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Liebe Gäste, wir feiern heute ein wichtiges historisches Ereignis – mit etwas Verspätung. Das Jubiläum 200 Jahre badische Landesverfassung fiel aber auch mitten in die parlamentarische Sommerpause. Großherzog Carl kann man dafür keinen Vorwurf machen. Als er am 22. August 1818 die Verfassung unterzeichnete, hatte es im heutigen Baden-Württemberg
schließlich noch keine Parlamente gegeben. Die badische Verfassung war die erste, die eine solche Vertretung schuf. Der
22. August dieses Jahres ist daher auch der Startpunkt für ein Projekt des Staatsministeriums mit dem Haus der Geschichte Baden-Württemberg. Unter dem Stichwort »des Volkes Stimme« finden Sie Kalendereinträge aus 200 Jahren
Partizipation. Das Projekt präsentiert die badische Verfassung als Ausgangspunkt. Als Wurzel, aus der alles Weitere gewachsen ist, was es seitdem in diesem Land an Reformen, Umbrüchen, Bürgerbewegungen gegeben hat
Verehrte und geschätzte Festversammlung, lassen Sie uns auf eine Zeitreise zum 100. Geburtstag der Ersten Badischen Verfassung gehen: Wir befinden uns im August des Jahres 1918. Das Großherzogtum Baden feiert in Karlsruhe das Jubiläum. »Feiern« ist für das Jahr 1918 freilich eine unpassende Beschreibung! Das Ende des Ersten Weltkrieges rückt näher. Die Zahl der Toten und Verwundeten geht längst in die Millionen. Das Kaiserreich liegt am Boden. Die
militärische Katastrophe steht bevor. Die wenigsten Teilnehmer der damaligen Jubiläumsfeier konnten sich vorstellen, dass mein Urgroßvater, Prinz Max, zwei Monate später Reichskanzler werden würde. Für nur vier Wochen! Dass drei Monate später das Kaiserreich zusammenbrechen sollte. Dass meine Familie nach gut 800 Jahren Regentschaft ihren Thron verlieren sollte. Und die Erste Badische Verfassung mit der Abschaffung der Monarchie ihre Gültigkeit verlieren sollte. Der hundertste Geburtstag der Verfassung war zugleich ihr Ende!
„Die Kanzel ist das Thermopylä der Christenheit, da wird die Schlacht verloren oder gewonnen.“
(2019)
In den frühen 1960er Jahren standen Kirche und Gesellschaft am Beginn einer Ära der Reformen und der Aufbrüche. Mit dem Rücktritt Konrad Adenauers als Bundeskanzler und dem Beginn der Regierungszeit Ludwig Erhards im Oktober 1963 endete in der Bundesrepublik endgültig die Nachkriegszeit. In der katholischen Kirche hatte kurz zuvor im Oktober 1962 unter Führung des reformorientierten Papstes Johannes XXIII. das Zweite Vatikanische Konzil begonnen mit seinem Versuch, die katholische Kirche für die Moderne zu öffnen. In der bisher gesamtdeutschen EKD hatte der Mauerbau vom August 1961 die Teilung des Protestantismus in Ost und West verschärft, in den DDR-Landeskirchen begann eine eigenständige Entwicklung, die am Ende des Jahrzehnts 1969 zur Gründung des Bundes der Evangelischen Kirchen in der DDR führte. Auch in der Badischen Landeskirche endete 1964 mit dem Dienstbeginn von Hans-Wolfgang Heidland als Landesbischof eine Ära: die 18jährige Bischofszeit von Julius Bender, der sein Amt kurz nach Kriegsende Anfang 1946 angetreten hatte.
Im Jahr 2020 ist das Evangelische Gesangbuch (EG) der Badischen Landeskirche seit 25 Jahren in Gebrauch – es wurde am Ersten Advent 1995 (3. Dezember 1995) in den evangelischen Gemeinden eingeführt. Der gesamte Prozess der Einführung des neuen EG innerhalb der Evangelischen Kirche Deutschlands dauerte insgesamt drei Jahre: er begann am Reformationstag 1993 mit Berlin-Brandenburg und war mit der Einführung in der württembergischen Landeskirche zum Ersten Advent 1996 beendet. 2018 kam in Baden der Ergänzungsband Wo wir dich loben, wachsen neue Lieder heraus, der – ähnlich wie die Anhänge ’71 und ’77 in den 1970er Jahren als Ergänzungen zum damaligen Evangelischen Kirchengesangbuch EKG – modernes und zeitgemäßes Liedgut den Gemeinden nahebringen möchte. Im Vorfeld des 200jährigen Jubiläums der Badischen Union 2021 sollen hier die vier badischen Gesangbücher aus den Jahren 1836, 1882, 1951 und 1995 mit einem Vergleich ihrer Vorworte in den Blick genommen werden. Innerhalb der neueren badischen Kirchengeschichtsforschung spielten Untersuchungen der Gesangbücher schon immer eine wichtige Rolle. Heinrich Riehm hat in seinem 2011 erschienenen Sammelband Auf dem Weg zum Evangelischen Gesangbuch 1993 zahlreiche Aspekte der neueren badischen Gesangbuchgeschichte zusammengestellt.
1988 legte der Historiker Clemens Vollnhals – inzwischen Leiter des Hannah-Arendt-Instituts für Totalitarismusforschung in Dresden – eine umfangreiche Dokumentation „Die evangelische Kirche nach dem Zusammenbruch. Berichte ausländischer Beobachter aus dem Jahre 1945“ vor. Darin präsentierte er 72 bis dahin völlig unbekannte Dokumente US-amerikanischer, britischer und französischer Kirchenvertreter, die unmittelbar nach Kriegsende das zerstörte und besiegte Deutschland besucht und erste Kontakte zu deutschen Kirchenvertretern geknüpft hatten. Die Dokumente, die in der Zeit zwischen Mai und Dezember 1945 entstanden, hatte Vollnhals unter anderem in den „National Archives in Washington“, in den damals noch in Colmar lagernden Beständen der „Archives de l’Occupation française en Allemagne et en Autriche“ sowie im „Archiv des Lutherischen Weltbundes“ und des „Ökumenischen Rates der Kirchen in Genf“ entdeckt. Drei dieser ausländischen Beobachter hatten dabei auch die Badische Landeskirche und die Erzdiözese Freiburg besucht: Sylvester C. Michelfelder und Stewart W. Herman aus den USA sowie Marcel Sturm aus Frankreich. Ihre Berichte sind eine einmalige historische Quelle für die Situation der evangelischen und der katholischen Kirche in Baden in den ersten Nachkriegsmonaten 1945.
Johann Heinrich Jung-Stilling gehörte zu den erfolgreichsten deutschsprachigen Literaten seiner Zeit. Seine Werke hatten auch in denjenigen Landschaften des deutschen Südwestens, die Anfang des 19. Jh. zum Großherzogtum Baden zusammengefügt wurden, eine breite Leserschaft. Jung-Stilling war in Baden nicht nur literarisch wirksam. Er war dort gegen Ende seines Lebens auch wohnhaft und nahm persönlich Einfluss auf kirchliche Zusammenhänge. In zwei Abschnitten wird im Folgenden der
Einfluss Jung-Stillings in Baden nachgezeichnet. Zunächst wird Jung-Stillings Wirken zu Lebzeiten in Baden betrachtet. In einem zweiten Abschnitt geht es um die Frage, wie die Bedeutung Jung-Stillings für die Badische Erweckungsbewegung ab
den 1820er Jahren zu bewerten ist.
Das berufliche Engagement, seine Interessen und Aktivitäten, letztlich die gesamte Lebensleistung des Ingenieurs Robert Gerwig ist aufgrund ihrer immensen Fülle überwältigend. In den 65 Jahren, die ihm zu leben vergönnt waren (2. Mai 1820–6. Dezember 1885), hat er nicht nur Straßenverläufe abgesteckt, Eisenbahnstrecken im In- und Ausland trassiert, Brücken entworfen oder den Bau von Gebirgsbahnen geleitet. Er hat auch eine Uhrmacherschule geleitet, etliche Gutachten zur Korrektion des Verlaufs von Binnengewässern verfertigt, die Sicherung des Reichenau-Damms entworfen und Anlagen zur Wasserversorgung begutachtet. Neben alledem hat er sich als Privatmensch wissenschaftliche Reputation mit Arbeiten zur Botanik, zur Geologie, zur Gletscherkunde und zu mathematisch-physikalischen Fragen erworben. Nicht zuletzt war er Abgeordneter im Badischen Landtag und schließlich auch im Berliner Reichstag.
Im Teil 1 hatten wir einen Blick auf Robert Gerwigs Jugendjahre und auf sein spärlich überliefertes Privatleben geworfen und hatten sodann kursorisch seine Tätigkeiten in den ersten Jahren als Ingenieur bei der Badischen Oberdirektion des Wasser- und Straßenbaus (OWS) verfolgt. Einen genaueren Blick hatten wir anschließend auf die Jahre zwischen 1853 und 1858 geworfen: Im Jahr 1853 war Gerwig zum Baurat befördert worden und eine seiner ersten Aufgaben war der Entwurf und die Bauleitung der Eisenbahnbrücke über die Wiese bei Basel gewesen. Das Jahr 1858 hatte mit den Gründungsarbeiten an Gerwigs zweitem Brückenprojekt, der Eisenbahnbrücke über den Rhein bei Waldshut begonnen und es hatte mit dem Beginn der Gründungsarbeiten an seinem dritten Brückenprojekt, der kombinierten Straßen- und Eisenbahnbrücke über den Rhein bei Konstanz geendet.Im Teil 2 werden wir Gerwigs Aktivitäten in den Jahren zwischen 1859 und 1863 verfolgen sowie abermals einen kursorischen Blick von 1864 bis zu seinem frühen Tod im Jahre 1880 werfen.
Viele Fragen tun sich auf, sobald man auf diese Überschrift stößt: „Lieder badischer Liedermacher im 20. Jahrhundert“
– Welche Art von Liedern fällt unter diese Rubrik? – Wer ist Badener? Wer nicht? – Was ist ein Liedermacher? – Wer alles gehört zum 20. Jahrhundert? Welche Art Lied? – Da es sich ja hier um eine Tagung zu Gesangbuch und Kirchenlied handelt, erübrigt sich wohl meine erste Frage. Kirchenlieder sind gemeint. Gemeindelieder sind gemeint. Lieder sind gemeint, die in einem Gesangbuch stehen oder stehen könnten. Wer ist Badener? – Ob ein Mensch in Baden geboren ist oder seine Wirkungsstätte hat, ob er in Baden seinen Ruhestand verbracht hat oder gestorben ist – hier möchte ich gern großzügig sein. Ich selbst bin in Westfalen geboren und aufgewachsen, trotzdem fühle ich mich seit langem in der Kurpfalz zu Hause und bin also auch – irgendwie – Badener. Was ist ein Liedermacher? – Wer fällt Ihnen da ein? Zunächst doch wohl eher die
Sänger von Protestsongs, die mit der Gitarre auf der Kleinkunstbühne ihre Lieder vortragen. Reinhard Mey, Wolf Biermann, Hans Dieter Hüsch, Hannes Wader, Konstantin Wecker u.s.w. Obwohl „Über den Wolken“ von Reinhard Mey bei Trauungen
von Flugbegleitern sicher gut passen würde, wüsste ich nicht, dass ein Lied dieser Sänger schon im Gesangbuch gelandet wäre. Natürlich gibt es auch kirchliche Protestsongs und kirchliche Wanderbarden mit Gitarre. Bei meinen Ausführungen möchte ich mich aber beschränken auf Menschen, deren Dichtungen oder deren Weisen Eingang ins Gesangbuch gefunden haben.
Das Erzbistum Freiburg und das alte Großherzogtum Baden besitzen beachtenswerte Gemeinsamkeiten, in ihrer Geschichte, ja sogar bis in die Gegenwart hinein. Nicht als wäre hier eine gleichberechtigte Partnerschaft festzustellen, eher ein spannungsgeladenes Gegenüber, das im Auf und Ab politischer Gärungen sich stets neu und anders einstellte. Zunächst soll auf die Politik und ihre Sprache um 1806 hingewiesen werden: denn diesem Jubiläum gilt es ja gerecht zu werden, um in Kontrast dazu die kirchlichen Verhältnisse und deren Neuorganisation innerhalb eines kurfürstlich bzw. großherzoglich badischen Regiments zu skizzieren.
Mit der Veröffentlichung seiner 95 Thesen hatte Martin Luther 1517 einen bemerkenswerten Beitrag zur weiteren Entwicklung der Reformation geleistet. Dies war EKD-weit Anlass für die Proklamation einer von 2008 bis 2017 währenden Dekade mit Jahresthemen, die jeweils einem besonderen Aspekt der Reformation gewidmet waren. Sie gipfelte im Jubiläumsjahr 2017 mit seinen vielfältigen Angeboten auf Ebene der EKD und ihrer Gliedkirchen, vielfach im Zusammenwirken mit staatlichen und anderen öffentlichen Einrichtungen. Die Gestaltung des Reformationsgedenkens in Baden war mit über 8.000 eigenen Projekten und Veranstaltungen eingebunden in diesen Kontext. Dennoch hatte sie unverkennbar ein ganz eigenes Profil. So war sie zum Beispiel vergleichsweise sehr viel weniger „lutherlastig“ als es dem allgemeinen EKD-Trend entsprach. Das spiegelte sich unter anderem darin wider, dass in den offziellen landeskirchlichen Verlautbarungen vornehmlich von „Reformationsdekade“, „Reformationsjubiläum“ oder „Reformationsgedenken“ die Rede war und nicht von „Lutherdekade“ oder „Lutherjubiläum“. Weitere besondere Charakteristika waren die ausgeprägte Basisorientierung des badischen Reformationsgedenkens, sein Interesse an der Beschäftigung mit Kerninhalten des Evangeliums und seine vielfältigen ökumenischen Akzentuierungen.
Unter dieser Überschrift gab das Presseamt
der Stadt Karlsruhe am 11. November 1957 bekannt,
dass eine „christlich-jüdische Delegation
aus Karlsruhe“ nach Gurs an der französischspanischen
Grenze gereist war, um sich einen
Eindruck von dem Zustand des Friedhofs des
Lagers Gurs zu verschaffen, in das im Oktober
1940 über 6500 Juden aus Baden, der Pfalz und
dem Saarland verschleppt worden waren. Dieser
Pressebericht gab die Antwort auf einen Artikel
des als Journalist tätigen Karlsruher Diplomingenieurs
Peter Canisius, Sohn des gleichnamigen
damaligen Präsidenten der Bundesanstalt
für Wasserbau.
Im April 2001 wird im Badischen Landesmuseum Karlsruhe (BLM) die Ausstellung zur badischen Landes- und Kulturgeschichte in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts auf ca. 700 qm Ausstellungsfläche eröffnet. Mit dieser Neueinrichtung unter dem Titel „Baden zwischen den Revolutionen 1789-1848" werden die Anfänge der badischen Geschichte als Großherzogtum an historischem Ort, dem Karlsruher Schloss, lebendig. In vier Abschnitten will die Ausstellung den Besucherinnen und Besuchern einen Überblick geben über die Entwicklung in der Zeit von der Französischen Revolution und den Erhebungen von 1848. Dabei wird die besondere Rolle Badens im Rahmen der gesamteuropäischen Geschichte reflektiert. Dazu steht die umfangreiche kulturgeschichtliche und kunsthistorische Sammlung des Hauses zur Verfügung. Der größte Komplex an Objekten sind traditionell volkskundliche Sammlungsgegenstände. Diese werden nicht, wie dies in früheren Präsentationen der Fall war, nach Objektgruppen ausgestellt. Vielmehr wird die Neueinrichtung auf der Basis eines kulturwissenschaftlichen Konzepts erfolgen. Daher werden die Bestände - ergänzt durch einige Ankäufe sowie langfristige Leihgaben - unter dem Aspekt ihrer Aussage zur Landes- und Kulturgeschichte Badens in den narrativen Kontext der Ausstellung integriert.
Stadt - Land - Religion
(2000)
Zahllose Konflikte prägten das Verhältnis von Staat und Kirche im 19. Jahrhundert. Zu den Höhepunkten der Auseinandersetzungen gehörte neben einer frühen Eskalation im „Kölner Ereignis“ und den mannigfachen Kulturkämpfen der 1870er Jahre auch der „Badische Kirchenstreit“ nach der Jahrhundertmitte. Er wurde in seinen Grundzügen bereits mehrfach dargestellt, so in den größeren Werken zur oberrheinischen bzw. badischen Geschichte aus der Feder von Heinrich Brück, Heinrich Maas und Hermann Lauer. 1905 wandte sich erstmals in ausschließlicher Weise Curt Schröter dem Thema zu.
Die Familie Hochberg war eine bürgerliche Beamtenfamilie der Markgrafschaft Baden im 15. und 16. Jahrhundert; ihre Mitglieder bekleideten die höchsten Ämter, die für Bürgerliche in jener Zeit überhaupt erreichbar waren: als Kanzler und Landschreiber der Markgrafen sowie Inhaber bedeutender geistlicher Ämter. Ihre Geschichte ist bisher freilich niemals umfassend untersucht,
sondern immer nur gestreift worden. Der Umstand, dass verschiedene Familienmitglieder denselben Vornamen trugen – es gibt drei Träger des Namens Johann(es) Hochberg und zwei Träger des Namens Sebastian Hochberg –, führte häufig zu Verwechslungen. Im Nachfolgenden soll erstmals der Versuch unternommen werden, die Geschichte dieser Familie eingehend darzustellen.
Schwierigkeiten im Umgang mit vergangener historischer Größe haben Tradition in Villingen und anderswo. Seit dem Anschluss an Baden 1806 und dem damit verbundenen Abstieg zur badischen Provinzstadt gab es viele Versuche, die alte Größe Villingens zu erneuern, städtisches Selbstbewußtsein zu heben , neue städtische Funktionen zu erhalten. Die alte Stadtkultur wurde durch die industrielle Revolution verändert, teilweise sogar
zerstört. Die Auswirkungen der Industrialisierung krempelten unsere Städte um, änderten ihre Bedeutung für das Umland. Dies hatte Auswirkungen auf die bürgerliche Selbsteinschätzung.
Die Zivilkommissare von 1849 in der Baar – Repräsentanten der Revolutionsregierung in Baden vor Ort
(2001)
Die Zivilkommissare waren ab Repräsentanten und Vertrauensmänner der Revolutionsregierung zwischen Mitte Mai bis Ende Juni 1849 in allen Bezirksämtern Badens vertreten. Sie sollten dafür sorgen, dass die Staatsbeamten die Verordnungen und Gesetze aus Karlsruhe in ihren Amtsbezirken durchführten. Zu den zentralen Aufgabenfeldern zählten einerseits die Kontrolle der zivilen Bürokratie, andererseits der Aufbau der Volkswehren in den Gemeinden. Ihre Arbeit diente dem Zweck, die republikanischen Errungenschaften im Land zu konsolidieren. Die Politik der demokratischen Erneuerung sollte mit ihrer Hilfe über Karlsruhe hinaus bis in die untere Ebene der Staatsverwaltung transportiert werden. Zivilkommissare sollten somit die Revolution in Baden vor Ort umsetzen.
Im Jahr 2001 hat der Verein für Kirchengeschichte in der Evangelischen Landeskirche in Baden einen Sammelband mit dem Titel Reformierte Spuren in Baden veröffentlicht. Dieser Band widmet sich vor allem dem Versuch Markgraf Ernst Friedrichs,
1599 ein reformiertes Bekenntnis in der lutherischen Markgrafschaft Baden-Durlach einzuführen. Zwei Beiträge gehen auf die Frage ein, ob es auch heute noch reformierte Spuren in der Evangelischen Landeskirche in Baden gibt. Johannes Calvin wird in
diesem Band nur selten erwähnt. Er scheint weder im 16. Jahrhundert noch im 20. Jahrhundert eine nennenswerte Rolle in Baden gespielt zu haben.
Am 22. August 2018 jährt sich zum 200. Mal der Tag, an dem Großherzog Carl in Bad Griesbach kurz vor seinem Tod die freiheitlichste Verfassung seiner Zeit unterschrieb und erst damit der Staat Baden wirklich und unanfechtbar gegründet wurde. Dass dieses Ereignis vom Land Baden-Württemberg und der Stadt Karlsruhe gebührend gefeiert werden würde, davon
gingen sowohl die Regionalgruppe der »Badische Heimat« als auch deren bewährter »Kooperationspartner«, die »Landesvereinigung Baden in Europa« aus. Als wir uns aber Anfang Dezember 2017 beim Land und bei der Stadt nach dem Stand der Planungen erkundigten, erfuhren wir, dass dieses Ereignis nicht im Bewusstsein der ehemaligen Residenzstadt und
schon gar nicht des Landes Baden-Württemberg war, denn es waren weder ein Festakt noch sonstige Aktivitäten geplant. Und das, obwohl durch »900 Jahre Baden«, den Stadtgeburtstag und die Heimattage genug Aufmerksamkeit auf Karlsruhe und die badische Geschichte gezogen worden sein sollte.
Der folgende Artikel zeigt die Ergebnisse des Schulprojekts »Badische Verfassung 1818«, das bereits im vergangenen Heft angekündigt wurde. Der erste Teil befasst sich mit der Frage, welchen Sinn ein solches Projekt haben kann, zum anderen wird kurz darauf eingegangen, wie Schulen und Lehrer gefunden wurden, die bereit waren, das Thema im Unterricht oder als
Projekt in ihren Klassen umzusetzen. Der zweite Teil gibt einen Überblick über die Projekte, die bereits durchgeführt wurden und diejenigen, die noch geplant werden.
Über die Grundlinien der Entwicklung der deutschen Tagespresse zwischen
1933 und 1945 besteht seit langem Klarheit: Das breit entfaltete, pluralistische Zeitungswesen der Weimarer Republik wurde von den Nationalsozialisten in mehreren Wellen drastisch beschnitten und inhaltlich in ein enges Korsett gezwängt. Gegen Ende des Zweiten Weltkriegs existierte nur noch ein Bruchteil der Blätter, die es 1932 gegeben hatte – und fast alle davon waren in der Hand der NSDAP. Von „Zeitungen“ war dabei eigentlich kaum noch zu reden. Es handelte
sich nur noch um eine Art Flugblätter mit Durchhaltepropaganda.
Im Jahre 1913 – also noch zu Zeiten der formalen Geltung des landesherrlichen Kirchenregiments in Baden – definierte die RGG (in erster Aufl.) den Begriff „als ein(en) wenig glücklich(en) Ausdruck für die Sonderstellung, die in den deutschen ev. Landeskirchen der Landesherr als Kirchenglied einnimmt. Als Summepiscopus (= Erster oder Oberbischof) ist der Landesherr Träger des *Kirchenregiments […]; über die Ableitung dieses Rechtes vgl. *Episcopalismus […], *Territorialismus, *Kollegialismus. Ueber die Bedeutung und den Wert dieser Stellung des Landesherrn vgl. *Landesherrliches Kirchenregiment […]“ Damit sind bereits zwei Erkenntnisse gewonnen: erstens geht es um die kirchenverfassungsmäßige Sonderstellung des Fürsten in der evangelischen Kirche; und zweitens ist der diese bezeichnende Begriff als „wenig glücklich“. Zwar verrät der
Verfasser (Förster) nicht, warum die Begrifflichkeit ihn unglücklich stimmt, aber vielleicht nahmen wir eben schon beim Hören an seinem Unglück Anteil, wenn wir den ganzen Verweiskatalog auf die staatskirchenrechtlichen Begriffe zur Kenntnis
nahmen, die manchen unter uns im Laufe des zweiten theologischen Examens zum ersten und vielfach auch letzten Mal im Fach Kirchenrecht vor Augen getreten sind. Wie war das noch mit Episkopalismus, Territorialismus und Kollegialismus?
Nun möchte ich Ihnen sogleich diese Sorge nehmen, dass wir in diesem Kurzvortrag den Begriffskatalog abarbeiten könnten. Dazu fehlt uns die Zeit und es soll ja um die badischen Verhältnisse gehen. Zugleich muss uns klar sein, dass Begriff und
Wesen des Summepiskopates nicht isoliert zu entwickeln sind, sondern historische Voraussetzungen und Niederschläge kennen, die anhand ausgewählter Stationen der badischen Kirchengeschichte beschrieben werden sollen.
Eine der wesentlichen Erkenntnisse der Kirchenkampfforschung von vor bereits 30 Jahren ist gewesen, dass eine Darstellung des Kirchenkampfes nicht 1932 oder 1933 einsetzen kann, sondern schon und insbesondere die Vorgeschichte: die Geschichte der Weimarer Republik, zu betrachten ist. Hier, in einer vor allem theologiegeschichtlichen Betrachtung, bedeutet das die Frage der allgemeinen Umbrüche 1918/19 zu konzentrieren auf die spezielle Frage nach theologischen Einstellungen, Prägungen und Mentalitäten. Genauer betrachtet stellt sich hier umgehend ein Problem: nämlich ob die Prägung der Akteure als genus subjectivus oder objectivus zu verstehen sei. Will sagen: Geht es um die Frage, wer in der Weimarer Republik die Theologie geprägt hat, vor allem im Umkreis der Universität Heidelberg, oder geht es um die Frage, wer im kirchlichen Dienst der badischen Landeskirche mit welcher theologischen Prägung agierte? Oder geht es um die Frage, ob und wieweit bei den nun strukturell transformierten Akteuren, nämlich den Kirchenparteien, theologische Strömungen zu erkennen sind, die explizit oder implizit auf theologischen Prägungen beruhen? Mit den Fragen sind erste und vorläufige Antworten schon vorbereitet. In aller Vorläufigkeit – auch hier machen sich schmerzlich Forschungsdesiderate bemerkbar – sind heute alle drei Aspekte zu würdigen. Ich betone die Vorläufigkeit der hier vorgetragenen Beobachtungen.
Sehr herzlich möchte ich Sie am heutigen Abend zur dieser Veranstaltung begrüßen, die für manche unter Ihnen hinsichtlich ihrer Zielsetzung vielleicht noch etwas kryptisch geblieben ist. Doch immerhin so konkret waren ein Bild, ein Gemälde und vor allem ein Name auf unserer Einladung, dass Sie heute Abend da sind und vielleicht doch gespannt, was sich hier in der nächsten Stunde ereignen mag. Im Folgenden möchte ich Ihnen in der notwendigen Kürze, aber auch klar genug
vorstellen, was heute Abend und in Zukunft unter einer Oberrheinischen Sozietät verstanden werden soll und – gerne gebe ich es zu – für diese Ihr Interesse wecken. Nach einem weiteren Musikstück möchte ich – gleichsam als erste Aktion dieser
dann eröffneten Oberrheinischen Sozietät – eine Veröffentlichung, nämlich die neueste Veröffentlichung von Professor Eike Wolgast vorstellen, eine Aufsatzsammlung, die vom Verein für Kirchengeschichte in der Evangelischen Landeskirche in Baden verantwortet wird. Ich freue mich, dass dazu auch ein Vertreter des Kohlhammer-Verlages, Herr Dr. Sebastian Weigert, unter uns ist und das Wort ergreifen wird. Ich begrüße Sie sehr herzlich.
Unser Gesamtthema ist so vielschichtig, dass es sinnvoll erschien, die einzelnen Aspekte der Bekenntnisfrage unter unterschiedlichen Perspektiven abzuhandeln. Zwei Aspekte sind mir wichtig: Ich möchte meinen Beitrag verstehen allein als historische und theologiegeschichtliche Erinnerungsarbeit zweier Jahrhunderte. Vieles davon ist bekannt, manches vielleicht nicht; ein Mehrwert wird also am ehesten darin bestehen, die Bekenntnisfrage im Zusammenhang dargestellt wahrzunehmen. Dass diese in ständiger Wechselwirkung zur Geschichte einerseits und zur Frage der Bekenntnisverpflichtung, also der Rechtsfrage, andererseits steht, muss auch hier vorausgeschickt werden. Ich beschränke mich aber auf die Übersicht und versuche dabei, alle Wertungen zu unterdrücken.
Historia ecclesiae badensis
(2017)
Die hier vorgestellte Skizze und der folgende Aufbau einer geplanten Darstellung einer badisch-evangelischen Kirchengeschichte beleuchten ein Projekt, das – so Gott will und wir leben – meine akademische Lehrtätigkeit begleiten und bestimmen soll. Ein Teil davon ist bereits in Vorlesungen an der Universität Heidelberg oder auch auch in der Oberrheinischen Sozietät an der Theologischen Fakultät vorgestellt worden. In diesem ersten Überblick, der vor allem methodische Grundentscheidungen veranschaulichen soll, sind alle Hinweise auf Literatur weggelassen worden. Gerne und dankbar nehme ich evtl. Hinweise auf bisher vernachlässigte Aspekte und Perspektiven zur Kenntnis.
Kirchlicherseits war die „Neue Ära“ (1860-1871) von zwei Dynamiken gekennzeichnet: 1) dem Willen des Staates, das Staatskirchentum abzubauen – dem entsprach das Kirchengesetz vom 9. Oktober 1860; 2) dem Willen der Kirche, den neu gewonnenen Spielraum mittels der badischen Kirchenverfassung (KV) vom 5. September 1861 zu nutzen und zu gestalten. Die Rechte der Gemeinde wurden gestärkt, eine engere Verbindung zum gesamtdeutschen Protestantismus gesucht; das landesherrliche Kirchenregiment blieb gleichwohl erhalten. Gemischte Angelegenheiten (res mixtae) blieben die Vermögensverhältnisse der Kirchen und die Schule. Gerade die Schulfrage hatte sich in den 50er-Jahren in Auseinandersetzungen mit der Erzdiözese Freiburg als außerordentlich konfliktträchtig erwiesen. Schon um diesen Konfliktherd (aus liberaler Sicht und Staatsraison) einzudämmen zielte die staatliche Kirchenpolitik der „Neuen Ära“ auf eine relative Entflechtung von Staat und Kirche, die in der Schulpolitik auf die Emanzipation der staatlichen Schule (als Simultanschule) von der Konfessionsschule hinauslief. Die Frage aber der politischen und pädagogischen Verantwortung des Schulwesens durch den Staat musste auch den Katechismusunterricht betreffen, der sich ja primär im RU und nicht im KU vollzog. Der Katechismus wurde zum Politikum.
»… und ruht in Gottes Hand«
(2021)
Die Union der lutherischen und reformierten Kirche in Baden ist von der Geschichte des entstehenden Großherzogtums nicht zu trennen. Möglich wurde die Union durch die Auflösung des konfessionellen Kirchentums. Sinnvoll wurde sie als Bündelung der protestantischen Kräfte in einer mehrheitlich katholischen Bevölkerung und zur Konsolidierung der als Staatsanstalt begriffenen Kirche. In kirchlicher Sicht ging es um zwei Errungenschaften: die Bildung einer vereinigten Kirche aus dem Geist der freien Schriftforschung und einer für die Kirchengemeinschaft tragfähigen konsensualen Lehre im Abendmahl. Nicht vollendet war die Union für die, denen zur freien Kirche auch die Freiheit einer selbständigen Kirche gehörte, die in der verfassungsmäßigen Gestalt der Generalsynode als Repräsentativorgan zur Geltung kommen sollte. Darin liegt die geschichtliche Dynamik der der Unionskirche im 19. Jahrhundert.
Die Säkularisation der Klöster und Bischofsresidenzen brachte den badischen Staat in den Besitz nicht nur der Gebäude und Ländereien, sondern auch des gesamten beweglichen Ausstattungsguts, von Möbeln und Hausrat bis zu den Kirchenschätzen. Aus den Konventsgebäuden, die ihre Nutzung verloren, wurde das Mobiliar ausgeräumt und verwertet. Gleiches galt für die Klosterkirchen, soweit sie nicht als Gemeindepfarrkirchen eine neue Funktion erhielten. Vor Ort verblieb nur dasjenige, was für den Gottesdienst und, sofern es eine solche gab, für die Wallfahrt benötigt wurde.
Zu einem fürstlichen Hof, sei er weltlich oder geistlich, gehörten Sammlungen verschiedenster Art. Der absolutistische Regent repräsentierte in seiner Person und seiner Hofhaltung sein ganzes Land und dessen Wohlstand. Der ganze Kosmos mit allen seinen Aspekten sollte in den Sammlungen vertreten sein, so entsprach es dem universalen Bildungsanspruch frühneuzeitlicher Gelehrter. Nicht nur Wissenschaftler pflegten ein derartiges Bildungsideal. Adelige erhielten in ihrer Jugend
in der Regel eine umfassende Ausbildung, die ihnen zwar nicht unbedingt Expertenwissen vermittelte, es ihnen aber ermöglichte, in Gesprächen über Kunst, Philosophie, Literatur und Geschichte ebenso wie Naturwissenschaft, Wirtschaft und Technik sachkundig mitzureden. Wissenschaftliche und künstlerische Interessen zu pflegen, war Teil ihres Selbstverständnisses. Dies gilt für Adelige beiderlei Geschlechts, wobei die Frauen sich zumeist nur den „schönen Künsten" widmeten. Je nach persönlichem Interesse vertieften sich einzelne Persönlichkeiten derart intensiv in bestimmte
Themenbereiche, dass ihr Wissen von Fachleuten anerkannt und ihre Sammlungen weithin berühmt wurden. Markgräfin Caroline Louise, die erste Gemahlin Karl Friedrichs, trug beispielsweise eine große Zahl von Gemälden vor allem niederländischer Künstler zusammen. Für die Porzellansammlung der Markgräfin Sibylla Augusta bildet das sogenannte
„Porzellanschloss" Favorite bei Rastatt einen prächtigen Rahmen.
Zu den traditionellen konstitutiven Elementen einer badischen Identität wie gemeinsamen sozialen, wirtschaftlichen, sprachlichen
oder konfessionellen Erfahrungen und vor allem der Zugehörigkeit zu einem hierarchisch gegliederten Personenverband mit der Herrscherfamilie an der Spitze, kam im 19. Jahrhundert die rechtliche und weitgehend auch politische Egalisierung der Badener auf der
Grundlage einer modernen Verfassungsordnung hinzu. Welche Bedeutung die Zeitgenossen diesem neuen konstitutiven Element
badischer Identität zumaßen, lässt sich anhand der Feiern aufzeigen, die zu den Jubiläen der badischen Verfassung von 1818 veranstaltet
wurden: zunächst in einem zeituntypisch kurzen Erinnerungszyklus von 25 Jahren sowie nach 50 und 100 Jahren jeweils in besonderen
politischen Krisenkonstellationen, in denen der Fortbestand der Verfassung in hohem Maße gefährdet erscheinen konnte.
Am 21. August 1843, also vor bald genau 175 Jahren, stimmte man sich in Mannheim auf die für den folgenden Tag geplante Feier zum 25. Jubiläum der badischen Verfassung ein: Am Abend verkündeten Kanonendonner und Glockengeläute das Fest; auf dem Paradeplatze war der große Brunnen erleuchtet, Feuerwerke wurden abgebrannt, bengalische Flammen stiegen aus den Marmorbassins hervor, zeigten die Büste des Großherzogs Karl in magischem Lichte. Die Militärmusik spielte in Uniform; eine zahllose Menschenmenge wogte auf dem Platze und in den Straßen, wie es in einem Festbericht heißt. Der eigentliche Festtag, der 22. August, begann mit erneutem Kanonendonner und Choralmusik vom Rathausturm. Gegen zehn Uhr begann der Zug, gewi[ss] der größte der noch je bei freudigen Anlässen aus frei eigenem Antriebe der Bürger unsere Straßen durchzog. Die Spitze bildeten die Schüler der oberen Klassen der Volksschulen mit ihren Lehrern, ihnen folgten die Mitglieder der Liedertafel mit einer prachtvollen, von einem Verein von Jungfrauen gestickten Fahne, dann der Träger der Verfassungsurkunde in Begleitung von vier Mitgliedern des Festkomitees und zwei Fahnenträgern.
Am 22.8.1818, vor 200 Jahren, unterschrieb Großherzog Karl die badische Verfassungsurkunde.
Es war ein Werk des aufgeklärten Absolutismus, das das monarchische Prinzip herausstellte.
Trotzdem war die badische Bevölkerung durch die Wahl der Abgeordneten zur Zweiten Kammer
an der staatlichen Willensbildung beteiligt, denn die Zweite Kammer der badischen
Ständeversammlung gewährte den Bürgern indirekte Kompetenzen bei der Gesetzgebung, der
Steuerbewilligung und der Budgetprüfung. Im Laufe der nächsten Jahrzehnte wurden die
Rechte der Badener erweitert, aber die Staatsform blieb weiterhin eine Monarchie, in der der
Großherzog die Macht auf sich vereinigte. Erst 1919 nach dem ersten Weltkrieg und einer Revolution
bekam das Land Baden mit der Verfassung vom 21. März 1919 eine neue Staatsform,
die der Demokratie. Und alle Bürger Badens hatten nun die gleichen Rechte und Pflichten,
egal ob Männer oder Frauen, Arme oder Reiche, Christen oder Juden.
Die politischen und wirtschaftlichen Ereignisse der Republik Baden in der Zeit der Weimarer Republik
(2016)
Das demokratische Land Baden zwischen den zwei Weltkriegen existierte nicht lange, von 1919–1933. In dieser Zeit erlebte Baden mehr Tiefen als Höhen. Die Tiefen waren die schlechte Nachkriegsentwicklung seit 1918, das Krisenjahr 1923, die Weltwirtschaftskrise von 1929 und
die sich anschließende Auflösung der badischen Demokratie ab 1933. Die erstarkte Konjunktur seit 1924 war ein Höhepunkt in der Entwicklung Badens nach dem Ersten Weltkrieg, als die Zahl der verschiedenen Industriegebiete zu- und die Arbeitslosigkeit abnahm. Nach dem
Zweiten Weltkrieg ist das Land Baden nach anfänglichen Schwierigkeiten, ob es sich mit Württemberg zu einem Bundesland zusammenschließen sollte, mit Württemberg vereinigt ein wirtschaftlich starkes und zuverlässiges demokratisches Bundesland in der Bundesrepublik Deutschland geworden.
Die Badische Verfassungsurkunde von 1818 galt 100 Jahre. Nach dem Ersten Weltkrieg kam
es in Baden sehr schnell zu einer neuen Verfassung, der Badischen Verfassung vom 21. März
1919, die in einer Volksabstimmung mit großer Mehrheit gebilligt wurde. Diese demokratische
Verfassung löste die monarchisch geprägte Verfassung von 1818 ab. Die damaligen Grundrechte
erschienen in der Verfassung von 1919, sie wurden aber weiter ausgebaut, z. B. durch
den Gleichheitsgrundsatz: Männer und Frauen sind vor dem Gesetz gleich. Durch die nationalsozialistische
Herrschaft wurde die Badische Verfassung von 1919 nach fast 14 Jahren »aus
dem Verkehr gezogen«. Nach dem Zweiten Weltkrieg entstand im südlichen Baden ein neuer
Staat mit Namen Baden, der sich eine neue Verfassung, die Verfassung des Landes Baden vom
19. Mai 1947 gab. Dieses Land Baden bestand nur fünf Jahre, weil seit 1953 das Land Baden-
Württemberg aus den Ländern Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern
mit der Verfassung des Landes Baden-Württemberg vom 19. November 1953 entstanden ist.
Seither gibt es kein eigenständiges Land Baden mehr.
Das absolutistisch regierte Fürstentum Baden brauchte wegen des durch Napoleon beförderten Zusammenbruchs des alten deutschen Reichs und wegen des Zuwaches vieler Gebiete nach „Entschädigung“ für die Abtretung linksrheinischer Gebiete eine neue Verwaltungsstruktur und ein geändertes Staatsrecht. Dieses schuf der Geheimrat Friedrich Brauer (1754–1813) mit seinen 13 Organisations- und seinen Konstitutionsedikten. Die Konstitutionsedikte, eine Zusammenfassung von Grundgesetzen, sollten „unwandelbar sein, mithin auch nur solche allgemeinen Grundzüge enthalten, die nach höchstmöglicher Wahrscheinlichkeit unter allem äußeren Wechsel als unveränderliche Basis fortdauern können.“ Brauer stellte sich hier nicht als Vertreter eines Repräsentativsystems dar, sondern er verfolgte in vielerlei Hinsicht das alte Reichsrecht und übertrug „reichsrechtliche Befugnisse“ auf seinen Souverän, den späteren Großherzog Karl Friedrich.
Die Geschichte des badischen Landesverbands der Deutschnationalen Volkpartei (DNVP) ist ein Desiderat der südwestdeutschen Landesforschung, obwohl die Partei eine nicht unwesentliche Rolle bei der Erosion der badischen Demokratie spielte. In Baden repräsentierte die DNVP bis zu den Landtagswahlen 1929, bei denen die rechtsextremistische NSDAP insbesondere den Deutschnationalen Stimmen abschöpfen konnte und mit sechs Abgeordneten in das Karlsruher Ständehaus einzog, alleine die rechte, ja rechtsradikale sowie deutlich antisemitisch eingefärbte Opposition, zumal sie anders als im Reich niemals an der Regierungsverantwortung beteiligt war. Gemäßigte rechte Elemente, die nicht in fundamentaler Opposition zum Weimarer Staat standen, wurden in Baden bis Mitte der 1920er Jahre ausgeschieden; so verteidigte der erste Landesvorsitzende Adelbert Düringer nach der Ermordung Walther Rathenaus die Verabschiedung des
Republikschutzgesetzes, woraufhin er aus der DNVP gedrängt wurde. In der Folgezeit betrieb die badische DNVP eine radikale Obstruktionspolitik gegen das „System Weimar“ und verteidigte alle rechtsradikalen Aktivitäten und Kampagnen. 1924 forderte sie im Landtag die Aufhebung des infolge des gescheiterten Hitler-Putsches erlassenen Verbots der NSDAP. Nach den Landtagswahlen im Oktober 1929 betrieben die badischen Deutschnationalen im Landtag unter ihrem Wortführer Paul Schmitthenner einen deutlichen Annäherungskurs an die NSDAP und unterstützten deren Anträge sowie provozierende Einlassungen. Der vorliegende Aufsatz ist ein Destillat der an der Universität Heidelberg vorgelegten und von Frank Engehausen sowie Eike Wolgast betreuten Masterarbeit und kann lediglich, nicht zuletzt aufgrund der schwierigen Quellenlage, neben der Gründungsphase vor allem auf die Jahre nach 1929 detailliert eingehen.
Im 19. Jahrhundert wanderten alleine in
den Jahren 1840–1883 etwa 219 000 Badener
nach Amerika aus. Durch wirtschaftliche
Reformen, eine stark anwachsende Bevölkerung,
die durch Realerbteilung im Westen
und Südwesten herbeigeführte Bodenzersplitterung
und die Gewerbefreiheit im Handwerk
stiegen sowohl die transnationale als
auch die interne Migration sprunghaft an. Zu
den entscheidenden Auslösern der rapide
anwachsenden Auswanderung können die
Teuerungs- und Ernährungskrisen in den
1830er und 1840er Jahren gezählt werden, die
durch Missernten und anhaltenden Lohndruck
entstanden sind. Die Landwirtschaft, das hausindustrielle
Gewerbe und das Handwerk konnten
die enormen Bevölkerungsmassen nicht
mehr beschäftigen, und das aufstrebende
Fabrikwesen war noch nicht imstande das
Überangebot an Arbeitskräften aufzunehmen.
Am 9. November 1918 gab Reichskanzler
Prinz Max von Baden [1867–1929] ohne eine
formelle Erklärung von Kaiser Wilhelm II.
[1859–1941] abzuwarten dessen Abdankung
bekannt. Zugleich übertrug er die Regierungsgeschäfte
auf den Reichstagsabgeordneten
Friedrich Ebert [1871–1925]. Am selben Tag
rief Philipp Scheidemann [1865–1939] vom
Berliner Reichstag die Deutsche Republik aus.
Einen Tag später, einem Sonntag, wurde eine
provisorische Landesregierung in Karlsruhe
unter dem Mannheimer Sozialdemokraten Anton
Geiß [1858–1944] gebildet. Die Ausarbeitung
einer neuen Landesverfassung nahm die
vorläufige badische Landesregierung zügig in
Angriff. Sie entschied sich, einen vorläufigen
Entwurf nicht selbst zu erstellen, sondern dies
einer Arbeitsgruppe zu überlassen. Die abschließende
Ausarbeitung der neuen Verfassung
sollte durch eine verfassungsgebende
badische Nationalversammlung erfolgen, deren
Wahl am 22. November 1918 angeordnet
und auf den 5. Januar 1919 festgesetzt wurde.
In der Öffentlichkeit wird vielfach die Ansicht vertreten, Juristen hätten sich nur ganz vereinzelt gegen das NS-Regime widersetzt. Dieser Eindruck ist nicht nur bezogen auf den aktiven Widerstand unzutreffend, sondern auch für den wesentlich breiteren Bereich der Widersetzlichkeit, der Opposition und Verweigerung im Alltag. Hier hat die zeitgeschichtliche Forschung die Kenntnis über die Einzelheiten widerständigen Verhaltens in letzter Zeit erheblich erweitert. Für den südwestdeutschen Bereich ist dies im wesentlichen der zur Universität Karlsruhe gehörenden Forschungsstelle Widerstand gegen den Nationalsozialismus im deutschen Südwesten zu verdanken. Sie hat sich im Rahmen des vom Wissenschaftsministerium Baden-Württemberg geförderten Projekts „Justizgeschichte Badens und Württembergs, 1919–1953“ bereits
wiederholt mit dem Wirken badischer Juristen während der NS-Diktatur befasst.
Am 4. April 1556 machte Kurfürst Ottheinrich, soeben mit dem Ableben seines Vorgängers und Onkels Kurfürst Friedrich II. in die pfälzische Kurwürde eingerückt, durch einen zu Alzey gezeichneten Erlass die Reformation lutherischer Prägung für
die Kurpfalz verbindlich. Wenig später, am 1. Juni desselben Jahres, schloss sich die Markgrafschaft Baden-Pforzheim, die spätere Markgrafschaft Baden-Durlach, durch einen entsprechenden Erlass von Markgraf Karl II. an. Damit war die reformatorische Entwicklung im deutschen Südwesten gewissermaßen vervollständigt und zu einem ersten vorläufigen Abschluss gebracht. Grundlage reformatorischer Maßnahmen in beiden Territorien war die von dem Stuttgarter Propst Johannes Brenz erarbeitete württembergische Kirchenordnung des Jahres 1553, die Herzog Christoph im Jahr
1555 mit einer Anzahl weiterer reformatorischer Gesetzestexte für den Gebrauch seines kurfürstlichen Nachbarn, des damals noch regierenden Kurfürsten Friedrich II. von der Pfalz, hatte zusammenstellen lassen, ein Corpus, das den Kern der späteren
Großen Württembergischen Kirchenordnung von 1559 bildet.
Baden und seine Bibliotheken
(2012)
Wenn man von Bibliotheken spricht, weiß sicher jeder Leser dieser Zeitschrift , wovon die Rede ist, nämlich von Buchsammlungen, deren
Name von dem griechischen biblos abgeleitet wurde und für das Buch steht, im englischsprachigen Raum vom lateinischen liber, was dort zur Library führt. Allerdings hat die Bezeichnung Bibliothek noch eine weitere Bedeutung, mit ihr wird auch die räumliche Hülle dieser Sammlung bezeichnet, der Raum oder das Gebäude. Und eben diese Bibliotheksgebäude gehören neben Gebäuden für das Wohnen oder den Gottesdienst zu den ältesten Gebäudetypen überhaupt. Und davon soll hier die Rede sein, wenn es auch solche Gebäude schon gab, als man noch gar keine Bücher kannte und es Baden als Bezeichnung für ein Territorium auch noch nicht gab.
In einem Rückblick auf seine Anfangszeit als Justizminister der provisorischen Regierung, die in Folge der Revolution 1918 in Baden in die politische Verantwortung gelangt war, schreibt der Karlsruher Rechtsanwalt Ludwig Marum: "Als ich Minister geworden war, hatte ich den Eindruck, daß meine Ministerherrlichkeit nicht länger als 24 Stunden dauere. Ich habe das Gefühl gehabt, daß wir auf außerordentlich schwankendem Boden uns bewegten." Diese Einschätzung der eigenen Situation nach dem Sturz der Monarchie im November 1918 im Deutschen Reich und in Baden war nicht unbegründet. Denn die am 10. November 1918 im Karlsruher Rathaus von einem sogenannten Wohlfahrtsausschuss und dem Karlsruher Soldatenrat zusammengestellte elfköpfige neue badische Regierung saß zunächst einmal zwischen allen Stühlen.
Bis zum Reichseinkommensteuergesetz des Jahres 1920 unterlag die Einkommensteuer der Regelungskompetenz der einzelnen deutschen Bundesstaaten. Wer die badische Einkommensteuer des Jahres 1848 nachvollziehen will, muss sich zwangsläufig mit den revolutionären Bestrebungen jener Zeit speziell im Großherzogtum Baden auseinandersetzen, da die Einkommensteuer auf der Agenda der demokratischen Kräfte im Vormärz stand.
Die erste protestantische Generalsynode im Großherzogtum Baden fand 15 Jahre nach dessen Etablierung statt. Sie tagte vom 2. bis zum 26. Juli 1821 in Karlsruhe unter der Präsidentschaft des Staatsministers Carl Christian Freiherr von Berckheim, der in Lörrach ein Schüler des jungen Theologen Johann Peter Hebel gewesen war. Großherzog Ludwig (I.) hatte sie einberufen lassen mit dem erklärten Ziel, die beiden – im neuen Großherzogtum vorfindlichen – sogenannten protestantischen Religionsparteien – die „lutherische“ und die „reformierte“: jene mit ihren Schwerpunkten vor allem im markgräflichen Alt-Baden(-Durlach), in den Ritterschaften des Kraichgaus und in der Grafschaft Wertheim; diese mit ihrem Schwerpunkt in der Kurpfalz – zu vereinigen zu einer „Union“: zu einer „Vereinigten evangelisch-protestantischen Kirche im Großherzogtum Baden“. Deshalb sprechen wir von der „Unionssynode 1821“. Diese Generalsynode hatte sich viel vorgenommen – und sie hat viel erreicht; sehr viel – in gut drei Wochen. Was sie vor allem erreicht hat, war eben die „Union“ als solche: die wirkliche Vereinigung der beiden evangelischen Kirchen im Land, und das nicht zuletzt in einer Frage, über die alle Menschen zu allen Zeiten gerne streiten: übers Geld!
An anderer Stelle dieses Jahrbuches war bereits von den Waldgenossenschaften die Rede. Der Wald war seit dem Mittelalter ein wichtiger Bestandteil der Allmende und stand den Bewohnern der umliegenden Dörfer zur gemeinsamen Nutzung zur Verfügung. Gleichwohl konnte aber niemand im Allmendwald beliebig schalten und walten. Denn eine unbeschränkte Rodung, Bejagung oder Beweidung der Waldflächen konnte dem Forst schweren Schaden zufügen, der letztlich alle Waldgenossen treffen würde. Deshalb hatte man schon früh in den entsprechenden Forstordnungen und Waldbriefen die Rechte und Pflichten der Waldgenossen festgelegt. Dabei benötigte man aber auch Personen, die über die Einhaltung der
Waldgesetze wachten und Verstöße vor das Waldgericht brachten. Oberste Exekutivorgane des Waldgerichts waren die sogenannten ,,Waldvögte" (auch „Schultheißen" oder „Waldmeister" bezeichnet). Diesen standen einer oder mehrere Unterbeamte zur Seite, welche die eigentliche Waldaufsicht besorgten und Waldfrevlern das Handwerk legten. Diese
Waldaufseher wurden in den ältesten historischen Quellen unter anderem als „Forstknechte", ,,Weidgesellen", ,,Waldmeier", ,,Bannwarte" oder ,,Waldschützen" bezeichnet. Später nannte man sie einheitlich „Gemeindewaldhüter". Ihnen soll dieser Aufsatz gewidmet sein.
Die Rolle der Polizeien bei ihrer "Gleichschaltung" in den deutschen Ländern der ersten Monate 1933 wurde durch die vorausgegangene Entwicklung in Preußen, dem gewichtigsten deutschen Reichsland mit der Reichshauptstadt Berlin, geprägt. Die Verhältnisse in den anderen
Ländern unterschieden sich jedoch gegenüber Preußen zumindest in der Zeit zwischen der "Machtergreifung" der NSDAP mit Adolf Hitler am 30. Januar und den Reichstagswahlen am 5. März 1933 beträchtlich. Dies wird nachfolgend durch einen Betrag nachbereitet, der am Beispiel der Polizei in Karlsruhe die Entwicklung in Baden näher beleuchtet. Dort war der Gleichschaltungsprozess, im nationalsozialistischen Schrifttum als "Die Deutsche Erhebung in Baden" deklariert, im Zeitraum von nur einer Woche nach dem Wahltag vollzogen.
Das Freiburger Studienseminar und die Gymnasiallehrerausbildung in Baden-Württemberg (Teil 2)
(2005)
Nach dem militärischen Zusammenbruch Deutschlands übernahm die französische Armee die Staatsgewalt im Südwesten des untergegangenen Reiches. In Freiburg, nunmehr Hauptstadt des Lande Baden (Pays de Bade), das zusammen mit Südwürttemberg-Hohenzollern und Rheinland-Pfalz die französische Besatzungszone bildete, residierte die Délégation Supérieure pour le Gouvernement Militaire de Bade. Sie unterstand wiederum dem Gouvernement Militaire de la Zone Francaise d'Occupation in Baden-Baden mit General Koenig als Oberbefehlshaber.
Die Kunst zu lehren ist eine große und schwere Kunst. Sie ist nicht das Werk der bloßen Natur oder des Zufalls, sie ist das Resultat mehrjähriger Übung und Erfahrung, die jedoch immer besondere natürliche Anlagen voraussetzt. Friedrich Gedike, der diese Sätze 1790 schrieb, wusste, wovon er sprach: Als Direktor des Friedrichswerderschen Gymnasiums zu Berlin hatte
er 1787 auf Geheiß des Preußischen Unterrichtsministeriums mit dem Aufbau eines Seminariums begonnen, das in einem vierjährigen Kursus Universitätsabsolventen zu Lehrern ausbilden sollte. Gedikes Schöpfung wurde zum Urbild der heutigen Seminare für die Kandidaten des höheren Lehramtes. Sie gehört zu jenen Reformen vor der Reform, mit denen Preußen
sein Bildungswesen seit dem Ende des 18. Jahrhunderts schrittweise und aus dem Geist der Aufklärung heraus erneuert hat.
Faktisch endete das Heilige Römische Reich deutscher Nation im August 1806, als Franz II. unter dem Druck Napoleons die
Kaiserkrone niederlegte. Vorausgegangen waren Feldzüge Frankreichs, die in die Sonderfrieden von Basel und von Campo Formio, den Kongress von Rastatt und die Friedensschlüsse von Lunéville und Pressburg mündeten. Besiegelt wurde so die gewaltsame Annexion des gesamten linksrheinischen Reichsgebiets durch Frankreich.
Das Eindringen in die Vergangenheit erscheint vielen mühsam, gerade die Jüngeren schieben so etwas beiseite. Doch wir müssen unser historisches Erbe entdecken, annehmen und weitergeben. Wer nicht weiß, woher er kommt, weiß nicht, wohin er geht. Geeigneten Einstieg bietet die örtliche Historie, anknüpfend an Gestalten und Gegenstände des nahen Umfelds. So beginnend, gelangt man von den Erkenntnissen zur engeren Heimat hin zu den Geschehnissen in der größeren Landschaft , von da zu den Abläufen in den umgebenden Regionen, darauf aufbauend zur Geschichte von Land und Staat. Einer solchen Geschichtspflege hat sich die Baden-Badener stadtgeschichtliche Zeitschrift AQUAE seit über einem Vierteljahrhundert verschrieben. Herausgeber der Hefte ist der lokale Arbeitskreis
für Stadtgeschichte.
Die Rheinbrücke in Breisach
(2020)
Am 22. Oktober 2020 jährt sich zum 80. Mal die Deportation von 6.504 Deutschen jüdischer Herkunft in das französische Internierungslager Gurs am Fuß der französischen Pyrenäen. Im kollektiven Gedächtnis Südwestdeutschlands ist das Lager Gurs dadurch zentral mit den Opfern der sogenannten „Oktoberdeportation“ verbunden. Die Vorbereitung der „Judenaktion in Baden und in der Pfalz“ erfolgte von langer Hand und lieferte eine Art Masterplan für künftige Vertreibungen der Juden aus Deutschland.
Interniert in Kislau
(2019)
Weder die deutsche Öffentlichkeit noch die Geschichtswissenschaft beschäftigte sich nach Ende des „Dritten Reiches“ mit dem Schicksal der Menschen, die im Nationalsozialismus als „Asoziale“ verfolgt wurden. Noch weniger bekannt ist, dass sich deren Stigmatisierung und Ausgrenzung nicht auf die Zeit zwischen 1933 und 1945 begrenzte, sondern bereits im Kaiserreich praktiziert wurde und auch in der Bundesrepublik weiter anhielt. Die Betroffenen – insbesondere Menschen ohne festen Wohnsitz – waren noch Jahrzehnte nach Kriegsende mit Ressentiments und Kriminalitätszuschreibungen konfrontiert. Da sie nicht als Opfer „rassischer Verfolgung“ anerkannt wurden, hatten sie keine Ansprüche auf finanzielle Entschädigung für das erlebte Leid. Die Forschung lenkte ihren Blick erstmals und auch nur vereinzelt in den 1980er-Jahren auf das Schicksal der als „asozial“ Stigmatisierten. Dies geschah im Zuge der generellen Entdeckung sogenannter „vergessener Opfer“, die sich nach Kriegsende nicht in Opferverbänden zusammengeschlossen hatten und daher kaum öffentlich wahrgenommen wurden. Mittlerweile sind viele der „vergessenen Opfer“ anerkannt worden, wie die Homosexuellen, Sinti und Roma, Zwangssterilisierte oder sowjetische Zwangsarbeiter, allerdings fehlen bis heute die „Asozialen“. Als „asozial“ abgestempelte Personen wurden in nationalsozialistische Konzentrationslager eingewiesen – meist versehen mit dem schwarzen oder grünen Winkel – und dort zu Tausenden ermordet, aber auch in reichsweit existierenden Arbeitshäusern interniert. Darunter befand sich ein badisches Arbeitshaus, das auf dem Gelände des Schlosses Kislau bei Mingolsheim (heute Bad Schönborn) untergebracht war.
Baden mit Augenzwinkern
(2013)
Ausgehend von der Analyse Thomas Küsters »Warum Baden weiterlebt« während der Vortagsreihe des Landesvereins und der Landesvereinigung im Gartensaal des Karlsruher Schlosses, wird nach dem 60. Jahr Baden-Württembergs versucht, eine differenzierte Außen- und Innenperspektive Badens im Jahre 2012 zu entwickeln. Es zeigt sich, dass die Deutungen Badens fortan weitgehend vom Marketing bestimmt werden. Aus der Analyse Küsters werden zwei mögliche badenbezogene Handlungsoptionen für den Landesverein abgeleitet. Eine dritte Option ergibt sich aus der Sensibilisierung der Bevölkerung für den Erhalt des »unvergleichlichen Landschaftsbildes«, wie Prinz Bernhard und Graf Douglas vorschlagen. Schließlich wird eine Politik »badischer Optionen« auf ihre Voraussetzungen überprüft .
Baden - Tag für Tag
(2015)
Das 2006 erschienene „Badische Kalendarium", welches von Heinrich Hauß und meinem
Vorgänger Adolf Schmid herausgegeben wurde, war bereits eine wichtige „badische
Fundgrube" und ein großer Erfolg. Ich bin dem Chefredakteur der Badischen Heimat,
Heinrich Hauß, außerordentlich dankbar, dass er meiner Anregung zu einer umfassenden
Neubearbeitung gefolgt ist.
Das nun vorliegende Buch ist wahrhaft ein 11 großer Wurf" geworden. Die hier vorliegende
chronologische Zusammenstellung der badischen Geschichte und bedeutender Persönlichkeiten
ist in dieser Form einmalig. Man findet hier viele Informationen, die es im Internet
entweder gar nicht gibt oder nur sehr schwer zu finden sind. Das Buch erlaubt, auf ganz
einfache Weise nachzuschlagen, was sich an einem bestimmten Tag ereignet hat, oder nachzuschauen,
welche Gedenktage es in einem bestimmten Jahr zu feiern gilt.
Das Buch ist in vier Teile aufgeteilt: Im Kalendarium kann man zur schnellen Orientierung
feststellen, was sich an einem bestimmten Tag ereignet hat. Im zweiten Abschnitt des Kalendariums
finden sich - ebenfalls nach Tagen geordnet- Kurzbiographien bedeutender
Persönlichkeiten und ausführliche Erläuterungen zu bestimmten Ereignissen. Der dritte Teil,
die Chronologie, erlaubt es, gezielt nach Jubiläen Ausschau zu halten. Das Personenregister
erschließt das ganze Buch - es werden hier nicht nur Geburts- und Sterbedaten aufgeführt,
sondern auch andere Termine, an denen diese Person beteiligt war.
Alte Klöster - neue Herren
(2003)
Mit Großen Landesausstellungen versucht das junge Bundesland Baden-Württemberg von Zeit zu Zeit, sich seiner historischen Wurzeln zu versichern. So wird mit der Ausstellung ,,Alte Klöster - neue Herren" Säkularisation im deutschen Südwesten eine Reihe landesgeschichtlicher Themen fortgesetzt, die 1977 mit der „Staufer-Schau" begann, mit Ausstellungen über die Alamannen, das badisch-württembergische Vorderösterreich bis hin zum ,,Mittelalter am Oberrhein" fortgesetzt wurde. Zu erwähnen sind auch die Ausstellungen zu ,,Baden-Württemberg im Zeitalter Napoleon" aus Anlass des 125jährigen Jubiläums des Württembergischen Landesmuseums und die Landesausstellung „1848/49: Revolution der
deutschen Demokraten in Baden". Die Landesausstellungen widmen sich aber nicht nur landesgeschichtlichen Themen, sondern sind über das Historische hinaus gedacht als Festigung des „Image Baden-Württemberg als Kulturland" und als Identifikationsangebot für die Bürger mit dem Land. Das Thema der Säkularisierung bietet sich insofern für eine
Landesausstellung an, da sie Bedingung war für die Schaffung der Mittelstaaten Baden und Württemberg als „wohlarrondierte Territorialstaaten" im Sinne und Interesse Napoleons. Erhielt doch „Württemberg das Vierfache seiner tatsächlichen Verluste, Baden das Siebenfache".
Der »Arbeitsgruppe Verfassung 2018« hat in Zusammenarbeit mit der Stadt Karlsruhe zwei Veranstaltungen organisieren können, eine Feier vor dem Schloss am 22.8.2018 und einen Festakt im Gartensaal des Schlosses am 5.9.2018. Das Team hält es für gerechtfertigt, die professionelle Arbeit in der Publikation zu dokumentieren, da besonders die Kooperation mit
der Stadt Karlsruhe beispielhaft auch für zukünftige Veranstaltungen badischer Anliegen mit gelb-rot-gelber Färbung gelten kann.
Die Bürgerversammlung am 27. Februar 1848 im Aulasaal des alten Jesuitengymnasiums in Mannheim war das "erstes Ereignis der deutschen Revolution" (P. Blastenbrei). Nach der Nachricht der Abdankung und Flucht des "Bürgerkönigs" Louis Philippe und der Ausrufung der Republik am 24.02.1848, reagierte Mannheim "als erste badische und damit auch erste deutsche Stadt" (P. Blastenbei) auf die Ereignisse in Paris. Am Sonntag, den 27. Februar nahmen auf Einladung von Struve und Hoff über 2500 Personen an einer Volksversammlung im Aulasaal teil. Dort wurden die vier "Märzforderungen" beschlossen: Volksabstimmung mit freier Wahl der Offiziere, Pressefreiheit, Schwurgerichte nach dem Muster Englands und Herstellung eines deutschen Parlaments.
»Am Anfang war Napoleon.« Für die Markgrafschaft Baden galt das »allerdings in besonderem Maße«. »Über die historische Stunde des Napoleonzeitalters hinaus« schufen die Reformkräfte der Rheinbundzeit »ein funktionsfähiges und weit über ein Jahrhundert bestandskräftiges Staatswesen« (V. Rödel). Das Zeitalter Napoleons mag im »raschen Zuge vorübergerauscht«
sein, »aber die Grundlagen einer neuen gesellschaftlichen Ordnung und eines neuen Geistes blieben bestehen« (F. Schnabel, Die Geschichte des 19. Jahrhunderts).
»Baden in Baden-Württemberg«
(2018)
Fast fünfzig Jahre lang, nach der Neugründung des Bundeslandes Baden-Württemberg, hat der Politologe P.-L. Weinacht sich mit der Frage beschäftigt, wie das reiche politische und kulturelle Erbe Badens in Baden-Württemberg lebendig erhalten bleiben kann. Er hat die Vorstellung entwickelt, dass dies sich am Besten »in einem Wettbewerb in Partnerschaft« mit dem ganzen Land verwirklichen lasse. 2012 kommt er zu dem Schluss, dass die Badener nicht weiterhin die »Zentralitätsverluste« beklagen sollten, sondern »die südwestdeutsche Randlage als Chance zur neuen Zentralität am Oberrhein« begreifen sollten. Die Zukunft der badischen Regionen am Rhein liegt in der Einbettung in den europäischen Kontext. Das Anliegen der »Altbadener« sieht er am Besten symbolisiert in dem Sinnspruch »Victrix causa diis placuit, sed victa Catoni« (Lukan).
»Aus der Trennung heraus!«
(2021)
1818 Badische Verfassung und 1821 Badische Kirchenunion sind zwei Daten des gleichen modernitätsgeschichtlichen Integrationsprozesses im Zusammenhang mit der Konstituierung und Konsolidierung des Großherzogtums. Damit ist die evangelische Landeskirche von vornherein in die gesellschaftliche Transformation eingebunden. Aus dieser »Gründungszene«, so wurde 2021 wieder bewusst gemacht, hat »die Evangelische Landeskirche in Baden ihre Gestalt und ihr Profil als öffentliche Kirche« entwickelt (J. C. Bundschuh). Weil Verfassung und Kirchenunion am gleichen »gesellschaftlichen Transformationsprozess« teilnehmen, ist 1821 ein Thema der ganzen badischen Geschichte. Über das Gründungsdatum hinaus gilt die Union heute als »Ausgangspunkt für ein fruchtbares interreligiöses Gespräch« und als eine Perspektive für ein ökumenisches Miteinander im 21. Jahrhundert. Das Jubiläum wird publizistisch in Erinnerung gebracht durch einen »Bildatlas zur Kirchengeschichte«, einer Vorlesungsreihe der Pädagogische Hochschule und einer Ausstellung im Generallandesarchiv Karlsruhe.
Badens Präsenz
(2009)
Im 57. Jahr nach der Gründung Baden-Württembergs und im 100. Jahr der Existenz des Landesvereins
Badische Heimat halten wir es für selbstverständlich, dass unsere Zeitschrift der Frage der
aktuellen Präsenz Badens nachgeht: Wo und wie ist Baden in Baden-Württemberg auch heute
(immer noch) präsent?
Die Frage nach der Präsenz Baden ist auch eine Frage der politischen Deutungskultur. Nur wenn
sich Baden in Baden-Württemberg selbstbewußt positioniert, wird es weiterhin präsent sein. Zu
dieser Präsenz gehört unserer Ansicht nach vor allem Wahrnehmbarkeit. Nur was kontinuierlich
wahrgenommen wird, existiert auch im Bewusstsein der Menschen und trägt zu ihrer Identitätsbildung
bei.
Die Redaktion der Badischen Heimat beginnt zum Jubiläum in diesem Heft eine Serie von
Beiträgen, die die Präsenz Badens an einzelnen Beispielen darzustellen versucht. Wir stellen drei
Institutionen vor, die vom Ursprung her badisch sind und ganz wesentlich auch heute noch zur
badischen Identität beitragen: Das Generallandesarchiv als Hüter der Quellen und Sachwalter der
badischen Geschichte, die Badische Landesbibliothek mit ihren Handschriften als badisches Kulturerbe
von Rang und das Badische Landesmuseum mit der Ausstellung regionaler Kultur Badens im
Dialog. An erster Stelle der Serie „Badens Präsenz“ steht natürlich das Badnerlied, das bei vielen
Anlässen gesungen, bis auf den heutigen Tag das Zugehörigkeitsgefühl zu Baden ausdrückt.
Im Gedenken an den Historiker und Verfasser der »Badischen Geschichte« Wolfgang Hug wurde in diesem Aufsatz zurück auf seine dezidierten Einschätzungen und Interpretation von Begriffen wie badische Identität, badische Liberalität, badisches Lebensgefühl. »Aufgeräumte Geschichte« geblickt. Wolfgang Hug vermied dabei jeglichen »zwanghaft badischen Gestus«.
Hundertster Heftjahrgang im hundertundelften Vereinsjahr gebieten einen Blick zurück und einen Blick in die Zukunft. Da bereits zum 85. Jahrgang im Jahre 2005 von mir ein Aufsatz erschienen ist (BH 1/2005), beschränke ich mich auf die Jahre 2009 bis 2018, in denen sich nach dem Jubiläum 2009 bestimmte charakteristische Strukturmerkmale der Zeitschrift herausgebildet haben. Obwohl die Heimatvereine im Allgemeinen über die Klage des derzeitigen Zustandes hinaus wenig gewillt sind, eine mögliche Zukunft konkret in den Blick zu nehmen, sei ein Versuch gewagt. Eine Weiterentwicklung der Zeitschrift sehe ich in dem Arbeitsfeld »Lebensraum Oberrhein«(l’espace de vie et d’ action).
„Was bedeutet uns Baden?“
(2009)
1. DAS BADEN DER „ERINNERUNGSPOSTEN“
UND DER „IDENTITÄTSKERNE“
In einem Interview der Badischen Neuesten
Nachrichten mit dem Landesvorsitzenden von
Ungern-Sternberg wurde auf die politische
Zurückhaltung der badischen Heimat bei aktuellen
Fragen in der Vergangenheit hingewiesen.
In Zukunft dagegen hält es der Vorsitzende
für angezeigt, „sich zu Wort zu melden,
sobald es um badische Belange geht“.
Die Option für die Notwendigkeit der politischen
Stellungnahme des Landesvereins ist
über 25 Jahre alt. Schon 1982 schrieb L.
Vögely: „Wir werden in Zukunft mehr Stellung
beziehen müssen und unsere Meinung deutlicher
zu sagen haben, damit wir helfen, das zu
erhalten, was lebensnotwendig ist: eine menschengerechte
Heimat“ (BH 2/1982, S. 179).
Wenn sich der Landesverein in Zukunft zu
Wort melden will, sobald es um badische
Belange geht, muss gefragt werden, was denn
nach 57 Jahren „Baden in Baden-Württemberg“
unter Baden zu verstehen sei.
In einem Essay zur Geschichte der Badischen Heimat anlässlich ihres 100. Jubiläums titelte Wolfgang Hug: „Seit 100 Jahren schafft der Landesverein ,Badische Heimat‘ badische Identität“. Heinz Siebold schrieb in „Was ist die badische Heimat?“ – „Aber was ist Baden? Wo ist Heimat? Und wozu braucht es überhaupt einen Verein Badische Heimat? Eine ,badische Identität‘ gibt es in Wirklichkeit nicht. Südbadische Alemannen und nordbadische Pfälzer oder Franken haben keine gemeinsame Sprache und gemeinsame kulturelle Wurzeln sind – wenn überhaupt – sehr weit zurückliegend“. Angesichts solcher divergierender Statements ist es wohl angebracht, Überlegungen zur Identität und insbesondere zur Option einer badischen Identität anzustellen. Grundsätzlich kann festgestellt werden, dass die Option einer badischen Identität im politisch verfassungslos gewordenen Baden mit dem Wunsch der Landesregierungen, eine baden-württembergische Identität zu konstruieren, korrespondiert. „Die Änderung des Kontextes ändert auch immer den
Text“ (Hans Waldenfels).
Ich denke, es ist sinnvoll, wenn ich Ihnen zur Eröffnung der Ausstellung „100 badische Jahre“ einen kurzen Überblick über diese badischen Jahre zu geben versuche. Zu berücksichtigen ist, dass von den 100 badischen Jahren der Ausstellung über die Hälfte der badischen Jahre Jahre Badens in
Baden-Württemberg sind. Der Titel meines Vortrages lautet „100 badische Jahre – und ein Jahr“. Mit dem einen zusätzlichen Jahr ist das Jahr 2010 gemeint, das Jahr nach dem Jubiläum. Wir sehen die 57 Jahre Badens in Baden-Württemberg im Rückblick durchaus kritisch und meinen, 2010 eine
neue Perspektive für den Landesverein Badische Heimat realisieren zu sollen. Die 57 Jahre von 1952 bis 2009 – Gründung Baden-Württembergs bis zum Jubiläum des Landesvereins – betrachte ich verkürzt unter dem Thema: „Kulturelle Betätigung und politisches Engagement des Landesvereins Badische Heimat“
Aus Anlass des Jubiläums schien es angezeigt, im Sinne der politischen Erinnerungskultur badischer Geschichte an einige historische Daten zu erinnern, die besonders im 18. und 20. Jahrhundert, die Modellhaftigkeit der Politik in Baden zeigen. Zum 60. Geburtstag Baden-Württembergs hat sich die Landeszentrale für politische Bildung entschlossen, einen Jubiläumsband unter dem Titel "Baden-Württembergische Erinnerungsorte" herauszubringen. Die acht ausgewählten Ereignisse des vorliegenden Entwurfes beschäftigen sich dagegen mit politischen Ereignissen, die zeigen, dass Baden zu seiner Zeit, jeweils "eine Spanne voraus" war. Den Texten wurden zur besseren Erschließung des Kontextes biografische Skizzen und Literaturangaben beigegeben.
Aus Platzgründen veröffentlichen wir in dieser Ausgabe nur die ersten vier Erinnerungsgeschichten.
In welcher Form gibt es Baden auch nach 60 Jahren Baden in Baden-Württemberg? Wir meinen, es gibt Baden in Baden-Württemberg auch weiterhin als "eine geistige und kulturelle Kraft , die aus vielfältigen Traditionen schöpft" (Hansmartin Schwarzmaier). Die gelungene
Formulierung weist daraufhin, dass Baden nicht nur Geschichte ist, sondern eine Kraft, die weiterwirkt. Diese Auffassung, so interpretieren wir, sieht sich in Übereinstimmung mit der baden-württembergischen Administration. "Baden-Württemberg ist ein gelungenes Land",
schreibt P.-L. Weinacht in dieser Publikation, "wenn es ihm gelingt, seine regionalen Profile zu schützen und ihnen die Voraussetzung dafür zu geben, dass sie sich in schwieriger Zeit wohlbedacht fortentwickeln können". "Wenn ans alte Land Baden erinnert wird, wenn das Badnerlied erklingt, wenn die gelbroten Fahnen aufscheinen", dann sollte die Stuttgarter Zentrale tolerant sein, schreibt ein Autor in dieser Publikation. Aber sind die beschriebenen drei badischen "Lebensäußerungen" nun alles, was man uns zugesteht, was wir uns zugestehen?
1. "Bunte Bilder von Baden"
Die Frage nach dem, was badisch ist, ist ein durchgehendes Motiv der Ausstellung. Schon im Eingangsbereich wird der Besucher eingeladen, die "eigene Vorstellung" von Baden "beim Gang durch die Ausstellung mitzunehmen".
2. Mit einer Frage durch die ganze badischen Geschichte
Eine Antwort auf die Frage nach Baden und der badischen Identität ist schon beantwortet, bevor der Besucher die Ausstellung überhaupt betritt. Die Antwort steckt in der Verkleidung des Eingangsbereichs durch die 18 Meter hohe Kuckucksuhr von Stefan Strumbel. Wir denken die Antwort könnte lauten: Wir können alles. Auch uns selber auf den Arm
nehmen. So schrieb denn auch der Direktor des Landesmuseums, Strumbels Kunst "passe wunderbar in den Kontext des 900-jährigen Jubiläums von Baden" (BLM aktuell).
Das Landesarchiv Baden-Württemberg hat anlässlich des 200. Jubiläums der Badischen Verfassung eine Ausstellung im Generallandesarchiv Karlsruhe unter dem Titel »Demokratie wagen? Baden 1818–1919« ausgerichtet und einen entsprechenden Begleitband herausgebracht. Ausstellung und Begleitband entwickeln einen »Gang durch die badische Demokratiegeschichte« unter den Aspekten der politischen Partizipation der badischen Bevölkerung und der Durchsetzung und Geltung allgemeiner Bürger- und Menschenrechte. Ausstellung und Begleitband verstehen sich als historisch-politischer Beitrag zur Bildungsarbeit des Landearchivs. Unmittelbarer Anlass sind die aktuellen Gefährdungen der Demokratie
und der individuellen Freiheitsrechte.
Badisches Kalendarium
(2006)
Kleider machen Leute
(2019)
Als der Maler Rudolf Gleichauf (1826–1896) vor nun 150 Jahren – genauer am 15. Dezember
1869 – für die Fertigstellung von fünf Aquarellen mit Kostümdarstellungen aus St. Georgen eine
letzte Abschlagszahlung des festgesetzten Honorars von 2.300 Gulden aus der badischen Staatskasse erhielt, endete ein Projekt besonderer Art.
Denn über neun Jahre hinweg hatte Gleichauf auf dem Gebiet des damaligen Großherzogtums Baden ‚Trachten‘
als spezifische Kleidungsformen des ländlichen Raums erforscht und dokumentiert. In mehreren Reisen durchstreifte er dazu in großherzoglichem Auftrag das Staatsgebiet und fertigte zwischen 1861 und 1869 insgesamt 39 Aquarelle sowie eine darauf bezogene
105-seitige handschriftliche Beschreibung des Aussehens und der Kosten von 13 unterschiedlichen Kostümen an, die „Beschreibung Badischer Landestrachten“. Entgegen der ursprünglichen
Planung wurden nur wenige Motive als Lithografie reproduziert und der zugehörige Text blieb
bis heute unveröffentlicht.
Aus Anlass seines eigenen 100-jährigen Jubiläums legt das Badische Landesmuseum Karlsruhe, in dessen Besitz sich Aquarelle und Autograf heute befinden, 2019 eine kommentierte Edition dieses Werkes vor, dessen Zugang im Jahr 1869 zugleich den Auftakt einer eigenständigen
volkskundlichen Sammlung bildete.
Auslöser für die folgenden Überlegungen ist die Fahrt mit Studierenden der Theologischen Fakultät Freiburg nach Buchenwald und Auschwitz in der Pfingstpause 2013, die finanziell durch die Erzbischof-Hermann-Stiftung mitgefördert worden ist. Die Gedenkstättenleitung in Auschwitz traute der Gruppe zu und gestattete, dass wir nach einer Führung durch zwei Mitarbeiterinnen auch ohne Museumsaufsicht das Gelände aufsuchten. So konnten wir erneut und gründlicher die in den ehemaligen KZ-Baracken von unterschiedlichen Organisationen und Ländern gestalteten Ausstellungen anschauen. Auffallend, weil neu und modern gestaltet, präsentierte sich die Ausstellung über den Völkermord an den Sinti und Roma in Block 13. Sie war am 2. August 2001 eröffnet worden und wird wesentlich vom Dokumentations- und Kulturzentrum Deutscher Sinti und Roma, Heidelberg, getragen. Die Besucherinnen und Besucher werden mit einem wenig beachteten Ausschnitt der nationalsozialistischen Verbrechen konfrontiert, und sie müssen registrieren, dass auf einer in der Ausstellung präsentierten Namensliste der im Mai 1940 nach Polen Deportierten Personen stehen, die in Walldürn, Heidelberg, Gutach, Bühl oder Freiburg geboren sind. Weil die angegebenen Geburtsjahre von 1884 bis 1939 reichen, wird klar, dass es auch um Kinder ging. Schaut man dann die Tafeln mit Familienfotos an und sieht Bilder von Erstkommunionkindern und Ministranten, dann stellt sich die Frage: Was haben die katholischen Kirchengemeinden und was hat die Leitung der katholischen Kirche – auch die des Erzbistums Freiburg – getan, um ihre Kinder zu schützen? Die Frage bleibt offen, und sie bleibt auch nach einer Abschlussarbeit offen, die nach und aufgrund der Studienfahrt entstanden ist. Hier kann vorläufig nur zusammengetragen werden, welche Wege zu beschreiten sind, um sie in Zukunft zu beantworten.
Meist völlig unbekannt, in manchen Fällen durchaus auch mit kritischem Fragezeichen zu versehen, sind die Wechselbeziehungen zwischen Staat, Politik und Freimaurerei in Baden. Markgraf Karl Friedrich von Baden (1782-1811), der später (1806) erste Großherzog von Baden, wurde während seines Besuches in London im Jahre 1746 in den Bruderbund der Freimaurer aufgenommen. Er, der zugleich Ehrenmitglied der Loge „Karl zur Eintracht" in Mannheim war, anerkannte die
Freimaurerei zwar nie offiziell - wie dies z.B. Friedrich der Große in Preußen getan hatte-, war als Herrscher jedoch ein sehr aufgeklärter Absolutist. Während seiner Regierungszeit von 73 Jahren war er ein sehr fortschrittlicher Landesvater, der
sowohl die Folter (1767) als auch die Leibeigenschaft (1783) abschaffte. Unter seiner Herrschaft wurde das neue, badische
Landrecht, entworfen und entwickelt durch Johann Nikolaus Friedrich Brauer und den Grundzügen des Code Napoleon
folgend, geschaffen und in Kraft gesetzt.
Heute kaum mehr bekannt, und noch viel weniger beachtet, ist die Tatsache, dass unsere Evangelische Landeskirche in Baden erst im Jahr 1821 in ihrer heutigen Form, unter dem Namen „Vereinigte, Evangelisch-Protestantische Landeskirche in Baden" entstand, und welche kirchenrechtlichen bzw. theologischen Hintergründe und Parallelen diese bis heute in
Deutschland, ja eigentlich weltweit fast einzigartig gebliebene (Konsens-) Union hat. Die Unionsbestrebungen der Evangelischen Kirchen, wie sie in Deutschland zu Anfang des 19. Jahrhunderts auf breiter Basis entstand, müssen von der Union im Sinne des römisch-katholischen Kirchenrechts, wie dies im „Codex Iuris Canonici" seine Grundlage findet, unterschieden werden.
Im mittelbadischen Raum sowie im angrenzenden Elsass, vor allem in Straßburg, und im angrenzenden Württemberg, hier
sei vor allem Freudenstadt genannt, bestanden bzw. bestehen zahlreiche, traditionsreiche Freimaurerlogen. Sie sind sich meist seit Jahrzehnten über Landesgrenzen hinweg treu verbunden. So pflegt zum Beispiel die Lahrer Freimaurerloge „Allvater zum freien Gedanken“, welche in diesem Jahr ihr 150-jähriges Stiftungsfest feiert, (seit einigen Jahren wieder) regelmäßigen Austausch mit den Logenbrüdern von Zürich. Traditionell sind im badischen Raum die Logen in Baden-Baden, Freiburg, Karlsruhe und Lahr, aber auch Freudenstadt, stets in lebhaftem Austausch.
Mit Blick auf das Jahrhundertgedenken zum Beginn des Ersten Weltkriegs hat die Badische
Landesbibliothek bereits im Jahr 2013 hundert zeitgenössische Bücher und Broschüren aus den
Jahren 1914‐1918 digitalisiert. Sie stammen aus badischen Verlagen oder beziehen sich auf das
Kriegsgeschehen in Baden. Seither hat sich die Titelzahl aufgrund von Benutzeraufträgen noch
erhöht. Die digitalisierten Titel sind zu finden unter: http://digital.blb‐karlsruhe.de.
Das Spektrum der Digitalisate reicht von amtlichen Denkschriften zu wirtschaftlichen Maßnahmen während des Kriegs oder zur Invaliden‐ und Hinterbliebenenfürsorge über Kriegspropagan‐
da, Kriegstagebücher, Kriegslyrik und Kriegspredigten bis hin zur Darstellung der Kriegserlebnis‐
se von Badenern an der Front und in Gefangenschaft. Ebenfalls dabei: das mit Hunderten von
Fotos ausgestattete Gedenkbuch der Stadt Pforzheim mit den Ehrentafeln der Kriegsopfer aus den
Jahren 1915‐1920 und das Ehrenbuch der Stadt Karlsruhe für ihre 5510 im Krieg gefallenen
Bürger aus dem Jahr 1930. Oder eine alphabetische Zusammenstellung der höchstzulässigen
Lebensmittelpreise in Karlsruhe nach dem Stand vom 15. Mai 1916. Eine kleine Auswahl der
digitalisierten Titel soll hier vorgestellt werden.
Wann tauchen Tomaten oder Artischocken in der badischen Küche auf? Wann verschwinden
Singvögel und Flusskrebse daraus? Und wann ist das erste Mal die Rede von Kalorien?
Kochbücher sind eine erstrangige Quelle zur Alltags‐ und Kulturgeschichte und hervorragende
Gradmesser für soziale und regionale Differenzierungen. Sie bezeugen das Aufkommen und
Verschwinden bestimmter Speisen und Zutaten bzw. deren zeitweilig hohen oder geringen
gesellschaftlichen Stellenwert. Regionale Unterschiede und Geschmackspräferenzen werden
erkennbar. Rezepte zu bestimmten Gerichten zeigen über längere Zeiträume hinweg eine
veränderte Zusammensetzung der Zutaten bzw. von deren Mengen und Veränderungen der
Zubereitungspraxis. Zusatzstoffe und Fertigprodukte finden Eingang in die Ernährung und
verändern die Zubereitung und den Verzehr von Speisen dauerhaft. In Notzeiten werden
Lebensmittel „gestreckt“; es wird mit Ersatzstoffen experimentiert, und viele Rezepte der
Kriegsküche werden heute im Rahmen gesunder Ernährung wiederentdeckt.
Wer heute ein Kochrezept sucht, recherchiert im Web, legt das Smartphone neben
den Herd und schaltet es ab, sobald das
Essen auf dem Tisch steht. Ein Digitalisierungsprojekt der Badischen Landesbibliothek ermöglicht dies nun auch für die
Gerichte der alten badischen Küche. Hundert badische Kochbücher des Zeitraums
1770–1950 werden bis Juni 2016 digital
bereitgestellt sein. Vielfach sind es Unikate
in Baden-Württemberg, häufig aber darüber hinaus auch bundes- bzw. weltweit
einzigartig. Sie stammen von badischen
Autoren, sind in badischen Verlagen
erschienen oder von badischen Firmen
herausgegeben worden.
Die Badische Landesbibliothek hat mehr als hundert badische Kochbücher aus dem Zeitraum 1770–1950 digitalisiert. Sie stammen von badischen Autoren, sind in badischen Verlagen erschienen oder von badischen Firmen herausgegeben worden. Eine Volltextrecherche und damit die Suche nach einzelnen Rezepten und Zutaten ist möglich und gibt Aufschluss über die Ernährungsgewohnheiten auf badischem Territorium. Bis zum 15. Oktober 2016 werden die Kochbücher außerdem in der Ausstellung »Das Kochbuch in Baden 1770–1950« im Original gezeigt; den Ausstellungskatalog mit allen Begleittexten finden Sie im Internet. Zur Ausstellung serviert die Badische Landesbibliothek außerdem ein reichhaltiges Begleitprogramm.
Wann tauchen Tomaten oder Artischocken in der
badischen Küche auf? Wann verschwinden Singvögel
und Flusskrebse daraus? Wann verlor die Kartoffel
ihr Image als Armenspeise? Wann ziehen
Wiener Schnitzel und Gulasch in Baden ein? Wann
verließ die Nudel ihre Randexistenz als Suppenbeilage
und wann gab es Makkaroni als Fertigprodukt?
Und wann ist das erste Mal die Rede von Kalorien?
Kochbücher sind eine erstrangige Quelle zur Alltags‐
und Kulturgeschichte und hervorragende
Gradmesser für soziale und regionale Differenzierungen.
Sie bezeugen das Aufkommen und Verschwinden
bestimmter Speisen und Zutaten bzw.
deren zeitweilig hohen oder geringen gesellschaftlichen
Stellenwert. Regionale Unterschiede und Geschmackspräferenzen
werden erkennbar. Rezepte
zu bestimmten Gerichten zeigen über längere Zeiträume
hinweg eine veränderte Zusammensetzung
der Zutaten bzw. von deren Mengen und Veränderungen
der Zubereitungspraxis. Zusatzstoffe und
Fertigprodukte finden Eingang in die Ernährung
und verändern die Zubereitung und den Verzehr
von Speisen dauerhaft. In Notzeiten werden Lebensmittel
„gestreckt“; es wird mit Ersatzstoffen
experimentiert, und viele Rezepte der Krankenkost
oder der Kriegsküche werden später für die gesunde
Ernährung wiederentdeckt.
„Am Anfang war Napoleon“, mit dieser apodiktischen Formulierung beginnt Thomas Nipperdey sein glänzendes Werk „Deutsche Geschichte 1800–1866. Bürgerwelt und moderner Staat“. Nicht zufällig erinnert dieser Satz an das 1. Buch Genesis, das ja ähnlich anhebt: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde“. Natürlich ist Nipperdey weit davon entfernt, die fundamentalen Unterschiede bei beiden Prozessen durch die Lust am Konstruieren von Analogien und die Verliebtheit in
treffende Formulierungen zu übersehen. Während nämlich Himmel und Erde aus dem Nichts geschaffen wurden, also ein
schöpferischer Akt sui generis vorlag, Gott und den Menschen ein Wohlgefallen, an dessen Ende zumindest für kurze Zeit paradiesische Zustände herrschten, erinnert der Prozess, der zu Beginn des 19. Jahrhunderts die politische, soziale und geographische Landkarte Europas grundlegend veränderte, bei weitem nicht an eine Entwicklung, die unter paradiesischen
Umständen stattfand.
Am 5. April 1852 erschienen auf der Amtsstube in Rheinbischofsheim fünf ärmliche Personen aus Freistett. Voller Ehrfurcht und Bescheidenheit trugen Georg Klotter, Georg Walter, Philipp Schmidt, David Fischer und Georg Müller, allesamt Landwirte, dem Oberamtmann ihr Anliegen vor. Sie wollten mit ihren Familien ihre alte Heimat verlassen und in der Fremde, in Nordamerika, ihr weiteres Glück suchen. Dafür benötigten sie nur noch die obrigkeitliche Erlaubnis. Mit ihrer Heimatgemeinde seien sie - so die Auswanderungslustigen gegenüber dem großherzoglichen Beamten - bereits handelseinig geworden. Diese habe sich bereit erklärt, die Überfahrtskosten zu tragen, von Freistett bis Mannheim mit Pferdewagen und Eisenbahn, von Mannheim bis Rotterdam mit Rheindampfschiffen und von Rotterdam bis New Orleans mit dem Segelschiff. Darüber hinaus habe der Gemeinderat wie der Große Bürgerausschuss beschlossen, jedem Familienvater für die Weiterreise von New Orleans in das Innere des Landes vier Dollar pro Familienmitglied zu geben, um den Start in der neuen Welt etwas leichter zu gestalten.
Vom 28. Juli bis 3. August 1930 fand um die Jugendherberge auf dem Sohlberg ein deutsch-französisches Jugendtreffen
statt. Während die deutschen Teilnehmer Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Karlsruher Jugendbünde waren, in der 40
weltanschaulich und konfessionell unterschiedliche Gruppen zusammengeschlossen waren, gehörten die französischen Teilnehmer „den allerverschiedensten politischen und weltanschaulichen Lagern“ an: Junge „Action Française“, „Jeunesses
Patriotes, „Hervéjugend“ und „Jeunesses Radicales“ waren vertreten sowie Mitglieder der „Völkerbundjugend“, der „Ligue
d’Action Republicaine et Socialiste“ und Anhänger der Zweiten und Dritten Internationale.
Nach dem Herrschaftswechsel von 1368 blieb Freiburg (mit kleinen Unterbrechungen) rund 450 Jahre bis 1803 unter der Herrschaft der Habsburger. In dieser langen Periode wurde u. a. die Universität gegründet (1457), der Münsterbau vollendet (1513), das "Alte Rathaus" und das "Historische Kaufhaus" errichtet. Die Stadt wurde aber auch in viele Kriege Habsburgs mit Frankreich verwickelt, zur Festung umgebaut und z. T. schwer geschädigt. Besonders reich ist Freiburg an Bauwerken (bes. Kirchen und Kapellen) aus dem 18. Jahrhundert. Die Reformen von Maria Theresia und Joseph II. brachten Impulse der Aufklärung hierher, u. a. durch die Einführung der Schulpflicht. 1806 wurden Freiburg und der Breisgau von Napoleon dem neuen badischen Staat übertragen. Die Stadt beteiligte sich an der politischen Modernisierung des badischen Großherzogtums u. a. als Zentrum des Frühliberalismus (mit Rotteck und Welcker) und Mitwirkung an der badischen Revolution von 1848/49. Durch die Hochindustrialisierung erlebte die Stadt ein kräftiges Wachstum, ohne zu einem Industrieort zu werden. Besondere Bedeutung als badische Stadt erlangte Freiburg in den Jahren nach 1945 als Hauptstadt und Regierungssitz des Landes (Süd-)Baden. Nach der Neugliederung im deutschen Südwesten schuf das Land Baden-
Württemberg den Regierungsbezirk Freiburg mit dem Regierungspräsidium in der Stadt.
Aus Vielfalt ein Ganzes
(2006)
Manche sind gerührt, manche voller Stolz, wenn das Badnerlied erklingt: „Das schönste Land in Deutschlands Gau’n, das ist mein Badner Land“. Was für ein Land muss das sein: Tief in den Herzen wie in der Geschichte verwurzelt, gleichsam von Gottes Hand geschaffen! Aber war dieses Großherzogtum Baden in Wirklichkeit nicht ganz anders entstanden? Geformt als ein Kunstprodukt, auf ganz und gar revolutionäre Weise, gegen Recht und Herkommen hervorgebracht, mehr oder minder zusammen geklaubt und geraubt, von auswärtigen Mächten ins Leben gerufen …? Vergegenwärtigen wir uns, wie dieses Baden
zustande kam, von wem es geschaffen wurde und mit welchen Klammern man es zur Einheit zusammen gefügt hat.
Das Jahr 1806 begann für die Vorfahren hier im Breisgau recht spannend vor 200 Jahren. Innerhalb von nur drei Jahren erlebten sie, dass gleich zum zweiten Mal hintereinander ihre Obrigkeit, ihr Landesherr, sozusagen ihre Staatszugehörigkeit gewechselt wurden. Zuerst wurden sie abgeschnitten von der „milden österreichischen Hand“. Die Region ging 1803 an den Herzog von Modena bzw. an dessen Schwiegersohn Ferdinand (den die Freiburger vergeblich hierher lockten mit dem Spruch „O lieber Vater Ferdinand, besuche bald dein treues Land!“). Nun kam man 1806 unter badische Hoheitsgewalt, unter den Markgrafen bzw. Kurfürsten Karl Friedrich, der sich bereits Herzog von Zähringen nannte. So ließ sich wohl mit Titeln Loyalität
erzeugen! Am 15. Januar nahm der „Besitznahmekommissar“ Carl Wilhelm Franz Ludwig Freiherr Drais von Sauerbronn den Breisgau offiziell in badischen Besitz.
Am 7. September 1810, vor 200 Jahren also, wurde in Paris ein Vertrag unterzeichnet, der dem Großherzogtum Baden eine nicht unerhebliche Gebietserweiterung bringen sollte. Zwar ist dieser Pariser Vertrag den meisten Darstellungen der badischen Geschichte nur ein paar Zeilen wert. Das gilt auch für das entsprechende Kapitel im Handbuch der badenwürttembergischen
Geschichte. Allerdings hat Willy Andreas vor fast hundert Jahren eine detaillierte und anschauliche Darstellung »Baden nach dem Wiener Frieden 1809« als Heft 15 der »Neujahrsblätter der Badischen Historischen Kommission« veröffentlicht, auf
die sich die neueren Autoren gerne stützen.
Beginnen wir mit ein paar Beispielen:
– Ein katholischer Theologieprofessor (J. B. Hirscher) setzte sich mit dem Verhältnis von Kirchlichkeit und allgemeinem Christentum
auseinander und entwarf ein Programm für die Einheit der Christen, begründet auf eine neue Hinwendung zur Hl. Schrift .
– Vielerorts weihten der katholische und der evangelische Stadtpfarrer gemeinsam den neuen (simultanen) Friedhof im Ort ein. Dabei wurde von beiden Geistlichen über die Gemeinsamkeiten zwischen Katholiken und Protestanten gepredigt.
- ...
Dies sind alles authentisch bezeugte Fälle. Georg May hat viele in seiner Dissertation exakt belegt. Doch sie stammen nicht aus unserer
Zeit, sondern aus den ersten Jahrzehnten des 19. Jahrhunderts. Erstaunlich also, was man aus der Geschichte erfahren und lernen kann.
Zu lernen ist dabei nicht nur, was gewesen ist, sondern auch, was möglich ist – oder was nicht. Der folgende Überblick skizziert nun die Entwicklung entlang dem historischen Zeitverlauf.
Der Beitrag gilt den Grundlagen, die Baden im Lauf des 19. Jahrhundert zu einem wirklichen Musterland im Deutschen Reich werden ließen und öffnet Perspektiven, die auch in unsere Gegenwart hinein reichen: mit den Umrissen des starken Staates, mit einem modernen Beamtenrecht und einer loyalen wie auch aufgeklärten Beamtenschaft , mit einem Rechtssystem, das sich das volle 19. Jahrhundert hindurch bewährte und schließlich mit einer Verfassung aus liberalem Geist, auf deren Grundlage das Land, wenn nicht zur Schule, so doch zu einer Vorschule der Demokratie in Deutschland werden konnte.
Wer signifikante Unterscheidungsmerkmale zwischen katholischem und evangelischem Kircheninnenbau aufzählen will, läuft schnell Gefahr, sich in einer Defizitliste zu verlieren: Kein Tabernakel, kein „ewiges Licht“, kein Klerikergestühl, keine Heiligenfiguren, keine Kommunionschranken und keine Beichtstühle in evangelischen Kirchengebäuden, jedenfalls solchen aus nachreformatorischer Zeit. Keine Beichtstühle? Von der Beichte wird so gelehrt, dass man in der Kirche die
privata absolutio beibehalten und nicht wegfallen lassen soll. Dementsprechend sind in evangelischen – in der Regel lutherischen – Kirchengebäuden noch vereinzelt historische Beichtstühle anzutreffen, so in Niebelsbach im Enzkreis (Beichtstuhl des 18. Jahrhunderts), um ein Beispiel aus Baden-Württemberg anzuführen, dem weitere aus anderen Kirchenregionen an die Seite gestellt werden können. Keine Kommunionschranken? Zwar bedürfen evangelische Kirchengebäude keiner Lettner, keiner Abschrankungen zwischen einem Bereich für den „Klerus“ und einem Bereich für das „Kirchenvolk“. Im Gegenteil: Das Grundprinzip des Priestertums aller Gläubigen kennt keinen Klerus im Sinne der Amtsvorstellungen der römisch-katholischen Kirche und dementsprechend keine Sonderbereiche im Kirchengebäude für „Geistliche“, auch wenn evangelische Pfarrer bis weit in das 20. Jahrhundert hinein als „Geistliche“ bezeichnet wurden, und dies ganz offiziell.
Im Bernadotteschen Familienarchiv im Stockholmer Schloss, in der Sammlung
König Gustafs V., sind die Tagebuchaufzeichnungen Königin Victorias, geb.
Prinzessin von Baden (1862–1930), von den Revolutionstagen in Karlsruhe im
November 1918 als besonderes Promemoria für den König aufbewahrt. Wie
König Gustaf V. (1858–1950) die Nachrichten – oder eher den Mangel an Nachrichten
– aus Karlsruhe während den Revolutionstagen empfand, hat der schwedische
sozialdemokratische Marineminister Baron Erik Palmstierna (1877–1959)
in seinem Tagebuch vom 16. November 1918 beschrieben: Der König sah während
der Kabinettssitzung völlig zerstört aus. Er soll schlaflos sein. […] Die
Notiz des Tages, dass man das Schloss in Karlsruhe zu stürmen versucht hat,
wirkt sich wahrscheinlich auch nicht gerade beruhigend auf die Nerven aus.
In Deutschland hatten die ausgebliebenen Siege, die Militarisierung der
Staatsleitung und die Kriegsmüdigkeit den Weg für die Revolution im Jahr 1918
bereitet. Während die Revolution in mehreren deutschen Ländern durch eine
negative Fixierung auf den Fürsten bedingt war, war in Baden das Gegenteil der
Fall. Großherzog Friedrich II. (1857–1928), der Bruder Königin Victorias, war
zwar weder bedeutend noch besonders populär. Lothar Machtan bezeichnet ihn
sogar als ein „farblosen Epigonen seines legendären Vaters“, jedoch richtete
sich die Unzufriedenheit gar nicht gegen ihn als Person.
Sehr geehrter Herr Ministerpräsident Oettinger, sehr geehrter Herr Landtagspräsident, sehr geehrter Herr Oberbürgermeister
Fenrich, Kaiserliche und Königliche Hoheiten, meine sehr geehrten Damen und Herren, erlauben Sie mir bitte zunächst, mich als thematisch legitimierten Referenten auszuweisen, spreche ich hier doch nicht als Rektor der südbadischen Universität Freiburg, sondern als Politikwissenschaftler mit einer gewissen emotionalen Bindung an den Gegenstand der Rede: „Das badische Erbe in Baden-Württemberg“.
In politischen Debatten bis zur Gegenwart war und ist es wohlfeil, mit unverkennbar negativer Konnotation vor „Weimarer Verhältnissen“ zu warnen – mit Blick auf die gesellschaftlichen, ökonomischen und sozialen Konflikte der Jahre von 1918 bis 1933 und das Scheitern daran, im Rahmen der Institutionen des seinerzeitigen demokratischen Staates dafür sich als dauerhaft tragfähig erweisende Lösungen zu erarbeiten: Aufstände, Putschversuche, wachsende Stimmenanteile für die extremen Parteien auf beiden Flügeln des politischen Spektrums, Weltwirtschaftskrise, Massenarbeitslosigkeit und Präsidialregierungen sind Schlagworte, die zur Illustrierung dieser Warnung herangezogen werden und die dann auch in viele Details hinein entfaltet werden können. Und in der Kirchengeschichtsschreibung ist es weithin gängig, den Mainstream des Denkens und das daraus resultierende Handeln in den evangelischen Landeskirchen während der Jahre der Weimarer Republik pauschal mit dem Schlagwort vom „Nationalprotestantismus“ zu charakterisieren – was im Ergebnis dann nicht selten auf eine Art Diskreditierung in genere hinausläuft, als seien diese Jahre letztlich nur als ein „Durchgangsstadium“ hin zum Nationalsozialismus und zu dessen Untiefen und Abgründen zu begreifen und als gelte das wie für die damalige Gesellschaft insgesamt auch, vielleicht sogar gerade für den Protestantismus in Deutschland.
Das Reskript gewährte »allen in der Gerichtsbarkeit des Markgrafen unterstehenden Landbewohnern die uneingeschränkte Freitzügigkeit und sprach sie von allen daran hängenden Abgaben und Taxen los«. (S. Fiedler)
»Den Höhepunkt des Reformprogramms bildete die am 23. Juli 1783 verfügte »Aufhebung der Leibeigenschaft« (S. Fiedler). Carl Friedrich unterzeichnete den Erlaß am 4. August 1783, dessen Gültigkeit wohl der einfachen fiskalischen Handhabung wegen auf den 23. Juli zurückdatiert wurde (ein Quartal nach Beginn des Rechnungsjahres).
J. B. Kißling schreibt in seiner Geschichte des Kulturkampfes: „In der Schulfrage dachte der badische Liberalismus bereits im Jahre 1831 daran, die Schule von der Kirche zu ‚emanzipieren‘, der Antrag fand aber nur in der Zweiten Kammer eine
Majorität.“ Die Regierung habe an der „durch Geistliche geübten Schulaufsicht“ festgehalten. Die freie Schule war ein altes Ideal der Liberalen, während Erzbischof und Regierung am traditionellen Ideal des vertrauensvollen Zusammenwirkens von
Staat und Kirche festhielten. Eine der wichtigsten Persönlichkeiten „zu einer Aktivierung des Katholizismus“ war der Freiburger Staatswissenschaftler Prof. Franz Joseph Buß. Er wandte sich „gegen Staatskirchentum und alle liberalen und nationalkirchlichen Tendenzen“. Zuerst in Baden entstanden seit 1844 katholische Vereine, 1846 gab es hier die erste „Massenpetition“ gegen die „Deutschkatholiken“, es entstand der „Ultramontanismus als antiliberale Massen-Opposition.
Ebenfalls 1846 hat der Heidelberger Professor der Rechte und Abgeordnete der Zweiten Kammer C.J.A. Mittermaier
„die Lösung der Schule von der Geistlichkeit und der Kirche“ erneut gefordert. „Die Bewegung des Jahres 1848 griff auch auf die beiden großen Glaubensgemeinschaften über“, in der Zweiten Kammer wurde die „Kommunalschule, welche für alle Konfessionen gemeinschaftlich und dem Einfluß der Kirche entzogen sein sollte“ gefordert.
„Von 1921 an war ich auf Wunsch meines Erzbischofs politisch tätig in der Zentrumspartei. 1933 fiel bei den Wahlen das Volk der Massenhysterie zum Opfer; von den Widerstand leistenden Parteien konnten nur die Sozialdemokraten und wir vom Zentrum unsere Mandatsstärke halten“, ... dabei meinten es „die demokratischen Parteien ehrlich mit ihrem Kampf gegen den Nationalsozialismus, aber die Mehrheit des Volkes ließ sie bei den Wahlen im Stich.“ Mit diesen Worten kommentiert Ernst Föhr, der letzte Vorsitzende der Badischen Zentrumspartei, im Rückblick seinen Widerstand gegen die NS-Diktatur und sucht zugleich eine Ursache für den Wahlerfolg Hitlers, insbesondere bei den Märzwahlen des Jahres 1933. Ausgehend von dieser Bemerkung Föhrs wollen wir nach der Wahlkampfstrategie und dem politischen Selbstverständnis der Badischen Zentrumspartei in der Endphase der Weimarer Republik fragen. Im einleitenden Teil der Arbeit wird es dabei zunächst darum gehen, den politischen Standort der Badischen Zentrumspartei im Parteiengefüge der Weimarer Zeit zu ergründen. Aus welchen Gründen sprach sich die Badische Zentrumspartei immer wieder für eine Weimarer Koalition und gegen eine Rechtskoalition oder ein Bürgerblockkabinett aus? Inwiefern kann man in diesem Zusammenhang von der Verwurzelung eines demokratisch-republikanischen Selbstbewusstsein bei der Badischen Zentrumspartei sprechen?