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- Schloss Ludwigsburg 〈Ludwigsburg〉 (6) (entfernen)
Sprechende Wände
(2004)
Zu allen Zeiten haben Menschen - Handwerker, Architekten, Künstler, Schlossbewohner, Personal, Wachsoldaten, Reisende, Touristen, Liebespaare - am und im
Schloss ihre Spuren hinterlassen. Sie verewigten sich an den Schlossmauern, den
Wänden im Inneren, auf Türen, Fensterscheiben und Figuren. Es finden sich Spuren in einer Bandbreite, die von eingeritzten Monogrammen bis zu komplexen Zeichnungen reicht, über einen Zeitraum von 1704 bis heute. Gegenstände finden sich
unter den Fußböden: Briefe, Fragmente von Kleidung, Schuhe, Keramik. So werden
die Wände des Gebäudes und seine Fehl- und Zwischenböden zu einem lebendigen
Geschichtsarchiv, zu einem gewaltigen steinernen Kalender, der bis in unsere Gegenwart reicht und ständig fortgesetzt wird.
Aus der Vielzahl der Spuren werden im Folgenden anlässlich des 300-jährigen
Schlossjubiläums die des 18. Jahrhunderts vorgestellt. In allen Schlossgebäuden finden sich bauzeitliche »Menschenspuren«: Inschriften, Abrechnungen, Sprüche,
Zeichnungen, Karikaturen und Jahreszahlen. Die Wand als Notiz-oder Skizzenblock,
manchmal auch als »Schmierpapier« zu verwenden war keine Ausnahme, sondern
die Regel. Bei der Menge an »Menschenspuren« kann die Anbringung keine unerlaubte oder explizit verbotene Handlung gewesen sein. Deshalb trifft der Terminus
»Graffiti« auf diese Hinterlassenschaften nur teilweise zu, da dieser die unerlaubte
Handlung und das Schreiben, Zeichnen oder Sprayen auf dafür nicht vorgesehene
Träger voraussetzt. Die Wandflächen im Rohbau des Ludwigsburger Schlosses waren
aber ganz offensichtlich ein üblicher Träger für allerlei Notizen und Späße. Deshalb
sehe ich die Hinterlassenschaften der Bauarbeiter, Handwerker und Künstler als
»Menschenspuren«. Inschriften und Zeichnungen werden dennoch umgangssprachlich als Graffiti bezeichnet bzw. in wissenschaftlichen Publikationen als »historische
Graffiti«. Ich definiere: Graffiti sind Ausdrucks- und Kommunikationsformen - Inschriften oder Zeichnungen - spontaner Art. Sie sind nicht beauftragt und befinden
sich auf einem Träger, der nicht Papier ist.
Während der Restaurierungen der letzten Jahre wurden immer wieder Fußböden
geöffnet und darunter fand sich eingefülltes Fundgut. Merkwürdiges tauchte in den
Gewölbezwickeln über der Kuppel des Spielpavillons auf: Briefe an Corpora! Harve
Grossman, Verpackungen von Süßriegeln wie Milky Way oder Marshmallows und
Luftschutzschilder. Diese Funde sind der Anlass für den Blick in eine Zeit, die man
so gar nicht mit der Geschichte eines Barockschlosses verbindet: Die Ereignisse im
Ludwigsburger Schloss während des Dritten Reiches, des Zweiten Weltkrieges und
der amerikanischen Besatzungszeit in den Nachkriegsjahren.
»Bei Königs unterm Fußboden«
(2007)
In alten Gemäuern werden im Dachstuhl oder unter den Fußböden immer wieder kuriose Fundobjekte oder ganze Fundkomplexe entdeckt. Anlässlich des Bamberger Kongresses »Depotfunde« im Jahr 2005 beschäftigten sich Archäologen und Historiker erstmals umfassend mit dieser Quellengattung. Der Inhalt eines Hortes oder Depots besteht aus Gegenständen, die durch eine positive Auslese aus unbekannten Gründen verborgen wurden. In diesem Sinn können als Depotfunde alle Gegenstände bezeichnet werden, »die absichtlich in einen Gebäudehohlraum eingebracht und dort eingeschlossen wurden – und sei es als Akt der Abfallentsorgung, bei dem es sich ja keineswegs um einen zufälligen oder versehentlichen Prozess handelt«. Derartige Vorgänge können auch in mehren Phasen abgelaufen sein. Depotfunde können noch weiter systematisch unterteilt werden: Zunächst gibt es die »Verlustobjekte«, die als »Zufallsfunde« durch die Dielenritzen gerutscht sind, etwa Münzen, Nadeln oder Spielkarten. Echte »Fehlbodenfunde« lagern in Hohlräumen zwischen den Deckenbalken und Bodenbrettern oder in Gewölbezwickeln. Dort sorgt das Material für Schalldämmung und Wärmeisolierung. Selten sind diese Füllungen einheitlich, zumal sie meist durch Zufallsfunde und bei späteren Reparaturen nachträglich eingebrachtes Material ergänzt wurden.
Die Versorgung des Hofes
(2008)
Zur Versorgung des Hofes, egal ob im 18. Jahrhundert oder zur Zeit König Friedrichs um 1810, war eine ausgeklügelte »Maschinerie« nötig. Allein der Küchenbau hat gewaltige Ausmaße. Das Gebäude liegt abseits hinter der Ordenskapelle, was mehrere Vorteile bot: Die Herrschaft wurde nicht von Rauch und Essensgerüchen belästigt, auch blieb die Arbeit des Küchenpersonals vor den herrschaftlichen Augen verborgen, und die Anlieferung der Waren konnte reibungslos erfolgen. Küchen wurden vor allem wegen der Brandgefahr abseits in den Erdgeschossräumen oder in Nebengebäuden untergebracht. So befand sich die Konditorei im Erdgeschoss des Festinbaus und im Erdgeschoss des Theaterbaus gab es die Kaffeekammer, in der täglich Kaffee frisch geröstet und gemahlen wurde. Eine stattliche Zahl an Bediensteten sorgte dafür, dass der Hof versorgt wurde. Allein für die Zubereitung der Mahlzeiten und Getränke waren unter König Friedrich 36 Personen angestellt. Das Küchenpersonal wohnte im oberen Stock des Hofküchengebäudes.
Schloss und Stadt Ludwigsburg sind ein Gesamtkunstwerk, geschaffen und geprägt von einheimischen und ausländischen Künstlern, Handwerkern und Arbeitern. Menschen aus verschiedenen Kulturräumen – Oberitalien, Adriaregion, Österreich-Ungarn, Böhmen, Frankreich und Württemberg – haben zum Ruhme Herzog Eberhard Ludwigs dieses Gesamtkunstwerk mit seiner Eigenart entstehen lassen. Der Anfang der heutigen Stadt Ludwigsburg war einerseits großartig, denn der Schlossbau Johann Friedrich Nettes war ein singulärer Akt in Württemberg. Erstmals hielt der Barock in seiner ganzen Blüte Einzug im Herzogtum, das bis dahin auf künstlerischem Gebiet nicht besonders in Erscheinung getreten war. Schloss Ludwigsburg war und ist das bedeutendste Barockbauwerk in Württemberg. Es musste seinerzeit wie ein Fremdkörper im Herzogtum gewirkt haben, »denn es war im Stil ein ganz neues, in keiner Weise den hiesigen Traditionen entsprechendes Gebäude, das jedoch eine starke Ausstrahlung auf die weitere Kunstentwicklung des Landes besaß«. Andererseits war der Anfang des Ludwigsburger Gemeinwesens erbärmlich, denn zunächst bestand die Stadt nur aus dem Gasthaus Waldhorn und einer Ansammlung ärmlicher Hütten um die Baustelle herum und im Bereich der heutigen Bauhofstraße. Hier lebten die Steinmetze, Schlosshandwerker, Arbeiter und Tagelöhner. Die der Baustelle am nächsten liegenden menschlichen Behausungen waren zwei Bauernhöfe: der Fuchshof und der Schafhof.
Mars, Venus, Bacchus & Co.
(2010)
Bis heute besteht bei der Betrachtung der Skulpturen am Ludwigsburger Schlossbau
die Problematik der Zuschreibung an die hier tätig gewesenen Bildhauer. Die Skulpturen sind nicht signiert und das wenigste erschließt sich aus den nur lückenhaft überlieferten Bauakten. Sie enthalten meistens keine genauere Deutung oder Beschreibung der Werke. Für das Alte Corps de logis ist die Programmatik der Figuren
genannt, während die Bauakten für das reicher mit Skulpturen bestückte Neue Corps
de logis kaum eine detaillierte Auskunft geben. So heißt es z. B. über das Neue Corps
de logis 1731 nur, dass auf dem hofseitigen Mittelrisalit vier Statuen stehen. Es gibt
keinen zeitgenössischen Entwurf und keine ikonographische Beschreibung des Skulpturen-Programms, wie es z. B. zum Neuen Schloss in Stuttgart oder zur Figurenbalustrade von Schloss Solitude existiert. Um die Werke den einzelnen Bildhauern zuschreiben zu können, bleibt nur der stilistische Vergleich der Figuren: Aus der Art,
wie die Gesichtszüge gearbeitet sind, der Haltung der Figur und anderen Gestaltungsdetails lässt sich die charakteristische Handschrift eines Bildhauers erkennen.
Durch diesen betrachtenden Vergleich kann man den durch die Aktenlage gesicherten Werken eines Bildhauers weitere zur Seite stellen oder einem anderen Künstler
zuschreiben. Im Vordergrund dieser Studie stehen die Arbeiten der Steinbildhauer.
Von den Arbeiten der Stuckateure werden nur die großplastischen Werke eingehender betrachtet.