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Vor knapp 325 Jahren wurde der gotische Chor der Stadtkirche in Bruchsal durch
Kanonenbeschuss völlig zerstört. Dies ist Anlass, an den Wiederaufbau der katholischen
Stadtkirche„ Unserer lieben Frau" nach dem 2. Weltkrieg mit den nachfolgenden
Ausführungen zu erinnern.
Die in gotischem Baustil erbaute katholische Stadtpfarrkirche „ Unserer Lieben
Frau" in Bruchsals Stadtmitte wurde bei dem verheerenden Bombenangriff am
1.3.1945 bis auf die Grundmauern zerstört. Bei den Überlegungen, wie nun die
wiederaufzubauende Stadtkirche aussehen sollte, entschloss man sich, das Langhaus
völlig abzutragen und in einem der Zeit entsprechendem Stil wieder aufzubauen.
Welche Umbrüche, verehrter, lieber Herr Dr. Herrmann, umspannt Ihr Leben!
Sie sind vor dem Ersten Weltkrieg geboren. Als Sie fünf Jahre alt wurden, standen
die „Erbfeinde" von jenseits des Rheins als Besatzung im Rheinland. Eine Annäherung
hier und da hinterließ kaum mehr als Worte: Trottoir, Perron, Billet, retour. ...
Den „Integrationen" nach 1933 (Heim ins Reich! Ein Volk- Ein Reich- Ein Führer)
folgte der nächste Krieg, und das Integrationsvermögen der Bevölkerung wurde
hart geprüft: Der Luftkrieg zwang Städter aufs Land. Nicht immer geliebt, die
ländlichen Räume waren oft eng. Wie alles wurde auch Wohnraum bewirtschaftet,
und die amtlichen Zuweisungen wurden nicht diskutiert. Nach Kriegsende kamen
Vertriebene und Flüchtlinge. Der Heimatverein Kraichgau hat 1995 und 1996 zwei
Sonderbände zum Kriegsende vorgelegt mit Dokumenten aus den Militärarchiven
und den Berichten von Zeitzeugen. Die Situation im Landkreis Sinsheim 1951 haben
Sie selbst dargestellt, die Bedrängnis, Versorgungsnöte, zu viele Menschen auf
engstem Raum. Natürlich gab es auch Abwanderungen - aus beruflichen Gründen,
sicher auch für die Familienzusammenführung, aus Heimweh, als man daran
denken konnte. Der größere Teil der Zwangsintegrierten aber blieb. Die Nachkommen
sind Sinsheimer, Eppinger, Kraichgauer, Badener - und viele setzen sich
längst für diese „ihre Heimat" ein.
Heimatverein Kraichgau
(2013)
Das Jahr 2011 brachte der Kraichgaubibliothek nicht nur eine Feier zum 25-jährigen Bestehen sondern auch einen
einschneidenden „Personalwechsel". Herr Walter Schmid, der 17 Jahre lang an den Offnungstagen nicht nur die Aufsicht führte, sondern auch als kompetenter Ansprechpartner zur Verfügung stand, gab das Amt gesundheitsbedingt auf. Wie er bei einer kleinen Feier zu seinem Abschied im Kraichtaler Rathaus sagte, konnte er dies beruhigt tun, da er mit Frau Frieda
Jarosch eine ebenso kompetente Nachfolgerin gefunden hatte. Frau Jarosch ist seit vielen Jahren als lebhafte und fachkundige Führerin durch die Gochsheimer Museen bekannt und ist auch bestens mit der Kraichgaubibliothek vertraut, da sie seit 2006 bei der Revision des Buchbestands und der Einarbeitung der neu angeschafften Bücher hilft. Und schon jetzt ist sie nicht mehr wegzudenken!
Vom 20. Juni bis zum 19. Juli 2013 zeigte die Sparkasse Kraichgau in ihren Brettener
Kundenräumen die Ausstellung ,,' ... war gar kunstlich gemachet', Spuren der
Kunst um 1500". Bemerkenswert aus der Sicht der Heimatforschung im Kraichgau
war die Tatsache, dass die kunsthistorischen Aussagen dieser Schau sich fast durchgängig
auf konkrete Beispiele aus der Region bezogen und damit in gelungener
Weise eine Brücke zwischen Kunst- und Regionalgeschichte schlugen. So gingen
einzelne Aufsätze des umfangreichen und vielfach bebilderten Ausstellungskatalogs
unter anderem auf kunst- und baugeschichtliche Aspekte des Heidelberger
Schlosses, des Firstständerhauses in Zeutern, des Brettener Simmelturms sowie verschiedener
Kraichgauer Klöster und Pfarrkirchen ein.
Zehn Jahre genealogischer Forschungsarbeit sind abgeschlossen. Die Familienchronik
ist vollendet. Was waren meine Motive, mich mit einem mir fremden
Gebiet zu befassen?
Einerseits waren da (meist) handschriftliche Aufzeichnungen, Dokumente, Fotos
in Schuhschachteln, die irgendwann den Weg alles Irdischen gegangen wären -
andererseits Erzählungen der älteren Generation, die mit der Zeit untergegangen
oder gar missverstanden beziehungsweise lückenhaft weiter gegeben worden
wären. Zudem weiß ich aus eigener Erfahrung, dass man Fragen zur Geschichte
der Familie hat, aber immer wieder versäumt, sie zu stellen, bis es zu spät ist.
Gelegentlich stießen die Recherchen in der Familie nur auf geringes Interesse oder
das Wissen beschränkte sich auf Eltern und Großeltern. Jüngere haben oft andere
Interessen als die Geschichte ihrer Familie. Aber irgendwann kommt doch der
Wunsch, mehr zu erfahren - doch woher und von wem? Ich wollte vorbeugen.
Wenige Monate bevor Schwester Eva Maria die
Leitung des Klosters St. Ursula in Villingen an die
neue Superiorin Schwester Roswitha abgeben hat (siehe
auch den Bericht „Im Kloster ist auch Gegenwart
Geschichte“ in diesem Heft) verfasste sie zusammen
mit Heinrich Schidelko einen Bericht, in dem sie ihre
Lebenserinnerungen aufzeichnete. Anmerkung der
Redaktion: Wir sind dankbar, diesen Bericht im vorliegenden
Jahresheft „Villingen im Wandel der Zeit“
veröffentlichen zu dürfen.
Da ich nun ein fortgeschrittenes Lebensalter
erreicht habe, möchte ich aus meinem Leben und
dem des Klosters St. Ursula erzählen. Meine
Lebenserinnerungen sind im Jahr 2011 von Herrn
Schidelko bei mehreren Treffen im Kloster aufgezeichnet
und von mir anschließend gegengelesen
worden. Sie geben meine persönlichen Erinnerungen und mein Wissen über die Geschichte des
Klosters wieder.
Im Frühjahr 2013 ist sie nun immerhin schon
wieder drei Jahre in der Neckarstadt: die Hellmut-Kienzle-Sammlung, eine der wertvollsten Uhrensammlungen, die es in Deutschland gibt. Anfänglich war eine große Begeisterung zu spüren und viele
einheimische und auswärtige Besucher drängten
sich in das Schwenninger Heimat- und Uhrenmuseum (Abb. 1), um die vielen zum Teil spektakulären
Zeitmesser aus fast fünf Jahrhunderten zu
sehen. Immerhin war lange unklar, ob die
Sammlung in Landesbesitz überhaupt jemals wieder
nach Schwenningen kommen würde. Inzwischen sind die Besucherströme merklich zurückgegangen.
Konstant blieb hingegen die Qualität der
Exponate.
Regina Hiekisch
(2013)
Kunst entsteht nie im luftleeren Raum. Sie
bedarf stets der Vorbilder und der Auslöser. Die
jeweiligen Lebensumstände sind dabei die maßgeblichen
Parameter. Und davon gibt es einige im
Leben von Regina Hiekisch. Die verschiedenen
Facetten auf ihrem Lebensweg spiegeln sich auch in
ihrem ein überaus breites Spektrum umfassenden
Kunstschaffen wider. Kunst ist eben wie das Leben
allemal ein weites Feld: Regina Hiekisch wurde
1933 in Zwickau (Sachsen) geboren. Von 1952 bis
1956 besuchte sie die Hochschule für Grafik und
Buchkunst in Leipzig und die Universität Leipzig,
wo sie Kunsterziehung für höheres Lehramt studierte.
1956 legte sie ihr Staatsexamen ab.
Die Besucher der jüngst
restaurierten Johanneskirche an der Gerberstraße
haben vermutlich dem
Grabmal, das bis zur
Kirchen-Renovation 2012
auf der rechten Seite nahe
der Kanzel angebracht war,
bisher wenig Beachtung
geschenkt.
Die Kirche wurde spätestens
1336 erstmals erwähnt, 1711 begegnet sie
uns als barockisierte Kirche
zu St. Johann, seit 1859 ist
sie die evangelische Johanneskirche. Zu ihr gehörte
seit langer Zeit der historisch
bisher nicht untersuchte
Gedenkstein. Davon wird zu reden sein.
Wilhelm Bauer
(2013)
Wilhelm Bauer kam am 17. November 1924 um 11 Uhr als sechstes Kind von Georg Karl Bauer und dessen zweiter Frau Anna, geb. Schäfer, in Sinsheim am Kirchplatz 8 - dem ehemaligen katholischen Pfarrhaus - auf die Welt. Sein Vater starb überraschend, als Wilhelm drei Jahre alt war. Sein Tod bedeutete auch das Ende der Familie. Wilhelm kam in eine Pflegefamilie und wuchs in sehr einfachen und ärmlichen Verhältnissen auf. Erst später zog er mit seiner Mutter in die Ziegelgasse, wo er mit Unterbrechungen bis zu seiner Hochzeit lebte. Nach Beendigung der Volksschule 1938 begann er eine Lehre als Buchbinder, die er auch abschloss.
Beim Durchsehen von Werkverzeichnissen fällt immer wieder ins Auge, dass bestimmte dort
aufgeführte Quellen beispielsweise als „Kriegsverlust“ oder als „verbrannt 1944“, als „seit 1945
verschollen“ oder etwa als „heute in Krakau“ gekennzeichnet sind. Es kommt auch vor, dass man in der
Neuauflage der Musik in Geschichte und Gegenwart oder im New Grove dictionary of music and musicians in den
Werkübersichten zum Schaffen einzelner Komponisten von Quellen erfährt, die sich dann, fragt man bei
der genannten Bibliothek an, als Kriegsverluste herausstellen. Je mehr Werk- und Quellenverzeichnisse
man durcharbeitet, um so mehr verdichtet sich der Eindruck, dass angesichts der hohen Zahl solcher
Einträge doch vielleicht auch der entgegengesetzte Ansatz, und zwar eine Aufarbeitung der
Kriegsverluste selbst, zu beschreiten wäre. Für die deutschen Musiksammlungen wurde bisher kein
Versuch unternommen, deren Kriegsverluste systematisch und auf breiter Basis zu untersuchen, zu sehr
hat sich die Musikwissenschaft seit 1945 mit der Sichtung und Erforschung des Erhaltenen beschäftigt,
als dass sie sich – mit Ausnahme gewisser Spitzenstücke – des Verlorenen angenommen hätte, wie dies
in der Kunstgeschichte schon seit langem der Fall ist. Die vorliegende Arbeit ist der erste Teil einer
grossflächig angelegten Studie, welche die Geschichte der musikalischen Quellensammlungen deutscher
Bibliotheken im Zweiten Weltkrieg anhand bisher unveröffentlichter Akten beschreibt, die Ursachen für
die Quellenverluste darstellt und später einen Gesamtkatalog der feststellbaren Kriegsverluste an
handschriftlichen und gedruckten Noten bis zum frühen 19. Jahrhundert auf der Grundlage historischer
Inventare liefern wird.
Es werden 200 weitere Ichneumoniden-Arten aus Baden nachgewiesen. Die Gesamtartenzahl erhöht sich
dadurch auf 1813, was etwa 52,4 % des aus Deutschland bekannten Artenbestandes entspricht (vgl. Tab. 1).
Neu für Deutschland sind sechs Arten: Adelognathus
pilosus Thomson, 1888 (Adelognathinae), Cratocryptus
subpetiolatus (Gravenhorst, 1829) (Cryptinae, Hemigasterini), Dicaelotus pudibundus Wesmael, 1845
(Ichneumoninae, Phaeogenini), Phytodietus femoralis
Holmgren, 1860 (Tryphoninae, Phytodietini), Isadelphus minutus Horstmann, 2009 sowie Isadelphus tuberculatus Horstmann, 2009 (Cryptinae, Phygadeuontini) aus Württemberg. Einige Fehler in unseren früheren
Arbeiten werden korrigiert, Ergänzungen werden eingefügt, und die Nomenklatur wird auf den aktuellen
Stand gebracht.
Das Aussterben von Haustierrassen bedeutet nicht
nur einen Verlust an „Agrobiodiversität“ oder an genetischer Vielfalt, sondern auch den Verlust eines Teils
unserer Kulturgeschichte. Zeigen lässt sich das am
Beispiel der Haubenhühner, speziell an den vom Aussterben bedrohten Rassen der Kronenkammhühner:
den Augsburgern, Sizilianern, Caumont und Dandarawi. Ihr auffälligstes Merkmal, der Kronenkamm, findet sich als „Marker“ in zahlreichen kulturhistorischen
Dokumenten, sowohl in Buchillustrationen als auch
in der darstellenden Kunst. An Hand von Werken, die
bis in das 13. Jahrhundert zurückreichen, können die
Ausbreitungsgeschichte und die Verbreitungswege der
Haushuhnrassen von deren asiatischer Heimat über
Vorderasien und Nordafrika, weiter über Sizilien und/
oder Spanien nach Mitteleuropa verfolgt werden, wo
diese Rassen zum Ende des 19. Jahrhunderts in die
heute gültigen nationalen Standards gefasst wurden.
1923: im Ruhrgebiet herrscht Elend. Der Bischof von Münster, Johannes Poggenburg, schreibt im kirchlichen Amtsblatt von Münster vom 21. 2. 1923: „Die Not im besetzten Gebiete erheischt von neuem und besonders dringlich die Unterbringung unterernährter Kinder in ländlichen Familien. Die übermäßige Steigerung der Lebensmittelpreise, die wachsenden Schwierigkeiten der Zufuhr, vor allem der große Mangel an Milch gefährden Gesundheit und Leben vieler Kinder. Die Unterernährung nimmt in erschreckendem Masse zu. In einer Stadt des neu besetzten Gebietes ist ermittelt worden, dass 35% der Schulkinder unterernährt sind ( ... ) [Daher] richte ich an die ländliche Gemeinden die dringende väterliche Mahnung und Bitte, mit erneuter Bereitwilligkeit unterernährte Kinder bei sich aufzunehmen.“ In der gleichen Ausgabe wird gemeldet: „Im Jahre 1922 [sind] einige tausend Kinder aus Stadt und Industrie in den ländlichen Gemeinden des Bistums untergebracht worden.“ Gleichartige Berichte und bischöfliche Aufrufe findet man in diesen Jahren in den Amtsblättern der Bistümer Paderborn und Köln. In 1922 hört Kaplan Josef Merk - ein junger, lungenkranker Priester, der als Hausgeistlicher im Krankenhaus zu St. Blasien arbeitet - zum ersten Mal durch seine Kontakte mit den Kranken von Rhein und Ruhr von dem großen Elend und der Kindernot im Ruhrgebiet und wird nach Horst-Emscher (bei Gelsenkirchen) eingeladen.
Thesaurus Librorum
(2013)
Die Begegnung mit der europäischen Buchkultur in repräsentativen Ausstellungen ist eine Möglichkeit, die eigenen Wurzeln in der Geschichte zu erkennen. Angehörige anderer Kulturkreise, die solche Angebote annehmen, sehen darin eine Möglichkeit, die Identität der Europäer zu verstehen, wie sie in Bild und Sprache gewachsen ist. Begegnungen dieser Art werden deshalb von nationalen und europäischen Einrichtungen angeregt, von öffentlichen und privaten Sponsoren gefördert und in einem respektablen Maß von interessierten Mitbürgern begeistert aufgenommen. Initiatoren, Ideengeber und Veranstalter machen ihre Erfolgsbilanz dabei nachhaltig öffentlich, wie das Beispiel der Dokumentation der Ausstellung „Pracht auf Pergament - Schätze der Buchmalerei von 780 bis 1180“ beweist. Ein sehr sorgfältig gestalteter, reich bebilderter Katalog sorgt für eine zusätzliche Breitenwirkung, nutzt Vorbilder und dient der Wissenschaft als Fundus, um weitere Projekte dieser Art in jeweils aktualisierter Präsentationsmethode (Audioguides, Digitalisate, 3D- Technik) voranzubringen. Fragestellungen zur Bildungsgeschichte aus Mittelalter und früher Neuzeit können an realen Objekten illuminierter Handschriften, aber auch unter dem Blickwinkel des frühen Buchdrucks neben dem wissenschaftlichen Nachwuchs auch eine breite Öffentlichkeit ansprechen. Unabhängig von einer aktuellen Ausstellung bietet sich für Interessenten ein Besuch der zentral gelegenen Bibliothèque du Grand Séminaire de Strasbourg (Priesterseminar) als schönes Beispiel der Pflege hochwertigen und zeitlosen Kulturguts an.
Dem Nachruf auf Franz-Xaver Lender (1830-1913) im „Necrologium Friburgense“ ist es anzumerken, dass der Verfasser nur sehr ungern und mit ziemlichem Unbehagen die Beteiligung Lenders an der Badischen Revolution 1848 erwähnt. Ein Revolutionär, der von der Schule flog, sich der Hecker-Truppe anschloss und in die Schweiz fliehen musste, und ein späterer Dekan, Doktor der Theologie, Geistlicher Rat, Päpstlicher Hausprälat - das schien nicht zusammenzupassen. Lenders Kritiker und Gegner in Politik und Kirche benutzten gerne diesen vermeintlich schwarzen Punkt in seiner Biografie, um ihn in ihrem Sinne zu instrumentalisieren. Nach der Priesterweihe 1853 war Lender vom 7. September 1853 bis 10. Mai 1854 Vikar bei seinem Onkel, dem Pfarrer von Gengenbach. 1854 übernahm Lender die Verwaltung der Pfarrei Breisach und mit Beschluss vom 5. Mai 1854 wurde der junge Vikar nach Offenburg in die Pfarrei Hl. Kreuz versetzt.
Kleine Landgemeinden hoben in der Vergangenheit nur sehr selten einzelne Persönlichkeiten durch Ehrungen hervor, zu eng war man im Leben miteinander verbunden und kannte gemeinhin persönliche Stärken wie auch die vielfältigen menschlichen Schwächen. Das trifft auch auf Liggeringen zu, eine bis weit ins 20. Jahrhundert rein agrarisch geprägte Gemeinde - am Bodensee gelegen zwischen Radolfzell und Bodman auf dem höchsten Punkt der bis Konstanz reichenden Landzunge namens Bodanrück. Es war daher kein gewöhnlicher Anlass, als am 19. Januar 2013 - dem 100. Todestag des einzigen Ehrenbürgers - des langjährigen „Pastor rusticus“ Georg Braun (1835-1913) gedacht wurde. Zum einen zelebrierte der emeritierte Weihbischof Paul Wehrle, seit Dezember 2012 neuer „Pfarrherr“ in Liggeringen, zusammen mit dem Leiter der Seelsorgeeinheit St. Radolt, Pfarrer Michael Hauser, sowie dem Subsidiar Pfarrer Karl Hermanns einen festlichen Gedenkgottesdienst in der von Georg Braun 1905 erweiterten und grundlegend umgestalteten Kirche St. Georg. Zum anderen erinnerte anschließend die politische Gemeinde mit einem Vortrag des stellvertretenden Ortsvorstehers Jürgen Klöckler an den ehemaligen Seelsorger, zu dessen ehrendem Gedenken in den frühen 1970er-Jahren auch eine parallel zu Pfarrhaus und Pfarrgarten verlaufende Straße benannt worden war („Pfarrer-Braun-Straße“). Der Zeitpunkt der Straßenbenennung ist Ausweis dafür, dass Georg Braun rund 60 Jahre nach seinem Tod im kollektiven Gedächtnis der Gemeinde präsent war.
Adlige, Begine, Bettlerin
(2013)
Die Verehrung der Heiligen verweist den gläubigen Menschen auf Alternativen zum alltäglichen Leben und macht deren Lebensform als Weg zum Heil konkret, also wahrnehmbar. Ein solches Leitbild verkörperte Elisabeth von Thüringen seit ihrem frühen Tod 1231. Schon wenige Monate, nachdem die junge Landgräfin in der Nacht vom 16. zum 17. November 1231 gestorben war, bemühte sich ihr Beichtvater Konrad von Marburg darum, die singuläre Stellung seiner ihm anvertrauten Beichttochter durch ein offizielles Heiligsprechungsverfahren zum Ausdruck zu bringen. Er entwarf einen kurzen Lebensabriss Elisabeths und schickte ihn an die Kurie, zusammen mit Aufzeichnungen von Wunderberichten, die nach Zeugenverhören notiert wurden. Dieses Beweismaterial wurde in mehreren Schritten noch ergänzt, zumal man an der Kurie einem vorbildhaften Lebenswandel mehr Aufmerksamkeit schenkte als Wundern. Deshalb erhielten die Aussagen von vier Dienerinnen Elisabeths, die sie zum Teil seit ihrer Kindheit begleitet hatten, einen besonderen Stellenwert. „Unter Eid“ berichteten sie ausführlich über Begebenheiten aus dem Leben ihrer Herrin. Alle späteren Lebensbeschreibungen Elisabeths beziehen sich auf diese Befragung der Dienerinnen im Rahmen des Kanonisationsverfahrens.
Im Verlauf der Jahrhunderte wurde im Kloster St. Blasien, fern der Aktualität, die gefälschte „Gründungsurkunde“ (Nr.*6), in St. Blasien selbst „Stift(s)- oder Stiftung(s)brief“ genannt, als ehrwürdigstes Zeugnis der eigenen Vergangenheit wertgehalten, immer wieder in Kopialbücher abgeschrieben, gelegentlich in Rechtsfragen und natürlich in der klösterlichen Geschichtsschreibung herangezogen, übrigens oft auch zusammen mit der ebenfalls gefälschten Baseler Konradsurkunde (Nr. *9), zu der man keinen Gegensatz sah, weil man die Verlautbarungen des Reichhofsgerichts - im Gegensatz zur Urkundenkritik neuerer Zeit - nicht dahingehend verstand, dass es sie zur Fälschung erklärt habe. Nachdem der Prozess des Klosters St. Blasien gegen das Bistum Basel 1141 seinen Abschluss gefunden hatte (Nr. 179), wurde die „Gründungsurkunde“ schon zwei Jahre später im letzten Eintrag der Annalen von St. Blasien von 1143 zu ihrem „180 jährigen Jubiläum“, also zum Ausstellungsjahr 963, zitiert. Auch im so genannten „Liber constructionis“, der wichtigsten - wenn auch nur in einer Redaktion nach Mitte des 15. Jahrhunderts erhaltenen - Quelle für die Frühzeit des Klosters und insbesondere seinen legendären Gründer Reginbert, ist die Urkunde indirekt genannt und dies an einer Stelle, auf die eine sehr auffällige, bisher nicht lesbar zu machende Tilgung mehrerer Zeilen folgt. Vielleicht hatte sie, wie Marquard Herrgott vermutete, ihren Grund darin, die Umdatierung von 983 auf 963, also von Kaiser Otto II. auf Otto I. zu verdecken. Ob die „Gründungsurkunde“ im „Rotulus Sanblasianus“ des 14./15. Jahrhunderts ebenfalls erwähnt war und zu welchem Jahr, ist bislang nicht feststellbar, da diese Pergamentrolle gerade am Anfang abgeschabt und kaum lesbar ist - ob man sie mit modernen Methoden lesbar machen könnte, wäre die Frage - jedenfalls sind die bisherigen Editionen unzulänglich. Die Verfälschung von 983 auf 963 war sehr früh erfolgt, bereits im Verlauf des Prozesses mit Basel, denn sie findet sich in St. Blasiens „Handakten“ dazu. Es ist sogar wahrscheinlich, dass die Urkunde in dieser Form schon dem Hofgericht vorgelegt wurde. Unbestritten galt der „Stiftsbrief“ das ganze Mittelalter hindurch bis in die Neuzeit hinein als Urkunde Kaiser Ottos I.
Tagebücher weisen eine jahrhundertealte Tradition in der europäischen Kultur auf. Eine ihrer Wurzeln liegt in der Gattung der Chroniken, die zu den ältesten literarischen Formen zählen. Wie diese bestehen Tagebücher aus einer Vielzahl von Einträgen, die nummerisch sortiert sind und zeitlich aufeinander folgen. Tagebücher ermöglichen so dem Lesenden, eine zeitliche Entwicklung nachzuvollziehen und sind damit Teil eines spezifischen linearen Zeit- und Geschichtsverständnisses. Doch dies allein macht ein Tagebuch noch nicht zum Tagebuch. Vielmehr besitzen Tagebücher eine weitere Dimension. Sie dienen der Selbstreflexion und sind damit aufs Engste mit der allmählichen Herausbildung eines modernen Verständnisses menschlicher Individualität verbunden, die sich in den europäischen Kulturen seit dem Spätmittelalter vollzog. Dabei entwickelten sich im Laufe der Jahrhunderte und abhängig vom jeweiligen gesellschaftlichen und kulturellen Umfeld des bzw. der Schreibenden sehr unterschiedliche Formen des Tagebuchs. Neben Formen, die noch stark der Gattung Chronik verhaftet blieben wie manche Kriegstagebücher des Ersten Weltkrieges, die als Vorwegnahme späterer Regimentsgeschichten geschrieben wurden, fanden während der Aufklärung entstandene Tagebücher der gesellschaftlichen Eliten ihren Bezugspunkt in einem beständigen Nachdenken über Moral und moralisch richtiges Handeln. Eine besondere religiöse Bedeutung besaßen Tagebücher für viele pietistisch geprägte Protestanten, für die das Verfassen eines Tagebuches ein wichtiger Bestandteil ihres religiösen Lebens war und eine Möglichkeit bot, sich täglich religiös Rechenschaft abzulegen.
Mit Worten hoher Anerkennung würdigt ein Chronist des 18. Jahrhunderts die Persönlichkeit Johannes Egons, der in den Jahren 1626 bis 1643 Prior des Reichenauer Klosters gewesen ist: „Er war zweifellos ein überaus würdiger Prior, dem das Leben nach der Ordensregel und die Verehrung Gottes, der Gottesmutter und der Heiligen in einzigartiger Weise am Herzen lag, dazu ein nach dem Zeugnis der Gelehrten ungewöhnlich gründlicher Historiker, wie sich an seiner Abhandlung über die bedeutenden Männer der Reichenau und an verschiedenen anderen Schriften erkennen läßt. In seiner gewinnenden und freundlichen Art im Umgang mit Leuten jeglichen Standes war er bewundernswert. Da er in hohem Maß die Gunst des erlauchten Fürsten und Bischofs genoß, erlangte er zum Wohl unseres Reichenauer Konvents die Freiheit, wie ein erfahrener Verwalter eigene Güter hinzuzukaufen.“ Obwohl der Reichenauer Mönch und Historiker Januarius Stahel diese kurze Würdigung erst etwa hundert Jahre nach dem Tod des Priors Johannes Egon niederschrieb, spürt man doch, wie die Erscheinung und das Wirken eines bedeutenden und integren Mannes noch nichts von ihrem Glanz verloren hatten. Frömmigkeit, wissenschaftliches Talent, die Ausstrahlung einer souveränen und gewinnenden Persönlichkeit, diplomatisches Geschick und erfolgreiche Tätigkeit als Verwalter: Es sind viele Facetten, die hier zur Sprache kommen.
Carolinea. – 71 (2013)
(2013)
Um das Jahr 1500 herum lebten in Markgröningen ungefähr 1500 Einwohner. Eine
Stadtmauer mit damals nur drei Toren schützte die Bevölkerung samt Hab und Gut.
Im Nordwesten der Siedlung lag, von einer eigenen Mauer umgrenzt, das herzogliche
Schloss. Darüber hinaus bot die Stadt in Kriegsfällen auch Schutz für die zum Amt
gehörenden Amtsorte. Reisende fanden in Schildwirtschaften Übernachtungsmöglichkeiten, wo ihre Pferde versorgt wurden und man die Wagen unterstellen konnte.
Das Amt war ein von Vogt und Gericht beherrschter Wehr-, Hochgerichts-,
Steuer- und Verwaltungsbezirk. Der Vogt wurde als Vertreter des Landesherrn vom
Herzog eingesetzt. Mit dem Stadtgericht und dem Rat zusammen bildete er die
Exekutive und hatte darauf zu achten, dass herzogliche Anordnungen befolgt und
umgesetzt wurden. Politische Macht besaß die sogenannte Ehrbarkeit. Das waren
angesehene bürgerliche Familien mit Vermögen und landesweiten Verwandtschaftsbeziehungen zu Amtsträgern. Neun Familien, darunter die Vollands in Markgröningen, stellten in 43 württembergischen Ämtern 17 Vögte und einen Keller. Neben
Philipp Volland, der in Markgröningen das Vogtamt innehatte, war sein jüngerer
Bruder Claus in Besigheim Keller und Vogt. Der ältere Bruder, Ambrosius Volland,
war Rat und Kanzler Herzog Ulrichs.
"Verbündete im Himmel"
(2014)
Obwohl der Kriegsausbruch auf die europäische Bevölkerung im schönen Sommer 1914 wie ein Schock wirkte, kam er nicht aus heiterem Himmel. Lange zuvor hat er sich angebahnt. Die Ermordung des österreichischen Thronfolgers Franz Ferdinand und seiner Frau Sophie von Hohenberg am 28. Juni 1914 durch einen bosnischen Attentäter war nicht Ursache sondern nur eben Anlass: der Funke, der das bereitgestellte Pulverfass explodieren ließ. Die ganze Energie und menschliche Perversion, die sich dabei entlud, wird exemplarisch erkennbar am deutschen Kriegsminister und Chef des großen Generalstabs Erich von Falkenhayn, der am 5. August 1914 gegenüber dem konsternierten Reichskanzler Bethmann-Hollweg zu der Formulierung fand: "Wenn wir auch darüber zugrunde gehen, schön war’s doch." Natürlich gab es auch weniger suizidal-aggressive Protagonisten, wie eben Theobald von Bethmann-Hollweg. Aber ebenso gab es auf allen Seiten den klaren Willen zum Krieg. Er bezog seine Dynamik aus national-chauvinistischen Ressentiments in Verbindung mit den Weltmachtambitionen der europäischen Zentralmächte, insbesondere Deutschlands und Englands. Gleichzeitig allerdings – so der australisch-britische Historiker Christopher Clark – fühlten sich alle getrieben, spätestens nach dem Sarajewo-Attentat. Alle – insbesondere in Deutschland – glaubten, unter Druck zu handeln bzw. einem ersten Schlag von außen zuvorkommen zu müssen. Alle – insbesondere der deutsche Kaiser – meinten, der Krieg werde ihnen gegen den eigenen Willen aufgezwungen. Gleichzeitig hat die politisch-militärische Klasse in Deutschland – aber nicht nur da – die Eskalation aktiv befeuert und so die Katastrophe herbeigeführt. 1914 war Europa mit Clarks Worten "unfähig zum Konsens". Was dies konkret bedeutet hat, zeigen vor allem die individuellen Quellen wie sie im Projekt "Europeana 1914–1918" im Internet veröffentlicht sind, die Chroniken, Tagebucheinträge und individuelle Erlebnisberichte in staatlichen und kirchlichen Archiven. In z. T. erschütternder Weise befassen sie sich mit den Auswirkungen des Krieges im Alltag der Menschen und legen die Stimmungslage in der Bevölkerung off en. Aus ihnen entsteht ein gültiges Bild davon, wie die Betroffenen den Krieg erlebt haben und was er jenseits aller Propagandaschreierei für sie bedeutet hat.
2014 wurde im Regierungsbezirk Karlsruhe, Landkreis
Rastatt, das 63 ha große Naturschutzgebiet „Hilpertsau“
auf der gleichnamigen Gemarkung der Stadt Gernsbach ausgewiesen. Das Gebiet ist ein repräsentatives,
vergleichsweise gut erhaltenes Wiesental des Schwarzwaldes. Seine Schutzwürdigkeit begründet sich mit den
vorhandenen, in Baden-Württemberg bestandsgefährdeten Biotoptypen (Nasswiesen, Magerwiesen und
Borstgrasrasen, Streuobstwiesen, naturnahe Bachläufe, Quellen, in untergeordnetem Maß Hohlwege,
Trockenmauern und Steinriegel). Die 2012 nachgewiesenen Arten aus den Gruppen der Fledermäuse,
Vögel, Schmetterlinge und Heuschrecken werden
genannt. Zwei vom Aussterben bedrohte Fledermausarten (Große Bartfedermaus und Graues Langohr,
Myotis brandtii und Plecotus austriacus), neun stark
gefährdete Arten (Wendehals (Jynx torquilla), Waldlaubsänger (Phylloscopus sybillatrix), Bechsteinfledermaus (Myotis bechsteinii), Nordfedermaus (Eptesicus
serotinus), Breitfügelfedermaus (Eptesicus nilsonii),
Kleiner Abendsegler (Nyctalus leisleri), Großes Mausohr (Myotis myotis), Mauereidechse (Podarcis muralis)
und Sumpfschrecke (Stethophyma grossum)) sowie
weitere gefährdete Arten betonen die Schutzwürdigkeit
des Gebietes. Die Gefährdungen – im Wesentlichen
Aufgabe oder Intensivierung der Wiesennutzung, Vernachlässigung der Obstbäume und Freizeit-Aktivitäten
– sowie die Grundzüge künftiger, naturschutzfachlich
ausgerichteter Pflege werden vorgestellt.
Das Plattenmoos
(2014)
Eine Exkursion des Baarvereins im Juni 2013 „Rund um das Plattenmoos“ bot
Gelegenheit zu einer lebhaften Erörterung der Entstehung und der Nutzungsgeschichte dieses letzten leidlich intakten Hochmoores der Baar. Diskutiert wurden
dabei die historisch verbürgten Eingriffe in die Gewässer, die das Plattenmoos einst
gespeist haben müssen, wie auch allfällige Entwässerungsmaßnahmen zum Zweck
des Torfabbaus. Bei der Sichtung der Literatur stößt der Leser auf zahlreiche
Rätsel und Ungereimtheiten. Insbesondere die Entstehungsgeschichte der in der
Bevölkerung sog. „Schlucht“ unweit des Moores muss überraschen, die Eintiefung
des die Gemarkungen Überauchen und Pfaffenweiler trennenden Hofbächles in
historischer Zeit. Die „Schlucht“ sei das Ergebnis „einer für danubische Verhältnisse ganz außerordentlichen Erosion“, hat bereits WILLI PAUL, der Vöhrenbacher
Geologe, 1984 in einem Beitrag für die Schriften der Baar festgestellt. Wie hat man
sich diesen Vorgang konkret vorzustellen, wie rasch schreitet die Schluchtbildung
voran und wodurch wurde sie ausgelöst?
Heteroptera of Lebanon
(2014)
Atractotomus riegeri sp. nov. from North Lebanon, where it was collected on Abies cilicica in two different localities, is described and illustrated. The new species is easily separated from all other Palaearctic Atractotomus by the unique shape of its second antennal segment, regularly and remarkably infated in both sexes. A key to the males of Palaearctic Atractotomus, partly based on that by Stonedahl (1990), has been provided in order to facilitate the recognition of the species.
Marbach im Sommer 1914
(2014)
Erst im Abstand von hundert Jahren gelangt die Bedeutung des Jahres 1914 richtig
ins allgemeine Bewusstsein. Erst jetzt wird deutlich, wie alle die großen Umwälzungen
des 20. Jahrhunderts in den Geschehnissen jenes Jahres ihren Ausgang nahmen. Im
Folgenden soll gezeigt werden, wie sich das große Weltgeschehen in der kleinen Stadt
Marbach ausgewirkt hat, was die Bürger zu spüren bekamen, wie sich ihr Leben verändert hat, womit sie fertig werden mussten.
Dazu ist erforderlich, dass die Stadt von 1914 zunächst vorgestellt wird. Marbach
wies damals zwei Wachstumsspitzen auf: im Osten den schon 1879 eröffneten Bahnhof und im Süden das 1903 eröffnete Schillermuseum. Entlang den strahlenförmig
vom mittelalterlichen Stadtkern ausgehenden Straßen entstanden mehr und mehr
landwirtschaftliche Anwesen, deren Besitzer aus der Enge der Altstadt aussiedelten.
An der Straße zum Bahnhof wurden in sicherer Entfernung zur Kernstadt auch mehrere
ländliche Villen gebaut, die heute im Verlauf von Güntterstraße und Goethestraße
noch erhalten sind. Was es in Marbach im ersten Jahrzehnt des 20. Jahrhunderts nicht
gab, war ein weiträumiger Stadtentwicklungsplan, der eine klare Trennung zwischen
Wohn- und Gewerbe- bzw. Industriegebiet vorgesehen hätte. Es gab fabrikähnliche
Anwesen im Westen an der Ludwigsburger Straße, eine Schuhfabrik beim Schillermuseum, Möbelfabriken beim Bahnhof und an der Schillerstraße, und die Ludwigsburger Firma Franck betrieb eine Zichorienfabrik an der Straße nach Rielingshausen.
Aber nicht nur Aussiedlerhöfe und Fabriken wurden gebaut. Es war ein Jahrzehnt,
in dem auch eine ganze Reihe öffentlicher Bauten errichtet wurde. Ein Jahr nach dem
Schillermuseum konnte die städtische Turnhalle an der Haffnerstraße eingeweiht
werden, die lange Zeit auch als städtische Festhalle diente. Zwei Jahre später erstrahlte
in Marbach elektrisches Licht.
Diesen interessanten Beitrag erhielten wir von unserem
langjährigen Mitglied Georges-Henry Benoit.
Weckruf und Mahnung zugleich
In diesem bescheidenen Beitrag geht es um die
Soziale Marktwirtschaft. Wir müssen die Soziale
Marktwirtschaft verteidigen, denn nur wenn wir
sie gestärkt haben, werden wir in der Lage sein,
welcher Krise auch immer widerstehen zu können.
Die jüngsten Entwicklungen und Ereignisse
(Versagen der Politik, Abwesenheit des Staates,
Schuldenkrise, Eurokrise) haben die Geister erregt
und bei der Öffentlichkeit Fragen aufgeworfen.
Dies sind Fragen bezüglich der Fähigkeit des Staates,
der Wirtschaft Grenzen zu setzen, sei es als
Schiedsrichter oder als Regulator, oder bezüglich
der Fähigkeit des Staates, den Verbraucher zu
schützen, und auch bezüglich der Bedeutung und
Zweckmäßigkeit der Sozialen Marktwirtschaft,
angesichts des Verhaltens mehrerer Unternehmen,
die dem ehrbaren Kaufmann keinen Platz mehr
lassen.
Wenn alte Villinger von ihrer Schulzeit erzählen,
kann es sein, sie erinnern sich an ein museumspädagogisches
Erlebnis besonderer Art: dass sie
nämlich beim Besuch des Alten Rathauses zur
Veranschaulichung früherer („peinlicher”) Befragungsmethoden
auf der Streckbank festgebunden
wurden 1. Diese Streckbank stand in der als „Folterkammer”
eingerichteten Arrestzelle von 1731
im 2. Obergeschoss des Alten Rathauses. Sie war
Teil eines Arrangements von Folterwerkzeugen, die
allesamt Georg Fidel Hirt (1821 – 1889) gesammelt
und an die Stadt Villingen verkauft hatte. Er tat
dies bereits vor dem offiziellen Gründungsdatum
der Städtischen Altertümersammlung, 1876. Seine
Sammeltätigkeit war die Urzelle des Villinger
Museums.
Der Uhu (Bubo bubo) hat auf der Niederterrasse zu
Karlsruhe ein Brutrevier ausgewählt, welches von den
in Baden-Württemberg üblichen Brutplätzen deutlich
abweicht. Es liegt im Rheinhafen (Südbecken) und ist
ein typischer vegetationsarmer Industriestandort. Die
Besonderheit und die Attraktivität dieses für den Uhu
„neuen“ kolonisierten Lebensraumes liegen an dem
offensichtlich hohen Beutetierangebot, welches ganzjährig verfügbar ist. Die Parzellierung in Firmengelände scheint für den Uhu tendenziell positiv zu sein, da
er sich zweifelsfrei gut an die alltäglichen periodisch
auftretenden Arbeitsabläufe, welche er nicht als Störung zu empfinden scheint, und den damit einhergehenden Veränderungen und Lärm im Firmengelände
gewöhnen kann. Für die Jungen scheint diese alltägliche Arbeitswelt noch weniger problematisch, da sie in
diesen Arbeitsrhythmus hinein geboren wurden und in
der „Ästlingsphase“ instinktiv die Bereiche aufsuchen,
welche sie bzw. die Alt-Vögel als beruhigte Räume erkennen.
Nach mehreren vergeblichen Anläufen war es endlich soweit. Am 30. September 1896 kam aus Karlsruhe die erlösende Nachricht, dass Offenburg Garnisonstadt werde. Der preußische Kriegsminister hatte nach mehreren abschlägigen Bescheiden
auf die Anträge des Stadtrats jetzt der Stationierung von Soldaten zugestimmt. Allerdings musste die Stadt das Gelände zur
Verfügung stellen und entgegen ursprünglichen Abmachungen auch die Baukosten selbst tragen. Das kostete die Stadt über
zwei Millionen Mark. Aber das war ihr die Sache wert. Nach nur fünfzehnmonatiger Bauzeit war die Kaserne bezugsfertig,
und schon am 30. September 1898 konnte der festliche Einzug der Soldaten erfolgen. Was aber hatte Offenburg mit dem preußischen Kriegsministerium zu tun? Gemäß der mit Preußen geschlossenen Militärkonvention vom 25. November 1870 verzichtete das Großherzogtum auf seine Militärhoheit. Aus badischen Regimentern wurden nun königlich-preußische.
Ohne Zweifel gehörte das Schloss Solitude mit seinen weitläufigen Parkanlagen
zu den spektakulären barocken Bauwerken in Deutschland. Obwohl vom Park und
seinen Gebäuden nur noch Spuren übrig geblieben sind, erstaunt es heute noch,
welche gewaltige Anlage hier innerhalb weniger Jahre gebaut worden ist. Herzog Karl
Eugen steht mit seiner geradezu manischen Baulust auch im Vergleich mit seinen
Zeitgenossen als Ausnahmeerscheinung da. Alle paar Jahre fasste er ein neues Bauprojekt ins Auge, so dass er schließlich über eine stattliche Anzahl an repräsentativen
Herrschaftssitzen verfügte. Dazu zählt in erster Linie das Residenzschloss Ludwigsburg mit dem kleineren Jagdschloss Favorite und dem Schlösschen am Eglosheimer
See, das im 19. Jahrhundert den Namen Monrepos erhalten sollte. Daneben entstand auf der Schwäbischen Alb das Jagdschloss Grafeneck, auf dem Einsiedel bei
Tübingen ließ Karl Eugen neben dem alten herzoglichen Jagdschloss ein repräsentatives Gebäude errichten, und in der Nähe von Stuttgart unterhielt er ein kleineres
Schlösschen Floride in dem Bereich, wo sich heute der Stadtteil Fasanenhof befindet.
In diese imposante Reihe der Schlösser fügt sich das Schloss Solitude ein, zu dem
im November 1763 der Grundstein gelegt wurde. In einem weitläufigen Waldgebiet
in der Nähe des Dorfes Gerlingen ließ der Herzog ein Schloss in der Einsamkeit mit
zahlreichen Nebengebäuden und einer weitläufigen Parkanlage erbauen. Die Ähnlichkeit mit dem Seeschloss bei Eglosheim dürfte nicht auf Zufall beruhen. Das Seeschlösschen war seit 1760 unter der Leitung des Architekten Philippe de la Guêpière
gebaut worden. Schon kurz nach Baubeginn verlor Herzog Karl Eugen das Interesse
an dem kleinen Schloss mit seinem rechteckigen See, vermutlich deshalb, weil er nun
auf der Solitude eine wesentlich größere Anlage erbauen ließ. Bei beiden Schlössern
stand die Absicht im Vordergrund, abgelegene Orte abseits der Residenzen zu schaffen,
in die man sich zurückziehen konnte. Das drückt sich bereits im Namen Solitude
aus. Indessen machte Herzog Karl Eugen die Verbindung des Ludwigsburger Residenzschlosses mit dem Jagdschloss auch optisch deutlich, indem er die beiden Schlösser
durch eine schnurgerade Allee miteinander verbinden ließ. Noch heute zeichnet sich
die Solitude-Allee deutlich in der Landschaft ab und ist damit zu einem prägenden
landschaftlichen Element im Mittleren Neckarraum geworden. Fast das gesamte
Ensemble der Alleen im Raum Ludwigsburg blieb erhalten, wodurch die Barockzeit
bis heute im Großraum Ludwigsburg signifikante Spuren hinterlassen hat.
Ettenheimer Gärten, Teil 3-6
(2014)
Durch die Ausgrabungen der Archäologischen Denkmalpflege (Regierungspräsidium Freiburg) in Offenburg und Gengenbach
sowie durch die Meldung des römischen Inschriftsteins von Offenburg-Bühl durch Dr. Gernot Kreutz wurden in den letzten Jahren bemerkenswerte Ergebnisse zur Besiedlung des Kinzigtals und besonders seines unmittelbaren Vorlandes gewonnen. Hinzu kommen die Resultate neuerer Geländebegehungen des Verfasser im Kinzigtal selbst; sie beleuchten die frühen
Siedlungsphasen vor den ersten urkundlichen Nennungen der Klöster, Burgen, Ortschaften und Städte.
Der Johanniter- oder Malteserorden führt seinen
Ursprung auf das gegen Ende des 6. Jahrhunderts
gegründete Pilgerspital und Hospiz in
Jerusalem zurück. Die Sarazenen zerstörten das
Hospiz mehrmals. Karl der Große stellte diese
wohltätige Einrichtung wieder her. Im Jahre 1048
gelang es italienischen Kaufleuten in der Nähe der
Kirche des Heiligen Grabes Grund und Boden
als Eigentum zu erwerben. Hier bauten sie vorerst
zwei Kapellen und zwei Hospitäler und weihten sie
dem hl. Johannes. In diesen Herbergen erhielten
die Pilger Ruhe, Pflege, ärztlichen Beistand und
Ausrüstung für die Heimkehr ins Vaterland. Viele
fromme Christen zogen es indessen vor, ihr Leben
fortan der Krankenpflege zu weihen und an dem
Orte zu sterben, wo auch Gott gestorben war.
Abnoba
(2014)
In der Frühzeit der Fotografie verbreitete sich die neue Technik zunächst in den Städten. Für die Ortenau richtungsweisend
waren Straßburg und Baden-Baden, wo seit 1840/41 Fotografen nachweisbar sind. Ab der Mitte des 19. Jahrhunderts arbeiteten neben den städtischen Atelierfotografen häufig Wanderfotografen, die das neue Medium verbreiteten. Unter ihnen waren oft Portraitmaler und Lithografen, die auf die neue Technik des Fotografierens umgeschult hatten, wie die Anzeigen erkennen lassen. Diese Fotografen zogen durch Städte und über Land, wo sie für eine kurze Zeit - und wenn es sich lohnte
auch einige Tage oder Wochen länger - in Gasthäusern oder angemieteten Räumen logierten und dann weiterzogen. Ab
den 1870er Jahren machten sie auch auf Volksfesten Fotografier-Buden auf, oft genug reichten auch ein Zelt und gemalte
Hintergründe für ihre Arbeit. Ihre Dienste machten sie durch Zeitungsanzeigen, Plakate, Handzettel oder Ausruf durch den
Ortsbüttel bekannt.
Wir sind hier in Hornberg, und damit am rechten Ort: an einem literarischen. Bruno von Hornberg, der im 13. Jahrhundert auf der Burg über der Stadt saß, hat ihren Namen zusammen mit seinem eigenen in die Literaturgeschichte eingeführt. Und er, der Minnesänger, der vier Lieder hinterließ, hat das, was Minne meinte, auf unvergleichliche Weise in Worte gefasst.
„Aufgestanden ist er, welcher lange schlief / Aufgestanden unten aus Gewölben tief". Mit diesen Worten beginnt das Gedicht „Der Krieg" von Georg Heym (1887-1912). Es entstand nicht etwa 1914, sondern 1910, und macht deutlich, dass der
Erste Weltkrieg lange schon in den Köpfen begonnen hatte, noch bevor der erste Schuss fiel, und dass Schriftsteller einen
großen Anteil daran hatten.
Bei Betreten des Friedhofes von Windschläg stößt der Besucher in der Mitte der Anlage, nahe dem Friedhofskreuz, auf ein bemerkenswertes, markantes Kleindenkmal: ein Bildhäuschen, dass an den im Ersten Weltkrieg gefallenen Soldaten Andreas
Kaufmann erinnert. So mancher Betrachter, der nachdenklich die Zeilen der Grabinschrift gelesen hatte, mag sich wohl gefragt haben: wer war diese Person, die auf einem Schlachtfeld des Ersten Weltkrieges ihr Leben verlor und so jung sterben musste?
Mit Blick auf das Jahrhundertgedenken zum Beginn des Ersten Weltkriegs hat die Badische
Landesbibliothek bereits im Jahr 2013 hundert zeitgenössische Bücher und Broschüren aus den
Jahren 1914‐1918 digitalisiert. Sie stammen aus badischen Verlagen oder beziehen sich auf das
Kriegsgeschehen in Baden. Seither hat sich die Titelzahl aufgrund von Benutzeraufträgen noch
erhöht. Die digitalisierten Titel sind zu finden unter: http://digital.blb‐karlsruhe.de.
Das Spektrum der Digitalisate reicht von amtlichen Denkschriften zu wirtschaftlichen Maßnahmen während des Kriegs oder zur Invaliden‐ und Hinterbliebenenfürsorge über Kriegspropagan‐
da, Kriegstagebücher, Kriegslyrik und Kriegspredigten bis hin zur Darstellung der Kriegserlebnis‐
se von Badenern an der Front und in Gefangenschaft. Ebenfalls dabei: das mit Hunderten von
Fotos ausgestattete Gedenkbuch der Stadt Pforzheim mit den Ehrentafeln der Kriegsopfer aus den
Jahren 1915‐1920 und das Ehrenbuch der Stadt Karlsruhe für ihre 5510 im Krieg gefallenen
Bürger aus dem Jahr 1930. Oder eine alphabetische Zusammenstellung der höchstzulässigen
Lebensmittelpreise in Karlsruhe nach dem Stand vom 15. Mai 1916. Eine kleine Auswahl der
digitalisierten Titel soll hier vorgestellt werden.
Seit Karl Siegfried Bader vor nunmehr 78 Jahren seinen Aufsatz „Kürnburg, Zindelstein und
Warenburg. Stützpunkte der Zähringerherrschaft über Baar und Schwarzwald" im Schau-insLand veröffentlichte, sind einige Burgen in der Baar bzw. im östlichen Schwarzwald eine feste
Größe. Als Stützpunkte zähringischer Macht und zur Sicherung und Kontrolle der Verkehrswege zwischen dem Breisgau und der Baar wurden besonders Zindelstein im Bregtal, die Warenburg bei Villingen und die Kirnburg (Kürnberg) am Kirnbergsee bei Unterbränd (Stadt Bräunlingen, Schwarzwald-Baar-Kreis) herausgestellt. Bader hatte dabei die Beherrschung
des Schwarzwaldes mit der dadurch ermöglichten Verbindung der Territorien auf der Baar und
am Neckar mit dem Breisgau unterstrichen. Im Lichte neuerer Forschungen ist jedoch kritisch
anzumerken, dass womöglich die Unwegsamkeit des Schwarzwalds dabei zu sehr betont wurde.
Inzwischen wurde eine Vielzahl alter Wege erkannt, von denen die Verbindung über Wagensteigtal und Thurner, nördlich am späteren Neustadt vorbei, über Eisenbach-Höchst in Richtung
Hüfingen wohl als Römerstraße oder römischer Verkehrsweg anzusprechen ist.
»Nach 50 Jahren trägt die Gemeinde Schöckingen heute noch einen rein bäuerlichen
Charakter mit seinen Vorzügen und Nachteilen. Konservativ zäh am Alten hängend,
schwerfällig, aber gründlich und zuverlässig, sehr vorsichtig allem Neuen gegenüber.« So
beschreibt der Pfarrer im Ruhestand Nathanael Ludwig Heinrich Rösler im Jahre 1935
seine ehemalige Kirchengemeinde, der er von 1926 bis 1934 als Pfarrer gedient hatte.
Schöckingen, Ditzingens kleinster Stadtteil, bis zum 30. Juni 1972 ein kleines, aber
selbständiges Dorf im Strohgäu, feiert in diesem Jahr sein 1200-Jahr-Jubiläum. Anlass
für die Festlichkeiten ist die erste Erwähnung des Ortsnamens in einer Schenkungsurkunde des Klosters Lorsch. In dieser Urkunde ist festgehalten, dass am 4. Juni 814,
also im Todesjahr Karls des Großen, ein gewisser Gunthart und seine Gemahlin Adelspirn dem heiligen Nazarius Güter und Leibeigene im Glemsgau geschenkt haben.
Dabei taucht auch der Name »Skeckinga« auf.
Diese erste Nennung kommt recht spät und gibt wie die Schenkung selbst einige Rätsel
auf. Schenkungen aus dem Glemsgau waren schon fast 50 Jahre zuvor in größerer Zahl
an das fränkische Reichskloster gegangen. Schöckingen blieb lange außen vor. Waren
die Grundherren zu geizig oder nicht fromm genug? Wir werden es nicht erfahren. Sowenig wie wir über die Schenker Gunthart und Adelspirn erfahren werden. Waren sie
fränkische Grundbesitzer, die ihre einst heidnischen alamannischen Untertanen an das
Kloster gaben? Oder waren sie alamannische Grundbesitzer, die sich der fränkischen
Oberherrschaft andienen wollten oder gar mussten? Oder nichts davon?
Bei meinem Heiligenberg-Aufenthalt im Herbst 2009 kam ich mit jüngeren Menschen ins Gespräch, die schon seit vielen Jahren in Heiligenberg wohnen: Sie waren gut
informiert über die Geschichte Heiligenbergs, jedoch von der früheren Existenz des
Heiligenberg-Instituts hatten sie keine Kenntnis. Diese Unkenntnis ist natürlich nicht
verwunderlich, liegt doch das Ende der Instituts-Zeit bereits 40 Jahre zurück. Die nur 26
Jahre währende Geschichte des Instituts konnte sicherlich auch keine Verankerung im
kollektiven Gedächtnis Heiligenbergs bewirken. Außerdem weist nichts mehr auf die
frühere Existenz des Instituts hin, keinerlei Spuren, kein Hinweisschild, nichts. Dennoch
war ich im Moment bestürzt darüber, dass diese für meine Kindheit und frühe Jugend so
bedeutsame vitale Welt des Institutes in Vergessenheit geraten war. So kam ich zu dem
spontanen Entschluss, diese versunkene Welt wenigstens auf dem Papier zu erhalten.
Carl Friderich Herbort
(2014)
In den Archiven der Städte und Gemeinden unseres Landes zählen die Inventarbücher
zu den interessantesten und aufschlussreichsten Zeugnissen der Vergangenheit, und für
die kulturgeschichtliche Forschung sind sie als authentische Quelle von großer Bedeutung. Grund genug also, anhand umfangreicher Unterlagen – Inventarverzeichnis, Tagebuch, Ladeninventar, Schriftverkehr, Warenlager – zu untersuchen, mit welchen Waren
der Bietigheimer Kaufmann Herbort die Bevölkerung einer Landstadt und deren Umgebung im Herzogtum Württemberg gegen Ende des 18. Jahrhunderts versorgt hat.
Um das Ganze in den geschichtlichen Zusammenhang um 1780 einzuordnen, sind
einige Hinweise hilfreich: In Preußen regierte Friedrich II. der Große, Carl Eugen war
Herzog von Württemberg, Goethe stand seit 1776 im Staatsdienst in Weimar, Schiller
war nach den ersten bestandenen medizinischen Examina aus dem Militärdienst entlassen worden und arbeitete an den »Räubern« und Mozart war Hoforganist des Erzbischofs in Salzburg. Könige, Fürsten und Bischöfe als Feudalherren hielten große
Höfe und bestimmten das gesellschaftliche Leben, zu dem auch eine mit erlesenen,
teils exotischen Lebensmitteln und Gerichten reich gedeckte Tafel gehörte.