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Der Aufstieg der Kahns zu einer großbürgerlichen Familie erfolgte ziemlich genau in zeitlicher Parallelität zur politischen und gesellschaftlichen Emanzipation der Juden im badischen Staat zu Beginn und in der Mitte des 19. Jahrhunderts. Bis dahin
besaßen die Juden lediglich den Status von Schutzbürgern, die als geduldete Untertanen der Willkür ihres Schutzherrn auf Gedeih und Verderb ausgeliefert waren. Da ihnen der Erwerb von Grundbesitz und die Betätigung in der Landwirtschaft sowie
in den meisten handwerklichen Berufen in aller Regel untersagt war, mussten sie - abgesehen von einer kleinen, städtischen Oberschicht, die zu Wohlstand gekommen war - ihr Dasein mit armseligem Schacherhandel bestreiten. Alleine die bedauernswerten Umstände, unter denen der Großteil der jüdischen Bevölkerung lebte und litt, zwangen zu politischem Handeln.
Im Jahre 1962 veröffentlichte das Journal
,L'Arche’, das Presseorgan der in Frankreich lebenden Juden, ein außerordentlich
langes Gedicht unter dem Titel ,Stebbach -
Eppingen im Land’. Sein Autor: Emmanuel
Eydoux.
Ungewöhnlich daran war nicht nur, dass
dieser Text, der eher einer Erzählung in
Strophenform als einem Gedicht glich, in
einer französischen Zeitung und in französischer Sprache publiziert wurde, sondern
auch, dass sein Verfasser sich mit den örtlichen Gegebenheiten und manchen familiären Verhältnissen in Stebbach ganz gut
auszukennen schien. Obwohl niemand im
Dorf den Namen Emmanuel Eydoux jemals
gehört hatte, war eines aber bald klar: Ein
Ortsfremder konnte das Gedicht nicht
geschrieben haben! War man in der Lage,
es zu übersetzen, so ergaben sich schnell
konkrete Hinweise, dass sich hinter dem
Pseudonym Emmanuel Eydoux der französische Philosoph und Schriftsteller
deutsch-jüdischer Herkunft Roger Emmanuel Eisinger verbarg.
Im August 1878 verfasste der ‚obrigkeitlich entlassene Bürgermeister‘
Adolf Heinrich Raußmüller ein Gutachten, dessen Grundlagen die älteste
Urkunde über die Verleihung der
Stadtrechte an Eppingen von 1303,
die Urkunden über den Erwerb von
Mühlbach von 1365 und 1372, Dokumente über die Waldteilung zwischen
Eppingen und Kleingartach sowie die
schriftlich niedergelegten Privilegien
der Stadt Eppingen gewesen sein
müssen „so derselben von Ihrer Kurfürstlichen Durchlaucht Herr Karl
Theodor, Pfalzgraf bei Rhein und Herzog in Ober- und Niederbayern … unterm 10. Oktober 1781 gnädigst
ertheilet worden.“ Der Verfasser nennt
weder den Anlass noch den Adressaten
bzw. Auftraggeber des Gutachtens,
doch der Inhalt lässt keinen Zweifel
aufkommen: Das ‚Gutachten‘ beschäftigt sich mit den althergebrachten
Nutzungsrechten am Eppinger Wald
und sollte vermutlich der Klärung noch
offener Fragen dienen.
Harte Arbeit und Ausdauer, Durchsetzungskraft, Beharrungsvermögen und Leidensfähigkeit, ein fester Glaube gepaart mit einem ausgeprägten Sendungsbewusstsein, ein klares Bekenntnis zum menschlichen Miteinander, Zivilcourage und eine
gehörige Portion Eigensinn kennzeichnen Leben und Wirken des Missionars, Seelsorgers und Pfarrers Christian Günther. Trotz jahrelang erduldeter härtester beruflicher und psychischer Belastungen führte dieser leutselige Mann seine
Kirchengemeinde Gemmingen durch die schweren Jahre des Dritten Reiches und widerstand unbeugsam, unbeirrbar und unerschütterlich der Versuchung, dem enormen Druck der damaligen Machthaber nachzugeben, ein mit der nationalsozialistischen Weltanschauung verbundenes Christentum als neue, germanisch-christliche Heilsbotschaft zu verkünden.
Steigt man am Eppinger Bahnhof in den Personenzug Richtung Sinsheim, so
kommt man nach nur wenigen Kilometern Fahrt auf der Strecke durch das obere
Elsenztal an einem stillgelegten Bahnhof vorbei. Schon lange hält hier kein Zug
mehr und es ist schon Jahrzehnte her, dass Fahrgäste zusteigen konnten. Das Gebäude,
so zeigt es die in Stein gemeißelte Zahl, wurde 1900 erbaut und trägt auf den
dem Schienenstrang zugewandten Seiten den Schriftzug „Stebbach", der einem
Fahrgast den Hinweis geben könnte, dass er sich nun im gleichnamigen Kraichgaudorf
befände. Ein ortsunkundiger Reisender müsste sich aber verwundert fragen,
wo denn überhaupt das Dorf sei, auf das in großen Lettern hingewiesen wird. Entlang
der Bahnstrecke wird er es nicht finden, denn Stebbach liegt ungefähr zwei
Kilometer entfernt von seiner ehemaligen Bahnstation.
Jung und Alt im Spiel
(2015)
Die Welt? Ein Kind beim Spiel, die Brettsteine setzend.
Heraklit (500 v.Chr.)
Was können Jung und Alt heutzutage noch miteinander anfang~_n? Das beschäftigt
die Alter(n)sforschung seit geraumer Zeit. Die Zunahme der Altesten in unserer
Gesellschaft ist das stärkste Merkmal des demografischen Wandels, andere Zeichen
sind die niedrige Geburtenrate und die Segregation von Menschen verschiedener
Lebensalter, das Auseinanderdriften von Generationen im verlängerten Leben.
Neu ist die Veränderung des demografischen Wandels durch Flucht- und Arbeitsmigration,
die momentan schwer einzuschätzen ist.
Das Institut für Gerontologie der Universität Heidelberg verfolgt unter der Leitung
von Prof. Dr. Dr. Andreas Kruse den Ansatz, Zugehörigkeit und Mitverantwortung
im hohen Alter zu fördern. Dies soll durch die Entwicklung sozialer Praxiskonzepte
zur Stärkung der Teilhabe älterer Menschen beschleunigt werden.
Im Geschichts- und Heimatverein Villingen gibt
es einen Arbeitskreis Innenstadt, der sich schon
seit vielen Jahren besonders für den Bereich der
historischen Innenstadt intensiv mit Fragen der
Stadtbild- und Denkmalpflege, des Ensembleschutzes aber auch mit Problemen zeitbedingter
Funktionen und Bedürfnisse und deren behutsamer Einbindung in die gewachsene Substanz
befasst und dazu Vorschläge und Initiativen er -
arbeitet. Dem Arbeitskreis gehören vorwiegend
Architekten an, da gerade das Arbeitsfeld des
Architekten immer wieder mit diesen Fragen und
Problemen zu tun hat.
Ende des 16. Jahrhunderts begannen intensive und bis in die Mitte des 17. Jahrhunderts dauernde Beziehungen der Villinger Benediktiner zu der Jesuitenuniversität in Dillingen an der Donau. Der bis dahin ziemlich heruntergekommene Villinger Konvent entwickelte sich nun stetig im Sinne der gegenreformatorischen Erneuerung mit strengen Regeln zu einer starken Ordensgemeinschaft, die sich bald erfolgreich mit Seelsorge, Lehrtätigkeit und Einflussnahme in das politisch-bürgerliche
Leben nach außen öffnete.
"Glockenspiel für Villingen"
(2009)
Es war schon ein ganz besonderer Höhepunkt als Abschluss des Festjahres der 1000-Jahr-Feier zur Verleihung des Markt- und Münzrechts an Villingen: Am 25. September 1999 wurde mit einem spektakulären Guss mehrerer Bronzeglocken auf dem Münsterplatz der über 375 Jahre in Villingen wirkenden Glockengießerdynastie Reble/Grüninger die angemessene Referenz erwiesen.
1580 gründete der 1552 in Villingen geborene Hans Reble (auch Rebele oder Raeblin) eine Glockengießerei. Er goss 1601 die einst berühmte große Glocke des Münsters zur Erinnerung an die über 2.000 Pest-Toten des Jahres 1592. Leider wurde sie 1908/09 zum Umguss für ein neues Geläut eingeschmolzen. Der 1624 geborene Johann Joachim Grieninger, Sohn des Hammerschmieds Veit Grieninger, heiratete 1645 die verwitwete Tochter seines Meisters Christoph Reble, von dem er im gleichen Jahr die Gießerei übernahm, die er dann 1676 seinem Sohn Matthäus Grieninger übergab. Die Glockengießerei war ununterbrochen im Besitz der Familie Grieninger (später Grüninger), bis sie 1948 von Villingen nach Strass bei Neu-Ulm umsiedelte.
Das Stift Oberstenfeld
(2000)
Das Oberstenfelder Ortsbild ist bis zum heutigen Tag geprägt durch zwei unmittelbar nebeneinander stehende Kirchen. Die kleinere ist die Dorf- oder Fleckenkirche zu St. Gallus, die im Wesentlichen aus dem 18. Jahrhundert stammt; die
größere ist die Stiftskirche, die Johannes dem Täufer geweiht ist, eine der bedeutenderen romanischen Kirchen unseres Landes. Ihr heutiges Erscheinungsbild
verdankt die Stiftskirche einer durchgreifenden Renovierung am Ende des
19. Jahrhunderts. Hinsichtlich ihrer Entstehung unterscheidet man zwei Bauphasen. Es wird angenommen, dass die Krypta als ältester Bauteil im 11. Jahrhundert
entstanden ist, während die Kirche insgesamt in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts erbaut wurde und vermutlich das Werk einer Maulbronner Bauhütte ist. Zur
Stiftskirche gehört das Stiftsgebäude, ein barocker zweiflügeliger Bau auf der Südseite der Kirche, der mit deren Westchor verbunden ist. Weitere baugeschichtliche
Erkenntnisse wurden 1990 bei den Ausschachtungsarbeiten beim Bau eines Pflegeheims im angrenzenden Stiftsgarten erwartet, doch hat die Fundamentierung
offenbar keine archäologisch verwertbaren Aufschlüsse ergeben. Schon früher
sind jedoch in diesem Bereich Reste eines Kreuzgangs gefunden worden.
Wenn wir versuchen, uns um 1200 Jahre zurückzudenken, treffen wir auf eine völlig andere Welt. Im Jahre 819, im
sechsten Regierungsjahr des Kaisers Ludwig des Frommen (814–840), des Sohns und Nachfolgers Karls des Großen, war die
Welt anders als die unsrige, nicht nur hinsichtlich der technischen Möglichkeiten, die sich in den letzten zwei Jahrhunderten besonders schnell verändert haben. Vielmehr herrschten damals auch andere staatliche, verfassungsmäßige und rechtliche Verhältnisse, insbesondere hinsichtlich der Rechte des Einzelnen. Diese Andersartigkeit können wir hier nicht darstellen, sondern lediglich anzudeuten versuchen. Zunächst ist aber zu fragen, warum Asperg nur 1200 Jahre alt sein soll. Ist der Ort
auf dem Berg nicht älter? Die vielbeachtete Keltenausstellung, die 2008 hier gezeigt worden ist, hat doch belegt, dass der Berg schon vor mehr als zweieinhalb Jahrtausenden besiedelt war. Zeugen dafür sind die Grabstätten der Keltenfürsten: das Kleinaspergle, der Grafenbühl, der rekonstruierte Grabhügel von Hochdorf und die anderen. Von jedem dieser Grabhügel ergibt sich eine Sichtbeziehung zum Asperg. Schon deswegen kann kein Zweifel daran sein, dass die hier Begrabenen einst auf dem Asperg residierten. Es muss zudem ausreichend Leute gegeben haben, die diese Grabhügel in wochen-, wahrscheinlich aber monatelanger Arbeit aufschütteten. Dies setzt eine gesellschaftliche Organisation voraus, über die man jedoch so gut wie nichts weiß, außer dass es gewiss oben und unten gegeben hat, also eine ständisch gegliederte Gesellschaftsstruktur.
Das Verlangen nach einer Reform der Kirche war schon vor 1517 zu verspüren.
Luthers 95 Thesen bildeten dann den Auslöser der nun folgenden Reformationsbewegung.
Wesentliche Voraussetzungen der Reformation sind in den Reformbewegungen des 15. Jahrhunderts zu suchen, die die Kirche ebenso betrafen, wie
das politische Leben und die Bildung. Überhaupt kann das 15. Jahrhundert als
Zeit der Reformen bezeichnet werden. Das heißt, dass der Reformbegriff bereits
geläufig war und es lediglich auf einer Übereinkunft der Historiker beruht, dass
wir einerseits von den Reformbewegungen des 15. Jahrhunderts reden, andererseits aber von der Reformation des 16. Jahrhunderts. Grundlegend für beide
Begriffe ist das lateinische Wort »reformatio«, das so viel wie Wiederherstellung
oder Erneuerung bedeutet.
Die Kirchenbücher im Herzogtum Württemberg, dem größten Territorium
des nachmaligen Königreichs, dessen Gebiet bis zum heutigen Tag den größten
Teil der Landeskirche bildet, gehen auf das Jahr 1557/58 zurück. [1] In der Visi -
tationsordnung vom 2. Februar 1557 wurde von Herzog Christoph die Führung von Taufbüchern angeordnet. [2] Diese werden auch in der 1559 erschie -
nenen Großen Württembergischen Kirchenordnung erwähnt, denn hier wird
den Visitatoren aufgetragen, den »Catalogum mit den getaufften Kindern« zu
überprüfen. [3] Im Gegensatz zur Einführung der Taufbücher [4] ist ein Erlass für
die Anlegung von Registern der Eheschließungen und Beerdigungen, also der
Führung von Ehe- und Totenbüchern, die alsbald nach den Taufbüchern beginnen, nicht bekannt. [5] In den meisten Fällen wurden diese drei ursprünglichen
Sparten der kirchlichen Register in einem Band eingetragen, der in kleinen
Gemeinden oft hundert und mehr Jahre seinem Zweck diente. Später wurden
dann für jedes der drei Register eigene Bände angelegt.
Im Jahre 1834 meldete ein Anonymus in der liberalen „Allgemeinen Kirchenzeitung“ aus Baden I. Kirchenverfassung betreffend. Die evangelisch-protestantische Kirche im Großherzogthume Baden hat durch die Union vom Jahre 1821 unstreitig mehrere bedeutende Vorzüge in ihrer Organisation erhalten. Das Luthertum hat […] in der Kirchenverfassung mehr Monarchisches, Dogmatisches, Stabiles, die reformirte Kirche, besonders nach Zwingli, ist als mehr republikanisch,
dem Praktischen und Fortschreiten durch subjective Vervollkommnung geneigter zu charakterisiren. Die badische Unionsurkunde hat aus den beiderlei Eigenthümlichkeiten, mit Vermeidung der hierodespotischen Tendenz des Calvinismus, vieles Gute vereinigt, und besonders der Kirche, als einer vom Staate beschützten und daher inspicirten, aber sich doch selbst nach ihren inneren Zwecken regulirenden Gesellschaft, ihre statuarische Autonomie durch repräsentative liberale, aber auch gegen Uebertreibungen bewahrte Institutionen gesichert. Eine kurze Analyse dieses Textes aus der Feder eines zweifellos freisinnigen Korrespondenten mag in das Thema einführen. Das Luthertum – so der Anonymus – vertrat ein monarchisches, man kann wohl interpretieren: tendenziell hierarchisches Prinzip, das freilich Stabilität verbürgte. Das Reformiertentum war zweifach vertreten, zunächst durch die historisch-städtisch, d. h. kommunalistische Prägung der Zürcher Reformation Zwinglis (der Korrespondent sprach von Republik!), in der er das liberale Prinzip glücklich wieder fand: nämlich praktisches Fortschreiten in subjektiver Vervollkommnung; also ein Moment der Dynamik. Schlecht kam freilich der Calvinismus weg. Mit der Apostrophierung als „Priesterherrschaft“ (Hierodespotie) war er erledigt.
Reformation und Politik
(2015)
Kirchenhistorische Zugänge oder Einführungen werden oft als hilfreich empfunden, da sie die theologischen oder politischen Fragen, die erörtert werden sollen, in ihren geschichtlichen Zusammenhang einordnen. Und dann freut sich der Kirchenhistoriker. Es kann sich aber auch ganz anders verhalten: Dann, wenn historisch zunächst ein Rahmen zu beschreiten und zu beschreiben ist, der uns zeigt, wie weit wir heute von den Problemen anderer, früherer Zeiten entfernt sind. Wenn wir also auf Luthers Spuren ein Problem verfolgen wollen und als erstes erkennen, dass diese Spuren bald 500 Jahre alt sind.
Es gibt dann drei Möglichkeiten: Die erste: Wir verneigen uns tief vor Luther und seinen Anschauungen und übertragen diese direkt in unsere Zeit – und stellen dann mit Verwunderung fest, dass niemand heutzutage solches noch für aktuell ansieht. Die zweite Möglichkeit: Wir verneigen uns vielleicht noch tiefer vor Luther und seinen Anschauungen, um dann selbst festzustellen, dass diese zwar interessant seien, aber für die Gegenwart wohl doch keinerlei Bedeutung haben. Und die dritte Möglichkeit (die ich diese favorisiere) ist die: Luther aus seiner Geschichte und Wirkung verstehen; und dann prüfen, ob seine Kriterien politischen Handelns für uns einen inneren Anspruch auf Geltung erheben dürfen oder gar müssen.
Im Jahre 1913 – also noch zu Zeiten der formalen Geltung des landesherrlichen Kirchenregiments in Baden – definierte die RGG (in erster Aufl.) den Begriff „als ein(en) wenig glücklich(en) Ausdruck für die Sonderstellung, die in den deutschen ev. Landeskirchen der Landesherr als Kirchenglied einnimmt. Als Summepiscopus (= Erster oder Oberbischof) ist der Landesherr Träger des *Kirchenregiments […]; über die Ableitung dieses Rechtes vgl. *Episcopalismus […], *Territorialismus, *Kollegialismus. Ueber die Bedeutung und den Wert dieser Stellung des Landesherrn vgl. *Landesherrliches Kirchenregiment […]“ Damit sind bereits zwei Erkenntnisse gewonnen: erstens geht es um die kirchenverfassungsmäßige Sonderstellung des Fürsten in der evangelischen Kirche; und zweitens ist der diese bezeichnende Begriff als „wenig glücklich“. Zwar verrät der
Verfasser (Förster) nicht, warum die Begrifflichkeit ihn unglücklich stimmt, aber vielleicht nahmen wir eben schon beim Hören an seinem Unglück Anteil, wenn wir den ganzen Verweiskatalog auf die staatskirchenrechtlichen Begriffe zur Kenntnis
nahmen, die manchen unter uns im Laufe des zweiten theologischen Examens zum ersten und vielfach auch letzten Mal im Fach Kirchenrecht vor Augen getreten sind. Wie war das noch mit Episkopalismus, Territorialismus und Kollegialismus?
Nun möchte ich Ihnen sogleich diese Sorge nehmen, dass wir in diesem Kurzvortrag den Begriffskatalog abarbeiten könnten. Dazu fehlt uns die Zeit und es soll ja um die badischen Verhältnisse gehen. Zugleich muss uns klar sein, dass Begriff und
Wesen des Summepiskopates nicht isoliert zu entwickeln sind, sondern historische Voraussetzungen und Niederschläge kennen, die anhand ausgewählter Stationen der badischen Kirchengeschichte beschrieben werden sollen.
Am 5. Dezember 2012 ist hier in Spöck des 150. Todestages Aloys Henhöfers gedacht worden. Und heute, am Sonntag und zweiten Advent vor 150 Jahren, ist der Pfarrer und Theologe der Erweckung von seiner Gemeinde zu Grabe getragen worden. Wer war dieser Aloys Henhöfer? Evangelischer Pfarrer und vormals katholischer Priester, wissen die einen. Ein gläubiger Mensch, ein Erweckter oder „Pietist“, wie es damals hieß, wissen die andern. Und wieder andere wissen von dem volksnahen Mann zu erzählen, der Groß und Klein, Hoch und Einfach ins Gewissen reden konnte. In der Tat ist Henhöfer ein Mann gewesen, von dem man Beeindruckendes erzählen konnte, wahre Geschichten und auch Legenden, jedenfalls Geschichten, in denen man nicht nur erfuhr, wie sich seine Lebensgeschichte zugetragen hat, sondern auch, wie
ein Mensch seine persönliche Geschichte in die Führungen Gottes einzeichnen konnte. Wer war Aloys Henhöfer? Die Überschrift dieses Vortrages will es schon zum Ausdruck bringen: Mutiger Bekenner und Prediger des lauteren Evangeliums. Mutig also war er und hat gelernt, seinen Glauben auf das Bekenntnis des Augsburger Reichstags von 1530 zu beziehen und zur Geltung zu bringen. Ein begnadeter Prediger war er, der Scharen von Auswärtigen zu seinen Gottesdiensten zog. Und schließlich war er ein Lehrer des Evangeliums, sicherlich in dem ihn prägenden Verständnis aus der ihm widerfahrenen Erweckung. Zum väterlichen Lehrer wurde er an seinen Vikaren, die die Frömmigkeit der Erweckung zu einer Bewegung innerhalb der Landeskirche werden ließ, die bis heute spürbar ist in der Diakonie bzw. Inneren Mission, dem AB-Verein oder auch einfach in der Prägung der Gemeinden in der Hardt, im mittelbadischen Ried oder auch im Kraichgau.
Am Sonntag, den 31. Oktober 1909, morgens um 11 Uhr, also am Reformationstag und also fünf Jahre vor Ausbruch des Ersten und 30 Jahre vor Ausbruch des Zweiten Weltkriegs bot sich in der Heidelberger Peterskirche ein merkwürdiges und zugleich bedrückendes Schauspiel: der akademische Trauergottesdienst für die Theologen Adolf Hausrath († 2. August), Adalbert Merx († 4. August) und Heinrich Bassermann († 29. August). Mit ihnen verabschiedete sich ein erheblicher Teil der prägenden Theologen, die nach der Krise der Fakultät in den 1870er Jahren den liberalen Ruf der Heidelberger Theologie hatten begründen helfen; liberal und fürstlich hochdekoriert, und (insbesondere Hausrath) von einer preußenkritischen zu einer propreußisch-nationalen Option sich durchringend. Vor allem Bassermann und Hausrath gehörten dabei durch Geburt oder Heirat Milieus an, die mit Kriegsbeginn zerbrachen. Die nationalliberale Bindung war das eine, die am Handel orientierte und kosmopolitische Herkunft ein anderes. Man denke nur – jetzt erneut Hausrath als Beispiel genommen
– an die Familienbeziehungen des Theologen zu den Familien Weber oder auch Baumgarten. Nun war Max Weber kein Theologe und der mit ihm verbundene Ernst Troeltsch Theologe nur bis 1915, und der dem gleichen Dunstkreis entsprungene badische Theologe Otto Baumgarten – auch er sprach 1915 vom Krieg als Erneuerung und Wiedergeburt des deutschen Volkes – wirkte in Kiel. Das vielleicht aufreizende „name dropping“ soll ein methodisches Problem spiegeln, nämlich: Auch die im Folgenden zu nennenden Heidelberger Theologen standen als Individuen in weiten und weiteren Kontexten, die keineswegs innerhalb des Vortrags erhellt werden können. Und sie standen in Kontexten, die wohl wirkmächtiger waren als das Biotop Theologische Fakultät.
Es ist in erster Linie dem Jubiläum geschuldet, dass wir uns heute an Luthers Heidelberger Disputation erinnern lassen. Dass wir dies als badischer Verein tun, bedeutet zugleich einen Anachronismus der Betrachtung einer im Jahre 1518 gar nicht badischen Stadt – der Übergang an Baden vollzog sich erst 1802/03 –, sondern eben der kurpfälzischen Residenz Heidelberg. Aber auch hier droht eine irrige Annahme. Denn Luthers Weg nach Heidelberg ist ja gar nicht dem kurpfälzischen Hof geschuldet gewesen, sondern Angelegenheiten seines Ordens. Dennoch – die Ausstrahlung der Disputation auf den Südwesten ist ja kein Zufall – können wir als erstes zur Kenntnis nehmen: Soweit südwestlich ist Luther in seinem ganzen Leben nur noch einmal drei Jahre später zum Reichstag nach Worms nicht gekommen, wenn man so will: „badischer“ wurde er nie. Die sachliche Bedeutung der Heidelberger Disputation ist freilich eine, die uns weder badisch noch kleinräumig denken lassen kann. Blenden wir ins Jahr 1518, so blicken wir nicht nur innerhalb der Biographie Luthers auf eines der wichtigsten Jahre des frühen Reformation, und zwar auf ein Jahr mit zwei Eckpunkten, nämlich im Oktober das Augsburger Gespräch mit Thomas de Vio aus Gaeta (Cajetan, 1469–1534) – und im Frühjahr eben die Heidelberger Disputation. Und sich an sie zu erinnern liegt vor allem daran, dass Luthers Disputation eine im Vorfeld nicht zu ahnende oder gar zu erwartende Wirkungsgeschichte entfalten sollte.
Wer, meine sehr verehrten Damen und Herrn, durch ein Kaleidoskop blickt, erblickt viele Bilder, genauer: ein Bild in vielfach gebrochenen Formen, freilich so, dass sich daraus eben ein Anblick von vielen, schönen und bunten Formen erschließt. Und eben dies ist mein Anliegen: Ihnen im gesprochenen Wort ein paar wenige historische Bilder vor Augen zu malen. Ob sich daraus ein Bild ergibt? Ich weiß es nicht. Aber der Bezugspunkt ist klar. Es ist der evangelische Gottesdienst in der Schlosskapelle bzw. -kirche und dessen 150. Jubiläum.