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Die Offenburger Mikwe
(2004)
Die Mikwe von Offenburg liegt im Herzen der Altstadt, im Winkel zwischen Glaserstraße und Bäckergasse (bis 1824: Judengasse), am Grundstück Glaserstraße 8. Zugänglich ist sie über Hof und Keller eines stattlichen, klassizistischen
Wohnhauses mit Rückgebäude und kleineren Nebenbauten. Im mächtigen, tonnengewölbten Keller unter dem Haupthaus öffnet sich eine einfache Türöffnung zur Steintreppe. Sie steigt in 44 Stufen geradlinig in südlicher Richtung hinab und endet ca. 14 m unter Hofniveau in einem gemauerten Schacht, über dem sich das Rückgebäude, ehemals die Waschküche, erhebt. Der Schacht ist im unteren Teil nahezu quadratisch; in ca. 6 m Höhe wird er von einem einfachen, kräftigen Rippengewölbe abgeschlossen, dessen vier Rippen einen gewaltigen Steinring tragen. Darüber erhebt sich bis zum Erdboden ein rund
gemauerter Schacht, dessen oberes Ende heute mit einer Steinplatte verschlossen ist.
Ein Haus und seine Besitzer
(2004)
Häuser können Geschichte(n) erzählen. Dies gilt selbst dann, wenn über ihre Bausubstanz wenig bekannt ist. ,,Bei aller Bedeutung, die seiner Baugeschichte zukommt - die Geschichte eines Hauses ist im wesentlichen die Geschichte seiner Bewohner, ihrer Familien, ihrer Arbeit, ihrer sozialen Beziehungen und wirtschaftlichen Bedingungen: Hausgeschichte setzt sich zusammen aus einer Summe zahlreicher individueller Lebensgeschichten." So schreibt Olivia Hochstrasser in ihrer Dissertation „Ein Haus und seine Menschen. 1549-1989. Ein Versuch zum Verhältnis von Mikroforschung und Sozialgeschichte". In dem folgenden Beitrag stehen die verschiedenen Besitzer eines Hauses in der Offenburger Hauptstraße zwischen Ende des 17. und Anfang des 19. Jahrhunderts im Mittelpunkt. Es geht um das Haus zwischen der zur damaligen Zeit sogenannten Kanzlei, dem
heutigen Rathaus, und dem Gasthaus Sonne.
Ein Stadtrundgang durch die historische Innenstadt Offenburgs führt unweigerlich zu dem Gebäudekomplex des ehemaligen St. Andreas-Hospitalfonds unweit des Rathauses zwischen Spital-, Steinstraße und Fischmarkt. Hier befand sich das Zentrum der im Spätmittelalter errichteten Offenburger Sozialeinrichtung. Das Herzstück bildete das 1701 erbaute ehemalige Spital- und Pfründnergebäude. Es wird seit 1959 von der städtischen Verwaltung genutzt. In zwei Bauabschnitten führte man
grundlegende Renovierungen durch. Nach dem Umbau des Erdgeschosses Ende der Neunziger Jahre folgte 2003 die Renovierung des ersten und zweiten Obergeschosses. Dabei wurden umfangreiche bauhistorische Untersuchungen unternommen. Sie brachten interessante Details zur früheren Nutzung des Spitalgebäudes als Pfründnerhaus ans Tageslicht.
Der folgende Beitrag beruht auf den Ergebnissen einer Studie, die eine Forschergruppe der „Forschungsstelle Widerstand gegen den Nationalsozialismus im deutschen Südwesten" des Instituts für Geschichte an der Universität Karlsruhe unter dem Titel „Offenburg 1919-1949. Zwischen Demokratie und Diktatur" erstellt hat und die im Frühjahr 2004 im
Universitätsverlag Konstanz veröffentlicht worden ist.
Der Salmen in Offenburg
(2004)
„Wir leben in einer Zeit, in der nicht nur die jungen Menschen, sondern auch wir Älteren diese Demokratie hinnehmen, als sei sie eine Selbstverständlichkeit. Erst wenn wir uns vergewissern, dass Menschen dafür ihr Leben gegeben haben, erst dann wird uns deutlich, was auf dem Spiel steht, wenn die Demokratie gefährdet ist, und darum meine ich, ein solcher Ort wie der Salmen kann uns das deutlich machen." Diese Sätze entstammen dem Grußwort, das Bundespräsident Johannes Rau am 20. September 2002 anlässlich der Eröffnung des „Salmen" als Kultur- und Veranstaltungszentrum in Offenburg sprach. Schon im Januar 2002 hatte der Beauftragte der Bundesregierung für Angelegenheiten der Kultur und Medien den Salmen zum ,,Kulturdenkmal von nationaler Bedeutung" erklärt. Das sind Denkmäler, die „Zeugnis ablegen über kulturelle, politische, geschichtliche, architektonische, städtebauliche oder wissenschaftliche Leistungen, die zur Entwicklung oder Darstellung des Gesamtstaates als Kulturnation maßgeblich beigetragen haben oder die für die kulturelle oder historische Entwicklung einer Kulturlandschaft von herausragender Bedeutung sind."
Kommunen sind Orte der Daseinsfürsorge. Sie gewährleisten, dass ihre Bürger und Bürgerinnen Kindergärten, Schulen, gute
Straßen, Grünanlagen, Wasser und Strom erhalten. Darüber hinaus - und das ist das Besondere in Deutschland - tragen die Städte eine große Verantwortung für das kulturelle Angebot. Anders als in anderen Staaten gibt es bei uns ein dezentrales Angebot an Bibliotheken, Museen, kulturellen Veranstaltungsorten, Theatern, Musik- und Kunstschulen und Volkshochschulen. Das kulturelle Leben einer Stadt und damit die kulturellen Angebote für die Bürgerschaft werden als ein sogenannter weicher Standortfaktor gesehen. Die Kultur einer Stadt bestimmt Image und Anziehungskraft einer Kommune. Wo es ein reiches kulturelles Leben gibt, wohnen die Menschen gerne. Daher können Firmen sich dort niederlassen, weil es leichter möglich ist, gute Fachleute zu finden.
Karl Heitz (1909–1977)
(2020)
Am 20. Dezember 1948 wählte der Offenburger Gemeinderat ein neues Stadtoberhaupt, die beiden aussichtsreichsten Bewerber waren dabei Walther Blumenstock und Karl Heitz als Kandidaten der Sozialdemokraten bzw. der CDU. Karl Heitz
hatte den Vorteil, gebürtiger Offenburger zu sein und bislang beruflich, außer in Karlsruhe und in Straßburg, vor allem in
seiner Heimatstadt gewirkt zu haben. Blumenstock war dagegen schon während der Weimarer Zeit Beigeordneter gewesen. Im März 1933 hatte er den Mut besessen, öffentlich gegen das Aufziehen der NS-Fahne auf den Gebäuden der Stadtverwaltung zu protestieren. Als Reaktion hierauf hatten ihn die Nationalsozialisten aus dem Amt bzw. in die Niederlande ins Exil gedrängt. Noch immer lebte Blumenstock in Haarlem und musste von dort seine Kandidatur betreiben. – Gleichwohl sah es zunächst so aus, als könnte Blumenstock für sich eine Mehrheit erreichen, denn die ersten vier ausgezählten Stimmen entfielen auf ihn. Am Ende setzte sich jedoch Heitz mit einer Stimme Mehrheit durch.
Nachdem die badisch-pfälzischen Juden am 22. Oktober 1940 durch die Nationalsozialisten in das südfranzösische Lager
Gurs deportiert worden waren, setzten vielfältige Bemühungen ein, den Menschen ihre Lage zu erleichtern, sie zu befreien
oder wenigstens in weniger unwürdige Verhältnisse außerhalb des Lagers zu bringen. Für einige gelang diese „Liberierung“, die Entlassung in eine südfranzösische Gemeinde, meist in der Umgebung von Gurs, wo eine private Wohnung oder eine Pension bezogen werden konnte. Von hier aus unternahm man dann alle denkbaren Versuche, endlich die Emigration erreichen zu können – bis ab Sommer 1942 die „Endlösung“ erneut die Deportation für Tausende und den Transport über Drancy bei Paris nach Auschwitz in den Tod bedeutete.
Diese Zeilen des Liedes „Rock and Roll“ vom Album „Led Zeppelin IV“ der Band „Led Zeppelin“ aus dem Jahr 1971 stehen nicht nur für den Rückblick auf eine vergangene Zeit mit musikalischen Eigenheiten. Zwei Jahre nach Veröffentlichung dieses Albums erschien im Jahr 1973 das Nachfolgealbum „Houses of the Holy“. Zwei Tage vor dessen offizieller Veröffentlichung spielte die Gruppe um Sänger Robert Plant am 24. März 1973 in der Ortenauhalle Offenburg. Erster Song der Setlist auf dieser Tour war „Rock and Roll“ und so begrüßte die Band auch das Offenburger Publikum mit den Worten, die historisierend für die Sehnsucht einer ganzen Generation standen.
Schalmeienklang – das assoziiert man mit kultivierter Musik der frühen Neuzeit in meist höfischer Umgebung. Tatsächlich ist die Schalmei ein Musikinstrument mit einem sehr besonderen Klang. Sie klingt ähnlich wie ein Dudelsack, sieht aber aus wie eine Holzflöte. Es handelt sich um ein Holzblasinstrument mit Doppelrohrblatt und konisch gebohrter Röhre. Der Klang ist sehr laut, scharf und vor allem in der tiefen Lage nasal. Das jedenfalls gilt für die historische Schalmei, die durchaus auch heute noch ihren Platz hat bei der Aufführung barocker Musik mit Originalinstrumenten. Allerdings hat sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts eine andere Art der Schalmei verbreitet, die aus Blech ist und meist mehrere Röhren hat, die alle unterschiedliche Töne erzeugen können. Der korrekte Name dieses Blasinstruments ist eigentlich „Martintrompete“. Denn sie wurde um das Jahr 1900 vom Erfinder des so genannten Martinhorns, Max. B. Martin, als Signalhorn entwickelt (s. http://www.maxbmartin.de). Nur der durchdringende Klang hat noch gewisse Ähnlichkeiten mit der hölzernen Vor-Form.
Wie die Protestanten und die Katholiken haben auch die Juden zur Gestaltung der Liturgie im Gottesdienst ihre Chöre. Ursprünglich war es Aufgabe des Vorbeters oder Kantors, auf hebräisch „Chasan“, die traditionellen Gebete, zu sprechen und zu singen. Im Laufe der Zeit entwickelte sich ein Wechselgesang zwischen Kantor und Gemeinde, der allerdings an Schwierigkeit zunahm und von den Gemeindemitgliedern oft mehr an Musikalität verlangte, als die meisten aufbrachten. „Als Teillösung entstanden deshalb die Synagogenchöre, die stellvertretend für die oft überforderte Gesamtgemeinde den respondierenden Part übernahmen.“ Die Kantoren waren fest angestellt und speziell ausgebildet, die Synagogenchöre dagegen wurden von Laien gebildet.
Es ist ein äußerst populäres und bekanntes „Volkslied“, das bis in die Gegenwart gesungen wird. Bekannte Schlagersänger
haben es auf ihre jeweils individuelle Weise interpretiert, so etwa Roy Black, Heino, Mireille Mathieu, Nana Mouskouri, Freddy Quinn und sogar Elvis Presley. Komponiert und publiziert hat das Lied Friedrich Silcher (1789–1860), wobei er wohl auf eine traditionelle Melodie zurückgegriffen hat. Erstmals erschienen ist es 1827 in Silchers zweitem Heft der „Volkslieder, gesammelt und für vier Männerstimmen gesetzt“.
Ein Tellerwäscher erzählt
(2019)
Am 1. Oktober 1959 begann mein Arbeitsverhältnis bei der Offenburger Maschinenfabrik Martin in der Abteilung für
Geschirrspülmaschinen. Diesem denkwürdigen Ereignis ging das übliche Bewerbungsgespräch voraus, welches beim Personalleiter im Hauptgebäude von Martin sehr locker und in beidseitigem Einvernehmen stattfand. Eines schönen Morgens um acht Uhr fand ich mich in dem wenig attraktiven Spülmaschinen-Gebäude am Holderstock ein, um als der neue Technische Zeichner von der Mannschaft empfangen zu werden.
Es gibt nur wenige Aufzeichnungen von ehemaligen Kriegsgefangenen, die während des II. Weltkriegs in Deutschland arbeiten mussten. André Thomas (1911–2008), geboren in der Nähe von Clermont-Ferrand, von Beruf Konditor, kam am 23. Juni 1940 in St. Dié (Lothringen) in deutsche Gefangenschaft. Mitte Juli brachte man ihn mit etwa hundert Gefangenen nach Offenburg ins Stammlager (Stalag) am Holderstock. Er wurde mit zwei Kameraden dem Gärtnermeister Franz Wiedemer zugeteilt. Dort arbeitete er bis zu seiner Flucht im Dezember 1941. Wie es ihm gelang, sich über die streng bewachte Rheinbrücke, Straßburg, das Breusch-Tal, den Donon, Lunéville und Belfort ins unbesetzte Inner-Frankreich durchzuschlagen, hat er auf Drängen seiner Kinder nach alten Tagebuchnotizen 1980 niedergeschrieben. Sein Enkel Eric hat 2018 bei Familienforschungen den Sohn jenes Gärtnermeisters – das ist der Verfasser – per Internet aufgespürt, um vielleicht noch mehr über die Zeit in Offenburg zu erfahren. Der Wissensgewinn lag dabei mehr auf meiner Seite und ich bringe Andrés Aufzeichnungen gern einem größeren Leserkreis zur Kenntnis, zunächst um weitere Zeitzeugen zu ermutigen, ihre Erinnerungen an die Zeit der „Erbfeindschaft“ festzuhalten. Zum Zweiten aber sollte man die deutsch-französische Aussöhnung und Freundschaft nicht für selbstverständlich nehmen, weil gerade heute populistische und nationalistische Stimmen wieder erschreckend laut werden.
„Sie werden mir, meine Herrn, wohl gestehen, daß unsere neuste Zeit […] neue und ernste Forderungen an uns und unsere Gemeinde stellt; neue Bedürfnisse sind in dem hier zu besprechenden Falle gewiß vorliegend, das Bedürfniß, für arme Waisenkinder zu sorgen, eine neue Anstalt zu ihrer Bildung und Erziehung zu gründen.“ Diese Worte wurden am 6. August 1845 in einem Vortrag über den Bau eines Waisenhauses an den Stiftungsrat Offenburg gerichtet. Die Forderung nach einem Waisenhaus kam bereits 1832 auf, als der katholische Pfarrer Franz Ludwig Mersy die Errichtung einer solchen Anstalt vorschlug. Mit dieser Überlegung war Offenburg nicht alleine. Gegen Ende des 18. und zu Beginn des 19. Jahrhunderts kam die sogenannte „Rettungshausbewegung“ auf und im ganzen deutschsprachigen Raum wurden Waisen-, Kinder- und Pflegeheime gegründet. Ein wichtiger Faktor war in diesem Zusammenhang die (Neu-)Entdeckung der Kindheit. Bis ins 18. Jahrhundert hinein galten Kinder als kleine, unvollendete Erwachsene. Diese Ansicht änderte sich zunehmend in der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts und führte nach und nach zur „[…] Entfernung des Kindes aus der Erwachsenenwelt […]“.
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Die Welt war wohl auch schon im Jahre 1825 recht klein, als
Dr. Johann Paul, Königlich Bayerischer ordentlicher „Profeßor“
zu Erlangen sein allgemeines „Alphabetisches Repertorium des
neuesten Wissenswürdigsten und Anwendbarsten aus den gemeinnützigsten und wichtigsten Wissenschaften“, ein allgemeines „Hand- und Hülfsbuch” für denkende Geschäftsmänner und gebildete Leser, in Erlangen herausbrachte. In diesem
Buch, in dem spezielles Wissen für alle Lebenslagen beschrieben ist, wurde auch eine Geschichte niedergeschrieben, die
eine historische Verbindung mit Goldscheuer hat. Allerdings
spielte sich diese nicht im Erscheinungsjahr des oben beschriebenen Buches, sondern bereits im Jahre 1819, also vor 194 Jahren, ab. Es handelt sich um die Geschichte einer „Wasserreisemaschine“, die ein Erfinder namens Xaver Michel aus Offenburg ersann, konstruierte und bei Goldscheuer unter Zeugen,
die aus der Gemeinde stammten, präsentierte.
Was für die römische Interpretation der einheimischen Götter
in der Zeit Cäsars Geltung hatte, gewann 100 Jahre später, als
die Römer die südwestdeutschen Gebiete erobert hatten, eine
noch größere Bedeutung: In der frühen Kaiserzeit des ersten bis
dritten Jahrhunderts fand der Merkurkult im keltischen und
germanischen Kulturbereich der römerzeitlichen Bevölkerung
eine äußerst große Verbreitung. Auch in der römischen Ortenau finden wir bei Kaufleuten, Handwerkern, Soldaten und
kleinen Leuten den sehr beliebten Gott vertreten. Er stand an
Passstraßen, Wegkreuzungen, auf den Hausaltären der Häuser
und als eine der Gottheiten auf den Viergöttersteinen. Im Offenburger Museum ist er allein dreimal vertreten. Der bedeutendste von ihnen und sicher einer der schönsten weit und
breit verkörpert den Gott in einer feuervergoldeten kleinen
Silberstatuette. Vor genau 80 Jahren durch Zufall ans Tageslicht
gekommen, soll uns der Offenburger Merkur aus der Kinzig
nun auf unserer Reise durch die römerzeitliche Ortenau und
ihre damaligen Verkehrswege vor 2000 Jahren begleiten: Mit
Merkur unterwegs soll auch die Geschichte von drei Jahrhunderten Römerzeit in unserer Region erkundet werden und mit
Merkur als Schutzgott findiger Archäologen auch der spannende Weg der Forschung besonders der letzten Jahrzehnte
erschlossen werden. Dabei wird Offenburg in seiner Bedeutung
als Stadt des Merkur, des Handels, des Verkehrs und der Kultur
schon in der Römerzeit noch deutlicher vor Augen treten.
Die viele Jahre andauernde Erforschung der römischen Militärstraße von Straßburg nach Rottweil brachte es mit sich, dass der römische Meilenstein von Offenburg immer wieder einer eingehenden Betrachtung unterzogen wurde. Dieser ist das einzige schriftliche Dokument, das den Bau dieser Straße belegt. Das stark beschädigte Fragment des Meilensteines wurde 1605 in der Kinzig bei Offenburg gefunden (Abb. 1). Es ist mittig der Länge nach leicht schräg gespalten. Der Abbruch geht mitten durch die lateinischen Schriftzeichen, sodass beidseitig nur wenige Buchstaben sichtbar sind.
Die ersten Beziehungen zwischen Offenburg und Straßburg datieren aus der frühen römischen Kaiserzeit: Auf Befehl des Kaisers Vespasian (68–79 n. Chr.) wurde eine Verbindungsstraße von der Römergarnison Argentorate (Straßburg) über (das spätere) Offenburg durch das Kinzigtal über den Schwarzwaldpass Brandsteig bis in die Donauprovinzen angelegt. Diese erste verkehrstechnisch wichtige Erschließung des germanischen Feindeslandes rechts des Rheins ist belegt durch zwei bedeutende archäologische Funde: den römischen Meilenstein von Offenburg (gefunden 1843) und die römischen Holzfunde von der westlichen Hauptstraße von 1997.
Siebzehn Jahre sind seit der letzten Veröffentlichung über die Erforschung des Kanzlerkellers in der ORTENAU 2001 vergangen, nachdem bereits 1997 eine erste Bestandsaufnahme erfolgt war. Im „Kanzlerkellerbericht I“ hieß 1997 der Untertitel: „Stadtarchäologische Aktivitäten einer Schüler-AG in einem Offenburger Gewölbekeller“, wobei der erlebnispädagogische Einsatz einer engagierten stadtarchäologischen Arbeitsgemeinschaft von Jugendlichen im Vordergrund stand. Der Kanzlerkellerbericht II aus dem Jahre 2001 trug die Untertitel: „Stadtarchäologische Arbeiten 1997–2000: Fluchtstollen – Tiefbohrung – Stadtkataster – Ausstellungen – Neue Vermessungen – Ein Kellermuseum.“ Darin war bereits das ganze Programm dieses Zwischenberichts enthalten, bei dem die Öffnung eines über zehn Meter langen, bisher unbekannten Geheimganges zur Stadtmauer mit seinen überraschenden Funden für genau soviel Aufregung bei allen Beteiligten sorgte wie die aufwändige Tiefbohrung zum Grundwasser im Brunnenschacht. Beides konnte neben neuen Vermessungsplänen und Veränderungen im tiefsten Keller in der Ausstellung „Stadtarchäologie Offenburg 1998“ einem größeren Publikum in der Hauptstelle der Volksbank Offenburg mit deren finanzieller Unterstützung in einer archäologischen Vernissage und anschließenden Ausstellung präsentiert werden.
Die Ratsprotokolle im Offenburger Stadtarchiv beginnen 1595, oder sollte man sagen, sie enden hier? Möchte man etwas über
die Ereignisse in der Stadt aus früherer Zeit erfahren, muss man auf verstreut vorhandene Quellen zurückgreifen. Die meisten
befinden sich im Generallandesarchiv in Karlsruhe und in den Archives de la ville et de l’Eurométropole de Strasbourg. Bis heute sind längst nicht alle Archivalien erschlossen. Ein in Straßburg vorliegender Schriftwechsel, der von Wissenschaftlern der Universität Toronto in den Jahren 2005 bis 2015 transkribiert, ins Englische übersetzt und veröffentlicht wurde, erlaubt uns einen Einblick in Ereignisse während der Zeit der Reformation, die auch Offenburg betreffen. Es geht um einen Kirchenraub, durchgeführt von Chorherren des Stifts St. Thomas in Straßburg.
Weibliche Wohngemeinschaften im spätmittelalterlichen Offenburg und ihr langer Weg in den Alltag
(2018)
Mit dem Begriff „Wohngemeinschaften“ verbindet sich üblicherweise die moderne Vorstellung einer Studenten-WG oder
einer Senioren-WG: Die Jüngeren teilen sich eine Wohnung, die Älteren ein Haus, mit Einzelzimmern und Gemeinschaftsräumen. Dieser Beitrag will die Aufmerksamkeit auf eine ganz andere Gruppe lenken – eine Gruppe, die nicht durch das Alter definiert ist, sondern durch das Geschlecht. Es sind alleinstehende Frauen in Offenburg, die diese neue Lebensform des gemeinschaftlichen Wohnens schon vor über 700 Jahren gesucht und gestaltet haben. Sie nannten sich „Beginen“. Mindestens zehn ihrer Hausgemeinschaften sind uns aus dem 14. und 15. Jahrhundert bekannt. Leider ist die Quellenlage zu ihrer Geschichte sehr spärlich. Von keinem einzigen Haus kennen wir den genauen Gründungsvorgang. Und nur wenige Urkunden gewähren uns einen konkreten Einblick in das Leben dieser neuartigen Wohngemeinschaften. Sie bilden die Grundlage der folgenden Untersuchung.
Zwei geschichtspolitische Themen bestimmen seit fast vierzig Jahren die lokale Erinnerungskultur der Stadt Offenburg: Die
Erinnerung an und die Auseinandersetzung mit der badischen Revolution von 1847–1849 sowie „Verfolgung und Widerstand“
in der NS-Zeit. In den beiden vergangenen Jahren zog die Kulturverwaltung gemeinsam mit dem Kulturausschuss und dem
Gemeinderat eine Bilanz über die städtische Erinnerungskultur der letzten vier Jahrzehnte und setzte die inhaltlichen Schwerpunkte für die zukünftige städtische Erinnerungspolitik. Gemeinsam entschied man sich bewusst dafür, dass auch in Zukunft „NS-Vergangenheit“ einerseits und „Demokratiebewegung des Vormärz“ andererseits Schwerpunkte der Erinnerungskultur in Offenburg bilden sollen. Der folgende Beitrag beschäftigt sich ausführlich mit der kommunalen Erinnerungskultur und ihrer Zukunft.
Das Judengrab von Steinach
(2017)
Wie kommt die Ruhestätte eines Juden auf einen christlichen Friedhof? Steinach war in seiner langen Geschichte nie Heimstätte von Angehörigen mosaischen Glaubens. Außerdem bestatteten die Juden ihre Toten traditionsgemäß auf Sammelfriedhöfen außerhalb christlicher Siedlungen. Nachforschungen im Archiv der Gemeinde bestätigten die Existenz eines Juden: Nikolaus Klein, 22 Jahre, geboren in Bukarest, gestorben in einem Transportzug am 5. März 1945. Handschriftlich hat
jemand nach Ende des Krieges die wenigen Angaben in die Lageskizze der Ehrengräber eingetragen. Vom Internationalen
Suchdienst in Bad Arolsen liegt eine Bestätigung vor. Damit konnte zweifelsfrei ausgeschlossen werden, dass Nikolaus Klein
nicht zu den Häftlingen der drei Haslacher Außenlager des KZs Natzwiller-Struthof im Elsass gehörte. Zeitzeugenberichte untermauerten das Ganze zusätzlich. Seinen Weg in die Vernichtung nachzuzeichnen, gestaltete sich indessen viel schwieriger.
(„Und von dem Brunnen, von dem sie gesagt hatten [sie hätten ihn „verunreinigt“], den schöpfte man aus, da fand man nichts darin.“). Mit diesem prägnanten und zugleich entlarvenden Satz endet ein undatiertes, aber wahrscheinlich zwischen 10. und 14. Februar 1349 verfasstes Schreiben von Schultheiß, Bürgermeister und Rat der Stadt Offenburg an deren Kollegen in Straßburg, in dem diese detailliert über den Verlauf, das Ergebnis und die Folgen der um die Weihnachtstage 1348 in Offenburg durchgeführten Untersuchung zu einer angeblichen „Brunnenvergiftung“ durch die Juden ihrer Stadt und einer Nachbargemeinde informiert werden. Scheinbar nüchtern wird darin berichtet über die Gefangensetzung aller Offenburger Juden, die Anklage und zielgerichtete Befragung einzelner Beschuldigter, sowohl „freiwillig“ als auch unter Folter, die auf diese Weise erhaltenen Aussagen der Beschuldigten zu deren angeblichen Taten, ihren Zielsetzungen und Motiven, sowie über die gerichtlichen Beratungen, die Verurteilung und anschließende Vollstreckung der Urteile, die am Ende die Ermordung und Auslöschung der kompletten jüdischen Gemeinde in Offenburg bedeutete.
Am Beispiel zweier Kriegerdenkmäler des Ersten Weltkrieges im Zentrum der Stadt Offenburg soll aufgezeigt werden, wie
die künstlerische Gestaltung eines Denkmals von den jeweiligen Zeitgegebenheiten und seine spätere Bewertung von der
inzwischen veränderten politischen und gesellschaftlichen Lage abhängig ist. Es handelt sich um das am 11.07.1926 eingeweihte Kriegerdenkmal für die Gefallenen des Offenburger Infanterieregiment Nr. 170 am Stadtbuckel und das am 07.08.1927 eingeweihte Kriegerdenkmal für das 3. Ober-Elsässische Infanterie-Regiment Nr. 172 am Eingang des Zwingerparks. Das eine steht noch heute an seinem ursprünglichen Platz, das andere ist inzwischen geringfügig versetzt worden.
Bereits im Mittelalter und vermutlich schon seit der Römerzeit kreuzten sich in Offenburg zwei wichtige Fernstraßen: Die alte Reichsstraße, die als Nord-Süd-Verbindung die
Handelszentren Frankfurt und Basel im Rheintal verband,
verlief entlang der hügeligen Vorzonen des Oden- und des
Schwarzwalds. [1]
Die West-Ost-Verbindung aus Frankreich
querte bei Straßburg – Kehl den Rhein, verlief ab Offenburg
durch das Kinzigtal und führte über Schaffhausen in die
Schweiz. [2]
Ein Suchbefehl im Internet brachte es rasch zu Tage: 17.200 Einträge (14. Mai 2019) beschäftigten sich mit dem Begriff „Freiheitsstadt“. Es gab einige wenige Werbungen für zu beziehende anarchistische Postkarten. Ein paar private Einträge
benannten Kapstadt und Amsterdam als Freiheitsstädte. Doch nur eine Kommune schmückte und schmückt sich mit diesem Begriff höchst offiziell: Offenburg. Um Offenburg drehen sich daher auch die meisten einschlägigen Internetbeiträge. Auf der Homepage der Stadt ist zu lesen: „Offenburg versteht sich heute als ‚Freiheitsstadt‘ […] Mit der heutigen Kultur- und Erinnerungsstätte Salmen befindet sich in Offenburg eine Wiege der Demokratie in Deutschland. Es ist das Offenburger Freiheitsdenkmal! Am 12. September 1847 versammelten sich im Gasthaus Salmen um Friedrich Hecker und Gustav Struve
die ‚entschiedenen Freunde der Verfassung‘. Diese verabschiedeten mit den Forderungen des Volkes das erste politische Programm in Deutschland, das die unveräußerlichen Menschenrechte einforderte“. Und weiter ist zu erfahren: „Die
Erinnerung an die revolutionäre Zeit hat sich im kollektiven Gedächtnis Offenburgs bis heute erhalten. Zum 150. Gedenken an die Ereignisse feierte die Offenburger Bevölkerung im Jahr 1997 über drei Tage hinweg das Offenburger Freiheitsfest. Mit dem jährlich am 12. September stattfindenden Salmengespräch und dem Freiheitsfest wird an die Verabschiedung der 13 Forderungen des Volkes durch die ‚entschiedenen Freunde der Verfassung‘ erinnert.“
Im sogenannten „Registraturteil“ des badischen Denkmälerverzeichnisses publizierte August von Bayer im Jahre 1858 unter dem Titel „Steintreppe zu Offenburg“ in der Marginalspalte ein innerhalb der Offenburger Altstadt gelegenes ungewöhnliches Bauwerk: Er berichtet von der Besichtigung eines „rätselhaften Baues“ im vorangegangenen Jahr. Zwar war dessen Funktion noch unklar, die Erwähnung war aber offenbar als wichtig erachtet worden. Die Wiederentdeckung dieser „festgemauerte[n] und überwölbte[n] Steintreppe von mäßiger Räumlichkeit“, die in einen „quadratischen Schachtbau“ mündet und vor allem
deren Erhalt bis in die aktuelle Zeit, stellte einen kulturhistorischen Glücksfall dar. Die Stufen und der Schachtbau gehörten nämlich zu einem unterirdisch gelegenen, steinernen Gesamtbauwerk: einem jüdischen Ritualbad, eine Mikwe.
Die folgenden Beiträge von Gerd Mentgen, Matthias Untermann und Valerie Schönenberg sind die Schriftfassung der Vortragsreihe „Jüdisches Leben in Offenburg und in den Städten am Oberrhein“, die am 28. Juni 2019 auf der Jahrestagung
der Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg in Offenburg gehalten wurde. Die Kommission hatte seinerzeit Stefan Weinfurter und mich mit der Planung und Durchführung dieser Sektion beauftragt. Stefan Weinfurter konnte die Offenburger Vortragsreihe nicht mehr erleben. Dem ehrenden, dankbaren und freundschaftlichen Andenken an den großen
Historiker Stefan Weinfurter sei diese kleine Beitragsreihe gewidmet!
Welche Auswirkungen hat die große Politik auf das Alltagsleben? Das zeigen am besten die Tageszeitungen mit ihrem Nebeneinander von lokalen und nationalen Ereignissen. Alltagsgeschichte gehört inzwischen längst zu den anerkannten Forschungsrichtungen der Historiker, und auch in Offenburg spiegeln die Zeitungsberichte die Geschichte einer turbulenten Zeit. Als am 18. November 1918 rückkehrende Soldaten der 301. Felddivision in das beflaggte Offenburg einmarschieren, werden sie als „moralische Sieger" des Ersten Weltkriegs begrüßt. ,,Leider nicht als physische Sieger", spiegelt ein Pressebericht im „Offenburger Tageblatt" die Stimmung der Bevölkerung wider. Wenn auch im vierten Kriegsjahr die Sehnsucht nach Frieden vorherrscht, legt sich das völlig unerwartete Waffenstillstandsgesuch von deutscher Seite wie ein drückender Alp auf die Gemüter. Ein solches Ende des „furchtbarsten aller Kriege" hatte keiner erwartet, und in die Freude über die heimkehrenden Soldaten mischt sich die Enttäuschung über die Niederlage. Gleichwohl bemüht sich die Stadt um einen „liebevollen Empfang" ist am 19. November im „Offenburger Tageblatt" nachzulesen.
Der letzte Offenburger Rabbi
(2000)
Im September 1938, wenige Wochen vor dem Novemberpogrom, kam ein junger Mann über die hohen jüdischen Feiertage (Rosch Haschana, Jom Kippur, Versöhnungsfest) in die Offenburger Gemeinde: Bernhard Gries, geb. 22.4.1917 in Landeshut (Schlesien). Sein Vater war Weingroßhändler in Hirschberg (Riesengebirge) und hatte zwei Söhne: Bernhard und Heinz.
Bernhard besuchte nach Oberrealschule und Abitur die Fraenkelsche Stiftung in Breslau, ein bekanntes Rabbinatsseminar, und machte dort eine Ausbildung zum Religionslehrer.
Ein Schiddusch
(2002)
Nach der Deportation der Juden im Oktober 1940 meldete Gauleiter Wagner seinem „Führer", das Land Baden sei nun judenrein. Da während Jahrhunderten der jüdische Bevölkerungsteil ein Bestandteil der badischen Einwohnerschaft war und kaum mehr jemand der heute lebenden Personen
etwas über deren Lebensumstände weiß, erscheinen laufend Publikationen
der noch erreichbaren Zeitzeugen. Man will wissen, wie die Juden damals
gelebt haben.
Die meisten Veröffentlichungen enthalten Berichte über das religiöse
Brauchtum oder Erlebnisberichte von Vertriebenen und Überlebenden.
Dürftig sind Quellen über das soziale Verhalten der jüdischen Bürger und
ihre Lebensgestaltung.
Im Jahresband 1997 der ORTENAU (Seite 199-220) wurden in Text und Bild Funde aus der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts vorgestellt, welche die „Archäologie-AG des Grimmelshausen-Gymnasiums" seit dem Jahre 1992 im tiefsten Gewölbekeller des Hauses Kanzler am Rande der südlichen Stadtmauer der Offenburger Innenstadt geborgen hatte. Der Verfasser hatte die fast fünf Jahre umfassenden stadtarchäologischen Aktivitäten „von der Grube zur Vitrine" und ihre Ergebnisse dargestellt, die dann im folgenden Sommer der Öffentlichkeit in einer großangelegten Ausstellung im Schalterraum der Volksbank Offenburg präsentiert werden konnten. Herr M. Yupanqui Werner, M.A., ergänzte die Darstellung durch eine exakte wissenschaftliche Beschreibung und Datierung des umfangreichen Fundmaterials, insbesondere der Keramik und der gefundenen Gläser. Was hat sich inzwischen im Kanzlerkeller getan? Daß hier eine Fortsetzungsgeschichte geschrieben werden mußte, wie der Untertitel verrät, liegt zweifellos an der hochkomplexen Baugeschichte dieses vielstöckigen Gewölbekellers, der uns immer wieder mit neuen Geheimnissen überrascht und damit als stadtgeschichtlich engagierte Arbeitsgemeinschaft zu neuen Nachforschungen herausgefordert hat.
Vor rund 400 Jahren, im Jahre 1615, wurde in der Kinzig bei Offenburg ein römischer Meilenstein, der erste uns heute bekannte Fund aus unserer römischen Vergangenheit geborgen. Zahlreiche Spuren wurden im Laufe der Zeit zusammengetragen, viele Relikte dieser und anderer Epochen sind wahrscheinlich unbeachtet geblieben. Im Rahmen eines Stipendiums der Kulturstiftung Offenburg wurden alle bisher bekannten Daten zusammengestellt und ausgewertet. Neben bedeutungsvollen Steindenkmälern und römischen Münzen zeugen scheinbar wertlose Scherben von der römischen Geschichte um Offenburg. Die Arbeit zum Stand der Forschung erbrachte neue und interessante Ergebnisse.
Nicht erst seit 1955, als im Zeichen des bundesdeutschen „Wirtschaftswunders" Vereinbarungen mit Italien über die Anwerbung von Arbeitskräften getroffen wurden, oder seit der Beschäftigung italienischer Arbeiterinnen und Arbeiter in der deutschen Bau-, Ziegel- und Textilindustrie im
ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhundert reisten Italiener auf der
Suche nach Arbeit und Einkommensmöglichkeiten über die Alpen nach
Norden.[2] Bereits zwischen dem 16. und ] 8. Jahrhundert wanderten Tausende von Hausierern, Kaufleuten und Handwerkern aus Italien in deutsche
Territorien ein.[3] Einzelne ließen sich auch in der Reichsstadt Offenburg
nieder. Hier konnten bislang für die zweite Hälfte des 17. und das 18. Jahrhundert über zwanzig italienische Männer ermittelt werden, die entweder
alleine oder mit ihren Familien in der Stadt lebten. Sofern genauere Herkunftsangaben vorliegen, stammten die Zuwanderer aus Oberitalien, insbesondere aus den Gebirgstälern am Südrand der Alpen sowie aus dem Gebiet der drei großen oberitalienischen Seen, dem Lago Maggiore, Lago di
Lugano und Lago di Como.[4]
Mit großer Mehrheit hat der Deutsche Bundestag am 6. Juli 2000 das Gesetz zur Errichtung einer Stiftung „Erinnerung, Verantwortung und Zukunft" verabschiedet. Es trat am 12. August 2000 in Kraft. Zweck der Stiftung ist es, über Partnerorganisationen Finanzmittel zur Gewährung von
Leistungen an ehemalige Zwangsarbeiter aus der Zeit des Nationalsozialismus bereitzustellen.
Eine wichtige Rolle bei der Beschaffung von Daten der Nachweise nehmen die Archive ein. Denn ohne die in Archiven verwahrten Unterlagen
können die meisten ehemaligen Zwangsarbeiter den Nachweis nicht erbringen.
Im Bundesarchiv Berlin lagern Akten aus der Zeit des Dritten Reiches über die Beschlagnahme von Büchern. Viele Listen von Sammlungen aus jüdischem Besitz sind es, die hier dokumentiert sind. Denn in der Pogromnacht des Novembers 1938 wurden nicht nur Scheiben eingeschlagen, Menschen gequält und Synagogen verbrannt oder geplündert, sondern es wurden auch
Bücher in großem Ausmaß gestohlen. Typisch deutscher Ordnungssinn: das Diebesgut wurde (vollständig?) notiert und aufgelistet. Dann wurde alles nach Berlin geschickt, die Bücher wurden in der Emser Straße bzw. Eisenacher Straße eingelagert für die Spezialsammlung des Reichssicherheitshauptamtes. Diese Bibliothek gliederte sich u. a. in die Abteilungen:
Kirche, Freimaurerei, Marxismus und Judentum. Der Gesamtbestand betrug zwei bis drei Millionen Bände.
Sklavenarbeit in Offenburg
(2004)
Am 25. oder 26. März 1945 kam der 18-jährige Marko Moskowitz als KZ-Häftling und Sklavenarbeiter in die Stadt Offenburg. Er gehörte einem Transport mit etwa 580 bis 650 Häftlingen an, der wenige Tage zuvor im oberpfälzischen Konzentrationslager Flossenbürg zusammengestellt und daraufhin nach Offenburg überführt wurde. Das Häftlingskommando, jetzt der Kommandantur des KZ Natzweiler unterstellt, war in die Stadt verlegt worden, um auf dem Bahngelände Blindgänger abgeworfener Bomben zu entschärfen sowie Aufräum- und Reparaturarbeiten durchzuführen. Die
Geschehnisse um diesen Flossenbürger Häftlingstrupp wurden schon mehrfach beschrieben, zumal damit eines der bedrückendsten Ereignisse der NS-Geschichte in der Stadt Offenburg verbunden ist: das Massaker an 41 KZ-Gefangenen am 12. April 1945 durch SS-Wachpersonal. Marko Moskowitz überlebte die Wochen als Sklavenarbeiter in Offenburg und
konnte am 20. April 1945 während eines Evakuierungstransports in Freiheit gelangen. Die Umstände des Arbeitseinsatzes der Flossenbürger KZHäftlinge in Offenburg sind inzwischen weitgehend bekannt. Noch immer fehlen jedoch genaue Angaben über die Zahl der nach Offenburg transportierten Gefangenen sowie nähere Kenntnisse über deren individuelle Einzelschicksale. Nur ein Bruchteil der Häftlingsnamen sind bislang dokumentiert, zu fast keinem der Gefangenen sind darüber hinaus gehende Informationen bekannt. Ein Dokument aus dem Holocaust Memorial Museum in Washington macht diesbezüglich auf das Schicksal eines der Offenburger Häftlinge, des ungarischen Juden Marko Moskowitz, aufmerksam.
Wer kennt „Neu-Deutschland"?
(2004)
Gesucht wird mit der Frage „Wer kennt ,Neu-Deutschland"' keine Zeitung oder eine Bezeichnung für die Bundesrepublik nach 1989, sondern ein Ort irgendwo in Kanada, wo ein Ferdinand Siefert leben sollte. Eine Frage, vor der der Beamte des „Großherzoglichen Ministeriums des Großherzoglichen Hauses und der auswärtigen Angelegenheiten" im Juli 1868 kapitulierte, als er einem Offenburger Notar mitteilen musste ,, ... daß nach den hier vorliegenden Ortsverzeichnissen eine Stadt ,Neu-Deutschland' in Canada nicht existiert." Der Teilzettel mit der Berechnung des Erbteils für Ferdinand Siefert blieb in der Akte in Karlsruhe, das Erbe in Baden.
Das Projekt „Der Traum von der Freiheit" - Dokumentation Offenburger Auswanderer des Historischen Vereins Offenburg e. V. startete im März 2002 mit einem Aufruf im Offenburger Tageblatt. Darin wurden interessierte Bürgerinnen und Bürger gesucht, die sich ehrenamtlich an einem Geschichtsprojekt beteiligen wollten. Das Interesse war groß. 20 Personen erschienen zu einem ersten Informationsabend. Bis auf vier beteiligten sich schließlich alle daran. Später kamen weitere historisch Interessierte hinzu. Ziel des Projekts war es, neue Formen des bürgerschaftlichen Engagements in der Kultur zu entwickeln und in der Praxis zu überprüfen, inwieweit Geschichtsarbeit mit Ehrenamtlichen professionalisiert werden kann.
Erste Bedingung war die Schaffung einer finanziellen Basis. Dies ermöglichte die Offenburger Bürgerstiftung St. Andreas mit einer Fördersumme von 8.000 . Weitere Sponsoren waren das Elektrizitätswerk Mittelbaden, die Volksbank Offenburg und das Stadtarchiv Offenburg. Zweite Bedingung war die Einbindung in das landesweite Projekt ,,Wanderungsbewegungen im deutschen Südwesten im Umfeld der Revolution von 1848/49", an dem u. a. die Staatsarchive Freiburg und Karlsruhe, die Universität Karlsruhe und die AG Archive im Städtetag Baden-Württemberg beteiligt sind und das Projekt ebenfalls finanziell fördert.
Ein kleines deutsches Dorf in Südwestsibirien mit dem Namen Hauf ist unser Geburtsort. Vor 105 Jahren gründeten die ersten Umsiedler aus dem Wolgagebiet diese Ortschaft in der Nähe von Omsk. Ich habe das Dorf auf mehreren Seiten meines Buches „Der lange Weg aus Sibirien" beschrieben. Es war wohl klein, aber von allen Geschehnissen in Russland betroffen - so wollte es die russische Geschichte. Noch nach dem 2. Weltkrieg zählte das Dorf 50 Höfe. Alle Bewohner waren Deutsche, und es waren
nicht nur ihre Namen deutsch, sondern auch ihre Sprache. So blieb es bis in die 70er-Jahre, als dort eine Geflügelfabrik gebaut wurde und das Dorf, das zum deutschen Rayon Asowo gehört, mehr als doppelt so groß wurde. Mehrmals wurde versucht, den deutschen Namen der Ortschaft durch einen russischen zu ersetzen, doch die alten Bewohner setzten sich erfolgreich für die Beibehaltung des alten Namens ein. So ist es bis heute geblieben, auch wenn es dort inzwischen nur noch ganz wenige Deutsche gibt.
In Memoriam Charles Hermand
(2005)
Wo der Ort dieses schrecklichen Verbrechens vom 12. April 1945 war, ist merkwürdigerweise lange Zeit unklar gewesen. Merkwürdig deshalb, weil ein Zeitzeuge eindeutig die Artilleriekaserne in der Prinz-Eugen-Straße als Lager der Gefangenen benannt hatte. Auch der Historiker Uwe Schellinger schrieb 1998 in seiner Arbeit über die Ihlenfeld-Kaserne, das Massaker
sei „aller Wahrscheinlichkeit nach nicht in der Ihlenfeldkaserne, sondern in der 1939-1941 erbauten Artilleriekaserne verübt worden". Doch in der Öffentlichkeit standen zwei Kasernen zur Diskussion, die Ihlenfeld- und die Artilleriekaserne: 41 Kriegsgefangene, Juden, Katholiken, Orthodoxe, Protestanten aus Polen, Belgien, Frankreich und anderen Nationen sind damals, drei Tage vor dem Einmarsch der französischen Truppen in die Stadt, also kurz vor der endgültigen Befreiung, in einem Kasernenkeller bestialisch erschlagen worden.
Ein beliebtes Wanderziel im mittleren Schwarzwald ist die Passhöhe Brandeck-Lindle zwischen Kinzig- und Durbachtal und weiter bergauf zum Brandeckkopf (690 m), wo nicht weit davon Ohlsbach, Offenburg und Durbach aneinander grenzen. Das bezeugt der „dreybännige Gränzstein N 48" von 1787, der das Wappen der Reichsstadt Gengenbach, Bann Ohlsbach, des markgräflich-badischen Amtes Staufenberg (Durbach) und der österreichischen Landvogtei Ortenau, Gericht Ortenberg, Stab Zell (Offenburg) trägt. Unter der Gerichtslinde auf dem Pass wurden Grenzstreitigkeiten zwischen den Anrainern verhandelt. Berg und Walddistrikt Brandeck waren namengebend für ein Landadelsgeschlecht vom klösterlichen Freihof in Ohlsbach, das zwei Gengenbacher Reichsschultheißen stellte: Balthasar von Brandeck (1499) und Junker von Brandeck (1593). Namen auf älteren Grenzplänen und Karten wie ,,Am langen Acker", ,,Hanns Fritschen Gut", ,,Joseph Schuler's Reuthfeld" oder „Bühlhof' erinnern daran, dass früher und noch vor hundert Jahren die Landschaft offen war und sich Äcker und Wiesen auf den Höhen und entlang den Hängen erstreckten. Auch zahlreiche Lesesteinhaufen, vor allem die zu einer imponierenden Pyramide aufgeschichteten Steinbrocken nördlich unter dem 1895 errichteten Brandeckturm - ,,Absaloms Grab" genannt-, sind ein weiteres Indiz für vormalige Landbewirtschaftung.
Der folgende Beitrag entstand im Rahmen eines Forschungspraktikums im Stadtarchiv über die in Offenburg stationierten SS-Baubrigaden. Auf das Thema wurde ich durch einen Besuch im Museum des früheren Konzentrationslagers Natzweiler aufmerksam. In einer Karte des Museums war Offenburg als „Camp annexe" (Nebenlager) verzeichnet. Bei einer Recherche in diese Richtung stieß ich im Staatsarchiv Freiburg auf einen Bericht der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg, demzufolge es in Offenburg kein Neben- oder Außenlager des KZ-Natzweiler gab und auch unklar sei, was sich stattdessen zur Zeit des Zweiten Weltkriegs in der im Bericht genannten Ihlenfeldkaserne befunden habe. Bei der weiteren Materialsuche entdeckte ich die Dissertation von Bernd Boll mit dem Titel „Kriegswirtschaft und Zwangsarbeit in Offenburg 1939 bis 1945". In diesem Buch ist auch von KZ-Häftlingen die Rede, welche in Offenburg für die Reparatur der Gleisanlagen und die Entschärfung von Blindgängern eingesetzt wurden. Diese Reparaturarbeiten wurden in Folge der Luftangriffe auf die Gleisanlagen nötig, um den militärischen Nachschub an die Westfront aufrechterhalten zu können. Bernd Boll bezeichnet diese Baubrigaden als rollende Konzentrationslager. Sie wurden mit KZ-Häftlingen der Stammlager Sachsenhausen, Flossenbürg und Buchenwald ausgestattet. Bis zum Ende des Krieges waren in Offenburg die 8., 9. und 10. SS-Baubrigade sowie ein Bauzug des Konzentrationslagers Flossenbürg stationiert.
Wenn man sich mit der Geschichte Offenburgs in der Zeit des Dritten Reiches befasst, stößt man immer wieder auf den Namen Rombach. Allerdings verbergen sich hinter diesem Namen zwei Personen, die nicht mit einander verwandt gewesen sind. Beiden Rombachs gemeinsam war die stark ausgeprägte nationalsozialistische Gesinnung; was sie unterschied, waren das Temperament und die Rigorosität, mit der sie diese Gesinnung in die Tat umsetzten. Beide waren Funktionsträger des nationalsozialistischen Regimes, pflegten aber einen unterschiedlichen politischen Stil, vermutlich als Folge einer divergierenden sozialen Herkunft und Sozialisation. Bevor ich auf das Verhältnis der beiden lokalen NS-Leute eingehe,
möchte ich einen Blick auf die Biographie des Offenburger Oberbürgermeisters werfen. Dabei werde ich an mehreren Stellen aus Wolfram Rombachs Lebenserinnerungen zitieren, die er Mitte der 1960er Jahre schrieb und später dem Stadtarchiv Offenburg zur Verfügung stellte. Bis zu seinem Tod blieben sie gesperrt.
Stiftungen boten seit jeher Begüterten die Möglichkeit, sich wohltätig in ihrem Gemeinwesen zu engagieren. Dahinter mochten religiöse Motive stehen oder der Wunsch, den erreichten gesellschaftlichen Status öffentlich zur Schau zu stellen, oder ein den eigenen Tod überdauerndes Renommee für die Nachwelt zu schaffen. Allgemein gab es in der zweiten Hälfte
des 19. Jahrhunderts einen Stiftungsboom, und Offenburg war keine Ausnahme. Die Anna-von-Heimburg-Stiftung fällt somit in eine Zeit, in der die mittelbadische Stadt einen wirtschaftlichen Aufschwung erlebte. Bedingt durch die Industrialisierung wuchs die Bevölkerung von 3.831 Einwohnern im Jahre 1855 auf 7.274 Einwohner im Jahre 1880 an. Dieser Aufschwung hatte jedoch auch seine Schattenseiten. Die Versorgung der Armen und Kranken erwies sich zunehmend als schwieriger, denn in Folge der Landflucht als Grundbedingung für das beschriebene Wachstum waren
frühere feudale Versorgungssysteme gänzlich außer Kraft getreten, während gleichzeitig noch keine neuen Absicherungen existierten, etwa in Form der ab 1883 von Bismarck zur innenpolitischen Befriedung eingeführten Sozialversicherungen gegen Krankheit und Unfall, Invalidität und Alter. So konnte z.B. das St. Andreas-Hospital die Armenpflege nur noch schwer bewältigen, da das Geld nicht mehr reichte. Immer wieder ergingen an die Bürgerschaft Aufrufe zu stiften. Genau genommen wurden die Menschen zu einer Schenkung aufgefordert, denn es ging nicht ausschließlich darum, an einen Kapitalstock zu gelangen, dessen Erträge dem Spital hätten zufließen können, sondern darum, entweder das bereits vorhandene Vermögen über „Zustiftungen" aufzustocken oder Geldbeträge einzusammeln, welche direkt in die Armenpflege fließen sollten.
Am Rande der Offenburger Altstadt hat sich ein erstaunliches Zeugnis der mittelalterlichen Stadtgeschichte erhalten, das aus der Ferne der Jahrhunderte unmittelbar zu uns spricht. Gut geschützt im westlichen Kreuzgang des alten Franziskanerklosters Unserer Lieben Frau erzählt uns eine schlichte Holztür mit einer barocklateinischen Inschrift stolz von ihrem Überleben ,,im zerstörenden Feuer des Krieges in den Trümmern des eingeäscherten Klosters". Dass diese „tapfere Tür" die Katastrophe der Totalzerstörung Offenburgs im 17. Jahrhundert bis heute überlebt hat, ist schon ein historisches Phänomen an sich. Was sie aber so besonders wertvoll macht, ist nicht ihr Alter und ihr Material. Von größter Bedeutung und in dieser Form wohl einzigartig ist die lateinische Barockinschrift im oberen Teil der Tür. Sie gibt bis heute einige Rätsel auf, die selbst unter der Lupe wissenschaftlicher Durchleuchtung zum Teil bestehen bleiben werden.
Im Namen der Hyazinthe
(2008)
Wenige Meter entfernt von der alten Klosterpforte des ehemaligen Offenburger Franziskanerklosters (1280-1808) steht an der Südwand des Kreuzgangs ein in dieser Form wohl einmaliges steinernes Schriftdokument barocker Grabsteinpoesie. Wer den schlichten Kreuzgang von der engen Nebenpforte der prachtvollen Klosterkirche aus betritt, sieht zunächst linker Hand die alte hölzerne franziskanische Klosterpforte von 1689 mit ihrem berühmten Chronogramm Marte arDente CLaVstro eXVsto (,,als die Flammen des Krieges wüteten und dabei dieses Kloster eingeäschert wurde"). Vom selben Standpunkt aus nach rechts ist an der Wand auch die mannshohe Grabplatte eines Franziskanerpaters aus der Wende vom 16. zum 17. Jahrhundert zu erkennen. Auf dem Weg dahin kommt man zunächst aber vorbei an der Franziskanergruft selbst, die jetzt verschlossen ist
und nur durch einen mühsamen Einstieg unter dem Boden zu erreichen ist. Vielleicht führte einst unter der jetzt ebenerdigen Eisenplatte ein Treppenabgang in das Dunkel der grabenartigen Gruft unter dem Chor der Kirche hinab.
Ende November 2007 wurde der 33. Band der Reihe Archäologischer Stadtkataster Baden-Württemberg vorgestellt, der die Stadt Offenburg in den Blick nimmt und sowohl der Stadtplanung als auch der Denkmalpflege qualifizierte Informationen über die archäologische Situation im Bereich der Altstadt geben soll, damit im Rahmen der Aufstellung von Flächennutzungs- und Bebauungsplänen, Projekten zur Stadtteilsanierung und anderweitigen Planungsverfahren entsprechend agiert und reagiert werden kann. Darüber hinaus bietet der Stadtkataster mit seinen Ausführungen zur historischen Siedlungs- und Stadtbildentwicklung und der historischen Topographie Offenburgs auch einem an Archäologie und Geschichte interessierten Publikum Informationen, die sich auf dem neuesten Forschungsstand bewegen.
Oskar Wiegert
(2009)
In fast allen Veröffentlichungen zur Geschichte des Nationalsozialismus in Offenburg, zuletzt in Martin Ruchs Publikation über das Novemberpogrom in Offenburg, fällt der Name Oskar Wiegert als fanatischer und skrupelloser Nazitäter. Im Rahmen der Untersuchung der Entnazifizierung der Stadtverwaltung Offenburg fand der Autor weitere Archivdokumente, die bisher noch nicht ausgewertet wurden und interessante Aufschlüsse über seine Nachkriegsbiografie bringen. Zu Beginn der fünfziger Jahre lässt sich in der Bundesrepublik eine Abkehr von der im vorigen Beitrag beschriebenen Entnazifizierungspolitik feststellen. Schritt für Schritt setzte sich ein Nazi-Begriff durch, ,,der auf Rabauken und Sadisten passte, aber die partei-organisatorisch nicht recht greifbaren Unterstützer in herausragenden Positionen - Wirtschaftsmanager, Richter, Bürokraten, Professoren - ausfilterten." Dieses Milieu hatte sich nicht mit den kleinen Pöstchen abgegeben, wie Kassenverwalter, Zellenleiter, Blockwart etc. Einfach zu belangen waren die Raufbolde, Querulanten. Sie besaßen teilweise Hemmungen, den plebejischen NS-Verbänden mehr als nominell beizutreten und hatten ihren Einsatz auf viel effizientere Weise bewiesen, nur blieb davon im formalen Raster der Entnazifizierung nicht viel hängen. Letztendlich existierte in den fünfziger Jahren ein „gewisses Solidaritätsgefühl zwischen Nazis und Nicht-Nazis." In vielen Gemeinden gab es oftmals eher eine Sympathie für den verteufelten Nazi als für die Opfer des Nationalsozialismus. Die Mitarbeiter der Spruchkammern, die im Gegensatz zur Mehrheit der Bevölkerung sich dem System widersetzt hatten, waren bereits gegen eine Wand des Schweigens gestoßen. Sie waren der Bevölkerungsmehrheit oft fremd, suspekt und lästig.
Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit der Entnazifizierung der Offenburger Bediensteten, die 1933 bis 1945 bei der Stadt in einem Beschäftigungsverhältnis standen. Wer sich mit diesem Thema auseinandersetzt, begibt sich auf ein gefährliches Minenfeld. Bei keinem Thema stoßen solch konträre Extrempositionen aufeinander, zurück bleiben oftmals Grautöne. Bei fast jeder Schlussfolgerung bleibt ein Stück Zweifel zurück. Gehörte eine untersuchte Person zu den Nazi-Tätern oder versteckte er
sich hinter einer loyalen Nazi-Maske oder umgekehrt. Große Verunsicherung bringen die zahlreichen sog. Persilscheine, die von Nazi-Opfern für Personen ausgestellt wurden, die laut Aktenlage eigentlich zum Täterkreis gehörten.
Am 12. Februar 2008 besiegelten die beiden Offenburger Sportvereine ESV Jahn und Turnverein von 1846 bei einer Mitgliederversammlung im Salmen-Saal ihren Zusammenschluss zum ETSV 1846 Jahn Offenburg. Diese Versammlung fand nicht ohne Grund an diesem historischen Ort statt. Im „Salmen" hatten sich am 12. September 1847 die Badischen Demokraten getroffen und die 13 Forderungen des Volkes von Baden verabschiedet. Diese 13 Forderungen sind, wie der frühere Bundespräsident Rau anlässlich der Wiedereröffnung des „Salmen" erklärte, die Grundlage des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland. In die Zeit der Badischen Revolution fiel auch die Geburtsstunde des ersten Offenburger Turnvereins, der Turngemeinde von 1846. Am 9. Juli 1846 trafen sich ihre Gründungsväter im „Zähringer Hof' und verabschiedeten die 59 Gesetze der Offenburger Turngemeinde. Die turnerische Bewegung war Teil der damaligen politischen Willensäußerung des Bürgertums. Auch in Bühl, Kehl und Lahr entstanden in diesen Jahren erste Turnvereine. Zur selben Zeit etablierten sich in den 40er-Jahren des 19. Jahrhunderts auch die Gesangvereine, so die Concordia in Offenburg.
Dort wo heute der Burda-Medien-Park steht, befand sich einmal Offenburgs größte Sportstätte: Das frühere Kinzigstadion. Den meisten Offenburgern ist diese Sportarena bis heute als Trainings- und Wettkampfstätte in Erinnerung geblieben. Die einen haben es im Schulsport schätzen (oder fürchten) gelernt. Andere haben in diesem Stadion sportliche Großereignisse erlebt, an die sie sich gerne erinnern. Die Stadiongeschichte begann allerdings bereits vor dem eigentlichen Stadionbau.
Im Jahre 1921 ging für die Turngemeinde Offenburg endlich ein lang gehegter Wunsch in Erfüllung: Der Verein erhielt von der Stadt auf den ,,Oberen Eiswiesen" an der Kinzig bei der Eisenbahnbrücke ein ausreichend großes Gelände für einen Turnplatz zur Verfügung gestellt. Nach jahrzehntelanger Odyssee von einem gepachteten Turnplatz zum nächsten hatte man endlich eine „sportliche Heimat" gefunden. Die Mitglieder errichteten danach auf dem Gelände einen Turn- und Spielplatz mit Aschenbahn sowie einem Ehrenmal für die Gefallenen des Krieges. Außerdem konnten sie von der Militärverwaltung zwei große Stallbaracken erwerben und zu einer geräumigen Turnhütte mit Umkleide- und Geräteräumen umbauen. Am 9. Juli 1922 wurde der Sportplatz unter zahlreicher Beteiligung der Offenburger Bevölkerung feierlich eingeweiht. Kurz darauf erlebte der Platz mit dem 13. Gauturnfest des Ortenauer Turngaus (1900 Teilnehmer) auch seine erste größere Sportveranstaltung.
Im Frühjahr 1933 bereiteten die deutschen Turner ihr 5. Deutsches Turnfest in Stuttgart (21. - 30. Juli 1933) vor. Aus diesem Anlass bat Edmund Neuendorff, der Vorsitzende der Deutschen Turnerschaft, Adolf Hitler um die Schirmherrschaft. In diesem Antragsschreiben war zu lesen: ,,Mit ungeheurem Jubel ist von der gesamten Deutschen Turnerschaft der Sieg der
Deutschen Freiheitsbewegung und die Ergreifung der Macht durch Sie mein Führer begrüßt worden. Die Deutsche Turnerschaft hat sich sofort der nationalen Regierung zur Verfügung gestellt (...) und sie hat, soweit es überhaupt noch nötig war, sofort eine Neugestaltung ihres äußeren und inneren Aufbaus vorgenommen. Die verhältnismäßig wenigen Marxisten
und Juden, die sich in der Turnerschaft befanden, haben sie verlassen müssen. (...) Der Führergedanke ist durchgeführt. (... ) Schulter an Schulter mit SA und Stahlhelm tritt die Turnerschaft den Vormarsch ins Dritte Reich an."
Turnlehrer Baumann
(2009)
Im Jahre 1840 wurde ein Mann an das Offenburger Gymnasium berufen, der wie kein anderer die bewegte Zeit des liberalen Vormärz verkörpert, der „Lehramtscandidat Karl Baumann aus Rastatt". Das kurze Wirken dieses vielseitigen Pädagogen, seine Verdienste in Schule und Verein um das gerade erst eine Generation alte deutsche Turnwesen und sein wissenschaftliches und politisches Engagement in Offenburg über die seither vergangenen 170 Jahre hinweg lebendig werden zu lassen, soll Ziel dieser kleinen Untersuchung sein.
Vor nunmehr 70 Jahren, am 22. Oktober 1940, fand die Deportation der badisch-pfälzischen Juden nach Gurs in Südwestfrankreich statt. Unter den 6500 Deportierten war auch Ludwig Greilsheimer aus Offenburg mit seiner Tochter Susi. Das Mädchen überlebte, der Vater starb in Auschwitz. Erinnern wir an sie: Ludwig Greilsheimer wurde am 4. August 1879 in Friesenheim geboren, wo die Familie Greilsheimer seit Generationen die weitaus personenreichste jüdische Familie war. Erste Mitglieder sind bereits gegen Ende des 18. Jahrhunderts nachzuweisen. Im Zeitraum von 150 Jahren sind 69 weibliche und männliche Familienangehörige genannt und das Gräberverzeichnis des jüdischen Verbandsfriedhofes Schmieheim zählt 27 Personen mit diesem Namen auf, die hier zwischen 1813 und 1935 bestattet wurden. Die Familienlinie wird auf den Viehhändler Raphael Greilsheimer zurückzuführen sein, der 1797 als „Schutzjud" in Friesenheim genannt ist.
Heiligenleben und Alltag
(2010)
Dis ist von dem heiligen leben der seligen frowen, genant die Rickeldegen, und waz grozer wunder unser lieber her mit ir gewurcket het. Und mit irme eigen namen wz su Gerdrut genant. So beginnt die Schrift, die im Mittelpunkt der Untersuchung stehen soll. Sie nimmt ganz selbstverständlich das seit dem Frühmittelalter geläufige literarische Muster auf, mit dem ein Heiligsprechungsprozess in Gang gesetzt wurde: Vita et Miracula bildeten die Grundlage für den Prozess, an dessen Ende die Aufnahme in das Verzeichnis der Heiligen stand. Diesem Programm will ich einen zweiten Aspekt hinzufügen, der sozusagen quer dazu steht: Offenburger Alltagsleben. Dabei interessieren nicht so sehr die großen Wunder, sondern die kleinen Alltagsgeschichten, in denen sich das Leben einer Frau widerspiegelt mit all seinen Zwängen und Möglichkeiten. Zugegebenermaßen verengt dieser Blick das überlieferte Bild der Offenburger Heiligen in ungebührlicher
Weise. Denn in erster Linie widmet sich die Schrift dem spirituellen Leben einer Frau, ihrer Askese und ihrem Ringen um eine neue Lebensform. Meine Engführung soll Einblicke bieten in das Tagesgeschehen einer kleinen Stadt des 14. Jahrhunderts, in der Gertrud fast 30 Jahre lang gelebt hat.
Am 15. Oktober 1862 trat das Gesetz über die Gleichstellung der
Israeliten in Baden in Kraft. Auch in Offenburg musste den Juden
die bürgerliche Niederlassung erlaubt werden. Zwar bestand im
13. Jahrhundert bereits eine Judengemeinde, deren Tauchbad
noch heute erhalten ist. In den Pestjahren des 14. Jahrhunderts
erlosch die Gemeinde jedoch und kein Jude durfte sich mehr dauerhaft in der Stadt niederlassen. [1]
Der erste, der vom soeben erst erworbenen Recht auf Niederlassung Gebrauch machte, war Maier Stein (1825-1879), der am
24. Oktober 1864 der erste jüdische Bürger Offenburgs [2] wurde. Er
war ein Sohn von Lemle Stein. Dessen Witwe samt den erwachsenen Söhnen und einer Enkelin, deren Mann und der Schwiegersohn aus Diersburg, gehörten gleichfalls zu den zuerst nach
Offenburg übergesiedelten Juden. Am 27.1.1863 lebten bereits
37 Juden in Offenburg.
In Adolf Gecks „Kriegsbildern" im Offenburger Tageblatt aus dem zweiten Kriegsjahr des Ersten Weltkriegs findet sich auch der Bericht eines Klassenkameraden über den unerwarteten Tod seines Anfang 1915 gefallenen Freundes Schorsch. Darin beschwört er die gemeinsame Schulzeit am Gymnasium und schließt mit den Worten: ,,0 Tod, das hast Du schlecht gemacht,
der solche Kraft gering geacht." R. H. Der inhaltsreiche Nachruf mit seinen detaillierten Angaben wurde Anlass zu vertieften Nachforschungen über das Schicksal hinter den beiden unbekannten Namen, deren Ergebnisse hier vorgelegt werden. Sie stehen in der Mitte dieser alphabethisch gegliederten Untersuchung und haben, trotz der inzwischen 100 vergangenen Jahre, viel Quellenmaterial ans Tageslicht gebracht. Diese Abhandlung trennt die Darstellungen zweier Freundesschicksale am Anfang, bei denen ein Freund überleben konnte, von den beiden am Schluss, bei denen beide Freunde gefallen sind.
Nachdem Markgraf August Georg, der letzte seines Stammes, im Jahre 1771 in Rastatt gestorben war, wurde sein katholisches
Ländchen mit dem der evangelischen Vettern in Karlsruhe vereinigt - was freilich nicht allen gefiel. Vor allem die Witwe des
Verstorbenen, Markgräfin Maria Viktoria, versuchte das konfessionelle Erbe zu wahren und zu mehren; und so kaufte sie die
ehemalige Residenz der Jesuiten in Ottersweier und richtete in ihr eine Mädchenschule ein. Zu ihrer Leitung berief sie die „Regulierten Chorfrauen des Heiligen Augustinus von der Kongregation Unserer Lieben Frau", die 1597 in Lothringen gegründet worden waren und sich 1731 in Altbreisach niedergelassen hatten. Am 21. Oktober 1783 wurde das Institut feierlich eröffnet. Es folgten gute, dann aber immer schwierigere Jahre, sodass man schließlich beschloss, die Schule nach Offenburg zu verlegen, wo sie im Jahre 1823 das ehemalige Franziskanerkloster bezog. Hier blühte sie nun förmlich auf, zusammen mit dem ihr angeschlossenen, ,,von den Töchtern des badischen Landes mit Vorliebe besuchten Pensionat".
Am 10. März 1415 feierten die Bürger Offenburgs die Weihe ihrer neu erbauten Stadtkirche. Das einzige historische Zeugnis zu diesem Fest hielt erst 200 Jahre später der Pfarrherr von Heilig Kreuz fest in seinem Bericht des Kirchherrn Lazarus Rapp über die Pfarrei zu Offenburg vom 26. September 1616. Die Kirche samt Chor sei von Fr. Marco ordinis Minorum episcopo Chrysopolitano (von dem Minoritenbruder und Bischof von Chrysopolis) consecriert worden dominica laetare anno 1415. Auf diese spärliche Nachricht stützt sich das Gedenken. Im Frühjahr 2015 erinnerte ein großes Jubiläumsprogramm an diesen Tag: ,,600 Jahre Heilig-Kreuz-Kirche in Offenburg". Es ist das dritte Mal schon, dass die Pfarrei selbst auf das Ereignis zurückblickt. Vor hundert Jahren widmete der damalige Stadtpfarrer und Dekan August Lipp dem Jubiläum eine Gedenkschrift. Sie erschien freilich erst gegen Ende des Jahres 1915, weil die Feier „mit Rücksicht auf die ernste Kriegszeit" zusammengelegt wurde mit dem Titularfest Kreuzerhöhung am 14. September. Von der Kirchweihe im März 1415 ist in ihr auch kaum die Rede. Stattdessen von der Zerstörung der Kirche durch „die Mordbrenner" von 1689, die Offenburg und dessen altehrwürdige Pfarrkirche in Schutt und Asche legten.
Am 23. September 1600 erließ der ehrsame Rat der Reichsstadt Offenburg ein Edikt zur Hexenverfolgung. In der Einleitung
stellte der Rat fest, dass er vom regierenden Stettmeister Caspar Silberrad "mit bekhümmertem gemüet" vernehmen musste, dass "etliche sorgfältige Buerger ahn gehalltener ernstlicher Execution vnderschiedlicher weibspersonen wegen geüebter Zauberrey vnnd Hexenwerckhs noch nitt ersettiget, sondern ein Ersamen Rath ferners zue bewegen gesinnt" seien.
Die Beteiligung breiter Bevölkerungsschichten an der Hexenverfolgung hat die Forschung in den letzten drei Jahrzehnten immer wieder neu zeigen können. Die Motive und der Erfolg dieses Verfolgungsbegehrens aus der Bevölkerung waren je
nach Obrigkeit und Gegend unterschiedlich.
Im Oktober 1924 wurde in der Gaswerkstr. 17 im Offenburger
Westen ein Viehhandelsbetrieb eröffnet. Über die Erfolgsaussichten des neuen Geschäftes unter der Leitung des jüdischen Kaufmannes Julius Hammel sprach sich ein naher Verwandter im
Nachhinein sehr zuversichtlich aus: ,,Julius Hammel war ein äußerst fleißiger und tatkräftiger Mann, der seinem Geschäft mit großem
Eifer nachging. Er hatte auch das erforderliche Betriebskapital, wodurch
ihm die Geschäftsführung wesentlich erleichtert wurde ... Ein Viehhändler, der die nötigen Betriebsmittel besitzt, kann Vieh auf eigene
Rechnung kaufen und verkaufen (im Gegensatz dazu wenn man sein
Geschäft auf Provisionsbasis führt). Ich erinnere mich, dass J.H. in
früheren Jahren große Viehgeschäfte mit Salomon Oppenheimer in
Freistett und Eduard Hammel in Karlsruhe tätigte ... Er galt als einer
der größten und kapitalkräftigsten Viehhändler im ganzen Bezirk. Er
unterhielt eigene Stallungen in Offenburg und in Renchen und beschäftigte ständig mindestens einen Knecht ... "*1 Und in der Tat konnte
sich der neugegründete Betrieb nicht nur erfolgreich etablieren,
sondern blühte bis Ende der 1920er Jahre geradezu auf.
Flurnamen sollen überleben, weil sie dazu beitragen, an die Geschichte eines Ortes zu erinnern. Viele Flurnamen geben Hinweise auf mittelalterliche und frühneuzeitliche Wirtschaftsgeschichte, häufig verbunden auch mit lange aufgegebenen und heute befremdlich anmutenden Rechtsbräuchen. Flurnamen können vielfach auf alte Tätigkeiten und Berufe zurückgeführt werden, die ihrerseits, zum Teil als Übernamen, zu Personennamen geführt haben und heute oft nicht mehr verstanden werden. Bekannt ist die ersprießliche Zusammenarbeit der Namenforschung mit archäologischen Erkenntnissen. Bei den meisten Flurnamen lässt sich bei uns seit Jahrhunderten trotz sich ändernder Schreibweisen eine sprachliche Kontinuität nachweisen. Dabei sei davon abgesehen, dass für ein und dieselbe Örtlichkeit auch zwei (oder selten mehr) Namen überliefert sein können.
Über die Deportation der badisch-pfälzischen Juden nach Gurs am 22. Oktober 1940 ist bereits vieles gesagt und geschrieben
worden. Und immer noch gibt es da und dort weitere erhellende Quellenfunde zu machen. Warum haben beispielsweise die Offenburger Bürgerinnen und Bürger so wenig Protest eingelegt gegen die Vertreibung ihrer jüdischen Nachbarn? Was
für eine Stimmung herrschte in der Stadt am Vorabend des Geschehens vom 22. Oktober?
Zu Ostern im letzten Kriegsjahr des Ersten Weltkriegs erreichte 1918 das Städtische Museum in Offenburg eine ungewöhnliche Postsendung. Das Päckchen war abgesendet worden „ von einem alten Offenburger aus den 40er Jahren des vorigen Jahrhunderts, der seine ersten Unterrichtsjahre an der dortigen Volksschule und Gymnasium erhalten hat, der stets gerne jener Zeiten gedenkt, der heute mit hoher Verehrung das Emporblühen der Stadt Offenburg sympathisch begrüßt". Auf einem ebenfalls beigefügten bräunlichen Foto signiert der Absender als „Gebhard Gagg, Maler und Historiker in Konstanz, Ritter vom Zähringer Löwenorden, aetatis suae 80 J. 1918". Zu sehen ist er auf der Postkarte als eine lesende Gelehrtengestalt vor einer Fensterbank mit wallender Mähne im Gerhard-Hauptmann-Stil.
Im Jahre 1844 wurde nach nur vier Amtsjahren überraschend der hoch angesehene Direktor des Offenburger Gymnasiums,
Professor Franz Weißgerber, durch Erlass des Großherzogs in Karlsruhe entlassen. Er hatte 1840 als dienstältester Professor
die Stelle von seinem Amtsvorgänger Professor Josef Scharpf, dem ersten Direktor des neuen großherzoglich-badischen
Gymnasiums (1832-40), übernommen und sie jahrelang mit innovativer Energie und Weitblick ausgefüllt. Er war auch verantwortlich für die Organisation der großen Offenburger Jubiläumsfeierlichkeiten zum 25-jährigen Bestehen der badischen Verfassung im Jahre 1843, einer Art erstem Freiheitsfest in der mittelbadischen Kleinstadt. Die Rede, die Weißgerber damals als Leiter des Festkomitees in der Schulaula des Gymnasiums, dem Bankettsaal des „Salmen", gehalten hat, war den vor Ort mithörenden Spitzeln des Großherzogs offensichtlich zu weit gegangen: Weißgerber war als führender Vertreter der städtischen Liberalen auch entschieden für die verfassungsmäßigen Rechte das Volkes eingetreten, - er wurde an das Lyzeum im residenznahen Rastatt strafversetzt. Ehe er hier an dem festungsgesicherten neuen Schulort seinen Dienst antrat, musste er sich in seiner ersten Amtshandlung schriftlich verpflichten, als Staatsdiener „dem Großherzog getreu, hold und gehorsam" zu sein.
Die Offenburger Stadtbefestigung wurde im Jahre 1689 im Verlauf des Pfälzischen Erbfolgekriegs von französischen Truppen
zerstört und nach zeitgenössischen Berichten bis auf die Fundamente niedergerissen. Überreste dieser Fundamente wurden
in der Vergangenheit schon mehrfach bei Tiefbauarbeiten gefunden.
,,Haman war ein böser Mann, hat verkackte Hosen an!" Eva Mendelsson, geb. Cohn, spricht 2013 diesen Vers aus einem Gedicht ihrer Mutter Sylvia mit Leidenschaft, aber auch voller Trauer. Der Spruch hat sie seit den Kindertagen in Offenburg (sie ist 1931 geboren) durchs Leben begleitet. Denn kurze Zeit nach ihrer Geburt war wieder ein Haman, war Adolf Hitler an die Macht gekommen, und auch er plante, die Juden auszulöschen. Sie konnten sich aber diesmal nicht, wie es in der Esthergeschichte des Alten Testaments geschildert wird, erfolgreich gegen ihn zur Wehr setzen. Sechs Millionen Juden hat Hitler, haben er und seine willigen Gefolgsleute auf dem Gewissen. Auch Evas Mutter Sylvia Cohn und ihre älteste Schwester Esther (geb. 1926, ermordet 1944 in Auschwitz) waren unter seinen Opfern.
Offenburger Horaz
(2013)
Übersetzen ist ein schwieriges und oft mühsames Geschäft, zumal, wenn es sich um lateinische Dichtung handelt. Bevor
Friedrich Nietzsche Philosoph wurde, war er Altphilologe, und er hat vom „Feierlichen Leichtsinn" des Dichters Horaz gesprochen, der nicht so leicht zu treffen ist in einer deutschen Übersetzung. Das gilt auch für das berühmte Carmen 1,9 von
dem es, übrigens in vielen Sprachen, Übersetzungen gibt. Die Schwierigkeiten solcher Übertragungen sind bekannt. Aber
manchmal hat man auch Glück!
Der Staat des Großherzogtums Baden erlebte nach den Jahren der Repression und der militärischen Besetzung durch Preußen infolge der gescheiterten Revolution von 1848 eine politische und wirtschaftliche Phase der Liberalisierung und Öffnung auf allen gesellschaftlichen Feldern. Besonders die Jahre von 1860 bis 1866 standen im Zeichen der Politik einer neuen Ära. In
seiner Osterproklamation vom 7. April 1860 kündigte Großherzog Friedrich ein Reformprogramm an. Fünf neue Gesetze regelten das Verhältnis von Staat und Kirche. Ein neu errichtetes Handelsministerium arbeitete ein Gewerbegesetz aus, und die
badische Regierung verabschiedete 1864 eine Verwaltungsreform. Weitere Reformen brachten eine neue vorbildliche Gerichtsverfassung, die Einrichtung eines Verwaltungsgerichtshofs, ein Gleichberechtigungsgesetz für die jüdische Bevölkerung sowie die Aufhebung des Zunftzwangs. Es wurde der Weg freigemacht für einen allgemeinen, vor allem aber auch wirtschaftlichen Aufschwung. Eine große Rolle spielten dabei die neuen Gewerbevereine und ihre Vorschußkassen.
Ein Vergleich in Sachen „Bildung" über 500 Jahre hinweg ist riskant. Zumal niemand so recht weiß, was das eigentlich ist:
Bildung. Aber der Wunsch, sie zu besitzen, ist weit verbreitet, wenn nicht gar selbstverständlich. Die Stadt Offenburg weist in
ihrer Internet-Präsentation den Schulen und Bildungseinrichtungen einen hohen Stellenwert zu: ,,Offenburg hat als Herz
und Zentrum der Ortenau auch eine zentrale Funktion im Bildungsbereich." In einer Übersicht listet sie sieben Grundschulen, sieben Grund- und Werkrealschulen und vier Realschulen auf, dazu vier Gymnasien, sechs berufliche Schulen, sieben Sonderschulen, eine Kunstschule, eine Musikschule und eine Hochschule für Technik, Wirtschaft und Medien. Die Liste ist beeindruckend, deckt sie doch das gesamte deutsche Schulsystem in seiner Vielfalt ab: Eine grundlegende gesellschaftliche Offerte im Bereich von Erziehung und Unterricht!
Allein im größeren Raum um Verdun existieren heute 29 deutsche Friedhöfe mit knapp 75 000 gefallenen Soldaten. Ihre Gräber tragen Kreuze mit Namen und Dienstgrad, unter ihnen die Gräber der deutschen Soldaten jüdischen Glaubens. Es sind
graue Granitstelen darunter mit dem Davidstern, Namen und Dienstgrad. In Frankreich und in anderen ehemaligen Kriegsländern Europas gibt es noch weitere, noch unfassbar viele solcher Friedhöfe, auf denen ein gewaltiges Totenheer bestattet ist, auch 12000 gefallene deutsche Juden liegen hier. Denn selbstverständlich haben sich auch die deutschen Staatsbürger jüdischen Glaubens am Kampf für ihr Vaterland beteiligt.
Vergangenheitsverschönerung
(2005)
Im Oktober 2005 jährt sich zum fünften Mal die Eröffnung der neuen Offenburger Kulturstätte namens "Reithalle" auf dem großflächigen Gelände des städtischen Kulturforums. Am 21. Oktober 2000 war das zuvo mit rund 7,4 Millionen Mark sanierte hitorische Gebäude als Veranstaltungs-, Theater-, und Konzerthalle offiziell der Öffentlichkeit übergeben worden.
Aus Anlass des Jubiläums schien es angezeigt, im Sinne der politischen Erinnerungskultur badischer Geschichte an einige historische Daten zu erinnern, die besonders im 18. und 20. Jahrhundert, die Modellhaftigkeit der Politik in Baden zeigen. Zum 60. Geburtstag Baden-Württembergs hat sich die Landeszentrale für politische Bildung entschlossen, einen Jubiläumsband unter dem Titel "Baden-Württembergische Erinnerungsorte" herauszubringen. Die acht ausgewählten Ereignisse des vorliegenden Entwurfes beschäftigen sich dagegen mit politischen Ereignissen, die zeigen, dass Baden zu seiner Zeit, jeweils "eine Spanne voraus" war. Den Texten wurden zur besseren Erschließung des Kontextes biografische Skizzen und Literaturangaben beigegeben.
Aus Platzgründen veröffentlichen wir in dieser Ausgabe nur die ersten vier Erinnerungsgeschichten.
Am 19.1.2011 wurde das vielen Offenburger Familien an das Herz gewachsene Landschulheim Käfersberg in neuem Glanz eröffnet. Zur Generalsanierung des Landschulheimes wurden die Lehrer, Schüler und die Eltern aufgefordert ihren Beitrag durch Spendensammlungen zur Sanierung zu leisten. Durch die Zusage der Stiftung, jeden gesammelten Euro bis zur Höhe von 50 000 € zu verdoppeln wurde ein außergewöhnliches Engagement bei Schülern, Lehrern und Eltern ausgelöst.
Wer die Entwicklung der Hochschule Offenburg von der Staatlichen Ingenieurschule zur Hochschule für Angewandte Wissenschaften verstehen möchte, muss seinen Blick laut Breyer-Mayländer auf die Entwicklungen in Wirtschaft und Gesellschaft richten, die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs bis in die Gegenwart die Entwicklung des Bildungswesens und des Wissenschaftsbetriebs in Deutschland und Baden-Württemberg beeinflusst haben.
Der aktuelle Leitspruch des Museums im Ritterhaus hätte auch gut zur Gründung der Offenburger Sammlungen im Jahr 1894 und die Eröffnung des »Museums für Natur- und Völkerkunde« im Jahr 1900 gepasst. Denn die Sammelleidenschaft des Gründungsvaters, Kreissekretär Carl Frowin Meyer (1827-1919), war groß und Sammelgebiete umfangreich.
Dies ist einer der Kernsätze des Leitbildes der Stadt Offenburg,
welches im Rahmen eines beteiligungsorientierten, moderierten Stadtentwicklungsprozesses von rund 200 Bürgerinnen und Bürgern im Jahr 2001 erarbeitet und vom Gemeinderat verabschiedet wurde. Sie knüpften an ein vom damaligen Oberbürgermeister Dr. Wolfgang Bruder 1989 initiiertes, zentrales, ämterübergreifende Programm »Kinder- und familienfreundliches Offenburg« an. Nun ist die bedarfsgerechte Versorgung einer Stadt mit sozialer und kultureller Infrastruktur für Kinder, Jugendliche und deren Familien ein seit 2011 anerkannter und wichtiger weicher Standortfaktor für die wirtschaftliche Entwicklung der Kommune.
Offenburg hat in den vergangenen Jahrzehnten eine Fülle von architektonisch hochwertigen Neubauten und Quartiersentwicklungen hervorgebracht, die der Stadt neue Impulse gegeben haben und die teilweise überregionale Ausstrahlung besitzen. Dies hängt zum einen mit der Stadtgeschichte und dem Engagement einzelner Persönlichkeiten zusammen, zum anderen aber auch mit der wirtschaftlichen Lage und Entwicklung der 1996 zum Oberzentrum aufgestuften Stadt.
Offenburg hat in einem großen Stadtentwicklungsprozess die Konversion der ehemals militärisch genutzten Flächen und Gebäude erfolgreich bewältigt und die gebotene Jahrhundertchance bestens genutzt. Wo einst Kasernen ihren Zweck erfüllten, wohnen, arbeiten und begegnen sich die Menschen, gestalten und genießen Kultur und schaffen eine neue Qualität städtischen Lebens.
»Es blüht im Lande Baden, ein Baum gar wunderbar ... « tönt es auf der Freitreppe des Offenburger Salmen. Eine stattliche Zahl von Sängerinnen und Sängern stimmt aus vollen Kehlen Hoffmann von Fallerslebens Liedtext »Zu Badens Verfassungsfeier 22. August 1843« mit Begleitung der Stadtkapelle an. - Es ist Generalprobe, Freitagabend unter freiem Himmel, einige Schaulustige, letzte Regieangaben, musikalische Korrekturen und etwas Lampenfieber, denn in zwei Tagen beginnt der Freiheitstag in den engen Gassen rund um den Salmen. Und die Proklamation der dreizehn »Forderungen des Volkes in Baden« will am Originalschauplatz mit Verve nachempfunden sein.
Ein gut 40 km langes Teilstück der Autobahn A 5 zwischen Baden-Baden und Offenburg wird von einem Konzessionär privat finanziert auf sechs Spuren ausgebaut und 30 Jahre lang betrieben. Die Kosten belaufen sich auf rund 850 Mio. Euro – es ist damit eines der größten jemals realisierten Straßenprojekte in Baden. In dem Beitrag werden sowohl die Vorbereitung,
Planung und der Bauvollzug dieser einmaligen Maßnahme im badischen Rheintal beschrieben als auch einige Hintergründe solcher privat finanzierten Straßenbauprojekte beleuchtet und aufgezeigt, wie komplex und auch umstritten all diese Modelle sind.