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Alemannische Legendare (l.)
(1973)
Bis heute finden sich in vielen katholischen Haushalten, auch dort, wo wenig
gelesen wird, jene Bücher, die in der Reihenfolge des Kalenders die Legenden
der Heiligen enthalten. Jene Folianten, von denen der Erzähler in dem Roman
„Halbzeit" des Wasserburger Schriftstellers Martin Walser schreibt: ,,Meine
Mutter saß steif vor der großen Legende, ihrem einzigen Buch, in dem sie
seit eh und je las ... in jener Haltung eben, in der jemand, der nicht viel liest,
vor einem Buch sitzt, und dazu noch vor einem solchen in Schweinsleder
gebundenen Heiligenbuch ... Sie wollte an jedem Tag ihre Begegnung mit
dem Heiligen haben, der wirklich an diesem Tag dran war."
Mit unserem Thema greifen wir eine Fragestellung auf, welche innerhalb
der geographischen Disziplin nur zaghaft angegangen worden ist. Wenn es
doch geschieht, so ist in den meisten Fällen die Berufung auf Alfred Hettners
Aussage symptomatisch: ,,Die Geographie der Religionen ist der
schwerste und heikelste Teil geographischer Betrachtung". Dem Religiösen in
seinem Bezug auf das Räumliche wird als wissenschaftliche Aufgabe mit einer
gewissen Scheu und methodischen Zurückhaltung begegnet, so, als wäre dieser
„heilige" Gegenstand einer nüchternen Betrachtung entzogen. Dabei verdiente
gerade die umfassende Realität des religiösen Lebens auf der Erde eine besondere
Anteilnahme und Bewußtmachung durch systematische Beobachtung
und interpretierende Denkarbeit.
Über die Gründung der Universität Tübingen im Jahr 1477 und die an dieser
Universität bis zur Reformation gelehrte Theologie informiert eine ganze Reihe
wichtiger Arbeiten. Bekannt ist auch, daß Graf Eberhard d.Ä. im Zusammenhang
mit der Universitätsgründung erwog, die Dominikaner nach Tübingen zu
berufen und ihnen das Kloster der Augustiner-Eremiten zu übergeben, da, wie
schon Martin Crusius angemerkt hat, die Dominikaner damals gelehrter waren als
die Augustiner-Eremiten. Der Provinzial der Dominikaner, Fabri von Stubach,
hielt sich im Jahr 1478 zwischen dem 25. Mai und dem 2. August über einen
längeren Zeitraum bei Eberhard d.Ä. im Uracher Schloß auf, um die Reform der
württembergischen Dominikanerinnenklöster zu leiten. Dies scheint jedoch nicht
der alleinige Zweck seiner Anwesenheit in Urach gewesen zu sein, denn er
verließ das Schloß nicht einmal, als es um die Reform des Klosters Offenhausen
ging, die Eberhard d.Ä. besonders am Herzen lag. Vielmehr gab der Provinzial seinem Reformkommissar Johannes Meyer schriftlich seine Anweisungen. Offenbar
verhandelte Fabri von Stubach damals mit Eberhard d.Ä. auch erfolgreich
über eine Mitwirkung der Dominikaner an der Universität. denn noch im August
1478 mußte der Provinzial der Augustiner-Eremiten sein Tübinger Kloster an
Graf Eberhard d.Ä. abtreten.
Für mein Thema ist ein Aufsatz, den der unvergessene Heinrich Büttner im
Jahre 1950 unter der Überschrift "St.Blasien und das Bistum Basel im 11./12.
Jh." vorgelegt hat, grundlegend geblieben. Seine Quintessenz aus strenger
Analyse in historischer Wertung lautete: "Tatsächlich hatte das Kloster durch
die Wahl des Zähringerherzogs zum Vogt und durch die Herauslösung aus der
Basler Herrschaftssphäre seine Zugehörigkeit zur Reichskirche verloren und
dazu die Voraussetzung zu einer wirklichen libertas, wie sie als Endziel den
reformfreudigen Benediktinern des 11./12. Jahrhunderts vorschwebte. Aus dem
geistlichen Eigenkirchenwesen des Bischofs von Basel wechselte St.Blasien
über in die sich aufbauende Territorialherrschaft des Zähringers". Halte ich
heute, 43 Jahre nach der Niederschrift der zitierten Sätze das Programm unserer
Tagung daneben, näherhin meine und die Kommentierung meiner Mitreferenten,
so will es scheinen, als ob wir uns das Defizit in der verfassungsrechtlichen
Stellung St.Blasiens als ein Jahrhunderte überspannendes Thema gesetzt hätten.
Die Zugehörigkeit der Abtei St.Blasien zum Hause Habsburg war jedenfalls
ab dem 14. Jahrhundert nie erfolgreich in Frage gestellt; sie war eng verbunden
mit der vorderösterreichischen Grafschaft Hauenstein, die sich zusammen mit dem
klösterlichen Zwing und Bann etwa vom Feldberg und Schluchsee im Norden bis
zum Hochrhein im Süden und von der Herrschaft Wehr im Westen bis zur
Schwarza im Osten erstreckte. Gleichwohl versuchten die Abte immer wieder,
diese Stellung mit reichsrechtlichen Komponenten zu durchsetzen. Zudem veranschlagte
die Reichsmatrikel von 1422 bis 1521 fast regelmäßig das Stift in der
Reihe der unmittelbaren Prälaten; im Jahre 1549 versuchte der Schwäbische Kreis
vergeblich, St.Blasien als angeblich altes Mitglied der Prälatenbank für sich zu
reklamieren, ein Vorgang, der sich in der Folgezeit mehrfach, so 1711 und 1741,
wiederholte. Die vorderösterreichische Landeshoheit über den Zwing und Bann
der Abtei blieb gleichwohl hiervon unberührt. - Ab dem zweiten Viertel des 16.
Jahrhunderts allerdings bemühte sich das Schwarzwaldkloster parallel zu seiner
steigenden allgemeinen Bedeutung in verstärktem Maße um eine Ausweitung und
Vereinheitlichung seiner teilweise stark zersplitterten und sich mit Zuständigkeiten
anderer Gewalten überlagernden Rechte, und zwar eindeutig in Richtung landeshoheitlicher
Befugnisse.
„Im Jahre des Heils 1749 ...“ - so beginnt im alten Taufbuch der Bruchsaler St. Peterskirche der handschriftliche Eintrag, darin die feierliche Kirchweihe jenes Jahres beschrieben wird, und so lautete auch der Titel einer Sonderausstellung des Städtischen Museums (im Obergeschoß des Bruchsaler Schlosses) aus Anlass der 250. Wiederkehr dieses Ereignisses. Bis Anfang Januar 2000 konnten sich die Besucher von zahlreichen historischen Exponaten zurückversetzen lassen in die lebendige Zeit des Barock, als tiefempfundene Religiosität, weltlicher Machtanspruch der Kirche und äußerer Prunk in einer noch heute faszinierenden Form verschmolzen sind. Was die Ausstellung nach den Intentionen ihrer Ausrichter zentral dokumentieren sollte, sind die beiden Säulen des Gründungsgedankens der Bruchsaler St. Peterskirche: die spirituelle, gottesdienstliche Bedeutung auf der einen Seite, die weltliche Konnotation als Symbol von Herrschaft und Autorität auf der anderenn. Denn St. Peter zu Bruchsal war nicht allein ein Gotteshaus, sondern überdies ein Gotteshaus in einer Landeshauptstadt - und dieser
Standort hat die Widmung der Kirche als künftige Grablege der Fürstbischöfe von Speyer entscheidend bedingt.
Stadt - Land - Religion
(2000)
Zahllose Konflikte prägten das Verhältnis von Staat und Kirche im 19. Jahrhundert. Zu den Höhepunkten der Auseinandersetzungen gehörte neben einer frühen Eskalation im „Kölner Ereignis“ und den mannigfachen Kulturkämpfen der 1870er Jahre auch der „Badische Kirchenstreit“ nach der Jahrhundertmitte. Er wurde in seinen Grundzügen bereits mehrfach dargestellt, so in den größeren Werken zur oberrheinischen bzw. badischen Geschichte aus der Feder von Heinrich Brück, Heinrich Maas und Hermann Lauer. 1905 wandte sich erstmals in ausschließlicher Weise Curt Schröter dem Thema zu.
Das Ende der Fürstbistümer, Abteien und Klöster durch den Reichsdeputationshauptschluß (RDH) vom 25. Februar 1803, der Untergang aller geistlichen Reichsstände und die Einziehung des Kirchenvermögens durch den Staat, ist eingebettet in einen geistesgeschichtlichen Prozeß zu sehen, der das Denken über das Verhältnis von Staat und Kirche im 18. Jahrhundert wandelte. Die Säkularisation, der Verlust der Landeshoheit und die Enteignung des Vermögens der geistlichen Stände, setzte die grundlegende Veränderung des Rechts- und Reichsbewußtseins ebenso voraus, wie die fortschreitende Profanierung der Staatsidee. Nur auf diesem Hintergrund läßt sich erklären, daß sich die größeren und mittleren Reichsstände ohne jede Hemmung auf die geistlichen Mitstände stürzten und sich deren Hoheitsrechte und Eigentum aneigneten. Die in keinem Verhältnis zur Größe der Neuerwerbungen stehenden territorialen Verluste auf dem linken Rheinufer legitimierten dabei diesen Länderraub vor dem eigenen Gewissen, falls dies sich bei der einmaligen Möglichkeit dieser territorialen Expansion überhaupt noch regte. Die Aufhebung der zahlreichen Klöster und Abteien schien vor dem Gewissen auch deshalb gerechtfertigt, weil man die Menschheit damit von Institutionen befreite, die angeblich nutzlos und schädlich waren und ein Überbleibsel des finsteren Mittelalters darstellten.
"Concordatslärm" in Baden
(2002)
Nichts versetzt leichter in die Stimmungen und in das allgemeine Milieu einer Zeit als ihre Zeitungen ... Sie zeigen mehr als jede andere Quelle, was die Zeitgenossen beschäftigt und vor allem interessiert hat. Gilt eine solche Aussage heute nur mehr bedingt, so trifft sie für das 19. Jahrhundert uneingeschränkt zu. Die immense Bedeutung, welche man den Blättern von ihren bescheidensten Anfängen an beimaß, läßt sich leicht an den staatlichen Zensurbestimmungen ablesen, wie sie zeitgleich mit dem Erscheinen der ersten periodischen Druckerzeugnisse nachweisbar sind und erst im Gefolge der Revolution von 1848/49 allmählich abgebaut werden. Allein durch Zeitungen und Zeitschriften sind damals gesellschaftliche Gruppen und Institutionen in der Lage, sowohl ihre Parteigänger als auch die immer zahlreichere politisch interessierte Öffentlichkeit zeitnah zu informieren sowie zielgerichtet und bewußtseinsbildend zu beeinflussen. Folglich erweist sich deren Analyse gerade in bewegten Zeiten als überaus aufschlußreich.