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Ungemütliche Nachbarn
(2019)
In den frühen Morgenstunden des 1. November 1986, um 3.43 Uhr, heulten in Muttenz, östlich
von Basel, die Sirenen.
Polizeiautos zirkulierten und forderten per Lautsprecher die Anwohner
auf, die Fenster geschlossen zu halten, das Haus nicht zu verlassen und weitere Informationen
über Radio abzuwarten. Eine widerwärtig nach faulen Eiern stinkende Rauchwolke zog, vom
Chemie-Areal der Firma Sandoz her kommend, langsam über die Region. In einer Lagerhalle
voller Chemikalien war kurz nach Mitternacht Feuer ausgebrochen. Der Brand drohte völlig außer Kontrolle zu geraten. Gewaltige Explosionen schleuderten die Behälter bis zu 25 Meter in
die Höhe, von wo sie ins Feuer zurückstürzten, in der Umgebung landeten oder bisweilen wie
Bomben die Dächer anderer Hallen durchschlugen. Hunderte von Feuerwehrleuten und ein Feuerlöschboot kämpften über Stunden gegen die Ausbreitung auf Nachbargebäude, wo zum Teil
hochgefährliche, mit Wasser nicht löschbare Substanzen lagerten. Löschwasser und Chemikalien
ergossen sich bald in den Rhein, das Auffangbecken war viel zu klein. Ab ein Uhr herrschte in
beiden Basel, Stadt und Land, Katastrophenalarm. Die Kantonschemiker befanden sich in alarmierender Ungewissheit über die Giftigkeit der Rauchschwaden; die Firma konnte nur ungefähre
Auskünfte geben über den Inhalt der Lagerhalle. Gegen vier Uhr morgens kursierten auch in Basel die Lautsprecherwagen. Viele Baslerinnen und Basler waren bereits durch Telefonanrufe von
Freunden oder Verwandten aus dem Schlaf gerissen worden. Dann brach das Telefonnetz wegen
Überlastung zusammen, Züge von und nach Basel und öffentlicher Verkehr stellten den Betrieb
ein. Am Morgen um sieben Uhr aber gab die Regierung Entwarnung – der Brand war gelöscht,
die Gefahr sei abgewendet, es stinke zwar, Gift sei aber nicht im Spiel. Zornige Eltern protestierten gegen die Zumutung, ihre Kinder nach dem Stress der vergangenen Stunden zur Schule zu
schicken, wozu sie sich amtlich aufgefordert sahen.
UNESCO-Geoparks fördern das Bewusstsein für die wichtigsten gesellschaftlichen Herausforderungen unseres Planeten. Die Globale Nachhaltigkeitsagenda 2030 der UNO ist der Referenzrahmen. Sie fordert auf zu sektorübergreifenden, integrativen Antworten. UNESCO-Geoparks behandeln lokal relevante Fragen wie den demographischen Wandel und die Wirtschaftsentwicklung. Zusätzlich beschäftigen sie sich mit globalen Fragen, zu deren Lösung der Geopark beitragen kann.
Beispiele sind die Endlichkeit geologischer Ressourcen und der Klimawandel. Die UNESCO-Geoparks übersetzen die Agenda 2030 in die lokalen Gegebenheiten vor Ort und leisten gleichzeitig Beiträge zur Globalen Nachhaltigkeitsagenda 2030 und zur kommunalen und Landespolitik.
Seit der an der Antike geschulten Renaissance sind wir gewohnt, bei der Neuanlage von Städten und Stadtteilen planmäßig vorzugehen, so dass regelmäßige Stadtstrukturen entstehen.
Auch viele Stadtgründungen de Mittelalters zeigen regelmäßige Grundrisse. Aber sind diese
Strukturen, wie wir sie heute vorfinden, tatsächlich Beweis für mittelalterliche Stadtplanung?
Dieser Frage möchte ich am Beispiel Freiburg nachgehen. Die Besiedlung begann in Freiburg um 1100. Zwei Jahrzehnte später erhielt die schnell wachsende Kommune da Marktrecht
durch die Herzöge von Zähringen. Anschließend wurde mit dem Bau der Marktstraße, der
Pfarrkirche und der Stadtmauer begonnen.
'Singule autem aree in longitudine centum, in latitudine quinquaginta pedes habebunt; et de
qualibet area .xii den.[ arii]publice monete annuatimin festo beati Martini iure censuali damono sunt perolvendi' heißt es in der 1218 verfassten Bestätigung de Freiburger Stadtrechts.
Es ist die erste urkundlich überlieferte Nennung der Hofstättengröße von 50 x 100 Fuß und der "Herrschaftsrecht" genannten Grund teuer von 12 Pfennig. Dieser Passus dürfte bereits in der
Bestätigung de Stadtrechts um 1152/53 gestanden haben. Möglicherweise galt sie auch schon
für den Siedlung beginn um 1100.
Und das ewige Licht ...
(2007)
Der Vater von Wilhelm Hausenstein stirbt früh; der Trauergottesdienst findet in Karlsruhe, in St. Stephan, statt. Auf den Sohn, der im evangelischen Glauben der Mutter aufgewachsen ist, macht dieser Raum und macht die ganze heilige Handlung einen tiefen Eindruck. „Am meisten aber berührt ihn das rubinrot glühende Licht der Ampel in der Kirche.“
Der aus Heilbronn stammende Apotheker Gustav Mayer war zweifellos die schillerndste politische Figur im Amtsbezirk Sinsheim während der Revolution von 1848/49. Er kam aus gut situierten bürgerlichen Verhältnissen. Die Familie Mayer
war seit Generationen in Heilbronn ansässig gewesen und gehörte zu den Honoratioren der Stadt. Wie sein älterer Bruder Friedrich (Fritz) ergriff der am 22. August 1810 geborene Gustav Mayer den väterlichen Beruf des Apothekers. Nach seiner Heirat mit Amalie Eberbach (1836 in Großgartach), die ihm später in schweren politischen Zeiten aufopferungsvoll zur Seite stand, erwarb Mayer um 1840 die Apotheke in Meßkirch. Der Württemberger Mayer nahm damals die badische Staatsbürgerschaft an und verdiente sich als Mitglied des Meßkircher Gemeinderates seine ersten politischen Sporen.
Unbekannter Künstler
(2021)
Das gut erhaltene, ästhetisch besonders wertvolle Portrait eines jungen Edlen von 1490 gehört zu den Attraktionen des Augustinermuseums in Freiburg. Bedauerlich daran war nur, dass sowohl Urheber und als auch Porträtierter bisher unbekannt blieben. Christoph Wilhelmi gelang es, durch Analyse einiger Bilddetails die Hintergründe aufzuklären und nach mühsamen
Recherchen die Identität des Dargestellten aufzudecken. Auch einige Vorgänge aus dem Leben des Basler Adligen kamen auf diese Weise zum Vorschein.
Bei Recherchen in den digitalisierten Beständen des Generallandesarchivs stieß ich auf drei Seiten im Fundus der Glasnegative Wilhelm Kratts, die Nachzeichnungen von mittelalterlichen Fensterbildern enthielten: Paare in frommer Haltung und in spätmittelalterlicher Adelstracht, ergänzt um eine große Zahl von Wappen. Die archivalischen Informationen verorteten die Darstellungen in der evangelischen Kirche in Mahlberg, und auf allen drei Seiten prangte mehrmals prominent das Geroldsecker Wappen. Die Darstellungen waren mir vollkommen unbekannt, und eine nochmalige Durchsicht der einschlägigen Literatur zeigte auch, dass sie der Geroldseckerforschung bislang nicht aufgefallen waren. Meine Suche nach den Zeichnungen blieb sowohl in Mahlberg als auch in Karlsruhe erfolglos, und erst nach ausgiebigen Recherchen gelang es mir, die Originale im Hessischen Hauptstaatsarchiv in Wiesbaden ausfindig zu machen.
Im 17. Jahrhundert besaß in den gebildeten Gesellschaftsschichten Gelegenheitsdichtung in dem auf Repräsentation bedachten öffentlichen Leben einen hohen, heute für Nichtfachleute kaum mehr nachvollziehbaren Stellenwert. Anlässe dazu boten zum einen persönliche Lebens- und Berufsstationen wie Geburt, Hochzeit, Namens- oder Festtage (z. B. Neujahr),
Genesung von Krankheiten, Tod sowie Universitätsexamina, Amtseinführungen, Ehrungen, Reisen. Und zum anderen waren Schreibanlässe öffentliche und politische Ereignisse wie Vertragsunterzeichnungen (z.B. Friedensschluss), Kircheneinweihungen sowie Naturereignisse (z.B. Auftreten von Kometen), um nur einige Beispiele zu nennen. Erwähnt seien auch noch die zahlreichen Porträtdrucke der Barockzeit mit ihren Begleitversen. Solche „Casualcarmina" sind in Archiven und Bibliotheken in großem Umfang vorhanden. Und es tauchen immer wieder, als Einzeltexte oder in zeitgenössischen oder später angelegten Sammlungen von Gelegenheitsschriften, irgendwo neue Funde auf.
Josef Ignaz Peter, der aus Achern stammende Justizminister der badischen Revolutions-Regierung, floh 1849 in die Schweiz. Auf Betreiben der Großherzoglich Badischen Regierung verwiesen die Eidgenossen den am 9. April 1850 zu 20 Jahren Zuchthaus Verurteilten ihres Landes. Über Straßburg floh Peter weiter nach Paris. Dort lebte er von Juni 1850 an in ärmlichen Verhältnissen. 1854 erlaubte ihm der Kanton Thurgau, nach Frauenfeld zu seiner mit dem Arzt Dr. Konrad Reiffer verheirateten Tochter Emma zu ziehen, wo er auch seine Frau und seine unverheiratete Tochter Maria fand. 1862 erließ ihm Großherzog Friedrich den Rest der Strafe. Josef Ignaz Peter starb am 19. September 1872 in Achern im Alter von 83 Jahren. Die kinderlos gebliebene Emma Reiffer hinterließ den Nachlass ihrer Eltern den Kindern der Schwester ihres Vaters, Helene Peter. Die Papiere, welche an die „Mina" genannte Cousine Anna Wilhelmine verheiratete Blaß in Freiburg gelangten, befinden sich heute als Dauerleihgabe im Staatsarchiv Freiburg. Andere Papiere kamen an Minas fünf Jahre älteren Bruder, den Achemer Handelsmann und späteren Bürgermeister Franz Peter, in der Folge an dessen Tochter Marie Helene verheiratete Gerner. Darunter befinden sich 13 Briefe Helene Peters von März 1848 bis Januar 1851 an Tochter Mina und Schwiegersohn Konrad Blaß in Freiburg. Sie lassen noch heute die Nöte und Sorgen jener Jahre spüren.
In der frühen Neuzeit erschienen Hunderte von Traktaten, die sich der Balneographie und der Balneologie widmeten. Nahezu über jeden Badeort wurden - zumeist von Medizinern verfasste - Reklameschriften mit den speziellen Vorzügen der jeweiligen Heilquellen veröffentlicht, die man als Gaben des Schöpfers pries. Auch im deutschen Südwesten gab es zahlreiche prosperierende Mineralbäder mit beträchtlichem Fremdenverkehr. Mehrere bäderkundliche Schriften gehen unter anderem auf die Sauerbrunnen in Griesbach und Peterstal sowie die in der Nähe befindlichen von Antogast und Rippoldsau ein. Das Leben in den zum Amt Oberkirch gehörenden Renchtalbädern fand seinen literarischen Niederschlag in den vierziger, sechziger und siebziger Jahren des 17. Jahrhunderts auch in den Werken von Moscherosch und Grimmelshausen. Dem regen Treiben in den Kurorten hat vor allem Grimmelshausen manche Anregung zu verdanken, die er in seinen Schriften verarbeitete. Die Sauerbrunnen spielen nicht zuletzt in der Biographie des Renchener Schultheißen eine wichtige Rolle.
Una Sancta
(2002)
„... für den Frieden der Welt und die Einheit der Kirche“ Das sind Ziele, für die zu leben und zu sterben Br. Paulus bereit war. Die testamentarischen Worte stehen auch auf seinem Grabdenkmal im Ortsfriedhof von Meitingen. Sein Lebensweg in der Erzdiözese Freiburg, in Graz, Meitingen (Diözese Augsburg), in Berlin mit seinen Auseinandersetzungen, Kämpfen, Leiden, bis zur letzten Gefangenschaft mit der Hinrichtung am 17. April 1944 in Brandenburg-Görden sind u.a. in den Bänden des FDA dokumentiert.
Vor rund siebeneinhalbtausend Jahren änderten sich die Lebensgewohnheiten der Menschen in Europa und damit auch hier in der Region fast schlagartig: Innerhalb weniger Jahrhunderte wurden aus sammelnden und jagenden Nomaden die sesshaften Bauern der Jungsteinzeit, die in dorfartigen Ansiedlungen lebten und Ackerbau und Viehzucht betrieben. Aufgrund seiner Dramatik bezeichnet man diesen Prozess als neolithische Revolution. Für uns heute ist dieser Zeitraum, der etwa von 5500 bis 2000 v. Chr. dauerte, deshalb so wichtig, weil sich damals die Grundstrukturen unseres gesellschaftlichen, sozialen und wirtschaftlichen Lebens entwickelten. Ein besonderes Schlaglicht auf diese Epoche und ihre Menschen warf der Jahrtausendfund des Gletschermannes vom Similaun, der 1991 entdeckt wurde. Doch auch Bruchsal hat in Sachen Jungsteinzeit Besonderes zu bieten, ist doch eine eigene Kultur nach ihrer Typlokalität, also dem Ort ihrer ersten Entdeckung, nämlich dem Michaelsberg bei Untergrombach, benannt. Ein Charakteristikum der jungsteinzeitlichen Bauern ist ihr direkter Umgang mit der Natur mit allen daraus abzuleitenden Konsequenzen. Lassen sich aus diesem Aspekt, ohne diesen Umgang werten zu wollen, Parallelen zu heute ziehen? Bevor diese Frage beantwortet werden kann, müssen kurz die Wege beleuchtet werden, auf denen man überhaupt zu Erkenntnissen über diese Zeit gelangt.
Umpfenbach liegt an derjenigen Stelle Bayerns, von der aus, wendet man sich
nach Norden, Osten oder Süden, man sogleich ins ehemalige Baden gelangt.
Diese besondere Lage – man könnte auch von Abgelegenheit sprechen – hängt
mit der wechselhaften Geschichte zusammen, der dieses kleine Dorf am Beginn
des 19. Jahrhunderts unterworfen war. Die Fülle der Quellen, die diesen Vorgängen
zu danken sind, erlaubt tiefe Einblicke in die historischen Umstände jener
Umbruchszeit, und man kann sich auf diese Weise gut hineinversetzen in die Haltung der Beteiligten, die damals noch nichts wissen konnten vom Untergang
des ersten französischen Kaiserreichs und von der Neuordnung Mitteleuropas
durch den Wiener Kongress.
Das Laubmoos Ulota macrospora Baur & Warnst, wurde an 18 Fundstellen im nordwestlichen Teil des Nordschwarzwalds
(Baden-Württemberg, Südwestdeutschland) festgestellt. Die Art Ist weltweit nur von wenigen Fundstellen in Europa
bekannt und galt in Baden-Württemberg seit 1893 als verschollen. Das Moos wird abgebildet. U. macrospora wächst im
Gebiet vor allem auf Borke von Fagus sylvatica an luftfeuchten Standorten in Buchenwäldern. Die Vergesellschaftung der Art
wurde untersucht. Häufige Begleitmoose sind Ulota crispa, U. bruchii, Metzgeria temperata, Microlejeunea ulicina, Radula complanata, Orthotrichum affine, Frullania dilatata und Flypnum cupressiforme. Außerdem wurde die Phänologie der
Sporophyten von U. macrospora, U. bruchii und U. crispa in Mischbeständen untersucht, wobei sich deutliche Unterschiede ergaben. Dadurch wird die Auffassung gestützt, dass es sich bei U. macrospora um eine eigenständige Art handelt.
Uli Führe
(2000)
Als ich sechs oder sieben Jahre alt war, durfte ich bei meiner Patentante, der Gotte, in die Ferien. Sie wohnt in Haagen bei Lörrach direkt an der Wiese. Die Häuser dort haben lange Gärten, die sie vom Fluß trennen (manchmal führt die Wiese Hochwasser). Der Nachbarjunge spielte dort wilde Spiele. Einmal war sein Cousin zu Besuch. Die Beiden kämpften wie zwei
Ritter mit Holzschwertern. Es klackte und splitterte. Damals ahnte ich nicht, daß aus dem Ritter Cousin einmal ein Troubadour würde ... Zehn Jahre später traf ich den „Führi-Uli“ wieder. „Führe“, stellte er sich dem Publikum vor, „wie, ... und führe uns nicht in Versuchung‘“. Er hatte den Preis für das beste alemannische Lied gewonnen beim Wettbewerb „Junge Mundart“ in Freiburg 1976. Es hieß „Mängmol stand i im Wald“. Uli spielte klasse Gitarre, etwas folkig, aber mit einer Brillianz und Präzision im Ton, die vom Willen zur Perfektion zeugte. Dazu sang er mit einer warmen, klaren Stimme, die den Grat zwischen Musikinstrument und Sprechwerkzeug beständig hin und her überschritt: Einmal trug sie die Melodie, sicher schwebend, dann plötzlich brachen die Wörter durch, die zischenden, kehligen alemannischen Wörter. Wir hatten uns wiedergefunden.
Türken, Husaren und Panduren
(2014)
Dass in Villingen schon ab der Mitte des 17. Jahrhunderts
Türken, Husaren und Panduren immer
wieder präsent waren und für reichlich Gesprächsstoff
sorgten, mag zunächst überraschen. Es lassen
sich jedoch bis zum Ende des 18. Jahrhunderts eine
ganze Reihe von realen und fiktiven Begegnungen
nachweisen. Die nähere Betrachtung einiger Beispiele
deckt propagandistische Grundmuster auf,
deren zähe Langlebigkeit leider bis heute den interkulturellen
Alltag erschwert.
Beim flüchtigen Hinsehen scheint ein Mesner kaum etwas anderes zu sein als ein Hausmeister, der in der Kirche nach dem Rechten sieht. Er hat dafür zu sorgen, daß sie sauber und im Winter geheizt ist, daß die Türen rechtzeitig auf- und zugeschlossen werden, daß die Glocken läuten, die Kerzen brennen und daß der Geistliche alle notwendigen Gerätschaften am richtigen Ort vorfindet. Darüber hinaus muß er aber auch die Ministranten vorbereiten und instruieren, muß dem Priester während des Gottesdienstes in vielerlei Hinsicht zur Hand gehen und nicht selten zugleich auch noch den Lektoren-, Kantoren- oder Kommunionhelferdienst übernehmen. Auch wenn der Mesnerdienst für den eigentlichen Auftrag der Kirche vielleicht nicht wirklich essentiell ist, dürfte doch außer Frage stehen, daß die Aufgaben und die Verantwortung eines Mesners weit über den Hausmeisterdienst und dessen technisch-organisatorischen Belange hinausgehen und er eine zumindest in erweitertem Sinne geistliche Funktion wahrzunehmen hat.
Über die Gründung der Universität Tübingen im Jahr 1477 und die an dieser
Universität bis zur Reformation gelehrte Theologie informiert eine ganze Reihe
wichtiger Arbeiten. Bekannt ist auch, daß Graf Eberhard d.Ä. im Zusammenhang
mit der Universitätsgründung erwog, die Dominikaner nach Tübingen zu
berufen und ihnen das Kloster der Augustiner-Eremiten zu übergeben, da, wie
schon Martin Crusius angemerkt hat, die Dominikaner damals gelehrter waren als
die Augustiner-Eremiten. Der Provinzial der Dominikaner, Fabri von Stubach,
hielt sich im Jahr 1478 zwischen dem 25. Mai und dem 2. August über einen
längeren Zeitraum bei Eberhard d.Ä. im Uracher Schloß auf, um die Reform der
württembergischen Dominikanerinnenklöster zu leiten. Dies scheint jedoch nicht
der alleinige Zweck seiner Anwesenheit in Urach gewesen zu sein, denn er
verließ das Schloß nicht einmal, als es um die Reform des Klosters Offenhausen
ging, die Eberhard d.Ä. besonders am Herzen lag. Vielmehr gab der Provinzial seinem Reformkommissar Johannes Meyer schriftlich seine Anweisungen. Offenbar
verhandelte Fabri von Stubach damals mit Eberhard d.Ä. auch erfolgreich
über eine Mitwirkung der Dominikaner an der Universität. denn noch im August
1478 mußte der Provinzial der Augustiner-Eremiten sein Tübinger Kloster an
Graf Eberhard d.Ä. abtreten.
Täuferspuren im Kraichgau
(2015)
Im Vorwort der Broschüre Täuferspuren im Kraichgau schreibt Wolfgang Krauß
von dem Plan, Orte der täuferischen Geschichte zu kennzeichnen und einen
Täuferweg für alle zugänglich zu machen. Eine Projektgruppe hatte zwölf Gedenktafeln
vor allem an Versammlungsplätze ehemaliger und heutiger Gemeinden
gesetzt. Am 24. 10. 2015 fand nun die Einweihungsexkursion entlang dieses
Täuferweges statt, um die Gedenktafeln zu enthüllen. Ein Bus, bis auf den letzten
Platz mit Interessierten gefüllt, machte sich bei bestem Wetter auf den Weg.
Erste Station war der Ursenbacherhof bei Daisbach, auch Bleihof genannt, weil
dort Hanf gebleut, also gebrochen, wurde. Walter Schmutz und Ortsvorsteher
Glasbrenner berichteten von der Mennonitengemeinde, die hier von 1850- 1945
ihren Versammlungsraum hatte. Eine enge Zusammenarbeit mit der Gemeinde in
Dühren entwickelte sich. 1945 schloss man sich zusammen mit Dühren der
Gemeinde in Sinsheim an. Einer der Ecksteine des in den 1960er-Jahren abgerissenen
Versammlungsraumes war noch vorhanden. Auf ihm wurde die Gedenktafel
angebracht.
Als Mennonit über die Geschichte der Täufer zu referieren birgt eine besondere Herausforderung. Kirchenhistoriker, zumal wenn sie sich gleichzeitig als Mitglied einer Kirche verstehen, stehen meines Erachtens in einem eigentümlichen Spannungsfeld. Diesen Vortrag halte ich heute Nachmittag vor Ihnen anders, als wenn ich zum selben Thema etwa bei einer Sektion des Historikertags zu sprechen gebeten worden wäre. Aber nicht, weil ich denke, dass hier weniger strenge wissenschaftliche Standards herrschen als bei Profanhistorikern. Wer sich den Prinzipien wissenschaftlichen Arbeitens verpflichtet fühlt – und ich denke, das tun alle Kirchenhistoriker – wird sicherlich nicht der Versuchung erliegen, die Kirchengeschichte zur Legitimation einer heutigen menschlichen Institution zu missbrauchen. Die meisten Kirchenhistorikerinnen und Kirchenhistoriker besitzen genügend Realitätssinn und Quellenkenntnis, um Identitätsmerkmale und Theologumena, die ihnen vielleicht heute sehr am Herzen liegen, nicht unbedacht in die Vergangenheit zu projizieren. Doch auch wenn man gegen die Gefahr gefeit ist, aus der Kirchengeschichte eine Legitimationsinstanz oder eine Quelle von identitätsstiftenden Mythen zu machen, bleibt die Aufgabe des Kirchenhistorikers grundlegend anders als die eines Profanhistorikers.