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Adressbücher sind Abbreviaturen, in denen auf denkbar rationellste Weise Gesellschaft en Wissen von sich selbst organisieren. Es wiegt 1700 Gramm, umfasst 1208 Seiten, weist einen festen Einband im Format ca. 30 × 21 cm auf und kostet 54 Euro: das Adressbuch der Stadt Karlsruhe 2012 mit Wegweiser durch Karlsruhe. Dem elektronischen Trend trotzend hat der Braun Telefonbuchverlag an der Tradition festgehalten und auch in diesem Jahr wieder einen neuen Jahrgang dieses (ge)wichtigen Nachschlagewerks in gedruckter Form auf den Markt gebracht. Nahezu zeitgleich hat die Badische Landesbibliothek weit über einhundert alte Jahrgänge des Adressbuchs digitalisiert und für jeden frei zugänglich ins Internet gestellt. Beide Ereignisse sind Anlass genug, einen kurzen Rückblick auf die Entwicklung des Karlsruher Adressbuches zu werfen.
„Man thut dem Hofe sehr unrecht, wenn man ihn einer allzustarken Sparsamkeit beschuldiget“, bemerkte 1784 der brandenburgische Historiker Philipp Wilhelm Gercken nach seinem Besuch in Karlsruhe; Anlass zu diesem Gerücht, so meinte er, habe wohl die Mutter des Fürsten gegeben, „die, bey dem Anfall des Baden Badenschen Landes, die zugleich mitgeerbte enorme Schuldenlast klüglich zu mindern suchte und daher die Sparsamkeit einführte, ohne die der ganze Staat vielleicht zu Grunde gegangen wäre“. Ob der Vorwurf der „allzustarken Sparsamkeit“ in seiner Pauschalität zutrifft, soll hier nicht entschieden werden. Das Motiv der Sparsamkeit drängt sich freilich auf, wenn man beide Hofbibliotheken, die annähernd zu
gleicher Zeit erbaut worden sind, miteinander vergleicht, erst recht, wenn man die beiden Schlösser in die Betrachtung einbezieht: Die Anlage des Karlsruher Schlosses ist wahrlich gegenüber der Dimension in Mannheim „bescheiden“.
Das Adjektiv „bescheiden“ trifft leider aber auch auf die Quellenlage zur Karlsruher Hofbibliothek zu. Zwar gibt es auch über die Mannheimer Hofbibliothek keine monographische Gesamtdarstellung, doch mangelt es insgesamt nicht an Literatur über das Schloss und die Schlossbibliothek. Anders in Karlsruhe, wo keine moderne Baugeschichte des Schlosses, geschweige denn eine Geschichte der Schlossbibliothek existiert. Das gilt auch für das vorhandene Bildmaterial: Beide Schlossbibliotheken existieren heute nicht mehr, beide Schlösser wurden 1944 zerstört, aber vom Mannheimer Bibliothekssaal sind immerhin Vorkriegsaufnahmen erhalten.
Ohne Parallele in der nunmehr 50-jährigen Geschichte der Badischen Bibliotheksgesellschaft ist jener kulturpolitische Eklat, der im September 2006 als badischer ,,Handschriftenstreit" begann und sich in den darauffolgenden Monaten zum baden-württembergischen „Kulturgüterstreit" auswuchs. Er begann just in jenem Jahr, als die Badische Bibliotheksgesellschaft (BBG) ihr 40-jährigesJubiläum mit einer
Ausstellung beging, in der neben sonstigen eindrucksvollen Erwerbungen, die mit Unterstützung der BBG erworben worden waren, einige Handschriften gezeigt wurden. In der als Begleitheft zu dieser Ausstellung veröffentlichten Jubiläumsschrift würdigte das Ministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst die „bleibenden Verdienste" der BBG „beim Erwerb von Handschriften, Inkunabeln und alten Drucken".1 All dies geschah freilich im Mai 2006, als niemand etwas von den Ereignissen vier Monate später ahnte. Der Handschriftenstreit liegt inzwischen ein Jahrzehnt zurück, so dass es gerechtfertigt erscheint, seine Hintergründe und
seinen Verlauf ins Gedächtnis zu rufen.
Digital stöbern
(2016)
Es ist nicht das einzige, aber das vielleicht nachhaltigste Geschenk gewesen, das die Badische Landesbibliothek der Stadt Karlsruhe zu ihrem 300. Geburtstag gemacht hat: weit mehr als 900 000 Karlsruher Zeitungsseiten wurden im August 2015 frei ins Netz gestellt; weitere 50 000 Seiten folgen im Jahr 2016. Sie bieten seitdem jeder Bürgerin und jedem Bürger der Stadt, aber natürlich auch allen Interessenten weltweit, eine attraktive Fundgrube für Nachrichten über lokale und regionale, nationale und internationale Ereignisse, die einstmals eine Zeitungsmeldung für Wert befunden worden waren. Dies wird im Artikel an drei Beispielen illustriert.
Schifffahrt auf dem Bodensee
(2020)
Schon Funde aus der Jungsteinzeit belegen, dass auf dem Bodensee Schifffahrt betrieben wurde. Die Römer bauten in Brigantium (Bregenz) einen Hafen und stationierten dort ihre Bodenseeflotte. Im frühen Mittelalter reisten Wandermönche wie Kolumban und Gallus oder Bischöfe wie Gebhard II. von Bregenz per Schiff von einem Ende des Sees zum anderen. Neben Personen transportierten die Schiffer vor allem Wein und Getreide sowie Waren aller Art von einem Ufer zum anderen. Während Kaiser Friedrich Barbarossa 1158 auf dem Reichstag von Roncaglia mit dem Wasserregal die Schifffahrt auf Flüssen zum königlichen Recht erklärte und damit für die Nutzung der Flüsse Abgaben einhob, bestätigte er 1179 den Schiffern auf dem Bodensee ihr hergebrachtes Recht, sich auf dem See frei zu bewegen. In den kommenden Jahrzehnten beanspruchten aber lokale Herren dieses Recht für sich. Herrscherfamilien wie die Staufer, die Grafen von Montfort oder Pfullendorf sowie Klöster wie St. Gallen und Salem und Reichsstädte legten immer öfter fest, wer das Privileg hatte, in ihrem Herrschaftsgebiet Waren zu befördern, um so Abgaben zu generieren. Jeder Landesherr legte fest, wer im eigenen Herrschaftsgebiet Waren anlanden bzw. übernehmen durfte und welche Bestimmungen zum Schutz der eigenen Wirtschaft galten. So überließ Herzog Philipp von Schwaben um 1206 dem Konstanzer Bischof Diethelm die freie Schifffahrt.
In der einst vorderösterreichischen Stadt Waldshut pflegten die Bürger schon in vergangenen Jahrhunderten ein reges Kunst- und Kulturleben. Dies trat bei den neuesten Forschungen zur Stadtgeschichte zutage. So läßt sich heute berichten, daß zwischen dem 17. und 19. Jahrhundert zwölf Geigenbauer noch heute vorhandene Instrumente schufen und während über 150 Jahre eine Glockengießerei wirkte, deren Erzeugnisse noch derzeit in vielen Kirchen des Landes die Gläubigen zum
Gebet rufen. 2 Bisher unbekannt gewesene Altarbauer und Bildschnitzer hinterließen uns herausragende Werke, Orgelbauer waren bis über die Landesgrenze hinaus gefragt, und umfangreiche Arbeiten von Waldshuter Kirchenmalern lassen sich nun auflisten. Dazu sind vom Waldshuter Baumeister Ferdinand Weitzenegger, einem Schüler des berühmten
Deutschordensbaumeisters Johann Caspar Bagnato, beachtliche Kirchen- und Profanbauten in der Region nachzuweisen. Schon weit zurück spielte man Theater, feierte historische und kirchliche Feste und sorgte für den Erhalt von Fasnachts- und anderen Bräuchen. 1562 bestand schon ein „Tanzhaus“.
Moltkestraße 18
(2015)
Die vom Jugendstil geprägte Moltkestraße ist ein wichtiges städtebauliches Ensemble neben der ehemaligen fürstenbergischen Residenzstadt aus dem 18. und 19. Jahrhundert und der nach dem Großbrand im Jahre 1908 wieder aufgebauten bürgerlichen Stadt im Umfeld von Rathaus und Karlstraße. Das Bewusstsein für die Besonderheit dieses Viertels wurde zwar schon vor 25 Jahren durch eine städtebauliche Ausstellung im Zuge des 1100-jährigen Stadtjubiläums wieder erweckt. Doch erst 2004 hat die Stadtverwaltung eine Satzung zum Denkmal-Ensembleschutz der bürgerlichen Stadtbereiche – das Ensemble der Residenzstadt steht schon länger unter Ensembleschutz – mit entsprechenden Gestaltungsauflagen verabschiedet, nachdem in der Rosenstraße ein Haus aus dem Wiederaufbau-Projekt nach dem Brand akut von Abbruch-Absichten gefährdet war. Dieser Schutz kommt eigentlich 50 Jahre zu spät, denn viele Häuser haben bereits erheblich gelitten durch den Austausch von Fenstern, Fensterläden und Türen, den Einbau und Anbau unpassender Bauelemente, Fassadenverkleidungen usw. Am Beispiel des Gebäudes Moltkestraße 18, eines charakteristischen Wohnhauses, das über den Ensembleschutz hinaus auch als Einzelobjekt unter Denkmalschutz steht, soll im Folgenden dargestellt werden, welchen Gewinn das Stadtbild und im engeren Bereich das Straßenbild mit einer denkmalgerechten
Renovierung erfahren kann.
Im Rahmen der Heimattage präsentierte die Stadt Bräunlingen im Frühjahr 2012
in ihrem Kelnhof-Museum eine Ausstellung mit Werken von Guido Schreiber. Schon
im Jahr 1994 wurden in Donaueschingen in der Donauhalle Bilder von Guido
Schreiber ausgestellt. Auch in Villingen und Bad Dürrheim, einmal abgesehen von
anderen, weiter entfernten Orten der Baar, liefen damals Ausstellungen über das
Werk von Guido Schreiber. Schaut man etwas weiter zurück in die Vergangenheit
und blättert in jenem legendären Sonderband der Kulturzeitschrift Badische
Heimat mit dem Titel Die Baar aus dem Jahre 1938, so begegnet man im letzten
Kapitel einer Reihe von Federzeichnungen von diesem Guido Schreiber. Im Aufsatz
Stadt- und Dorfschaften der Baar von EMIL BAADER illustrieren die Zeichnungen
die Schilderung einer Reihe von Spaziergängen durch die vielen unterschiedlich
strukturierten Bereiche der Baar. Wer ist nun dieser Guido Schreiber und was hat
er mit unserer Baarlandschaft zu tun?
In einem abgelegenen, von verwildertem Unterwuchs, dichtem Laub- und Nadelholz besiedelten Wäldchen auf dem Schützenberg in Donaueschingen trat vor einigen Jahren ein schon seit Jahrzehnten verlassenes Gebäude in mittlerweile beklagenswertem Zustand ans Licht der Donaueschinger Öffentlichkeit. Das abgelegene Wäldchen war Bestandteil der für die „Bebauung Bühlstraße" erworbenen Gesamtfläche, die zur Disposition stand, nachdem der dort benachbarte, am Ostabhang des Schützenberges zur Friedrich-Ebert-Straße gelegene landwirtschaftliche Betrieb im Hintergrund der markanten Gründerzeitvillen von seinem Besitzer aufgegeben worden war. Beispielhaft hatte die Stadtverwaltung einen Architektenwettbewerb für die Bebauung des gesamten Areals ausgeschrieben. Aus dem Wettbewerb war ein Konzept als 1. Preis hervorgegangen, das in dem sanft nach Osten abfallenden Hanggelände eine sogenannte „Quartiersbebauung" vorgeschlagen hatte, ein allmählich wieder ins Bewusstsein der Fachleute eingedrungenes traditionelles städtebauliches
Prinzip aus der Vergangenheit.
Aktueller Anlass dieser Ausarbeitung war die Auslagerung der wertvollsten Bestände der Gemäldegalerie in die unterirdischen Archive einer Kölner Spezialfirma im Oktober des Jahres 2000: der vorerst letzte Akt des Untergangs einer der bedeutendsten kulturgeschichtlichen Privatsammlungen im europäischen und internationalen Maßstab.
In der Goldgrubengasse bin ich geboren und aufgewachsen. Damals war die Gasse nicht - wie heute - gepflastert. Der Belag war eine einfache Sanddecke, und bei jedem Regenschauer bildeten sich Drecklachen (Wasserpfützen), in denen wir barfuß herumstampften. Bei Trockenheit konnten wir die Zeit mit „Kigelespiel“ = Murmeln vertreiben. Wollten wir aber die Habergeiß (Tanzknopf) pfitzen, gingen wir auf den Gehweg der Niederen Straße, der hatte schon einen glatten Belag.
Die Offenburger Stadtbefestigung wurde im Jahre 1689 im Verlauf des Pfälzischen Erbfolgekriegs von französischen Truppen
zerstört und nach zeitgenössischen Berichten bis auf die Fundamente niedergerissen. Überreste dieser Fundamente wurden
in der Vergangenheit schon mehrfach bei Tiefbauarbeiten gefunden.
Der Wieslocher Apotheker Johann Philipp Bronner steht am Anfang der Wissenschaft vom Weinbau, die er zwischen 1820 und 1850 etabliert hat. Es werden vor allem der Mensch und Wissenschaft ler aus der 1. Hälft e des 19. Jahrhunderts im Kontext seiner Zeit beleuchtet. Bronner steht exemplarisch für die Entwicklung der Naturwissenschaft en und ihrer Vertreter, welche sich mit der Geisteshaltung der Aufklärung auseinandergesetzt und konsequent angewandt haben. Aber auch der politische Bürger Bronner und seine Familie im Spannungsfeld der Standesgesellschaft zwischen Adel und den »niederen Ständen« im Vorfeld der badischen Revolution werden beschrieben. Die Historische Stadt-Apotheke Wiesloch ist das Vermächtnis Bronners am Ende seines Berufslebens.
Die Fahrt der Bertha Benz beleuchtet in einzigartiger Weise das eher versteckte Wirken einer emanzipierten Frau am Ende des 19. Jhdt. Ihr unbedingtes Vertrauen in Carl Benz und ihre Söhne, ihre unbeirrbare Zielorientierung durch alle Höhen und Tiefen eines Unternehmerlebens verdeutlichen ihre Verstrickung in die Entwicklung des Automobils. Daneben werden auch die Rahmenbedingungen der technischen Entwicklung des Motorenbaus dargestellt. Im Mittelpunkt steht aber die Suche nach einer Antwort auf die Frage, warum Bertha Benz die Fahrt überhaupt unternommen hat, die sie vernünftigerweise niemals hätte unternehmen dürfen.
Obwohl über einen Zeitraum von nahezu zwei Jahrhunderten nachzuzeichnen, ist die Geschichte der Erwerbungen von Abgüssen antiker Plastik durch das Haus Baden und des Fortbestandes dieser Sammlungen bislang kaum untersucht und nie zusammenhängend dargestellt worden. Auch die einzelnen Komplexe dieser Sammlungsgeschichte, die durch das Engagement des Hauses Baden wie durch einen roten Faden verbunden sind, gleichwohl aber auch für sich stehen könnten, haben zum Teil wenig Beachtung gefunden. So ist z. B. weitgehend unbekannt, dass auch Markgräfin Karoline Luise von Baden (1723–1783) in Karlsruhe eine eigene Abguss-Sammlung besaß. Und weitgehend in Vergessenheit geraten ist auch die Existenz einer Abguss-Sammlung im Mannheimer Schlossmuseum. Erweitert werden soll die Darstellung außerdem um die Anfänge der ersten Sammlung von Antikenabgüssen für die Karlsruher Zeichenakademie unter Markgraf Karl Friedrich von Baden (1728–1811).
Die heutige evangelische Friedenskirche in Kehl ist ursprünglich aJs Simultankirche für die evangelische und die katholische Kirchengemeinde
gebaut worden. 1847 fand die Grundsteinlegung statt, 1851 konnte der erste Gottesdienst in dem neu erbauten Gotteshaus gehalten werden. Im Juli
200 l wurde sein 150-jähriges Jubiläum gefeiert.
Die Geschichte dieser Kirche beginnt allerdings schon vor mehr als 200
Jahren und steht in engem Zusammenhang mit der Kehler Stadtgeschichte
und der Geschichte Badens. Das entscheidende Ereignis, das den Bau der
Simultankirche notwendig machte, war die Beschießung der Kehler Zitadelle durch französische Artillerie im September 1793, bei der auch die
Kirchen der Katholiken und Protestanten zerstört wurden.
Inzwischen, seit 1914, hat die katholische Kirchengemeinde ein eigenes
Gotteshaus, die Kirche St. Johannes Nepomuk, und die ehemalige Simultankirche im Zentrum der Stadt, die heutige Friedenskirche, befindet sich
im Besitz der evangelischen Gemeinde. Wie kam es nun zu der Einrichtung des Simultaneums in Kehl und welches waren die Gründe für seine
Auflösung? Vor welchem geschichtlichen Hintergrund spielte sich diese
Phase der Kehler Stadt- und Kirchengeschichte ab?
Nach der Wiedervereinigung der beiden Markgrafschaften Baden-Baden und Baden-Durlach im Jahre 1771 entwickelte sich Kehl durch Fördermaßnahmen des neuen Regenten, dem Markgrafen Karl Friedrich, zu einem blühenden Handelszentrum. Einen Höhepunkt dieser Entwicklung bildete die Verleihung der Stadtrechte am 24. August 1774. Mit den Koalitionskriegen ab 1792 wurde dieser Prozeß jedoch gestoppt. Es begann eine Phase der mehrmaligen Besetzung und Zerstörung von Dorf und Stadt Kehl, die 1815 mit der Schleifung der Festung endete.
Der „Kehler Altar"
(2002)
Vom 29.9.2001 bis zum 3.2.2002 fand in der Staatlichen Kunsthalle und
dem Badischen Landesmuseum in Karlsruhe die Große Landesausstellung
Baden-Württemberg „Spätmittelalter am Oberrhein" statt. Im Rahmen djeser Ausstellung wurden in der Staatlichen Kunsthalle auch zwei spätgotische Altarflügel gezeigt, ,,Die Geburt Christi" und „Die Anbetung der Heiligen Drei Könige", die ab Mitte des 19. Jahrhunderts im Chor der Kehler
Simultankirche (der späteren Friedenskirche) angebracht waren.
Hirudo medicinalis in Kehl
(2006)
Von den etwa 300 Egelarten, die es auf der Erde gibt, leben die meisten in Süßwasser. Je nach Größe, Anzahl und Bissstelle können sie für Fische und Amphibien, für badende Tiere oder Menschen unterschiedlich gefährlich sein. Umgekehrt hat sich der Mensch einige wenige Arten dieser Parasiten für medizinische Zwecke zunutze gemacht. Zu ihnen gehört der europäische, etwa zehn bis maximal fünfzehn Zentimeter lang werdende Medizinische Blutegel (Hirudo medicinalis). Dieser Kieferegel lebt in flachem Süßwasser mit reichem Pflanzenbewuchs. Sein länglicher, borstenloser Körper ist fein geringelt: Auf der dünnen, Schleim absondernden Haut lassen sich äußerlich etwa einhundert Ringfurchen ausmachen. Anders als bei seinen entfernten Verwandten, den Regenwürmern, sind die beiden Körperenden zu muskulösen Saugnäpfen umgebildet: der vordere umschließt den Mund, der hintere, größere sitzt an der Bauchfläche. Auf festem Untergrund bewegt er sich mithilfe dieser Saugnäpfe raupenartig fort. Ein erwachsenes Tier kann auf diese Weise fast fünf Zentimeter pro Sekunde zurücklegen. Im Wasser schwimmen gesunde, hungrige Blutegel lebhaft mit wellenförmigen Bewegungen, ermüden aber rasch. Sowohl die Fortbewegung als auch die Hautatmung (bei einer Wassertemperatur von 20 Grad Celsius etwa 75 Atembewegungen pro Minute) ermöglichen ihnen Bündel von Längs-, Ring- und Diagonalmuskeln, die den größten Teil ihres Inneren ausfüllen und ihre Befehle von einem einfachen Nervensystem erhalten. Ein Gehirn gibt es nicht. Sobald diese „hirnlosen Muskelprotze" ihre Wirtstiere aufgespürt haben, die sie an ihren Schatten, ihrer Wärmeausstrahlung, Erschütterungen und chemischen Reizen erkennen, saugen sie sich an ihnen fest, um sich von ihren Körpersäften zu ernähren.
Wer [...] an den großen Bekenntnissynoden [...] teilgenommen hat, wird niemals wieder den tiefen Eindruck dieser Tage vergessen. Vor allem nicht den der Synode von Barmen [...]. Die klare, ja, freudige Entschlossenheit der Versammelten [… !]
Und die große öffentliche Schlusskundgebung im Freien: Wie da das Kirchenvolk zu Zehntausenden zusammenströmte aus dem ganzen bergisch-märkischen Lande! Mit der Bahn, auf Fahrrädern, mit Omnibussen, Bauernwagen, Fahrzeugen jeder nur denkbaren Art. Bergleute, Bauern, Bürger, Industriearbeiter, Gebildete und Ungebildete – alles vereint im Drang des Bekennens und im offenen, lauten Gebet um die Freiheit des Glaubens. So schildert der Freiburger Historiker Gerhard Ritter im Rückblick jene erste Bekenntnissynode, die vom 29. bis 31. Mai 1934 in der Evangelischen Kirche von Barmen-Gemarke (Wuppertal) stattgefunden hat. Ein wenig klingt es wie „Kirchentag“, und man wundert sich auch nach 80 Jahren noch: Was muss das für ein Ereignis gewesen sein? Dieser Frage werden wir in drei Schritten nachgehen. Im Anschluss an die Bewertung der Synode durch Gerhard Ritter informieren wir uns zunächst über die badische Barmen-Delegation. Wir befassen uns mit dem Auslöser der Barmer Theologischen Erklärung, den kirchenpolitischen Zielen der sog. Glaubensbewegung Deutsche Christen und mit ihrem politisch-theologischen Hintergrund. Schwerpunkte bilden
dabei die Propagierung des „Arierparagraphen“, die Sportpalastveranstaltung und die wichtigsten jener Maßnahmen, die auf die sog. Gleichschaltung der Evangelischen Kirche zielten.