baden Badenschen Landes, die zugleich mitgeerbte enorme Schuldenlast klüglich zu mindern suchte und daher die Sparsamkeit einführte, ohne die der ganze Staat vielleicht zu Grunde gegangen wäre“. Ob der Vorwurf der „allzustarken Sparsamkeit“ in seiner Pauschalität zutrifft, soll hier nicht entschieden werden. Das Motiv der Sparsamkeit drängt sich freilich auf, wenn man beide Hofbibliotheken, die annähernd zu
gleicher Zeit erbaut worden sind, miteinander vergleicht, erst recht, wenn man die beiden Schlösser in die Betrachtung einbezieht: Die Anlage des Karlsruher Schlosses ist wahrlich gegenüber der Dimension in Mannheim „bescheiden“.
Das Adjektiv „bescheiden“ trifft leider aber auch auf die Quellenlage zur Karlsruher Hofbibliothek zu. Zwar gibt es auch über die Mannheimer Hofbibliothek keine monographische Gesamtdarstellung, doch mangelt es insgesamt nicht an Literatur über das Schloss und die Schlossbibliothek. Anders in Karlsruhe, wo keine moderne Baugeschichte des Schlosses, geschweige denn eine Geschichte der Schlossbibliothek existiert. Das gilt auch für das vorhandene Bildmaterial: Beide Schlossbibliotheken existieren heute nicht mehr, beide Schlösser wurden 1944 zerstört, aber vom Mannheimer Bibliothekssaal sind immerhin Vorkriegsaufnahmen erhalten.
Die deutschsprachige Burgenforschung hat eine lange Tradition. Unter dem Einfluss verschiedenster Fachdisziplinen entwickelten sich thematische Zeitkonzepte, welche bis heute Ansätze, Begriffe und Bewertungen prägen. Der Beitrag untersucht Periodisierungsvorstellungen in der Burgenforschung im Rückgriff auf (forschungsgeschichtlich einflussreiche) Objekte aus dem Südwesten, v.a. der Schwäbischen Alb. Ziel ist die Sensibilisierung für die Bedeutung großer disziplinärer Erzählungen sowie kleinräumiger Narrative.
Inkl. Exkurs zur Geschichtsvermittlung.
Die reichsweit stattgefundenen Versteigerungen jüdischen Hausrates, organisiert
durch die staatlichen Finanz- und Zollämter, waren Teil der sogenannten „Arisierung“ jüdischen Besitzes. Deren Ziel war, die jüdische Bevölkerung aus dem
Wirtschaftsleben zu verdrängen und die Zwangsenteignung jüdischen Besitzes
zugunsten des Staates und der „Arier“ zu organisieren.
Betroffene dieser fiskalischen und materiellen Enteignung durch staatliche
Organe waren auch Mitglieder der Villinger Familien Haberer, Schwarz und
Schwab. Zusammen mit insgesamt 6.500 badischen und Saarpfälzer Juden wurden sie am 22. Oktober 1940 in das Lager Gurs in den Pyrenäen deportiert. Der
beschlagnahmte Hausrat wurde schon einige Wochen später im Auftrag des
örtlichen Finanzamtes öffentlich versteigert.
Eine weitere Versteigerung fand im April 1942 statt. Zum Verkauf kamen
die Wohnungseinrichtungen von Michael Bloch und der Familie Gideon. Sie
konnten noch wenige Tage vor Beginn des Krieges in die Schweiz emigrieren. Der
zum Abtransport verpackte Hausrat wurde jedoch von Gestapo- und Zollbeamten beschlagnahmt und bis zur Versteigerung – 2 1/2 Jahre später – eingelagert.
Im Folgenden soll aufgezeigt werden, wie die jüdische Bevölkerung seit der
Machtübernahme durch die Nationalsozialisten mit Hilfe erlassener Gesetze und
Verordnungen systematisch ihres Besitzes und Vermögens beraubt wurde,
wobei die öffentlichen Versteigerungen der Wohnungseinrichtungen und des
Hausrates einen Schlusspunkt der Ausplünderung darstellten. Es stellt sich die
Frage, wer – neben dem Staat – an der Enteignung des jüdischen Besitzes beteiligt war und zu den örtlichen Profiteuren der Versteigerungen gehörte
Zeitgenossen und Historiker bezeichneten die Geschichte der evangelischen Kirche im Nationalsozialismus als Kirchenkampf, als Kampf widerchristlicher Kreise in Staat und Partei gegen die Kirche. Diese eindeutige Frontstellung entsprach dem früh gepflegten kirchlichen Selbstbild, aber nicht der historischen Realität. Stattdessen dominierten Widersprüche, die sich theologisch mit Defiziten in der politischen bzw. der Staatsethik erklären lassen, das Bild: weitgehende Zustimmung zur Politik des Regimes und Einspruch gegen die staatliche Religionspolitik, um die Institution Kirche zu erhalten; amtliches Schweigen und individueller Protest gegen staatliches Unrecht; unermüdliches Einfordern von Rechtstiteln durch die Kirche trotz früher eigener Unterdrückungserfahrung und der Tatsache, dass Zusagen von Partei und Staat nur von taktischer Natur und Rechtsbrüche an der Tagesordnung waren.
Rechts.Geschehen. – 1 (2021)
(2021)
Die Forschung zur Geschichte der Stadt Villingen versucht seit jeher ein kohärentes Szenario der frühen Siedlungsentwicklung zu entwerfen, ausgehend von der
Ersterwähnung 817 und der Verleihung des Marktrechts durch Kaiser Otto III.
an den Zähringer-Vorfahren Graf Bertold im Jahr 999, vor allem aber für die Zeit
des späten 11. bis zu Beginn des 13. Jahrhunderts. In dieser Phase war der Siedlungskern vom östlichen Ufer der Brigach, dem Dorf Villingen-Altstadt, in dem
sich auch die Pfarrkirche befand, um etwa 1,5 Kilometer nach Nordwesten in den
Brigachbogen verlegt worden, wo sich die Stadtwerdung Villingens vollzog. Gemeinsam ist allen diesen Versuchen, dass sie sich mit einer nur spärlich vorhandenen Quellenüberlieferung konfrontiert sehen. Neben der historischen Überlieferung spielen auch archäologische und bauhistorische Befunde eine Rolle. Als bedeutendste Protagonisten kristallisieren sich neben den Herzögen
von Zähringen und deren Ministerialität zwei im Umfeld von Villingen begüterte
Klöster heraus, die unter der Vogtei der Zähringer standen: St. Georgen und
St. Peter.
Betrat man 1950 den Hauptraum im Erdgeschoss des Schwenninger Heimatmuseums, so fiel der Blick auf zwei eingerichtete Stuben. Links blickte
man (und blickt man, die Stuben existieren bis heute) in eine Koje mit dicken
Mauern und einer Wandbemalung, in der eine Art Sitzgruppe um einen kleinen
Tisch herum steht, rechts in einen von Holzbohlen und Brettern gebildeten Raum,
möbliert mit Stuhl und Bett. Doch im Gegensatz zu den zahllosen Inszenierungen historischer Bürger- oder Bauernstuben in vergleichbaren Heimatmuseen ist hier kein originaler Gegenstand zu sehen. Die Keramik im linken Arrangement entstand, wie ein Zeitungsartikel von 1952 überliefert, nach Lesefunden von römischen Gutshöfen vor
Ort – einige originale Scherben (Gebrauchs-)Keramik sowie Bruchstücke einer
Wandbemalung aus dem 1932 ergrabenen Gutshof „Auf Steinkirch“ befanden
und befinden sich im Museum. Rechts sind Reproduktionen alamannischer
Grabfunde ausgestellt. „Die Waffen und übrigen Metall-Gerätschaften sind nach
den Funden von Lauffen bei Rottweil und Schwenningen angefertigt.“ Eine alamannische Lanzenspitze aus der Sturmbühlstraße und je zwei Lanzenspitzen und
Saxe, die 1924 und 1925 in Lauffen bei Rottweil gefunden wurden, sind als
Schwenninger Museumsgut für die Zeit vor 1950 überliefert. Die reproduzierten Originale waren alles bescheidene Objekte, nichts Besonderes, das zwingend
den großen Aufwand der beiden Inszenierungen nahegelegt hätte.
Die evangelische Johanneskirche Bad Dürrheim im Kontext des modernen Kirchenbaus im 20. Jahrhundert
(2021)
Es ist schwierig, für den Beginn der Geschichte des „modernen“ Kirchenbaus in
Deutschland ein Fixdatum zu bestimmen. Denn rückblickend liegen dessen Wurzeln im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts. Katholischerseits wäre als Wegbereiter der liturgischen Neuerungen der Beuroner Benediktinerpater Peter Lenz
zu nennen. Er legte 1870/71 den nie verwirklichten Idealplan einer Kirche vor,
in der der Tabernakel nicht mehr auf dem Altar oder im Altarretabel untergebracht war. Evangelischerseits steht das in den 1860er Jahren entwickelte
Konzept der „lebendigen Gemeinde“ des Dresdner Pfarrers Emil Sulze am
Anfang. Es enthielt auch schon Überlegungen zu Neuerungen im Kirchenbau.
Während die zum „modernen“ Kirchenbau führenden liturgischen Reformen in
der evangelischen Kirche schon seit der nach dem „Wiesbadener Programm“
(1890/91) errichteten Wiesbadener Ringkirche (1892–94) und der in diesem
Kontext 1894 von Cornelius Gurlitt geprägten Devise „Liturgie als Bauherr“
real in Architektur umgesetzte Formen annahmen, begann Derartiges im katholischen Kirchenbau erst nach Ende des Ersten Weltkriegs, nachdem Johann van
Acken 1922 mit seiner Schrift „Christozentrische Kirchenkunst – Ein Entwurf
zum liturgischen Gesamtkunstwerk“ den Schlüsseltext zum Kirchenbau aus Sicht
der katholischen liturgischen Bewegung vorgelegt hatte. Parallel dazu entwickelten die evangelischen Architekten Otto Bartning und insbesondere
Martin Elsaesser Konzepte, Sulzes Konzept der „lebendigen Gemeinde“ in adäquate Raumkonzepte für Gemeindezentren umzusetzen. Dabei beschäftigte sich
Elsaesser schon intensiv mit dem Verhältnis von Kirche und Welt in der modernen Gesellschaft und dem damit verbundenen Eindringen des Profanen in den
sakralen Bereich. Die Abgrenzung des Sakralen vom Profanen wurde neben der
Formel von der „Liturgie als Bauherr“ zum zweiten prägenden Gedanken für den
Kirchenbau nach dem Zweiten Weltkrieg.