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Carolinea. – 77 (2019)
(2019)
Dr. jur. Bertold Moch
(2019)
Wie an vielen Orten in Deutschland wurde auch in Nonnenweier die Geschichte jüdischen Lebens durch den Holocaust beendet. Denn auch der heutige Ortsteil der Gemeinde Schwanau war nach 1933 Tatort. Auch hier geschahen Verbrechenan den jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürgern, die das nationalsozialistische System zu ihren Feinden erklärt hatte, nebenan und für alle offensichtlich. Nach der „Machtübernahme“ durch die Nationalsozialisten wurden die Juden systematisch erfasst, schikaniert, schrittweise entrechtet, ausgegrenzt und ihrer Lebensgrundlage beraubt. Die Synagoge fiel in der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 einem Brandanschlag zum Opfer, und am 22. Oktober 1940 wurden alle noch in Nonnenweier lebenden Juden in das südfranzösische Internierungslager Gurs abtransportiert. Mit der Deportation der „rassisch minderwertigen Bevölkerung“ ist auch die Überlieferung ihrer Geschichte in Nonnenweier verloren gegangen, sodass jüdisches Leben in der Riedgemeinde heute nur noch sehr lückenhaft nachzuvollziehen ist. Denn nur wenige konnten vorher fliehen und sind so den Vernichtungslagern entkommen. Dem Wunsch der Nationalsozialisten entsprechend sollten die systematisch verfolgten, entrechteten, vertriebenen und dem planmäßig orgamsierten Völkermord zum Opfer gefallenen Menschen auch in Nonnenweier dem kollektiven Gedächtnis entrissen und die Erinnerung an sie nachhaltig ausgelöscht werden. Damit dies nicht geschieht, ist es unser aller Aufgabe, an das Leid, Unrecht und die Verbrechen an diesen Menschen zu erinnern und dafür zu sorgen, dass sie nicht vergessen werden. Dabei geht es jedoch nicht um Schuldzuweisungen. Das ist heute sicherlich auch nicht mehr möglich, da Schuld immer und grundsätzlich an den jeweils Handelnden gebunden ist. Aber auch wenn Schuld nicht vererbbar ist, so geht es um die Übernahme von Verantwortung. Dies ist sehr wohl Pflicht der Erben. Verantwortung setzt jedoch Bewusstsein voraus, was wiederum auf Wissen basiert. Deshalb ist es wichtig, das Wissen um das Geschehene weiterzugeben, damit die Spuren der Opfer sichtbar gemacht werden können, um sie so in das „kulturelle Gedächtnis“ zurückzuholen. In dieses „kulturelle Gedächtnis“ von Nonnenweier gehört auch Dr. jur. Bertold Moch, der bereits 1933 durch die nationalsozialistischen Antisemiten entrechtet und vertrieben wurde. Deshalb sollen die nachfolgenden Zeilen den überaus bewegten Lebensweg aufzeigen, den der in Nonnenweier geborene Rechtsanwalt allein nur deshalb auf sich nehmen musste, weil er Jude war. Sie sollen aber auch ein Erinnerungszeichen sein, dass so etwas niemals wieder geschehen darf.
Kriegsende in Lahr 1945
(2019)
Der Zweite Weltkrieg endete in Europa erst, nachdem das Deutsche Reich von den Alliierten militärisch besiegt und besetzt worden war. Zwar hatten die Westalliierten bereits seit Herbst 1944 versucht, durch eine Intensivierung des Luftkriegs die Moral der deutschen Zivilbevölkerung zu brechen, das NS-Regime zu destabilisieren und so ein schnelles Kriegsende herbeizuführen, doch kam es in den letzten Kriegsmonaten seitens der Zivilbevölkerung allenfalls zu lokal isolierten Widerstandshandlungen. Diese waren in der Regel nicht politisch motiviert, sondern spontane Aktionen Einzelner oder kleiner Gruppen mit dem Ziel, die (weitere) Zerstörung des persönlichen Lebensumfeldes durch letzte Rückzugsgefechte der Wehrmacht zu verhindern und die eigene (materielle) Existenz zu sichern. Die an einer möglichst langen Fortführung des Krieges interessierte nationalsozialistische Führungselite reagierte auf diese Auflösungserscheinungen innerhalb der ,Heimatfront' mit brutalen Mitteln. Der „Flaggenbefehl“ Himmlers von Anfang April 1945, wonach Angehörige der Polizei und Wehrmacht „[g]egen das Heraushängen weisser Tücher, das Öffnen bereits geschlossener Panzersperren, das Nichtantreten zum Volkssturm und ähnliche Erscheinungen[ ... ] mit härtesten Massnahmen durchzugreifen“ hatten, war hierfür symptomatisch. Für den Gau Baden sind zahlreiche Fälle belegt, in denen Angehörige der Wehrmacht, der SS, der Polizei und Parteifunktionäre Zivilisten erschossen, die sich nicht bereit gezeigt hatten, ihre Stadt, ihr Dorf oder ihr Haus zu verteidigen.
Paul Billet
(2019)
Der folgende Aufsatz ist Teil einer Seminarkursarbeit der beiden Karlsruher Gymnasiasten Eliah Canpolat und Philipp Niese. In ihrer Arbeit vergleichen die Autoren den nationalsozialistischen Kult um die beiden „Märtyrer und Blutzeugen“ der NS-Bewegung Horst Wessel und Paul Billet. Sie ist hier um den Teil zu Horst Wessel gekürzt und behandelt Leben, Sterben und „Nachleben“ des Lahrer Nationalsozialisten Paul Billet.
Bürger und Soldaten
(2019)
„Vor der dunkelgrünen Kulisse der Schwarzwaldberge, die ihre vom würzigen Tannenduft durchwehten Wälder bis herab zu den Wohnbezirken schicken, liegt - eingebettet in die sanften Wellen obst- und weinreicher Hügel - die Kreisstadt Lahr. [... ] In dieser Stadt der gepflegten Gärten und der zauberhaften Parks stört der Rhythmus der Arbeit nie die Melodie der lieblichen, einladenden Landschaft, so daß pulsierendes modernes Leben und erholsame, landschaftsbezogene Beschaulichkeit zusammenklingen in jener Harmonie, die Lahr so liebenswert macht.“ So beschrieb sich Lahr in einer Bürgerbroschüre Mitte der 60er-Jahre selbst. Doch neben dem geschäftigen Idyll gab es auch eine andere Seite der Kreisstadt Lahr: Eine kriegerische. Seit dem Kriegsende 1945 beheimatete Lahr eine Besatzungsgarnison der Franzosen. Mit der Erlangung der deutschen Souveränität 1955 verstanden sie sich als Mitglied der Nord Atlantik Treaty Organisation (NATO) vor dem Hintergrund des Kalten Krieges als Beschützer des südbadischen Raums. Ab 1961 donnerten die Flugzeuge des 3. französischen
Jagdgeschwaders (3e escadre de chasse) über Lahr.
Der neue Oberrhein Römer-Radweg zwischen Grenzach-Wyhlen und Offenburg eröffnet die Möglichkeit, einen Blick zurück in die Römerzeit zu werfen. Im 1. Jahrhundert n. Chr. gehörte das rechtsrheinische Oberrheingebiet zur römischen Provinz Germania Superior. Nach der römischen Landnahme musste die erforderliche verkehrliche Infrastruktur für das Militär, den Handel und den privaten Verkehr errichtet werden. Die Provinz Germania Superior wurde an das gewaltige römische Straßennetz angebunden. Ohne dieses Straßennetz wäre eine zuverlässige Verwaltung des römischen Reiches nicht möglich gewesen. Heute ist fast keiner dieser Straßen mehr anzusehen, dass ihr Ursprung römisch ist. Die Römerstraßen wurden entweder ausgebessert, mit neuen Belägen versehen oder als Autostraße geteert. Die einzige Möglichkeit, eine Straße als römisch zu erkennen, ist daher, den Unterbau durch aufwendige Sondierungen nachzuweisen.
Wehrhaftes Lahr-Mahlberg
(2019)
Der Herrschaftsbereich der Geroldsecker wurde im Jahr 1277 geteilt. Aus der Teilungsurkunde vom 14. September 1277 entnimmt man, dass Heinrich, dem Grafen von Veldenz, die Vogtei zu Münster (außer Wallburg) zufiel, dazu Hohentann und alles, was östlich der zwischen Lahr und Kuhbach gelegenen Bischofsmühle (Standort heute westlich der Firma Padberg bis Willy-Brandt-Straße) lag, außerdem Zunsweier, Berghaupten sowie Güter in Richtung Schwaben und in Schwaben. Die Brüder Heinrich und Walther erbten hingegen den Besitz der westlich der Bischofsmühle lag (mitt allem Rechten bey Bischoffs-Mühlen unndt was von deroselben Mühlenn heraus gegen dem Rhin lit): Lahr, Mahlberg, Burgheim, Dinglingen, Hugsweier, Mietersheim, Sulz, den Hoff zue Langenhardt, Kippenheim, Kippenheimweiler, Schmieheim, Wallburg, Broggingen, Wagenstadt, Orschweier, Wittenweier, Allmannsweier, Nonnenweier, Kürzell, Schutterzell, Ichenheim, Dundenheim und Altenheim. Sie erhielten auch die Burg Landeck im Breisgau und Güter im Elsass. Die Reichsgüter Friesenheim und Oberschopfheim, das Dorf Ottenheim sowie die elsässische Burg Schwanau am Rhein galten als gemeinsamer geroldseckischer Besitz.
Am Abend, wenn das Licht kurz vor Sonnenuntergang diffus ist, könnte man wirklich meinen, an der Winkelstraße 28 in Meißenheim haben Außerirdische ihr Gefährt abgestellt: Vierschrägstehende Betonpfeiler halten den futuristischen, silberglänzenden Körper. Darüber in der gläsernen „Kommandozentrale“ könnte man vielleicht den Blick auf ein grünes Männchen hinter den Fenstern erhaschen - oder steigt eines von ihnen direkt aus der runden Ausstiegsschleuse? Seit 2010 ist Meißenheim um eine Attraktion reicher. Nein, die Ufos sind nicht sesshaft geworden. Das Gebäude ist einfach sehr modern und super innovativ - nicht nur in Sachen Optik, sondern auch in Sachen Tragwerkskonstruktion und Energieeffizienz.
Bereits im 18. Jahrhundert gab es Freimaurer im mittelbadischen Raum. Der „Musikbaron“ Freiherr Franz Friedrich Sigmund August Böcklin von Böcklinsau war bereits 1783 in Wien in eine Loge aufgenommen worden, ein Spross einer bekannten Lahrer Bürgerfamilie wurde 1805 in die (deutschsprachige) „Pilger Loge“ in London aufgenommen. Die Verbindungen untereinander waren aber sehr locker, zumal die Freimaurerei in Baden (im Gegensatz z. B. zu Preußen) in den Jahren 1813 bis 1845/46 verboten war. Am 18. Oktober 1868 war es dann aber soweit: Die Freimaurerloge „Allvater zum freien Gedanken“ in Lahr wurde gegründet. In ihr fanden sich Brüder zusammen, die das „freimaurerische Licht“ meist in Freiburg, manchmal aber auch in Straßburg, Mühlhausen oder Marseille empfangen hatten. Die Freiburger Loge „Zur Edlen Aussicht“, gegründet 1784 mit einem Patent der Großloge von Österreich (Freiburg und der Breisgau gehörten damals zu Vorderösterreich), wurde zur Mutterloge der Lahrer Bruderschaft.
In verschiedenem Grün leuchten die Blätter der Buchen, Eichen und Linden. Vögel zwitschern und ein Specht klopft mit seinem schnellen „Tock-tock“ an einem Baumstamm. Vom Waldrand aus kann man den Blick schweifen lassen über - jetzt im Spätsommer - abgeerntete Getreidefelder und blühende Wiesen. Der Ort strahlt Ruhe aus. Wer weiß, dass dieser Wald beim Ottenweier Hof schon vor Jahrhunderten ein spiritueller Ort war, spürt diese Ruhe umso mehr. Die Geschichte des Täuferwaldes war mit ein Grund, warum sich die Gemeinde Neuried dafür entschied, hier einen Bestattungswald einzurichten. Seinen Namen hat er von den Täufern, einer evangelischen Religionsgemeinschaft, die im Zuge der Reformation entstanden ist. Schon vor über 250 Jahren nutzten sie den Wald für Gottesdienste und Taufen. Zwei runde Sandsteintische sind heute noch Zeugnisse dieser Vergangenheit. Einer der Tische steht neben einer Senke im Boden, die sich bei Regen mit Wasser füllt. Sie könnte in jenen Zeiten den Täufern als Taufbecken gedient haben. Die Gemeinde Neuried führt den Bestattungswald innerhalb des Eigenbetriebs Forst. Revierförster Gunter Hepfer erhält beim Betrieb des Bestattungswaldes Unterstützung von der Friedhofsverwaltung der Gemeinde und von Tom Jacob, ebenfalls gelernter Förster, der derzeit eine Zusatzausbildung zum Seelsorger und Trauerredner im evangelischen Kirchenbezirk Emmendingen absolviert. Jacob hilft dem Revierförster auch bei den angebotenen monatlichen Führungen durch den Bestattungswald. Bei einer dieser Führungen erwähnte Jacob, dass er früher einmal das Glück gehabt habe, für zwei Jahre im Ottenweier Hof zu wohnen. So sei er mit der Geschichte der Täufer in Berührung gekommen und habe begonnen, nachzuforschen.
In den „Archives départementales du Bas-Rhin“ in Straßburg fand ich eine Akte (1 G 144/49) mit Angaben über den Brand des Ettenheimer Spitals am 9. Dezember 1617, die für die Geschichte Ettenheims wertvoll ist, denn über die Zeit vor dem Dreißigjährigen Krieg haben sich nur wenige schriftliche Zeugnisse zu unserer Stadtgeschichte erhalten. Die Akten der damals zuständigen fürstbischöflichen Landesregierung gelangten während der Französischen Revolution vom Regierungssitz Zabern (Saverne) zum Teil nach Straßburg. Sie wurden bis heute hinsichtlich der Stadt Ettenheim noch nicht vollständig erforscht beziehungsweise ausgewertet. Dies hat verschiedene Gründe: unter anderem der dazu notwendige Zeit- und Kostenaufwand, aber auch die schlechte Lesbarkeit mancher Schriftstücke. Soweit ich bisher erkennen konnte, sind manche Vorgänge nur bruchstückhaft, das heißt unvollständig überliefert, sodass es nicht möglich ist, sich „ein genaues Bild“ zu machen. Bei der Korrespondenz zwischen der Zaberner Regierung und den Ettenheimer Dienststellen fehlen oft die Akten der Ettenheimer Seite. Ausnahmen sind einzelne Schreiben, die später in das Generallandesarchiv Karlsruhe gelangt sind. So blieben im Einzelfall nur schlecht lesbare Briefentwürfe der Zaberner Regierungsbeamten übrig. Im Straßburger Archiv befinden sich auch umfangreiche Protokollbücher der Zaberner Regierung, die unsererseits noch nicht ausgewertet wurden. Ein Register dazu habe ich nicht gesehen, ist aber verzeichnet. Viele Inhalte haben vermutlich keinerlei Beziehung zu Ettenheim. Man muss auch damit rechnen, dass Schriften verloren gingen oder vernichtet wurden. Große Entdeckungen sind wohl nicht zu erwarten. Die Ettenheim betreffenden Akten aus dem 17. und 18. Jahrhundert sind, soweit ich sie nutzen konnte, fast sämtlich in deutscher Schrift verfasst.
Majestätisch steht es da am Anfang der Hauptstraße, das Pfarrhaus. Manche halten es für ein ehemaliges Schlösschen, für andere ist es ein ganz normales Haus, eben das Pfarrhaus. Je älter dieses Haus wird, umso älter der Mythos. Um es vorweg zu nehmen, es handelt sich nicht um ein ehemaliges Schlösschen. Das Haus war schon immer ein Pfarrhaus. Es ist nun schon über 250 Jahre her, als der Ort Wittenweier ein neues Pfarrhaus benötigte. Er benötigte es, da das alte durch den damals noch unbändigen Rheinstrom bedroht war. Dieser wechselte im Laufe der Zeit immer wieder seine Laufrichtung. Zuletzt zielte er direkt auf die Häuser des alten Ortes. Man versuchte - zumeist vergeblich - auf mancherlei Art, das Ufer zu schützen, etwa durch Holzwellen (Faschinen). Der ganze Ort war in Gefahr, vom Rhein weggerissen zu werden. Und so begann man Mitte des 18. Jahrhunderts mit der Verlegung der Häuser auf sicheren Boden. Das war unmittelbar neben dem alten Ort in östlicher Richtung. Diese „Wanderung“ des Dorfes war schon für die Zeitgenossen auffällig.
Z'dritt odr manchmal au z'viert - denno isch's eweng eng wore - sinn si uff dem griäne Bänkli am Eck g'hockt. Alli hänn si Mandlschirtz anghet, unn jeder het e klei wenig anderscht üsgsehne wie de ander. Morgens hett als d'Nochberi üsm Fenschdr gluegt unn het ä scheener Dag gwunsche: im Nachdhemm, mitm Haarnetz uffm Kopf unn noch ohni Zähn. D' andr Nochberi het als Deppich klopft im Hof un bi Gwiddr het si bi gschlossene Fenschderläde vorere gweihde Kerz s' Vadder Unser beddet.
Landesgartenschau 2018
(2019)
„Heidelbergs Verbundenheit mit der Saar“ – so titelte das Heidelberger Volksblatt am 7. Januar 1935. Anlass war die feierliche Enthüllung eines „Saarmahnmals“ an der Südwestecke des Rathauses am Vortag durch Oberbürgermeister Carl Neinhaus. Das „Saar-Bekenntnis“ der Stadt Heidelberg erfolgte nur wenige Tage vor dem 13. Januar, an dem die Saarländer in einer Volksabstimmung für die Eingliederung des 1920 geschaffenen Saargebiets in das „Dritte Reich“ stimmten. Das Saargebiet und sein zukünftiges Schicksal waren zu diesem Zeitpunkt in der deutschen Öffentlichkeit gleichsam allgegenwärtig. Dies war nicht zuletzt auf eine intensive prodeutsche Propaganda verschiedener Protagonisten zurückzuführen. Versuche, durch Kommunikation und diverse Methoden der Öffentlichkeitsarbeit das Zusammengehörigkeitsgefühl zwischen dem Saargebiet und dem Deutschen Reich zu fördern, wurden aber nicht nur im direkten Vorfeld der Abstimmung von 1935, sondern bereits unmittelbar seit Schaffung des Saargebiets durch den Versailler Friedensvertrag unternommen. Zielgruppe dieser Propaganda waren dabei nicht nur die Saarländer selbst, sondern auch die Bevölkerung im unbesetzten Deutschland, die
über die Verhältnisse an der Saar „aufgeklärt“ und zum Einsatz für die Rückgliederung des Saargebiets mobilisiert werden sollte.
Dass Heidelberg die Idealstadt und ein bedeutender Ursprung der deutschen Romantik gewesen ist, weiß man. Hölderlin und Eichendorff besangen die Schönheit der ehemaligen kurfürstlichen Residenz als harmonische Einheit von Stadt und Land oder von Geist und Natur und begriffen sie als Vorschein jener Synthese des Entgegengesetzten, die frühromantische Spekulation als Absolutidentisches zum Grund
alles Seienden erklärt hatte. Daneben sammelten Brentano und Arnim im Sinne einer nationalen Selbstvergewisserung Volkslieder – oder das, was sie dafür hielten, – und eine angehende historische Mythenforschung um Görres und Creuzer setzte nicht länger auf Griechenland, sondern auf die germanische Überlieferung, die bereits Herder in den Fokus gerückt hatte. Zweckfrei war jedoch der Zug ins Nationale
oder Vaterländische ebenso wenig wie die romantische Harmonietrunkenheit. In ihrer Wendung gegen die vermeintlich einseitige aufklärerische Rationalität suchte sie eine „Neue Mythologie“ aus Sinnlichkeit und Vernunft zu etablieren, die nicht nur die Dichtung, sondern auch die deutschen Lande aus unschöpferischer, mechanistischer Erstarrung herausführen und eine neue nationale Gemeinschaft stiften sollte.
Auf dem 3. Kreuzzug wurde 1190 im Heiligen Land vor Akkon die Bruderschaft vom „Hospital St. Mariens der Deutschen zu Jerusalem“ gegründet und bereits 1198 zum Ritterorden erhoben. Über Schenkungen, Stiftungen, Kauf und Tausch wuchs ihr Besitz nicht nur im Mittelmeerraum, sondern auch im römisch-deutschen Reich rasch an. Bereits im 13. Jahrhundert bildete sich eine Verwaltungsstruktur aus, die sich mit ihren Provinzen an der Administration der älteren Orden der Johanniter (um 1080) und der Templer (1120) orientierte. Für Ritter und Priester übernahm man die Templerregel, für die Armen- und Krankenpflege jene der Johanniter. Weltliche Personen konnten als Familiare oder Pfründner aufgenommen werden. Als unterste Verwaltungsebene richtete der Orden sogenannte Kommenden ein, regionale Ordenshäuser, die von einem Komtur geleitet wurden, dem ein Konvent von 12 Mitgliedern assistierte. Die Kommenden wurden in sogenannten Balleien, den Provinzen, räumlich zusammengefasst. Der Komtur hatte die Ordensdisziplin zu überwachen, er beaufsichtigte die Seelsorge, die Krankenpflege, den Waffendienst und nicht zuletzt die Vermögensverwaltung. Jährlich hatte er dem Provinzkapitel Rechenschaft abzulegen. Seine Amtszeit erstreckte sich auf ein Jahr, wurde aber in der Regel verlängert. Bei großen Ordenshäusern unterstützten ihn weitere Amtspersonen.
Ende 1918: Kriegsende, Revolution. Friedrich Ebert übernimmt die Regierungsgeschäfte und bildet den Rat der Volksbeauftragten, bestehend aus je drei Vertretern der SPD und der USPD. Der Rat konstituiert sich am 12. November 1918 und verkündet das aktive und passive Wahlrecht für Frauen. Mit der Einführung des Frauenstimmrechts „ist aber nicht der Vorhang über dem ‚Stück mit dem guten Schluß‘ gefallen, es hat vielmehr ein neuer Akt des Dramas begonnen. […] Klafft nicht zwischen Gesetz und Ausführung ein bedenklicher Abgrund?“, so kritisch urteilte Camilla Jellinek bereits 1919. Ihrer Einschätzung würden auch heute noch viele Frauen uneingeschränkt zustimmen.
Die Wiedereröffnung der Universitäten nach dem Zweiten Weltkrieg war ein zentraler Bestandteil des demokratischen Neubeginns in Deutschland. In Heidelberg bildete sich zeitnah nach dem Einmarsch der amerikanischen Truppen der sogenannte Dreizehnerausschuss aus „unbelasteten“ Professoren, der die Wiedereröffnung der Universität maßgeblich vorantrieb. Ihm gehörte auch der Historiker Fritz (Friedrich
Wilhelm) Ernst (1905–1963) an. In der Forschung wurde sein Einsatz für die Universität hervorgehoben. Auch die Nachrufe auf Ernst loben seine „Leistungen für das Wiedererstehen und Wiedererstarken unserer geliebten Ruperto-Carola nach dem Zweiten Weltkrieg, der er seine ganze Kraft und zum guten Teil die Substanz seiner zarten sensiblen Nerven geopfert hat“, so beispielsweise Karl Engisch in einer Gedenkrede. Bei der Wiedereröffnung des Historischen Seminars und bei der Besetzung der historischen Lehrstühle hatte Ernst als einzig verbliebener Ordinarius entscheidenden Einfluss. Im Folgenden soll untersucht werden, welche Institutionen und welche Kriterien auf die Personalentscheidungen nach 1945 einwirkten – so bei der Wiedereingliederung der Historiker Willy Andreas (1884–1967) sowie Walther
Peter Fuchs (1905–1997) in den Lehrkörper der Universität. Dabei sind die Rolle der betroffenen Wissenschaftler im NS-Regime und der Ablauf der Entnazifizierungsverfahren in den Blick zu nehmen. Welche Institutionen – US-Militärverwaltung, Universitätsorgane, Kultusbehörde – setzten jeweils ihre Vorstellungen durch? Waren die Personalentscheidungen durch sachlich fundierte Auswahlkriterien oder auch durch persönliche Sympathien bzw. Animositäten bestimmt?
Betrunkene Studenten schwärmen in der Nacht lautstark durch die Gassen der Heidelberger Altstadt und erregen so den Ärger, wenn nicht gar den heftigen Zorn manchen Einwohners, der sich schlaflos in seinem Bett von einer Seite zur anderen dreht und dabei stille Flüche gegen die Rücksichtslosigkeit der Jugend ausstößt. Während draußen auf der Straße ein neues Lied angestimmt wird, grübelt der um seine Nachtruhe betrogene Bürger, wie er sich wehren kann und ob nicht ein Brief an den Oberbürgermeister fällig ist, damit eine solche Ruhestörung zukünftig durch strengere Sperrzeiten gar nicht erst entsteht. Oder zumindest durch häufigere polizeiliche Patrouillen auf der Unteren Straße zügig unterbunden wird … Diese Situation benötigt keine Jahresangabe, denn das wiederkehrende Auftauchen von Konflikten um die Nachtruhe dürfte in Heidelberg als eine historische Konstante in der gemeinsamen Geschichte von Stadt und Universität gelten. Und doch ändern sich die Zeiten, so dass der Historiker an einem gleichbleibenden Thema zeigen kann, wie unterschiedlich die Menschen am selben Ort ihr Zusammenleben organisierten, und nach welchen geschriebenen und ungeschriebenen Regeln sie ihr
Verhalten ausrichteten – auch wenn es bei der nächtlichen Ruhestörung eher um ein amüsantes als um ein politisch bedeutsames Thema zu gehen scheint, zumindest aus der Perspektive des Nicht-Betroffenen. So widmet sich dieser Aufsatz dem Ziel, mehr über das Verhältnis von Universität und Stadt, von Studenten und Bürgern in der Zeitspanne zwischen 1775 und 1805 herauszufinden. Warum ausgerechnet diese Jahreszahlen? Nun, sie könnten auch etwas anders lauten, auf ein genaues Datum kommt es dabei nicht an, und doch findet in diesen dreißig Jahren ein schleichender Wandel statt, in dessen Folge sich die Stellung der Studenten im öffentlichen Raum Heidelbergs verändert. Stadt und Universität, die bekanntlich auch gerne miteinander stritten und streiten, kooperierten schließlich in erstaunlicher Eintracht, um für mehr Disziplin unter den jungen Männern zu sorgen, die damals am Neckar nicht lautstark feiern, sondern fleißig studieren sollten.
Meine sehr verehrten Damen und Herren, liebe Mitglieder des Heidelberger Geschichtsvereins, gerne bin ich der Einladung gefolgt, als amtierender Vorsitzender des wohl ältesten bestehenden historischen Vereins der Kurpfalz über eben solche Vereine und ihre gegenwärtigen Aufgaben zu sprechen. Die historischen Vereine sind im Wesentlichen ein Kind des 19. Jahrhunderts. Die Romantik hatte stärker das Interesse an der Geschichte des eigenen Volkes geweckt und sich vor allem dem deutschen Mittelalter zugewandt, nachdem im 18. Jahrhundert – ausgelöst durch den Deutschen Johann Joachim Winckelmann – das Interesse an archäologischen Funden, freilich nicht so sehr der Heimat, neu belebt worden war.
Bewegte Zeiten
(2019)
„Vor 15 Jahren war das Bunsen-Gymnasium noch ein mehr geschlossenes Gebilde als heute. Das Wort ,geschlossen‘ trug damals noch einen positiven Akzent. Es bedeutete Einheit der Teile von einer Mitte her, die nicht nur gegeben, sondern auch aufzubauen war. Es bedeutete weiter Zugehörigkeit zu einem in seinem Grund nicht bezweifelten gemeinschaftlichen Unternehmen, ja, es bedeutete auch Loyalität, nicht nur der beamteten Lehrer, sondern auch der meisten Schüler.“ In seinen „Reflexionen“ nach dem freiwilligen Rückzug vom Amt des Schulleiters
beließ es Josef Schwarz (geb. 1914; Schulleiter 1. August 1956 bis 31. Juli 1970) aber nicht bei diesem eher verklärenden Rückblick. Er analysierte auch die Veränderungen des Schullebens seit Mitte der 1960er Jahre: „Schule in Verschiedenheit“, „Schule in Offenheit“, „Schule in Bewegung“ – Entwicklungen, in denen er eine Chance für die Zukunft sah.
Otto Ehrlich (1909–1971) schloss sein Medizinstudium in Heidelberg im Dezember 1936 mit dem Staatsexamen ab. Bald darauf reichte er seine Dissertation ein und bestand die Doktorprüfung, doch der Erhalt des „Diploms“ war zu diesem Zeitpunkt keine Selbstverständlichkeit mehr. Ehrlich musste vielfältige Anstrengungen unternehmen und bürokratische Hürden überwinden, „um das Doktordiplom zu erhalten, da dies für mich für meine Auswanderung von lebenswichtiger Bedeutung ist“. Seine Bemühungen spiegeln sich in umfangreicher Korrespondenz und führten letztlich zum Ziel. Exemplarisch zeigen die von uns bearbeiteten Dokumente die sich verstärkenden Einschränkungen für jüdische Promovierende, die detaillierte bürokratische Regulierung und die verschiedenen Stellen, die mit dem Anliegen zu befassen waren – diese reichten von der Ebene der Universität mit Dekanat und Rektorat über das Badische Ministerium für Kultus und Unterricht in Karlsruhe bis zum Reichserziehungsministerium. Bürokratische Spielräume auf lokaler Ebene scheint es aufgrund
der direkten Kontrolle durch das Reichsministerium im Einzelfall kaum gegeben zu haben. Dennoch stellt sich die Frage nach der Umsetzung der Vorgaben an der Heidelberger Medizinischen Fakultät. Welchen Einfluss hatten die beteiligten Ministerien und die verschiedenen Ebenen der Universitätsverwaltung? Handelten sie streng nach Vorschrift? Versuchten sie, eigene Handlungsimpulse umzusetzen, entweder
um den Betroffenen zu helfen oder um die Aushändigung des Doktordiploms zu verhindern? Wir gehen den genannten Fragen an zwei Beispielen nach. Zunächst stellen wir kurz die Entwicklung der Gesetzeslage dar, um dann die „Fallgeschichten“ von Otto Ehrlich und Lore Hirsch einordnen zu können.
Der nachfolgende Text basiert auf den Ergebnissen eines Seminars, das im Wintersemester 2017/18 im Fach Geschichte an der Pädagogischen Hochschule Heidelberg durchgeführt wurde und das sich inhaltlich mit der Studienzeit von Ludwig Marum, in seinen Studienjahren in Heidelberg Mitglied der jüdischen Studentenverbindung Badenia, beschäftigte. Grundlage waren unveröffentlichte Akten des Universitätsarchivs Heidelberg, Ziel eine öffentliche Präsentation zum Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus, an dem die in der PH gezeigte Ausstellung zum Lebensweg Marums „warum marum“ eröffnet wurde. Ein Besuch im Universitätsarchiv mit einer Einführung in die Bestände und die Archivarbeit sowie die Besichtigung des Studentenkarzers waren Teil des Seminars. Die Transkription der Quellen, ihre quellenkritische Auswertung und die historische Einordnung erfolgten in gemeinsamer Arbeit und in ausführlichen Diskussionen durch die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Seminars. Diese Diskussionen, die Texte der Präsentation vom 29. Januar 2018 und die Überlegungen in den Hausarbeiten, die Studierende zu thematischen Einzelaspekten verfertigten, flossen in die nachfolgende Darstellung ein. Einzelne
Aspekte wurden durch die Seminarleiterin vertieft.
1902 wurden in der Heidelberger Peterskirche auf den östlichen Stirnwänden der beiden Seitenschiffe zwei monumentale Leinwandgemälde von Hans Thoma den neugotischen Spitzbögen eingepasst. Das rechte (südliche) zeigt die Begegnung des auferstandenen Jesus mit Maria Magdalena. Im nördlichen Seitenschiff ist eine Szene aus dem Leben des Kirchenpatrons Petrus dargestellt: Bei nächtlichem Sturm auf dem See Genezareth droht Petrus im Wasser zu versinken, da kommt ihm Jesus auf den Wellen entgegen.
Tatort Heidelberg
(2019)
Auf der Grundlage einer Verordnung der Reichsregierung vom 21. März 1933 wurden reichsweit Sondergerichte gebildet, deren Zuständigkeit sich zunächst auf Delikte erstreckte, die nach zwei Notverordnungen strafbar wurden, mit denen die Nationalsozialisten
zum Zwecke ihrer Machtübernahme den Rechtsstaat aushöhlten: die sogenannte Reichstagsbrandverordnung („zum Schutz von Volk und Staat“) vom 28. Februar und die Verordnung „zur Abwehr heimtückischer Angriffe gegen die Regierung der nationalen Erhebung“ vom 21. März 1933. Letztere kriminalisierte unter anderem Aussagen, die „das Wohl des Reiches oder eines Landes oder der Reichsregierung
oder einer Landesregierung oder der hinter diesen Regierungen stehenden Parteien oder Verbänden“ schwer schädigten. Damit wurde den Justizbehörden quasi eine Generalvollmacht erteilt, dissentierende politische Meinungsäußerungen, auch wenn sie nicht öffentlich vorgebracht wurden, zu unterdrücken. Für die Sondergerichte, deren Zuständigkeiten später noch erheblich ausgedehnt wurden, zum Beispiel auf Vergehen nach der Verordnung „gegen Volksschädlinge“ vom 5. September 1939, wurde die Strafprozessordnung in mehreren Punkten aufgeweicht, um ihre Verfahren zu beschleunigen: Mündliche Verhandlungen über den Haftbefehl fanden ebenso wenig statt wie gerichtliche Voruntersuchungen, die Ladungsfristen konnten auf 24 Stunden herabgesetzt werden, Vernehmungsergebnisse mussten in die Hauptverhandlungsprotokolle nicht aufgenommen werden, und gegen Entscheidungen der Sondergerichte waren Rechtsmittel nicht zulässig.
Es ist den Entrechtungs- und Verfolgungsmaßnahmen des nationalsozialistischen Regimes geschuldet, dass die Leistungen des deutschen jüdischen Neurologen und Psychiaters Alfred Abraham Strauß (geboren am 29. Mai 1897 in Karlsruhe, gestorben am 27. Oktober 1957 in Chicago) in Deutschland weitestgehend unbekannt sind – und das, obwohl er als ein Pionier des Forschungsfelds Lernschwäche und
der daraus erwachsenen Diagnose ADHS angesehen werden kann. Als solcher wird er v.a. in den USA, aber auch in Spanien gewürdigt. Abgesehen von seinen spanischsprachigen Ausarbeitungen, deren Bekanntheit nicht den Raum der iberischen Halbinsel überschreitet, sind Strauß‘ Ausführungen vor seiner Migration in die USA 1937 in der gesamten aktuellen Fachliteratur gänzlich unbekannt. Doch selbst seine
Publikation mit Laura Lehtinen von 1947, die als Höhepunkt seines Wirkens betrachtet werden kann, wird regelmäßig zitiert, nicht aber inhaltlich erfasst. Strauß war zum Zeitpunkt der nationalsozialistischen „Machtergreifung“ Privatdozent für Neurologie und Psychiatrie an der Universität Heidelberg, Leiter der psychiatrisch-neurologischen Poliklinik, Berater des städtischen Jugend- und Wohlfahrtsamtes sowie niedergelassener praktizierender Arzt in Mannheim. Alle diese Stellungen verlor er im Zeitraum von 1933 bis 1935. Eine erste Analyse von Strauß‘ akademischem Wirken an den verschiedenen Stationen seines Lebens ermöglicht eine neue Sicht auf seine Verdienste. Dafür
werden auch bislang unberücksichtigt gebliebene Dokumente herangezogen.
Nur eine blassgraue Eintrittskarte vom 5. November 1948 ist erhalten, dazu ein Zettel mit dem Programm des ersten musica-viva-Studiokonzerts im Rathaussaal, zwei Kompositionen von Paul Hindemith. „Die junge Magd“ für Alt, Flöte, Klarinette und Streichquartett nach Gedichten von Georg Trakl sowie die Kammermusik Nr. 1 op. 24. Den Heidelberger Ohren werden allein schon mit der Instrumentierung bislang unerhörte Klänge präsentiert: ein Bläserquartett und ein Streichquartett kombiniert mit Klavier, dazu Akkordeon, eine Sirene, eine mit Sand gefüllte Blechbüchse sowie andere nicht ganz salonfähige Instrumente. In den zwölf Jahren nationalsozialistischer Rassen- und Kulturpolitik war dergleichen als „entartete Musik“ und undeutsch verpönt und verboten, jetzt in der jungen Demokratie merkt man, wie vieles man auf allen Feldern der Kultur versäumt hat. Man ist begierig nach dem Neuen.
Die Notwendigkeit zur Erweiterung der Heidelberger Innenstadt war schon in den Jahren um 1900 erwogen und diskutiert worden. So sollte u.a. der Standort des Hauptbahnhofs mehr als einen Kilometer nach Westen verlegt und der bestehende Kopfbahnhof (Areal des Menglerbaus, heute Carré) durch einen modernen Durchgangsbahnhof ersetzt werden. Anfangs nur zögerlich betrieben, wurden die Planungen während der nationalsozialistischen Herrschaft forciert und konkretisiert, man dachte an eine Prachtstraße zwischen dem neu konzipierten Bahnhofsgebäude und einem groß angelegten kulturellen Zentrum in der Stadt in direkter Achse zum Schloss, was einer ideologisch überhöhten Legitimation gleich kam.
1250 Jahre Kirchheim
(2019)
Neben Wieblingen reihte sich im Jahr 2017 Kirchheim als zweiter Heidelberger Stadtteil ein unter die vielen Ortschaften der Rhein-Neckar-Region, die in diesen Jahren das 1250. Jubiläum ihrer urkundlichen Ersterwähnung feiern. Diese Häufung geht zurück auf zahlreiche Schenkungen an das im Jahr 764 gegründete Kloster Lorsch. Ausführlich ist dies im Jahrbuch des Heidelberger Geschichtsvereins 2018 im Zusammenhang mit dem Wieblinger Jubiläum beschrieben. Im Falle von Kirchheim sind als Schenkende urkundlich die Eheleute Rupertus und Pietrad von Oftersheim genannt. Zudem verwendet die Schenkungsurkunde den Begriff der „Kirchheimer Mark“ im Sinne eines mehrere Ortschaften umfassenden Verwaltungs- oder Herrschaftsbezirkes. Die hier zu Tage tretende herausgehobene Bedeutung Kirchheims dürfte auch zur Entstehung des Gerichtsbezirkes der „Kirchheimer Zent“ geführt haben, der bis zum Ende der Kurpfalz 1803 bestand. Dass Kirchheim sehr früh Kirchort gewesen sein dürfte, ergibt sich aus dem Ortsnamen. Ein erster Kirchenbau am Standort der heutigen evangelischen Petruskirche wird für die Zeit um 600 vermutet.
Digitalisierung, Erschließung und Onlinestellung der Urkunden des Universitätsarchivs Heidelberg
(2019)
Das Universitätsarchiv Heidelberg verwahrt 1.760 Urkunden aus den Jahren 1234 bis 1816, die in einem direkten Bezug zur Geschichte der Universität Heidelberg stehen. Sie wurden in einem von der Stiftung Kulturgut Baden-Württemberg geförderten Projekt von November 2016 bis Dezember 2018 bestandserhalterisch geprüft, erschließungstechnisch ergänzt, digitalisiert und letztlich im ersten Quartal 2019 ins Internet gestellt.
Einer Reihe von Zufällen verdankt es sich, dass am 22. Juli 2019 im Heidelberger Universitätsarchiv eine Tagung zu Emil Julius Gumbel stattfinden konnte. Denn lange Zeit galt das Verdikt des Neuhistorikers Christian Jansen aus dem Jahr 1981, Gumbel habe „seinerzeit […]
im ganzen Reich Aufsehen“ erregt und „heute ist er unverständlicherweise so gut wie vergessen.“ Zehn Jahre später konstatiert der damalige Rektor Peter Ulmer anlässlich einer akademischen Gedenkfeier zu Gumbels 100. Geburtstag, es sei „bis heute nicht […] zur Würdigung seiner Person durch die Universität gekommen“. Umso erstaunlicher ist das Wiederaufleben der Erinnerung an den bis zu seiner Vertreibung 1932 in Heidelberg lehrenden Statistiker und Pazifisten, obwohl aktuell kein Geburts- oder Todestag Anlass dazu gibt. Der Filmemacher David Ruf hatte übrigens unabhängig davon einen Dokumentarfilm über Gumbel zwischen 2017 und 2019 gedreht, während die Initiative für die Tagung selbst von Sabrina Zinke kam, der stellvertretenden Leiterin des Universitätsarchivs, die nach einem Drehtag im Universitätsarchiv David Ruf überzeugen konnte, seinen Film im Anschluss an die Gumbel-Tagung im Karlstorkino in Heidelberg zu zeigen. Über Rufs Verbindungen zu einem Münchner Ausstellungsteam kam dann zusätzlich eine Ausstellung über Gumbel ins Universitätsmuseum, die vom 16. Juli bis zum 19. Oktober gezeigt wurde. Doch – wer war Emil Julius Gumbel und warum Heidelberg?
In der Zeit vom 15. Mai bis 15. Oktober 1919 zeigten die Städtischen Sammlungen in Heidelberg die Ausstellung „Heidelberger Maler der Romantik“. Sie war die erste umfassende museale Präsentation zu diesem Thema. Was verstehen wir unter Heidelberger Malerei der Romantik? Für die erste Hälfte des 19. Jahrhunderts und teilweise darüber hinaus häufen sich die Namen von Künstlern, die, oft nur wenige Jahre, in Heidelberg lebten oder zumindest Heidelberger Motive malten. Was diese Maler ästhetisch verbindet, sind verwandte Kunstauffassungen (zum Teil im Sinne des Biedermeiers); eine Schule im engeren Sinn hat sich jedoch nicht ausgebildet. Biografisch waren die Vernetzungen unter den Künstlern so lose, dass man von einer „Künstlerkolonie“ sprechen könnte. Damals gab es am Ort kaum Möglichkeiten, zum Künstler ausgebildet zu werden, vor allem keine Kunstakademie; gebürtige Heidelberger gingen an die Akademien in Karlsruhe oder München, seltener nach Düsseldorf. Bevorzugte Sujets waren Heidelberger Stadt- und vor allem Schlossansichten, Landschaften und Porträts. Die Landschaftsmalerei Heidelberger Künstler erreichte ihren Höhepunkt mit dem Übergang von der idealen zur stimmungsvoll-realistischen Wiedergabe. Eine solche Malerei bediente den Geschmack des gehobenen Bürgertums, war aber auch am Hofe salonfähig. So ist es nicht erstaunlich, wenn etwa mit Ernst Fries ein Heidelberger Romantiker Hofmaler in Karlsruhe geworden ist. Das Kunstmäzenatentum des landgräflichen Hofes in Darmstadt hat für einzelne Künstler die fehlende Residenz am Neckar ersetzt.
Es ist erstaunlich, wie viele Ortschaften heute ein eigenes örtliches Museum besitzen. Dabei fällt auf, dass in politisch selbständigen Gemeinden deutlich häufiger ein Museum vorhanden ist (z.B. Dossenheim, Oftersheim, Neckarhausen) als in eingemeindeten Orten, die zu Stadtteilen geworden sind, obwohl auch diese die weitaus längste Zeit ihres Bestehens politisch eigenständig waren. So hatten in Heidelberg lange Zeit nur das 1927 eingemeindete Rohrbach (seit 1971, am jetzigen Standort seit 1996) und das 1920 eingemeindete Kirchheim (seit 1982) örtliche Museen (jeweils „Heimatmuseum“ genannt), seit 2000 auch Neuenheim (eingemeindet 1891) seine „Geschichtsräume“. Das 1903 eingemeindete und immer noch sehr selbstbewusste Handschuhsheim, das seine Eigenart im örtlichen Brauchtum und sogar in einem regelmäßigen Jahrbuch zum Ausdruck bringt, besitzt zwar das umfangreiche „Tiefburgarchiv“, aber kein Ortsmuseum. Das bis 1975 selbständige Ziegelhausen hat zwar ein „Heimatmuseum“, doch die Überlegungen zu einem ortstypischen „Wäschereimuseum“ haben bisher noch nicht zum Erfolg geführt. Und im 1920 eingemeindeten Wieblingen war bis vor fünf Jahren von einem Museum nicht einmal die Rede.
Am 12. April 2018 ist der Mittel- und Neulateiner Prof. Dr. Reinhard Düchting infolge eines tragischen Fahrradunfalls gestorben. In seinen letzten Lebensjahren war er der Spiritus Rector des Heidelberger Donnerstags-Clubs. Dieser Zusammenschluss von Buch-Menschen,
die sich jeweils am ersten Donnerstag eines Monats treffen, wurde 1977 durch den Bibliografen Heinz Sarkowski (1925–2006), zuletzt Hersteller beim Springer-Wissenschaftsverlag, ins Leben gerufen.
"Traum Finsterlins"
(2019)
Am 21. Mai 2018 haben wir seinen 80. Geburtstag im zwölften Stock der von ihm selbst im Jahr 2000 neben dem Hauptbahnhof erbauten Print Media Academy mit weitem Gipfelblick über Heidelberg, dem Schloss gegenüber, gefeiert. Knapp drei Wochen später sind wir anlässlich seines Todes wieder zusammen gekommen, wieder in unmittelbarer Nähe einiger Bauten, die er entworfen hat: Da ist das ehemalige Penta- (heute Marriott-)Hotel, das IBM-Forschungszentrum und der Wohnblock an der Yorkstraße mit den für Molli Stichs so typischen Erkern. Hier im alten Kohlenhafen, zwischen Hotelkette und IBM-Zentrum, wollte er um 2005 auf einem Roland Ernst gehörenden Grundstück das neue Konferenz-Zentrum in Ei-Form auf Stelzen über dem Neckar errichten, den Fluss als Transportband in die Altstadt nutzend – ein ebenso brillanter wie kostengünstiger Plan, der aber von der Stadtverwaltung nicht aufgegriffen wurde.
Das Gasthaus „Zum Roten Ochsen“ in der Hauptstraße 217 ist in diesem Jahr seit über 180 Jahren im Besitz der Familie Spengel und wird somit von ihr mittlerweile in der sechsten Generation betrieben. Seit dem späten 19. Jahrhundert zählt das traditionelle Studentenlokal zu den prominenten Lokalitäten der Heidelberger Altstadt. Hier verkehrten zumeist Korporationsstudenten, wie die Mitglieder der „Frankonia“ (gegründet 1856), der „Rupertia“ (1873), der „Hasso-Rhenania“ (1818/1820), der „Hamburger Gesellschaft“ (1868) und der „Freien Schweizer Vereinigung“ (1874).
Am 22. August 2018 jährt sich zum 200. Mal der Tag, an dem Großherzog Carl in Bad Griesbach kurz vor seinem Tod die freiheitlichste Verfassung seiner Zeit unterschrieb und erst damit der Staat Baden wirklich und unanfechtbar gegründet wurde. Dass dieses Ereignis vom Land Baden-Württemberg und der Stadt Karlsruhe gebührend gefeiert werden würde, davon
gingen sowohl die Regionalgruppe der »Badische Heimat« als auch deren bewährter »Kooperationspartner«, die »Landesvereinigung Baden in Europa« aus. Als wir uns aber Anfang Dezember 2017 beim Land und bei der Stadt nach dem Stand der Planungen erkundigten, erfuhren wir, dass dieses Ereignis nicht im Bewusstsein der ehemaligen Residenzstadt und
schon gar nicht des Landes Baden-Württemberg war, denn es waren weder ein Festakt noch sonstige Aktivitäten geplant. Und das, obwohl durch »900 Jahre Baden«, den Stadtgeburtstag und die Heimattage genug Aufmerksamkeit auf Karlsruhe und die badische Geschichte gezogen worden sein sollte.
Im Jahr 1847 wurde das Niedere Tor abgebrochen und das „Bezirksstrafgericht” mit angeschlossenem Gefängnis als das erste größere Bauvorhaben, seit die Stadt 1806 an Baden gefallen war, begonnen. Am 15. Dezember 1846 wurde ein Vertrag zwischen dem badischen Justizministerium und der Stadt Villingen über die Bauplatzabtretung nach Abriss des Niederen Tores geschlossen. Am 25. Juli 1847 fand die feierliche Grundsteinlegung statt. Die Arbeiten gerieten dann ins Stocken. Erst 1857 wurde das neue Gebäude vom Amtsgericht bezogen, nachdem der große Saal zwischenzeitlich von der evangelischen Kirchengemeinde alle 14 Tage zu Gottesdienstzwecken genutzt worden war. Am 1. Oktober wurde wiederum mit einer großen Feier der Einzug des Kreisgerichts begrüßt. Was jedoch fehlte war die Uhr des ehemaligen Torturmes, die für die Bewohner der Gegend die Zeit anzeigte.
Vor nunmehr 100 Jahren, am 11. November 1918, unterzeichnete Staatssekretär Matthias Erzberger im französischen Compiègne für das Deutsche Reich das Waffenstillstandsabkommen, das die Kampfhandlungen des Ersten Weltkrieges beendete. In jenen ereignisreichen Novembertagen wurde nicht nur das Deutsche Kaiserreich, sondern auch das Königreich Württemberg zu Grabe getragen, abgelöst von der am 9. November in Berlin durch den Sozialdemokraten Philipp Scheidemann verkündeten Deutschen Republik. Auch für die württembergischen Truppenteile, die teilweise auf eine jahrhundertlange Tradition zurückblicken konnten, war durch den Zwang der politischen und militärischen Verhältnisse das Ende gekommen. Gewissermaßen Schlusspunkt ihrer Geschichte war ein Krieg unvorstellbaren Ausmaßes, wie man ihn
bislang noch nicht gekannt hatte, der für alle Beteiligten eine furchtbare Katastrophe war, unzählige Opfer forderte und die Machtverhältnisse in Europa grundlegend veränderte. Bezogen auf die Einwohnerzahl hatte im Ersten Weltkrieg kein anderer deutscher Bundesstaat so viele Kriegstote zu beklagen wie Württemberg. Zuletzt standen von 2,5 Millionen Einwohnern rund 520 000 Mann unter Waffen. Über 80 000 württembergische Soldaten fielen oder wurden vermisst. Groß war auch die Zahl der Kriegsheimkehrer, die zeitlebens an Leib und Seele versehrt waren, und die der Hinterbliebenen, die der Krieg oftmals in tiefes Elend gestürzt hatte, da ihr Ernährer umgekommen war. Knapp 2000 Namen von Gefallenen und
Vermissten nennen die nach dem Ersten Weltkrieg für die Truppenteile der Ludwigsburger Garnison errichteten Kriegerdenkmäler (ohne Stadtteile).
Stadt werden
(2018)
Ludwigsburg ist eine typisch europäische Stadt. Nach Walter Siebel (Die europäische Stadt, Frankfurt 2014) zeichnen sich europäische Städte durch fünf Merkmale aus, anhand derer ich meinen Vortrag gliedere. Erstens: Präsenz einer vormodernen Geschichte im Alltag der Stadtbewohner/innen. Hier ist die bürgerliche Gesellschaft entstanden und viele Bauten, die häufig unter Denkmalschutz stehen, belegen diese Geschichte. Die Bewohnerinnen und Bewohner der Stadt Ludwigsburg können bezeugen, dass die Stadt mit ihrer ganz besonderen Gestalt, der Residenz, den Anlagen und der Garnisonsgeschichte ihnen ein Gefühl der Identität, der Orientierung, des Wohlbefindens und der Anerkennung gibt. Historische Gebäude vermitteln in ihrer Dauerhaftigkeit und Schönheit das Gefühl, an einem einzigartigen Ort zu leben.
Durch die Initiative eines privaten Unternehmers wird das Schloss Freudental seit einigen Jahren als Veranstaltungsort für private und betriebliche Feiern genutzt. Man kann die Räume mieten oder im historischen Schlosspark feiern. Damit knüpft der Eigentümer und Betreiber bewusst an die Tradition des 18. und frühen 19. Jahrhunderts an, als Schloss Freudental ein Land- und Jagdschloss der württembergischen Herzöge war. Unter König Friedrich erlebte das Schloss seine letzte Blütezeit als herrschaftliche Residenz. Der Nachfolger König Wilhelm I. gab es auf, weil er seine Hofhaltung einschränkte und andere
Schlösser bevorzugte. Danach erlebte die Anlage eine wechselvolle Geschichte als Wohnhaus der Pensionärinnen des Katharinenstifts Stuttgart, Erholungsheim der Allgemeinen Ortskrankenkasse Stuttgart und schließlich als Altenheim des Landkreises Ludwigsburg. Im Lauf dieser verschiedenen Phasen wurde das Schloss innen stark verändert und umgebaut.
Als das Seniorenheim nicht mehr den Anforderungen der modernen Altenpflege entsprach und aufgegeben werden musste, wusste man längere Zeit nicht, wie man die Immobilie nutzen sollte. Mit der gastronomischen Nutzung ist das Schloss Freudental wieder ein Ort der Feste und Feiern geworden. Wo einst Mitglieder der württembergischen Regentenfamilie residierten, kann man heute die Räume und den Garten für Veranstaltungen mieten.
Jedes Mal, wenn ich in Donaueschingen in den Museumsweg einbiege, fühle ich mich umfangen von Naturschönheit und Ruhe. Das Wasser der Brigach, die alte Baumallee und die schützenden Mauern führen einen, wie Begleiter, bis zum Museum Art.Plus. Schließlich öffnet sich die Allee und gibt den Blick frei auf das schöne klassizistische Gebäude. Über dem Eingang steht in großen Lettern: MUSEUM
Am 25. August 1911 wurde in einem Ratsprotokoll zur Beschäftigungssituation in der Gemeinde Sulzfeld festgestellt, das die Steinindustrie darniederliegt. Zwei Betriebe, in denen ca. 100 Männer beschäftigt waren, mussten die Arbeit einstellen.
Seit dem Jahr 1912 bemühte sich deshalb Bürgermeister Heinle, Fabrikanten für eine Industrieansiedlung am Ort zu gewinnen, allerdings ohne den gewünschten Erfolg. So beschloss der Gemeinderat am 12. Mai 1913 mit Inseraten in der badischen
Presse für den Industriestandort Sulzfeld zu werbe.
Burg Guttenberg und Burg Hornberg: zwei Nachbarburgen des Neckartals mit literarischer Bedeutung
(2018)
Eine Vielzahl an Burgen und Rittergestalten haben Kraichgau und Neckartal mehrfach zu Schauplätzen der deutschen Literatur werden lassen. Der vorliegende Beitrag behandelt zwei literarisch bedeutsame Nachbarorte: (1) Die Burg Hornberg als Alterssitz Götz von Berlichingens und (2) die Burg Guttenberg, auf der Wilhelm Hauffs Novelle „Das Bild des Kaisers" spielt.
Doppelt genäht hält besser
(2018)
Er hätte sicher ebenso fruchtbar für seine Geburtsregion Bauland wirken können oder wohin immer ihn sein Lebensweg geführt hätte, doch da seine Ehefrau aus Eppingen stammte und er dort eine Anstellung an der später nicht zuletzt auf seine Anregung hin Hartmanni-Gymnasium genannten "Vollanstalt" erhielt, profitierten eben Eppingen und der Kraichgau von Bernd Röckers Schaffensdrang.
Als offizielles Landesfest Baden-Württembergs finden die Heimattage jährlich seit 1978 in einer anderen Region des Bundeslandes statt, die sich den Bürger/-innen mit all ihren Facetten präsentieren. Vor allem sollen sie dazu anregen, sich mit dem Heimat-Begriff intensiv zu beschäftigen. Die Heimattage 2018 in Waldkirch stehen unter dem Motto »Stadt, Land – alles im Fluss« – hier hinter verbirgt sich ein abwechslungsreiches Programm mit mehr als 250 Veranstaltungen.
Mitten im Ersten Weltkrieg, im Jahr 1916, pflanzte ein junger Zwangsarbeiter aus der Ukraine bei einem Bauernhof in Nordrach ein kleines Bäumchen. Daraus ist eine stattliche Fichte geworden, deren Entstehungsgeschichte zum 100-jährigen
Ende des Ersten Weltkrieges im Jahr 2018 einer Erinnerung würdig ist. Den im Laufe der Jahrzehnte etwas windschief gewordenen markanten Baum oberhalb des Ortszentrums der Schwarzwaldgemeinde Nordrach haben wohl die meisten Einwohner schon mal unbewusst gesehen, wenn sie etwa beim Gräberbesuch oder bei Beerdigungen auf dem Friedhof nach oben auf die Felder blicken. Auch Besuchern der traditionellen Kilwi immer am letzten Augustwochenende könnte der Baum beim Bummel zwischen den Marktständen rund um die neugotische Pfarrkirche St. Ulrich schon mal aufgefallen sein. Die große Fichte erhebt sich auf einer kleinen Anhöhe neben dem Hermerhansenhof im Dorf. Wind und Wetter haben sie in den
100 Jahren, in denen sie dort steht, etwas zerzaust, die Spitze oben ist von Stürmen gekappt.
Schülerkarten aus Triberg
(2018)
Den in ganz Deutschland weit verbreiteten Brauch, zum bestandenen Einjährigen und zum Abitur selbst verfertigte Postkarten an Verwandte und Freunde zu versenden, praktizierten auch die Triberger Einjährigen der damaligen Realschule, des heutigen Schwarzwald-Gymnasiums.
Bisher sind von dieser Triberger Realschule vier Einjährigenkarten aus den Jahren 1912, 1913, 1916 und 1917 bekannt geworden. Sie sollen im Folgenden kurz mit motivgleichen Schülerkarten aus der Umgebung vorgestellt werden in der Hoffnung, dass es vielleicht doch noch gelingt, weitere Karten aus dieser Schule – sofern sie angefertigt wurden – ausfindig zu machen.
Bereits am 13. März 1958, knappe fünf Jahre bevor am 22. Januar 1963 der Élysée-Vertrag, auch bekannt als deutsch-französischer Freundschaftsvertrag, geschlossen wurde, entschieden sich die Bürgermeister und Ratsmitglieder zweier Städte – links und rechts des Rheins – der Städte Gengenbach sowie Obernai dazu, einen Bund der Freundschaft zu schließen, der bis heute andauern und halten sollte. Es handelt sich bei diesem transnationalen Bündnis um die älteste Städtepartnerschaft zwischen einer badischen und einer elsässischen Stadt. In dem vorliegenden Aufsatz werden die Anfänge der Städtepartnerschaft, die tragenden Grundpfeiler sowie der Stand der Partnerschaft in der Gegenwart nachgezeichnet.
Im Archiv der früheren freien Reichsstadt Lindau am Bodensee findet sich eine sehr umfängliche handschriftlich abgefasste Chronik sämtlicher aus Lindau stammenden bzw. dort wirkenden Theologen, verfasst von dem dort von 1720 bis 1749 wirkenden evangelisch-lutherischen Pfarrer Magister Bonaventura Riesch (1696–1749): Lindauische Prediger: und Schul:Historie, von der heilsamen Reformation an bis auf gegenwärtige Zeiten, aus glaubwürdigen Urkunden zusammen getragen, und nebst Vier besonderen Anhängen den Liebhabern der vatterländischen Geschichten mitgetheilet von M. Bonaventura Riesch, Evangelischen Prediger hieselbst, A. C. 1739. Riesch war selbst aus Lindau gebürtig. Schon von daher ist sein Interesse am Thema der aus der Reichsstadt stammenden und der hier wirkenden Geistlichen zu verstehen.
Am 10.12.1696 in Lindau geboren, durchlief er die Schulen seiner Vaterstadt und immatrikulierte sich am 13.4.1713 in Jena, wo er Theologie, Philosophie und orientalische Sprachen studierte und am 13.12.1714 die Magisterprüfung in Philosophie ablegte. 1717 war er wieder in Lindau zurück und war kurzzeitig Hauslehrer in Lyon, am 24.11.1718 immatrikulierte er sich in Straßburg. 1719 wurde er Hauslehrer in Durlach und übernahm das Amt eines Hofpredigers und Beichtvaters der Markgräfin Auguste Maria von Baden-Durlach in Augustenburg. 1720 kehrte er als Rektor und Pfarrer nach Lindau zurück, 1724 übernahm er zusätzlich das Amt des Bibliothekars an der Reichsstädtischen Bibliothek und des Hospitalpfarrers. Wie damals üblich, stieg er 1728 zum dritten, 1738 zum zweiten und 1740 zum ersten Stadtpfarrer auf. Im gleichen Jahr wurde er Senior des Predigerministeriums und Visitator der Lateinschule. Gleichzeitig war er im Ehegericht und im Amt des Büchercensors tätig. Er wurde bekannt als Unterstützer der Salzburger Emigranten und als Vertreter der Franckeschen
Mission. Am 18.3.1749 verstarb er in Lindau. Er war auch sonst als Autor tätig.
Aufbruch in eine neue Zeit
(2018)
2017 feierten die evangelischen Kirchen am 31. Oktober den Tag, an dem nach der Überlieferung vor 500 Jahren der Mönch und Doktor der Theologie Martin Luther an der Schlosskirche zu Wittenberg 95 Thesen angeschlagen hat, über das Thema
„Buße". Dieser Tag gilt als die Geburtsstunde der Kirchen der Reformation. Die 500ste Wiederkehr dieses Tages ist über den Raum der Kirche hinaus von so großer Bedeutung, dass er im Jubiläumsjahr ein staatlicher Feiertag war, und dass die Vorbereitungen für dieses Jubiläum schon vor einigen Jahren begonnen hatten.
Der in Mauer lebende Autor arbeitet seit einigen Jahren daran, die über seinen Wohnort vorhandenen Dokumente in lateinische Schrift zu übertragen, um sie den Mitbürgern und anderen Interessenten zugänglich zu machen. Eine große Quelle beherbergt das Generallandesarchiv Karlsruhe (GLA KA). Für Mauer sind die verfilmten Dokumente in der Abteilung 22_9, Nummern 64414 bis 65534 wichtig. In den Dokumenten lässt sich im Hintergrund vieles über das Leben in Mauer in den vergangenen Jahrhunderten erfahren. In der hier beschriebenen Akte, die weit über 200 Seiten hat, geht es vordergründig um eine Geldstrafe gegen den von Zyllnhardtischen Verwalter. Eigentlich handelt es sich aber um eine Auseinandersetzung zwischen Ortsadel und dem Kurfürstlichen Unteramt Dilsberg über die Rechte in Zivilsachen.
Anlässlich der 64. Jahrestagung 2017 der Kommission für geschichtliche Landeskunde
in Baden-Württemberg in Reutlingen befasste sich eine Arbeitsgruppe
mit der Verbindung von Geschlechter- und Landesgeschichte. Die Anwendung
der Kategorie Geschlecht erfordert zunächst zu klären, worin ihre Erklärungskraft
im Allgemeinen und in der Landesgeschichte im Besonderen besteht. Es
ist der Verdienst der Frauengeschichte, die sich in den 1970er Jahren in den USA
und Europa entfaltete, den zuvor überwiegend männlich besetzten Geschichtsraum
mit Frauen angereichert sowie weibliche Handlungsspielräume und
Sichtweisen überhaupt erst sichtbar gemacht zu haben. Natürlich wurde auch
schon zuvor über einzelne Frauen, vorzugsweise Angehörige der Dynastien, geforscht
und geschrieben. Doch in der Regel waren es männliche Autoren, deren
Frauenbild die Darstellung ihrer Protagonistinnen sichtlich einfärbte. Erkennbar
wurde erst mit der Frauengeschichte, dass das, was man dachte und wie man
handelte, in der Regel nicht alle, sondern eben zumeist auch nur Mann betraf.
Den Theologen, Schuldekan, Vorsitzenden des Heimatvereins Neckarbischofsheim, Denkmalpfleger, Historiker, Ehrenbürger,
Träger des Bundesverdienstkreuzes kann auch der Heimatverein Kraichgau seit unendlichen Jahren zu seinen Mitgliedern zählen. Zu den aktiven Mitgliedern. Denn seine Hingabe an den Beruf findet ein wunderbares Pendant in der Aufmerksamkeit für seine Umgebung. Anlässlich der Verleihung des Bundesverdienstkreuzes 2014 hatte die Bürgermeisterin seine „nebenberuflichen Engagements" umrissen: 40 Jahre Vorsitzender des Heimatvereins, Einsatz für die Aufarbeitung der Totenkirche, der vielen Epitaphien, für das Alte Schloss, den Gedenkplatz für die Synagoge, als Autor, für die Pflege der Partnerschaften mit La Chapelle St. Luc und Pereslavl-Salesskij, die Sanierung der Helmstatt'schen Grabkapelle. Eigentlich ist Peter Beisel seit 1996 im Ruhestand. Doch immer noch steht er fast jeden Sonntag als vertrauter Vertreter auf den Kanzeln der Umgebung. Als Organistin hat ihn seine Frau viele Jahre begleitet. So hatten Vertretungsgottesdienste für die Besucher immer eine besondere Ausprägung. Eingängig die Beschreibung von Christiane Barth. ,,Mit 85 ist er die Ruhe, von der er predigt". So sind auch seine Führungen durch Neckarbischofsheim begehrt.
Ernst Leube
(2018)
Betritt man Ludwigsburgs »Alten Friedhof« vom Eingang an der Schorndorfer Straße aus, stößt man 20 Schritte hinter der alten neogotischen Friedhofskapelle – heute Mahnmal für die Toten des Zweiten Weltkriegs – auf eine Familiengruft. Drei Grabsteine stehen in Nord-Süd-Ausrichtung nebeneinander, deren Zusammengehörigkeit durch eine gemeinsame, mit Efeu überwucherte Umfriedung erkennbar ist. Im »Verzeichnis der Begräbnis-Plätze für Erwachsene auf dem Friedhof in Ludwigsburg vom 19.11.1870 an« ist die Lage der Gruft mit »Feld A, Reihe III« bezeichnet. Links auf der Gruft sieht man die von einem antikisierenden Henkelpokal gekrönte Grabstele von Luise Leube, welche die Inschrift »Luise Leube/geb. Dieterich/Witwe des/Oberst Max von Leube/*6. Oct. 1816/† 3. März 1905/in Ulm« trägt. Rechts auf der Gruft steht ein schlichtes, hohes Kreuz auf einem quaderförmigen Unterbau. Auf einer hellen Platte am Sockel liest man: »Marie Leube/geb. den 28. September 1840/gestorben den 12. Juli 1861«. Neben dem Grab Marie Leubes sieht man eine kleine, etwa 50 cm hohe, auf dem Boden liegende, mit Moos überwucherte Steinplatte. Kratzt man das Moos behutsam ab, liest man auf dem Stein den Namen »Adolph« ohne weitere Angaben zum Geburts- oder Todestag.
Der Titel dieses Aufsatzes fordert zum Widerspruch auf.1 Man denkt sogleich an Joseph Victor von Scheffel, den Donaueschinger Hofbibliothekar der Jahre 1857 bis 1859, der mit seinen Gedichten „Biedermanns Abendgemütlichkeit“
und „Bummelmeiers Klage“ zum Geburtshelfer des Begriffs Biedermeier wurde. Je länger er in Donaueschingen lebte, umso spöttischer wurden die Töne, die er für die Stadt und ihre Bürger übrig hatte. Er fühlte sich von den Beamten der
fürstlichen Verwaltung eingeengt, bei der ungewohnten Arbeit als Bibliothekar mit Regeln und Kontrollen malträtiert. Im Ort selbst, so urteilte er, nähme die Kleinstädterei „kolossale Dimensionen“ an. Damit meinte er die unsäglich vielen gesellschaftlichen Verpflichtungen, Höflichkeitsbesuche, ständiges Händeschütteln und Grüßen, aber auch Klatsch und Tratsch.
Dr. Günther Wüst
(2018)
Alte Sprachen also. Der Schuldienst in Mannheim (1963-1979) schloß gelegentlich fachfremden Unterricht in Biologie,
Erdkunde, Geschichte, Religion, Musik und Sport bis zur Oberstufe nicht aus – ein breites Spektrum, das sich in späteren ehrenamtlichen Engagements des Geehrten wiederfindet. Die Bestallung (1979) zum Regierungsschuldirektor am Oberschulamt Karlsruhe als Referent für alte Sprachen endete 1984 mit der Berufung zum Direktor des neugegründeten Gymnasiums Neckargemünd und ergab 1992 die Initiative - ein markantes Stichwort in dieser vita – zur Gründung des Gymnasiums Bammental. Einbindung ins Gemeindeleben blieb nicht aus. Schon 1969, fast gleichzeitig
mit dem Dirigat des kath. Kirchenchors Wiesenbach übernahm Günther Wüst die Berichterstattung über Ereignisse in
Bammental für die Rhein-Neckar-Zeitung, 1969 den Vorsitz des kath. Kirchengemeinderates Wiesenbach. Der Aufbau der Heimatmuseen in Bammental und Wiesenbach 1983/86 forderte seine Mitarbeit. Aus dem engen Kontakt mit Kommunen und Vereinen entwickelte sich intensives
Interesse an der Orts- und Regionalgeschichte. Das Resultat: Eine große Zahl an Broschüren, Aufsätzen in Schriftenreihen und viele Bücher.
Wie alle großen Kraichgauer Adelsfamilien bildeten sich auch bei den Helmstatt Linien heraus: Haupt- und Seitenlinien, kurzlebige und mit männlichen Erbenreich gesegnete, in Helmstadt, in Neckarbischofsheim, in Grambach u.a. – und damit sind die Linien in Lothringen noch gar nicht genannt. Auch die alte Neckarbischofsheimer Linie wurde schließlich im 18. Jahrhundert von Verwandten aus Oberöwisheim beerbt. Trotzdem bildete das „Steinhaus" in Neckarbischofsheim mindestens seit dem 15. Jahrhundert den Bezugspunkt für alle Linien, denn hier schloss man für die Ganerbenburg die Burgfrieden und hier lag das gemeinsame Archiv. Die gemein brieff, die wichtigen Urkunden, sollten nach der Stammeseinung von 1458 hier im Gewölbe verwahrt werden. Spätestens seit 1752 gab es hier auch einen gemeinschaftlichen Archivar, der z.B. die Lothringer Linie des Hauses – die immer erbberechtigt blieb - bei Bedarf mit Urkundenabschriften versorgte. So brachte die Lothringer Familie auch ihr Archiv in den Kraichgau mit, als sie vor der Revolution in Frankreich floh. An dieser Stelle setzte nun eine Art Parallelgeschichte für das Helmstatt-Archiv ein, eine Kette des Missgeschicks, die eine doch an sich ruhige Archivgeschichte bis
ins 20. Jahrhundert begleiten sollte. Die Lothringer Familie verlor wohl auf der Flucht eine oder mehrere Kisten mit Schriftgut.
Im Jahr 2017 feierte die Evangelische Kirchengemeinde die 500. Wiederkehr des Jahres, in dem Martin Luther durch seinen Protest gegen Missstände in der Kirche den Lauf der Geschichte beeinflusste. Gedenkfeiern sind immer mit einem bestimmten Jahr, einem Namen und einem Ereignis verbunden. Das Jahr 1517 war die Initialzündung für einen Prozess, der bis in die heutige Zeit reicht. Von ebenso großer Bedeutung wie das Ereignis selbst, ist die Person, deren Name mit dem Ereignis verbunden ist. Um dieser Person zu gedenken, ist in der Regel das Geburtsjahr Anlass für eine Rückbesinnung. Auch künftige Ereignisse, die zwangsläufig auf das Jahr 1517 folgen mussten, können von so großer Bedeutung sein, dass sie es wert sind, ihrer zu gedenken.
Er war ein Ur-Epfenbacher und wollte auch nie woanders sein. Bestimmt war er niemals mehr als drei Tage abwesend von seinem Dorf. Und geachtet war er nicht nur im Verein, sondern in der ganzen Dorfgemeinschaft. Seine hervorstechenden Eigenschaften: still, unauffällig, ausgleichend, nie im Vordergrund stehend, immer zupackend, fleißig. Wenn er Kritik übte, tat er dies ohne verletzend zu sein.
Helmut Ambiel war seit 1968 Mitglied des damaligen Arbeitskreises für Heimatpflege. Und als dieser im Oktober 1975 in den Verein für Heimatpflege überging, war Helmut Ambiel als Gründungsmitglied mit dabei und seitdem – also über 41 Jahre – im Vorstand tätig. Bei der Hauptversammlung 1998 wurde er zum Ehrenmitglied des Vereins ernannt.
Die Große Kreisstadt Bühl, am Oberrhein etwa in der Mitte zwischen Offenburg und Rastatt
gelegen, hat ca. 30 000 Einwohner und verfügt als typisches Mittelzentrum über ein Einzugsgebiet
von 80 000 bis 100 000 Menschen aus der unmittelbaren Region. Als starker Wirtschaftsstandort
bietet Bühl 24 000 Arbeitsplätze. Darüber hinaus machen die vielfältigen Kultureinrichtungen
mit ihren kulturellen Angeboten die Zwetschgenstadt auch zu einem kulturellen
Mittelzentrum in Mittelbaden.
In den Annalen der Offenburger Stadtgeschichte taucht der Name Albert Hiß mehrfach auf. Er umspannt mit seinem Lebenslauf 80 Jahre ereignisreicher deutscher Zeitgeschichte und den Wechsel von vier politischen Systemen: das wilhelminische Kaiserreich mit dem abschließenden Ersten Weltkrieg, die erste deutsche Republik (Weimarer Republik), das „Dritte Reich“ mit dem abschließenden Zweiten Weltkrieg und die zweite deutsche Republik der Bundesrepublik Deutschland. Im Ersten Weltkrieg war Albert Hiß von 1914 bis 1918 der Kompaniechef im Regiment von Brandel Geck, dem ältesten Sohn des bekannten Offenburger Abgeordneten und Verlegers Adolf Geck. Während der Anfangsjahre der Weimarer Republik schrieb er dazu den 1924 erschienenen entsprechenden Regimentsbericht. In der NS-Zeit wurde Hiß Direktor des Offenburger Gymnasiums (1936–1945) mit verschiedenen Funktionen in der Offenburger NSDAP und einer Abordnung an eine Straßburger Oberschule ab 1941. In diese Zeit fällt auch seine halb unfreiwillige Aktivität zur Rettung der ehemaligen Offenburger Klosterbibliotheken. Seinen Spuren in der Offenburger Stadtgeschichte soll hier im Einzelnen nachgegangen werden. Als quellenmäßige und damit auch biografische Schwerpunkte seines Wirkens werden sich dabei sein militärischer Einsatz im Ersten Weltkrieg in Flandern und seine Zeit als Offenburger Schulleiter in der NS-Zeit erweisen.
Normen für Kessel und Köche
(2018)
Das Heidelberger Schloss dürfte zu den mit am besten erforschten Residenzen
des Alten Reichs gehören. Historiker haben sich ihm ebenso gewidmet wie Vertreter
der Kunstgeschichte und Bauforschung. Arbeiten zum Hauptsitz der pfälzischen
Kurfürsten im späten Mittelalter und in der Frühen Neuzeit sind in großer
Zahl vorhanden. Entsprechend gut ist die bauliche Hülle erschlossen. Wesentlich
schwieriger ist es allerdings, dem Alltag der Menschen näherzukommen, die im
Mittelalter am Heidelberger Hof lebten.
Zur Unterstützung Armer, Kranker und vieler Schutzbedürftiger gründeten im März 1909 Ida Freifrau von Neveu u. a. zusammen mit der Bäckersfrau Rosa Bodenheimer den Frauenverein Durbach. Es war dies ein Zweigverein des Badischen Frauenvereins, eine interkonfessionelle, überparteiliche und gemeinnützige Organisation von und für Frauen mit Sitz in Karlsruhe. Unter dem langjährigen Protektorat der Landesfürstin, Großherzogin Luise von Baden, entwickelte sich die 1859 gegründete Organisation zu einem Verein, in dem sich die Frauen des 19. Jahrhunderts ehrenamtlich engagierten und patriotisch für die Bevölkerung Badens einsetzten. Männer waren in beratender und finanzierender Funktion in die Vereinsstruktur eingebunden.
Am 14.12.2016 verstarb kurz vor seinem 90. Geburtstag der Wieslocher Altbürgermeister Helmut Mohr, dessen vielfältiges
Wirken weit über seine Heimatstadt Wiesloch hinausging. Als Volljurist arbeitete er ab Mitte der 50er Jahre in der Landesfinanzverwaltung und war zeitweise mit der Leitung des Finanzamts Bruchsal betraut. In den Jahren 1962 bis 1972 in Wiesloch Gemeinderat für die CDU; 1972 wurde er ebendort.
Beigeordneter (Bürgermeister), ein Amt, das er bis zu seiner Pensionierung 1988 mit viel Engagement ausfüllte.
Es ist meistens Zufall, wenn sich Angaben darüber finden, wann in den einzelnen Orten die Reformation eingeführt wurde. Aber bereits 1522 und noch mehr 1523 beklagte sich das Domkapitel allenthalben über Zehntverweigerungen, die zwar mit der neuen Lehre nichts zu tun hatten, aber doch ein Zeichen dafür sind, wie viele Menschen sich bereits innerlich von der alten Kirche getrennt hatten. Wie die Verhältnisse in dieser Hinsicht in jenen Jahren in Wössingen waren, ist nicht bekannt. Wir wissen, dass die Wössinger sich am Bauernkrieg beteiligt hatten, denn der Markgraf hat 1527 von ihnen „der burischen aufrurhalben 200 fl begehrt." Das Domkapitel wollte dies verhindern und nahm die Wössinger wieder in Gnaden auf, hat ihnen also ihre Beteiligung am Bauernkrieg verziehen.
Für die Zeitenwende 1918/1919, den Zusammenbruch des Kaiserreichs, die Revolution und die Einführung einer neuen
Staatsverfassung, hat sich in Kehl eine einzigartige Quelle erhalten, die es ermöglicht, die Geschehnisse vor Ort aus einer ganz persönlichen Perspektive zu rekonstruieren: das Tagebuch von Mathias Nückles V.
Hans Appenzeller [Kreuz]
(2018)
Es gibt Orte im Kraichgau, bei deren Nennung dem Heimatforscher spontan ein (und nur ein!) Name einfällt. Für Sinsheim-Steinsfurt gilt dies für Hans Appenzeller, der am 5. November 2017 im Alter von 97 Jahren verstarb. Geboren wurde er am 20. Februar 1920 in Grombach (heute Stadtteil von Bad Rappenau). Hans Appenzeller erwarb sich im Lauf seines Lebens in den verschiedensten Bereichen Verdienste. In seiner Gemeinde und darüber hinaus übernahm er Verantwortung in kirchlichen und politischen Angelegenheiten.
Das Freiherrlich von Gemmingen'sche Archiv von Burg Hornberg über dem Neckar und seine Urkunden
(2018)
Zu den großen Geheimnissen von Burgen und Schlössern gehörten, ihrer Natur gemäß, jahrhundertelang die dort verwahrten Archive. Während ungezählter Generationen sammelten sich darin Urkunden, Amtsbücher, Akten und Korrespondenzen, die im Zuge des Erwerbs und der Wahrnehmung vielfältiger Besitz- und Herrschaftsrechte zusammengekommen und – wertvoller als bares Geld – für
die Ausübung legitimer Herrschaft sowie für die künftige Erwirtschaftung finanzieller Erträge und damit für die Bewahrung des herrschaftlichen Status' unentbehrlich waren. Aufgrund der Langlebigkeit mittelalterlicher und frühneuzeitlicher Rechts- und Verfassungsstrukturen behielten diese Dokumente oft über viele Jahrhunderte ihren Wert, blieben ein von einem König des Mittelalters verliehenes Privileg oder ein von einem Fürsten erteiltes Lehen grundsätzlich geltendes Recht bis zum Ende des Alten Reiches und mitunter sogar noch darüber hinaus; desgleichen
verloren Schuldverschreibungen, solang die darin vereinbarten Zahlungen nicht geleistet waren, ihren Wert nicht. Entsprechend restriktiv handhabte man verständlicherweise von jeher und überall den Zugang zu den mit großer Sorgfalt gesicherten Archivgewölben. Nur der jeweilige Herr oder allenfalls seine vereidigten Amtleute hatten dort Zutritt, nicht hingegen die nachgeborenen Angehörigen der herrschaftlichen Familie und schon gar nicht neugierige Historiker.
Die von 1486 bis 1493 währende Doppelregierung Kaiser Friedrichs III. und
König Maximilians ist maßgeblich geprägt durch den Konflikt des Sohnes mit
den flämischen Städten. Indem der politisch noch recht unerfahrene Maximilian
den englischen Handel protegierte, schädigte er deren wirtschaftliche Prosperität.
Zugleich ignorierte er ihr Mitspracherecht in Fragen der Finanzpolitik und des
Steuerrechts. Auch die militärische Auseinandersetzung mit der französischen
Krone machte den Römischen König in Flandern denkbar unbeliebt. Als sich
Maximilian 1487/1488 in Brügge aufhielt, kam es zu einer dramatischen Zuspitzung
der Lage: Aus Angst vor einer Besetzung der Stadt durch heranrückende
deutsche Landsknechte schlossen die Einwohner ihre Stadttore und nahmen den
König am 5. Februar gefangen. Die königstreuen Magistrate Peter Lanchals und
Jan van Nieuwenhove wurden ihrer Ämter enthoben und wenige Tage später
enthauptet. Weitere Städte schlossen sich dem Aufstand (unter der Führung
Gents) an.
Die am Landgericht in Mannheim A 1, 2–3 angebrachte Stadtpunkte-Tafel soll an Friedrich
Engelhorn erinnern, der dort ein 1961 abgerissenes Palais errichtet hatte. Die vom Mannheimer
Institut für Stadtgeschichte gestaltete Tafel wird allerdings Engelhorn nicht gerecht. Neben
diversen eklatanten Fehlern sind vor allem negative Wertungen aneinandergereiht, während
wichtige Fakten aus seinem Leben und nicht zuletzt zum Wohle Mannheims verschwiegen
werden. Trotzdem erfolgte bisher keine Korrektur.
Die Geologie des Kraichgaus ist recht kompliziert und keineswegs überall ausreichend
verstanden. Das wellige Hügelland besteht aus Schollen ehemaliger Schichten
von Gestein, die durch zahlreiche Verwerfungen und Risse zerhackt wurden.
Aufgelagerter Löß mildert die Konturen, verdeckt aber auch das Erkennen von
Richtungen in den Verwerfungslinien, die eine bessere Gliederung erlauben würden.
Insgesamt ist der Kraichgau eine geologische Mulde zwischen Odenwald und
Schwarzwald, die in der „Langenbrückener Senke" heute ihre tiefste Stelle bei etwa
120 m ü. NN erreicht. In dieser Vertiefung konnten nun Schichten von Gesteinen
erhalten bleiben, die in der höheren Umgebung durch Erosion längst verschwunden
sind. Überraschend sind dabei vor allem die Juragesteine, die sonst erst wieder
nach Süden hin in der Schwäbischen Alb und nach Norden im Teutoburger Wald
zutage treten. Wer also in einem groben Vieleck zwischen den Orten Ubstadt im
~~den, der B3 entlang bis in Höhe Malsch im Norden und über Rettigheim,
Ostringen und Zeutern zurück nach Ubstadt nach Fossilien sucht, wird welche finden,
die man sonst bei Holzmaden antrifft. Für Bergbau ist der Kraichgau nicht gerade
berühmt, aber Steinbrüche gab und gibt es in großer Zahl. Ein ganz besonderer
liegt am ehemaligen Ortsrand von Bad Langenbrücken.
Die Orangerie in Munzingen
(2018)
Über den Architekten der zum Munzinger Schloss gehörenden, um 1750 erbauten Orangerie ist nichts bekannt. Als Baumeister des »Pflanzenhauses« kommt zwar der Basler Architekt Johann Jakob Fechter in Betracht, der zur gleichen Zeit das Schloss im Rokokostil umgestaltete. Allerdings zeigt die Munzinger Orangerie keine Ähnlichkeit mit den von Fechter konzipierten Orangerien in Basel und Ebnet (das dortige »Pomeranzenhaus« ist bereits im 19. Jahrhundert wieder abgerissen worden), wahrscheinlich ist sie nicht von Fechter entworfen worden.
Die im Stadtarchiv Freiburg vorhandenen Inventarien geben über den Pflanzenbestand der damaligen Orangerie Aufschluss, in der Hauptsache handelte es sich, wie der Name sagt, um
Zitruspflanzen. Die Nutzung des Baus zur Überwinterung der Exoten wurde bis zur Jahrhundertwende 1900 beibehalten. Danach dauerte es über 80 Jahre, bis das zwischenzeitlich
unter Denkmalschutz gestellte Gebäude verkauft und unter Wahrung der orangerietypischen Fassade zu einem Wohnhaus umgebaut wurde. Die Orangerie Munzingen ist das stattlichste, aus dem 18. Jahrhundert stammende Beispiel dieses Bautypus im südlichen Baden, sie weist bereits klassizistische Züge auf.
Dieser Beitrag bezieht seine Grundlagen aus unterschiedlichen Quellen. Die hier vorgestellte Zusammenfassung wurde im Jahr 2012 und später mit verschiedenen Schwerpunkten den Gaiberger Bürgern präsentiert. Sie war Grundlage eines neuen
Bandes zur Ortsgeschichte, eines großformatigen Kalenders, bis hin zu einem Theaterstück das mit fünf Zeitakten von mehr als 80 Darstellern im Ortszentrum aufgeführt wurde.
Der Glaube an verborgene Kräfte und an das übersinnliche war in der Frühen Neuzeit ab 1500 in Mitteleuropa weit verbreitet und regte die Phantasie der gesamten Bevölkerung an. Einen Zauberer- und Hexenglauben gab es schon in der Antike und im Mittelalter, doch gegen Verdächtige kam es nur vereinzelt zu Prozessen oder gar zu Hinrichtungen. Erst als der Dominikaner und Inquisitor Heinrich Kramer sein Traktat ,Hexenhammer' 1486 veröffentlicht, ein Werk, das Hexenverfolgungen auf der Grundlage der Hexenbulle (1484) von Papst lnnozenz VIII. legitimiert, ist die Grundlage für eine systematische Hexenjagd bereitet.
Nikolaus von Kues und Heidelberg – es gibt verschiedene Gründe, die genannte
Beziehung zum Thema eines Vortrags zu machen. Sie gedenken heute – vielleicht
stellvertretend für die ganze Universität – eines Ereignisses, das damals
gewiss mehr noch als heute von großer Bedeutung für einen jungen Menschen
war, von Bedeutung sicher auch für eine so junge Universität wie die Heidelberger,
die sich im Wettstreit mit konkurrierenden Universitäten, hier besonders
mit der nur zwei Jahre jüngeren Kölner Universität zu behaupten hatte. Da ging
es um jeden Studenten, und so war wohl auch die Einschreibung des noch ganz
unbekannten 14- oder vielleicht auch schon 15-jährigen Nikolaus Krebs aus Kues
an der Mosel hochwillkommen. In der 62 Immatrikulationen verzeichnenden
Liste zum Studienhalbjahr 1415/16 steht an 59. Stelle: Nycolaus Cancer de
Coeße. Der Vermerk clericus Treuerensis dyocesis weist den jungen Studenten
als Kleriker der Diözese Trier aus. Er war Akolout, besaß also den obersten
der vier unteren Weihegrade, die den drei höheren, zum Priesteramt führenden
Weihestufen vorausgingen.
Von hier und heute geht eine neue Epoche der Weltgeschichte aus. So will Johann Wolfgang von Goethe (1749-1832) eigenem Bekunden zufolge am Abend des 20. September 1792 gegenüber preußischen Offizieren das als Kanonade von Valmy in die Geschichte eingegangene Artilleriegefecht kommentiert haben, das die entscheidende Wende im Verlauf des Ersten Koalitionskriegs mit sich brachte, die von Generalfeldmarschall Karl Wilhelm Ferdinand von Braunschweig-Wolfenbüttel (1735-1806) geführte preußische Armee zum Rückzug zwang und zugleich den Vormarsch unter dem Kommando des Divisionsgenerals Adam Philippe de Custine (1740-1793) stehender französischer Revolutionstruppen bis an den Rhein ermöglichte. Ohne dabei auf nennenswerten Widerstand zu stoßen, besetzten diese am 30. September Speyer, am 4. Oktober Worms, am 21. Oktober Mainz und am 23. Oktober schließlich Frankfurt am Main.
Der/die Kirchendiener/in hat für das Läuten nach der bestehenden Läuteordnung zu sorgen (Nur für den Notfall, falls die Läuteknaben durch irgendwelche Umstände ausfallen). So lautet § 3 Nr. 3 der Dienstanweisung für den damaligen Kirchendiener, die der Evangelische Kirchengemeinderat in Neuenburg/Baden am 15. Juli 1966 erlassen und unterschrieben hat. Vor gut fünfzig Jahren wurde in Neuenburg also noch von Hand geläutet. Nur im Notfall, wie der maschinenschriftlich eingefügte Klammerzusatz zur formularmäßigen Dienstanweisung bemerkt, musste der Kirchendiener einspringen. Im Regelfall fiel das Handläuten den „Läuteknaben“ zu. Wer das ist, wird in der Dienstanweisung als bekannt vorausgesetzt. Der Begriff erläutert sich im Grunde von selbst: eine Gruppe junger Menschen, die den Läutedienst ehrenamtlich, vielleicht auch gegen ein Taschengeld, übernahmen. Man könnte sie als Hilfskräfte ansprechen oder von einer Läutegruppe sprechen. Heute wird das Handläuten im Kirchturm mancherorts als Event angeboten: Es ist ein beeindruckendes Erlebnis, die Glocken eigenhändig zum Schwingen und Klingen zu bringen. Auch dies ist ein besonderer Teil unseres Gottesdienstes. Das Handläuten ist in der Regel samstags um 18:00 Uhr möglich. So annonciert die Evangelisch-Lutherische Kirchengemeinde Herrenhausen-Leinhausen in Hannover per Internet ihr Mitmach-Angebot.
Mennoniten im Kraichgau
(2018)
Am 22. April 2017 fand auf Einladung des Mennonitischen Geschichtsvereins und des Heimatvereins Kraichgau die Tagung "Schweizer Brüder in fremder Heimat -Mennoniten im Kraichgau" im Sinsheimer Gemeindehaus statt. Die mit etwa einhundert Personen, die auch aus den USA angereist waren, gut besuchte Veranstaltung stand unter der wissenschaftlichen Leitung von Dr. Astrid von Schlachta und Diether Götz Lichdi sowie der organisatorischen Leitung von Hartmut Glück. Die Tagung spannte den Bogen von der Lokalgeschichte zur allgemeinen Geschichte, von den Herkunftsgesellschaften in der Schweiz über die Einwanderung in den Kraichgau im 17. Jahrhundert und die Weiterwanderungen in Süddeutschland und den USA, bis zu den inneren Konflikten der Einwanderer und deren politischen
Anpassungsbemühungen im Dritten Reich.
Bei Berufen in der Vergangenheit kann man an vieles denken, an Stadt- und Tor-Knechte, an Zapfenwirte und Wein-Kontrolleure, an Ziegelherren oder auch an Schwarz-(Brot)-Bäcker. Dass es in Villingen jedoch mal Berufsfischer gab, wie den
Mathias Riegger, das hätte selbst der gebürtige Villinger mit Historien-Ambitionen nicht gedacht. Fischer Riegger kam nun aber nicht seiner aufrichtigen berufsständischen Haltung wegen in die Annalen, vielmehr wurde er 1683 „eingetürmt” und wenige Tage später noch mit einer sehr hohen Geldstrafe von 50 Gulden belegt.
Am 22.8.1818, vor 200 Jahren, unterschrieb Großherzog Karl die badische Verfassungsurkunde.
Es war ein Werk des aufgeklärten Absolutismus, das das monarchische Prinzip herausstellte.
Trotzdem war die badische Bevölkerung durch die Wahl der Abgeordneten zur Zweiten Kammer
an der staatlichen Willensbildung beteiligt, denn die Zweite Kammer der badischen
Ständeversammlung gewährte den Bürgern indirekte Kompetenzen bei der Gesetzgebung, der
Steuerbewilligung und der Budgetprüfung. Im Laufe der nächsten Jahrzehnte wurden die
Rechte der Badener erweitert, aber die Staatsform blieb weiterhin eine Monarchie, in der der
Großherzog die Macht auf sich vereinigte. Erst 1919 nach dem ersten Weltkrieg und einer Revolution
bekam das Land Baden mit der Verfassung vom 21. März 1919 eine neue Staatsform,
die der Demokratie. Und alle Bürger Badens hatten nun die gleichen Rechte und Pflichten,
egal ob Männer oder Frauen, Arme oder Reiche, Christen oder Juden.
Die Freiburg-Colmar-Bahn
(2018)
Zwischen Freiburg und Colmar wurde 1878 eine direkte Zugverbindung eröffnet. Mit kürzeren,
kriegsbedingten Unterbrechungen, verkehrten die Züge zwischen den beiden Städten über die
Eisenbahnbrücke bei Breisach bis 1945. Im Zweiten Weltkrieg wurde diese erstmals im Oktober
1939 von französische Truppen zerstört, umgehend aber von deutschen Pionieren wiederaufgebaut.
Anfang 1945 war es dann umgekehrt die deutsche Wehrmacht, die bei ihrem Rückzug
die Brücke sprengte. Auf deren Fundamenten wurde später dann die Autobrücke errichtet.
Seitdem ist das Schienennetz an dieser Stelle unterbrochen, wobei die Linie Freiburg-Colmar
die einzige grenzüberschreitende Verbindung am Oberrhein ist, die nach dem Krieg nicht wiederhergestellt
wurde. Um dies zu ändern, bedarf es etwa 1 km neue Gleise sowie eine Brücke
über den Rhein, entweder als Einbau in die Autobrücke oder als parallele Brücke. Nachdem
hierzu bislang der politische Wille auf der französischen Seite fehlte, hat die bevorstehende
Schließung des Atomkraftwerks Fessenheim jetzt eine Dynamik in Gang gesetzt. Um den Verlust
an Arbeitsplätzen zu kompensieren, könnte z. B. ein grenzüberschreitender Gewerbepark
für einen wirtschaftlichen Ausgleich sorgen. Hierfür wäre die Wiederherstellung der Bahnverbindung
eine wichtige infrastrukturelle Voraussetzung, zugleich aber auch ein Projekt mit
starkem Symbolcharakter für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit.
Individuum und Dynastie
(2018)
SUBSISTE VIATOR
AD GLORIOSUM MORTIS, ET MARTIS TROPHÆUM
QVOD
LUDOVICO WILHELMO
LUDOVICUS GEORGIUS
EX FILIALI AMORE ET GRATIDVDINIS AFFECTV
PARENTI EXSTRVXIT […]
Mit diesen Worten wendet sich die Inschrift auf dem im Jahr 1753 errichteten
Epitaph für Markgraf Ludwig Wilhelm in der Stiftskirche von Baden-Baden
(Abb. 3) an den Rezipienten. Subsiste viator: Diese bereits in griechischen Grabepigrammen
verbreitete rhetorische Formel fordert den Besucher auf, seine Wanderung
zu unterbrechen und innezuhalten, um der Taten des Verstorbenen und
zugleich der eigenen Sterblichkeit zu gedenken.
Tourismus der besonderen Art
(2018)
Ab September 1945 fuhren regelmäßig ab Paris Sonderzüge, die Mitglieder einer gewerkschaftlichen Tourismus-Organisation für zwei Wochen in den Schwarzwald, an den Bodensee, nach
Oberschwaben und nach Tirol brachten. Die Logistik lag bei der französischen Besatzungsarmee. Die Unkosten der deutschen Seite betrachtete man als vorgezogene Reparationsleistung.
Es ist die Rede von »moralischer und materieller Wiedergutmachung«.
Johann Peter Hebel war als Gymnasiallehrer und Prediger nach Karlsruhe berufen worden. Er machte in der Lutherischen Landeskirche Badens als Pastor Karriere und wurde mit dem Titel Prälat der oberste Geistliche seiner Kirche. Nach dem fürstlichen Erlass einer Verfassung im Juli 1818, als es galt, die zwei Kammern der Ständeversammlung zu besetzen. Auf katholischer Seite wurde – als Bistumsverweser – der Freiherr von Wessenberg ernannt, auf evangelischer Seite Hebel, der als Prälat den Rang eines Landesbischofs besaß. Die Kirchen waren für ihn – anders als für den Freiburger Rechtsprofessor Rotteck – keine Repräsentanten des (damals noch als verfassungswidrig geltenden) Demokratie-Prinzips, sondern des Gemeinwohls.
Am 12. Juli 1836 verfasste der Bürgermeister von Hilchenbach im Siegerland, Johann Heinrich Reifenrath, seinen bereits zweiten Aufruf zur Errichtung eines Denkmals für Johann Heinrich Jung-Stilling. Dieser begann mit folgenden Worten: Was
der am 2ten April 1817 zu Carlsruhe verewigte Herr Geheime Hofrath und Professor Jung=Stilling, geboren am 12ten September 1740 zu Grund in Nassau Siegen, für seine Mit- und Nachwelt war, ist nicht allein in Deutschland, sondern auf allen fünf Erdtheilen durch seine Schriften bekannt. Ihm, dessen Verdienste und Frömmigkeit, niemand bezweifelt, dürfte gewiß neben Schiller, und Stillings-Freunden Herder Göthe etc. etc. auch ein Monument in seinem Vaterlande werden. Acht Jahre später konnte man im vierten Band der Geschichte des achtzehnten Jahrhunderts und des neunzehnten bis zum Sturz des französischen Kaiserreichs des Heidelberger Historikers Friedrich Christoph Schlosser lesen, dass Jung-Stilling wunderliche[] literarische Produkte hervorgebracht habe, deren sich Herder und Goethe nur deshalb angenommen hätten, weil sie jede Originalität zu begünstigen suchten. Durch Goethe, Herder und Lavater sei Jung-Stilling zu einer Bedeutung unter unserer Nation gebracht worden, die allerdings mehr auf seinen sonderbaren Schicksalen und auf der in ihm personificirten und später im idyllischen und sentimentalen Styl seiner Zeit vorgetragenen Denkart und Lebensweise einer gewissen Classe unseres geringen Volkes, als auf irgend einer ausgezeichneten Geisteseigenschaft beruht[] habe.
Flusspferde am Oberrhein
(2018)
Ein badischer Beitrag zum Karl-Barth-Jahr 2019 – vor 100 Jahren erschien die erste Auflage von Barths Römerbrief-Auslegung – ist wohl nur als etwas Marginales möglich, denn selbst detailbegeisterte Kirchenhistoriker/innen werden nicht allzu viele
Berührungspunkte zwischen Baden und Barth anführen können. Umso wichtiger erscheint es deshalb, die wenigen und die bislang wenig erinnerten badischen Bezüge zum theologischen Titanen aus dem beschaulichen Basel festzuhalten – und darüber hinaus von einem überraschenden Auftritt Barths in Baden zu berichten, der bislang einigermaßen unbekannt war, obwohl er – freilich marginal – in der Barth-Biographie bewahrt war.
Martin Butzer/Bucer wurde als Sohn eines wenig begüterten Küfers am Martinstag des Jahres 1491, also am 11. November, in Schlettstadt geboren. Schlettstadt (frz. Selestat), zwischen Colmar und Straßburg gelegen, war damals eine Reichsstadt, die im ausgehenden 15. Jahrhundert etwa 4000 Einwohner zählte, die von Handwerk, Weinbau und Landwirtschaft lebten. Das Haus der Familie befindet sich am westlichen Rande der Stadt, ganz am Rand, da, wo einst die ärmeren Handwerker wohnten. Das Haus steht übrigens noch unverändert, ist aber recht baufällig und
steht leider nicht unter besonderem Schutz.
Die Benckiser-Familie
(2018)
Während im Teil 1 von drei Generationen der Familie die Rede war, folgt im vorliegenden Teil 2 die Beschreibung der beiden nachfolgenden Generationen. Diese übernahmen die im 18. und frühen 19. Jahrhundert gegründeten Unternehmungen der Familie, um sie von der Mitte des 19. bis ins frühe 20. Jahrhundert hinein zur wirtschaftlichen Blüte zu führen. Schließlich
fielen in der letzten Generation aber auch die Entscheidungen, die Unternehmungen aufzugeben oder ihre Anteile daran zu verkaufen und so die wirtschaftliche Ära der Benckiser-Familie nach fast 200 Jahren zu beenden.
Der »Arbeitsgruppe Verfassung 2018« hat in Zusammenarbeit mit der Stadt Karlsruhe zwei Veranstaltungen organisieren können, eine Feier vor dem Schloss am 22.8.2018 und einen Festakt im Gartensaal des Schlosses am 5.9.2018. Das Team hält es für gerechtfertigt, die professionelle Arbeit in der Publikation zu dokumentieren, da besonders die Kooperation mit
der Stadt Karlsruhe beispielhaft auch für zukünftige Veranstaltungen badischer Anliegen mit gelb-rot-gelber Färbung gelten kann.
Für Populisten (und ihre Anhänger) ist die Europäische Union immer noch weitgehend ein von den Bürgern abgehobenes Bürokratie-Monster. Für Millionen Menschen aber, gerade in strukturell schwachen Regionen, leistet sie seit 1991 mit dem Programm LEADER (Liaison Entre Actions de Developpement de l'Economie Rurale = Verbindung zwischen Aktionen zur Entwicklung des ländlichen Raums) eine bürgernahe Unterstützung, um die ländlichen Regionen sozial, kulturell und wirtschaftlich zu stärken, wobei Entwicklungsinitiative und Projekte von den Akteuren der Region selbst ausgehen sollen. LEADER wird in Baden-Württemberg in kleineren, abgegrenzten Gebieten des ländlichen Raums durchgeführt (LEADER-Aktionsgebiete), die unter geographischen, wirtschaftlichen und sozialen Gesichtspunkten eine Einheit bilden und auch über Landkreisgrenzen hinaus angelegt sind. Das Aktionsgebiet Kraichgau wurde am 07. Januar 2015 erstmalig als Aktionsgebiet ausgewählt und umfasst in den drei Landkreisen Heilbronn, Karlsruhe und Rhein-Neckar-Kreis 17 Kommunen von Meckesheim bis Oberderdingen und von Kraichtal bis Gemmingen, mithin eine Fläche von rund 500 km. Es können nur Projekte gefördert werden, die innerhalb dieser 17 Städte und Gemeinden liegen.
In Villingens Wäldern hauste einst ein merkwürdiges Geschöpf: ein wilder Mann, der mit den Tieren lebte und vor den Menschen floh. So jedenfalls berichtet es der Basler Humanist Sebastian Münster in seiner Weltbeschreibung „Cosmographia”, die seit der zweiten Ausgabe von 1545 einen Abschnitt zu Villingen enthielt. Der wilde Mann vom Germanswald ist heute relativ unbekannt und hat es in kein modernes Sagenbuch geschafft, doch für Münster war er erzählenswert genug, um
einen Gutteil der knappen Ortsbeschreibung einzunehmen. Was hat es mit diesem Wesen auf sich?
Mission (Glaubensbotschaft) ist das Werk der Ausbreitung der christlichen Kirche
als des Reiches Gottes unter den Richtschriften durch die Missionare.
Im Laufe des 19. Jahrhunderts gründeten zahlreiche Initiativen in ganz
Deutschland protestantische Missionsvereine. Der Arbeit der Missionare in den
Missionsgebieten widmet sich die deutsche Kolonialgeschichtsschreibung, die
sich mit dem Einfluss der Missionare auf die kolonisierten Einheimischen beschäftigt.
Dagegen sind die Tätigkeiten der protestantischen Missionsvereine in
den deutschen Heimatgemeinden und deren Wirkung auf die deutsche Bevölkerung
weitestgehend unerforscht. Der vorliegende Aufsatz stellt einen Versuch
dar, diese Lücke mit einer Regionalstudie zu Südbaden zu füllen.