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Der Kraichgau läßt sich bereits im ausgehenden Hochmittelalter als eine ländliche Kulturlandschaft mit sehr guten Siedlungslagen, fruchtbaren Lößböden und einer ausreichenden Wasserversorgung charakterisieren. Daneben hat diese Landschaft schon früh eine nachhaltige Ausprägung als Verkehrsdurchgangslandschaft erfahren, die eine nachhaltige
Besiedelung, Siedlungsdurchdringung und wirtschaftliche Erschließung des Kraichgauer Hügellandes erlaubten. Ein ab dem 11. Jahrhundert eintretendes anhaltendes Bevölkerungswachstum, mutmaßlich als Folge verbesserter klimatischer Bedingungen, höherer Bodenerträge und größerer Bewirtschaftungsflächen durch Ausdehnung der Rodungstätigkeit
löste weitere für die siedlungsgeschichtliche Entwicklung dieses Kulturraumes ganz entscheidenden Wachstumsimpulse
und -prozesse aus, die die eigenständige Entwicklung des Marktfleckens Bretten zum wirtschaftlichen Mittelpunkt im Kraichgau nachhaltig ingangsetzte. Dies führte dann auch bereits im 11. Jahrhundert im Zuge einer Bevölkerungskonzentration in diesem Marktflecken zur Wahrnehmung und Übernahme gewisser zentralörtlicher Aufgaben lange vor dem eigentlichen
Stadtwerdungsprozeß Brettens.
Als am 24. Juli 1353 Graf Hug von Fürstenberg von seiner Burg Zindelstein im Bregtal kundtat, dass er und alle seine Erben Vogt und Herr über Haus, Hofstatt und Grundbesitz seien, wo „die bruoder des ordens sant Paulus“ sitzen, und als in derselben Urkunde der Provinzial Ulrich und Johannes, Prior des Ordens, ergänzend bestätigten, dass „der edel herr gravf Hugo von Fúrstenberg“ wie seine Erben als Vogt und Herr den Schirm „vber vnser hus“ und seinen Besitz ausüben, trat die erste Niederlassung des im 13. Jahrhundert in Ungarn gegründeten Paulinerordens im deutschen Südwesten ins Licht der Geschichte. Dieser Raum war für den Orden mit 18 Gründungen in der Diözese Konstanz ein Schwerpunkt seiner Aktivitäten in Deutschland.
Die Johanneskapelle in Zarten wird liebevoll und nicht ganz zu Unrecht das „Zartener Münster“ genannt (Abb. 1). Sie ist nicht nur die ehemalige Mittelpunktskirche des Dreisamtals – in dieser Funktion wurde sie „erst“ im frühen 12. Jahrhundert durch die Galluskirche in Kirchzarten abgelöst – sondern birgt auch unter ihrem bescheidenen Äußeren durchaus bemerkenswerte
Kunstschätze: barocke Altäre, die teilweise Matthias Faller zugeschrieben werden, Skulpturen, eine bemalte Holzdecke des 17./frühen 18. Jahrhunderts und nicht zuletzt mittelalterliche Wandmalereien (Abb. 2).
Wanderer und Mountainbiker erklimmen vor allem an Wochenenden die Anhöhe Kybfelsen (um 810-820 m ü.NN), weit oberhalb der Stadt Freiburg. Dort erreichen sie eine Felsplattform mit einem weiten Ausblick auf Günterstal, den Schönberg und weit hinaus in die Oberrheinebene. Nur den wenigsten dürfte bewusst sein, an der Stelle einer hochmittelalterlichen Burg zu stehen. Im Rahmen der neuen Beschäftigung mit den Zähringern anlässlich diverser Jubiläen (ihrem Aussterben 1218 und der Marktgründung von Freiburg 1120) bietet sich die Gelegenheit, die Ergebnisse der Geländeforschungen der letzten Jahrzehnte darzustellen und ihre mögliche historische Bedeutung zu diskutieren.
Die Stadt Neuenburg am Rhein besaß im 15. Jahrhundert, wiewohl sie nur eine Kleinstadt im südlichen Breisgau war, an ihrer Pfarrkirche, dem Liebfrauenmünster, eine eigene Klerikergemeinschaft. Die einzelnen Inhaber der 1493 schließlich 17 Altarpfründen vorzustellen und hinsichtlich ihrer Pflichterfüllung zu untersuchen, war möglich, weil die moderne Kommune Neuenburg am Rhein seit 1991 das Vorhaben tatkräftig unterstützt und materiell fördert, alle Urkunden, in denen die Stadt oder einzelne ihrer Einwohner zwischen 1185 und 1500 handeln oder erwähnt sind, in Regestenform der interessierten Öffentlichkeit zur Verfügung zu stellen. Die „Urkunden der Stadt Neuenburg am Rhein“, deren erster von 1185 bis 1350 reichender Band 2014 erschien, sind, weil sie sowohl Geistliche wie Weltliche, sowohl Kleriker wie Laien in Neuenburg oder mit Beziehung zu Neuenburg erfassen, auch für die Kirchengeschichte des Breisgaues aufschlussreich, worauf bereits hingewiesen werden konnte. Hinsichtlich der Neuenburger Kaplansgemeinschaft wird das Regestenwerk aber erst mit seinem dritten Band für die Jahre von 1414 bis 1462 und mit seinem vierten für die Jahre 1463 und 1500 aufschlussreich werden, denn diese werden die Masse der Zeugnisse enthalten, die der genannten Prosopografie der Kapläne zugrunde liegen.
Kirche und Kleinstadt
(2015)
Das gotische Liebfrauenmünster in der westlichen Altstadt von Neuenburg am Rhein stürzte 1497 ein, als der Fluss, der schon seit dem Beginn des 15. Jahrhunderts an dem Steilufer nagte, dieses endgültig untergrub und so Kirche, Rat- und Salzhaus sowie die Schule verschwinden ließ. Nur der Münsterturm blieb lange als stummer Zeuge stehen, bevor auch er den Stadtzerstörungen durch Menschenhand zum Opfer fiel. Dreißigjähriger Krieg und Spanischer Erbfolgekrieg sowie die Europäischen Bruderkriege des 20. Jahrhunderts haben, was immer die Bewohner der Stadt Neuenburg wiederaufgebaut hatten, grundlegend zerstört. Doch jedes Mal waren die Fluchtkisten gepackt und so haben die 417 Urkunden des Pfarrarchivs Neuenburg am Rhein bis heute überdauert, werden sie doch inzwischen als Depositum in dem Erzbischöflichen Archiv Freiburg im Breisgau verwahrt.
Der Frankfurter Mediävist Johannes Fried hat einmal angesichts eines anderen Jubiläums – es handelte sich um das 50-jährige Bestehen des renommierten Konstanzer Arbeitskreises – betont, wer über das Mittelalter nicht hinausdenke, verstehe vom Mittelalter nichts. Das gilt cum grano salis auch für unser Thema. Es lässt sich von vornherein nicht auf die Epoche des Mittelalters eingrenzen. Vieles – und das gilt wohl für große Teile der Kirchen-, Religions-, Frömmigkeits- und Theologiegeschichte – beginnt zwar im Mittelalter, setzt sich aber bis in die Gegenwart fort. Das gilt für die Geschichte der Diözese und ihrer Kirchen, für die Bischöfe, für die Klöster, für die Gemeinden, für das religiöse Brauchtum, für die Frömmigkeit, die Pfarreien, die historischen Landschaften, die Kunstdenkmäler usw.
Inhalt: 1. Ein generelles Problem: Abwesenheit und Mehrfachbepfründung?, S. 98. 2. Die Quellenlage, S. 101. 3. Die Gesamtzahl der Kapläne im 15. Jahrhundert, S. 105. 4. Das Ausmaß der eigentlich verbotenen Mehrfachbepfründung, S. 109. 5. Die Art der Mehrfachbepfründung und die Herkunft der Pfründner, S. 112. 6. Die möglichen Gründe und Folgen der Mehrfachbepfründung, S. 119. 7. Die aktenkundigen Streitfälle und Reaktionen, S. 129. 8. Die genehmigten Absenzen vor allem der studierenden Kapläne, S. 138. 9. Die Verfehlungen als Einzelfallprobleme, S. 148. Verzeichnis 1: Die Altaristen und Anwärter auf eine Pfründe an der Liebfrauenkirche in Neuenburg am Rhein während des 15. Jahrhunderts, S. 151. Verzeichnis 2: Die Pfründen der Liebfrauenkirche in Neuenburg am Rhein und ihre Inhaber im 15. Jahrhundert, S. 199. Verzeichnis 3: Die Neuenburger Pfarrherren und -anwärter (alphabetisch) im 14./15. Jahrhundert, S. 206. Verzeichnis 4: Die Neuenburger Pfarrherren und -anwärter (chronologisch) im 14./15. Jahrhundert, S. 215. Verzeichnis 5: Die Neuenburger Pfründen im 16. Jahrhundert und ihre Inhaber, S. 216. Verzeichnis 6: Die Neuenburger Pfarrherren des 16. Jahrhunderts, S. 223.
Es war Ende Oktober 1414, als es auf dem Arlberg in der Nähe der heutigen Ortschaft Klösterle zu einem Aufsehen erregenden Unfall kam. Johannes XXIII. oder Baldassare Cossa (1410–1415), wie der damalige Papst mit bürgerlichem Namen hieß, war bei widrigen Witterungsverhältnissen aus seinem Reisewagen in den offenbar frisch gefallenen Schnee gestürzt. In einer einige Jahre nach dem Konstanzer Konzil verfassten Chronikversion, die noch heute im Rosgartenmuseum in Konstanz liegt, heißt es: „Und do er kam uf den Arlenberg, by dem mittel nach [nah] by dem clösterlin, do viel sin wagen umb und lag in dem schne, und lag er under dem wagen in dem schne, wann der schne dozemal gevallen was.“ Papst Johannes XXIII. war am 1. Oktober in Bologna aufgebrochen und hatte den Weg über Ferrara, Verona, Trient, Bozen, Brixen, Meran, den Reschenpass und über Landeck zum Arlberg genommen. Sein Ziel war die Reichs- und Bischofsstadt Konstanz am Bodensee, wo am 1. November 1414 ein Generalkonzil stattfinden sollte, zu dem er am 9. Dezember 1413 feierlich mit einer Bulle alle Glieder der Christenheit eingeladen hatte. Der Sturz war nicht ganz ungefährlich, aber derartige Reiseunfälle dürften für einen im Spätmittelalter Reisenden keineswegs unüblich gewesen sein, zumal in gebirgigem und unwegsamem Gelände.
Im Verlauf der Jahrhunderte wurde im Kloster St. Blasien, fern der Aktualität, die gefälschte „Gründungsurkunde“ (Nr.*6), in St. Blasien selbst „Stift(s)- oder Stiftung(s)brief“ genannt, als ehrwürdigstes Zeugnis der eigenen Vergangenheit wertgehalten, immer wieder in Kopialbücher abgeschrieben, gelegentlich in Rechtsfragen und natürlich in der klösterlichen Geschichtsschreibung herangezogen, übrigens oft auch zusammen mit der ebenfalls gefälschten Baseler Konradsurkunde (Nr. *9), zu der man keinen Gegensatz sah, weil man die Verlautbarungen des Reichhofsgerichts - im Gegensatz zur Urkundenkritik neuerer Zeit - nicht dahingehend verstand, dass es sie zur Fälschung erklärt habe. Nachdem der Prozess des Klosters St. Blasien gegen das Bistum Basel 1141 seinen Abschluss gefunden hatte (Nr. 179), wurde die „Gründungsurkunde“ schon zwei Jahre später im letzten Eintrag der Annalen von St. Blasien von 1143 zu ihrem „180 jährigen Jubiläum“, also zum Ausstellungsjahr 963, zitiert. Auch im so genannten „Liber constructionis“, der wichtigsten - wenn auch nur in einer Redaktion nach Mitte des 15. Jahrhunderts erhaltenen - Quelle für die Frühzeit des Klosters und insbesondere seinen legendären Gründer Reginbert, ist die Urkunde indirekt genannt und dies an einer Stelle, auf die eine sehr auffällige, bisher nicht lesbar zu machende Tilgung mehrerer Zeilen folgt. Vielleicht hatte sie, wie Marquard Herrgott vermutete, ihren Grund darin, die Umdatierung von 983 auf 963, also von Kaiser Otto II. auf Otto I. zu verdecken. Ob die „Gründungsurkunde“ im „Rotulus Sanblasianus“ des 14./15. Jahrhunderts ebenfalls erwähnt war und zu welchem Jahr, ist bislang nicht feststellbar, da diese Pergamentrolle gerade am Anfang abgeschabt und kaum lesbar ist - ob man sie mit modernen Methoden lesbar machen könnte, wäre die Frage - jedenfalls sind die bisherigen Editionen unzulänglich. Die Verfälschung von 983 auf 963 war sehr früh erfolgt, bereits im Verlauf des Prozesses mit Basel, denn sie findet sich in St. Blasiens „Handakten“ dazu. Es ist sogar wahrscheinlich, dass die Urkunde in dieser Form schon dem Hofgericht vorgelegt wurde. Unbestritten galt der „Stiftsbrief“ das ganze Mittelalter hindurch bis in die Neuzeit hinein als Urkunde Kaiser Ottos I.
Um die Jahreswende 1124/1125 fand in Straßburg ein Hoftag unter Kaiser Heinrich V. statt. Auf ihm wurde auch ein Streit zwischen dem Kloster St. Blasien, das der Konstanzer Diözese angehörte, und dem Hochstift Basel verhandelt. Beide Parteien legten dem Reichshofgericht gefälschte Urkunden vor. Es ist dies der einzige aus der Frühzeit deutscher Geschichte bekannte Fall über den Umgang eines Gerichts — und sogar des höchsten — mit gefälschten Urkunden. Die moderne Forschung neigte dazu, hier das früheste Beispiel für die so genannte „diplomatische Kritik" zu sehen, wie es Harry Bresslau in seinem Standardwerk „Handbuch der Urkundenlehre für Deutschland und Italien" formulierte, also das, was wir heute Urkunden- oder Textkritik nennen. Das Reichshofgericht habe, so Harry Bresslau, die Urkunde St. Blasiens nicht als Fälschung erkannt, dagegen die des Baseler Bischofs „für unecht erklärt". War dem so?
Im Frühjahr 1421 musste die Pfarrgemeinde im oberschwäbischen Neuburg, Dekanat Munderkingen, für geraume Zeit ohne Seelsorger auskommen, da ihr bisheriger Pfarrer nicht mehr zur Verfügung stand. Ob dieser an einen anderen Ort gezogen oder gestorben war, ist heute unbekannt. Nachdem die Pfarrei also vakant zu werden drohte, stand fest, dass umgehend ein neuer Geistlicher nach Neuburg kommten musste. Bis Mitte Mai waren offenbar bereits Verhandlungen geführt worden, denn am 16. des Monats erschien der Kleriker Wilhelm Gabler vor dem Konstanzer Bischof mit einem Schreiben, in welchem ihn Herzog Friedrich von Österreich auf die Neuburger Pfarrkirche präsentierte. Das bischöfliche Generalvikariat nahm die Präsentationsurkunde entgegen und ordnete an, dass der Kandidat der Neuburger Gemeinde ordnungsgemäß bekannt gegeben werden solle, damit eventuelle Einsprüche gegen seine Kandidatur vorgebracht werden könnten. Am 18. Juni, dem Ende der Einredefrist, erschienen sowohl Wilhelm Gabler als auch der Vertreter des Priesters Eberhard von Hörnlingen vor dem Konstanzer Generalvikar. Eberhard konnte nämlich ebenfalls eine Präsentation auf die Neuburger Pfarrkirche vorweisen, die von Anna von Braunschweig, der Gemahlin Herzog Friedrichs von Österreich, ausgestellt worden war. Nachdem nun zwei Kleriker Anwartschaften auf dieselbe Pfründe besaßen, musste an der Konstanzer Kurie geprüft werden, wer von beiden der rechtmäßige Kandidat war und welcher von ihnen die Pfründe erhalten sollte.
Der Zisterzienserorden brachte im 12. und 13. Jahrhundert eine neue Dimension in das religiöse Leben des mittelalterlichen Europa. Die Inhalte hatte man aus der Polarisierung gegenüber den Benediktinern gewonnen. Dazu gehörte auch die aus einer tiefen religiösen Überzeugung erwachsende Neuorganisation des Grundbesitzes und der Wirtschaft unter eigenwirtschaftlichen Aspekten. Sie war ein wesentlicher Bestandteil der Ordensdynamik, ohne die die schnelle Ausbreitung über das gesamte katholische Europa kaum möglich gewesen wäre. Im Folgenden wird die Grundbesitz- und Wirtschaftsorganisation der Zisterzienser im südwestdeutschen Raum in einem zeitlichen Rahmen vom 12. bis zum Ende des 13. Jahrhunderts untersucht. Die Klöster in den linksrheinischen französischen Gebieten müssen, obwohl sie ähnlich geartet waren, ausgeschlossen bleiben. Die gewählte geographische Begrenzung erscheint etwas willkürlich und ungenau. Sinnvoller wäre eine räumliche Definition anhand von markanten geographischen Merkmalen wie Flüssen oder Gebirgen gewesen. Dafür böte sich aber nur der Oberrhein an, wodurch das Gebiet aber wieder zu eng eingegrenzt würde. Deshalb bezieht sich die Arbeit auf eine Gruppe von Zisterzienserklöstern innerhalb der heutigen Grenzen Südwestdeutschlands, die durch die gleichen Phänomene und Erscheinungen miteinander verbunden sind.
Vor gut 650 Jahren
(2000)
„Gegen eine Welt von Feinden kann sich keiner wehren.“ Galt dies im April 1944 für Hannah Arendt als Erklärung, warum die jüdische Untergrundarbeit erst dann einsetzte, als die nicht-jüdische Zivilbevölkerung mehrheitlich ihre feindliche Haltung aufgab, so kann diese nüchterne Erkenntnis auch das Fazit für die Verfolgungen der Jahre 1348/49 bilden. Die sog. Pestpogrome überstand im gesamten westlichen Teil des Deutschen Reiches nur die jüdische Gemeinde von Regensburg. Für Berthold Rosenthal waren sie 1927 der „Höhepunkt der Leiden Israels“. Nach den Pogromen bildeten sich nur noch in einem Teil der früheren Städte die Gemeinden neu, ihre vormalige Größe wurde nirgendwo erreicht. Hatte man vor 1349 den Juden und Jüdinnen gelegentlich Bürgerrechte und bleibendes Wohnrecht zugestanden, so konnten sie danach nur noch zeitlich befristete „Schutzbriefe“ erhalten. „Judenpolitik“ wurde Sache der Städte, was die Vertreibungen aus ihnen hundert Jahre später möglich machte. Wie war es zu „der Welt ihrer Feinde“ gekommen?
Für das Badische Landesmuseum und die Staatliche Kunsthalle ist es eine große Freude, dass Sie so zahlreich unserer Einladung gefolgt sind. Es ist ein ganz außergewöhnliches Ereignis, das uns heute in Karlsruhe zusammenführt. Erstmals haben das Badische Landesmuseum und die Staatliche Kunsthalle die Kräfte verbunden, um gemeinsam unter unterschiedlichen
Gesichtspunkten die wieder als geheimnisvoll empfundene Epoche des Spätmittelalters durch die Zusammenführung großartiger Kunstwerke darzustellen und erneut zu befragen.
Das Badische Landesmuseum darf heute, gemeinsam mit der Staatlichen Kunsthalle Karlsruhe, die Große Landesausstellung 2001 des Landes Baden-Württemberg eröffnen, wie wir dies bereits 1998 (mit der 48er Revolution) und 1999 (mit den Jahrhundertwenden) tun durften. Im Jahre 1970 hat das Badische Landesmuseum unter meinem Vorvorgänger Prof.
Dr. Ernst Petrasch, den ich sehr herzlich unter uns begrüßen möchte, eine grundlegende und bis heute wegweisende Ausstellung „Spätgotik am Oberrhein“ veranstaltet, in der eine Vielzahl der bedeutendsten Werke der Skulptur, der
Goldschmiedekunst, des Textil, der Glasmalerei und der Grafik aus jener Zeit des Spätmittelalters zusammengeführt war. Eine solche Ausstellung wäre heute, 30 Jahre danach, vor allem aus konservatorischen Gründen nicht mehr wiederholbar. Für das Badische Landesmuseum stellte sich daher die Frage, wie unser Haus das Thema dieser Landesausstellung formulieren und sich damit an dem trinationalen Projekt der oberrheinischen Museen in der Schweiz, in Frankreich und in Deutschland „Um 1500: Epochenumbruch am Oberrhein“ beteiligen könne.
Verfaßte menschliche Gemeinschaften, wie es seit dem Hochmittelalter mitteleuropäische Städte nun einmal sind, kommen ohne eine gemeinsame Erinnerung nicht aus. Diese bündelt sich, wenn man wie heute, Anlaß hat, sich auf den Ausgangspunkt dieser Verfaßtheit zu besinnen, sich also der Bedeutung der Stadtrechtsverleihung für das Selbstverständnis des
Gemeinwesens zu vergewissern. Unserer Veranstaltung haftet daher etwas - im wohlverstandenen Sinn - Rituelles an, sie ist Teil der städtischen Erinnerungskultur. Daß es eine solche gibt und diese ihrerseits traditionsbildend wirkt, das bezeugt auch die draußen zu sehende Ausstellung mit Fotografien des Festumzugs zur 600-Jahrfeier.
"Freut euch mit Jerusalem!"
(2023)
“[I]n dem jar Christe 1489 war ein gar großes jubileum ußgangen von dem päpstlichen stuel zue Rom, dergleichen in vil jaren nie geschehen. Und disse große gnadt war auch der statt Villingen verkindt.” Das schreibt Juliane Ernstin (1589 – 1665), die Verfasserin der Chronik des Konvents von St. Klara im Villinger Bickenkloster und dessen Äbtissin zwischen 1655 und 1665. Demnach hatte der Papst 1489 der Stadt Villingen die Feier eines stellvertretenden römischen Jubeljahrs gewährt. Soweit ich sehe, wird dieses Ereignis in keiner anderen Quelle erwähnt. Trotz dieses Umstands und obgleich das Jahr (keineswegs ein „rundes“) und der Ort für ein derartiges Ereignis ungewöhnlich und überraschend erscheinen mögen, waren solche Anlässe dennoch alltäglich und beliebt: In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts, und schon zuvor, suchten eine Reihe von Städten um die Erlaubnis nach, das römische Jubeljahr bei sich zu feiern. Beispiele sind Augsburg und Ulm 1451, Erfurt 1488, Nürnberg 1489 sowie Hamburg und Lübeck 1503.
Der mittelalterliche Baubestand Villingens ist seit mehr als drei Jahrzehnten Gegenstand baugeschichtlicher Untersuchungen und durch den Verfasser in verschiedenen Beiträgen thematisiert worden. Im Vordergrund standen dabei Analysen zu Bau- und Nutzungsstrukturen der ältesten Bürgerhäuser und deren bauliche Einbindung in das städtische Siedlungsgefüge. Dabei war es von Anfang an das Bestreben, die erzielten Ergebnisse durch dendrochronologische Untersuchungen zeitlich zu schichten, um über das so gewonnene Datierungsraster von absolut datierten Bauphasen vergleichbare, aber nicht datierte Befunde bzw. Bauzustände relativ sicher einordnen zu können.
Es war im Februar 2018, als ich folgende Mail erhielt: „Sehr geehrte Damen und Herren, mein Name ist Lotem Pinchover und ich bin Ph. D. Kandidatin der mittelalterlichen Kunstgeschichte an der Hebräischen Universität von Jerusalem, Israel (…). Ich schreibe meine Dissertation über mittelalterliche künstlerische Darstellungen von Jerusalem in deutschen Nonnenklöstern. Ich habe die interessante Geschichte des Bickenklosters und der Ablasstafeln kennen gelernt, und es machte mich sehr neugierig. Im April dieses Jahres beabsichtige ich, Deutschland zu besuchen, und ich würde gerne die Gebäude des ehemaligen Klosters besichtigen. Ist es möglich, das mittelalterliche Klostergebäude zu besuchen? (…)“