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- Heidelberger Katechismus (4) (entfernen)
Die kirchenpolitische Neuorientierung unter Friedrich III. (1515; reg. 1559–1576), deren Gipfel die Einführung des Catechismus Oder Christliche(n) Vnderrricht(s) / wie der in Kirchen vnd Schulen der Churfürstlichen Pfaltz getrieben wird bildet, wurzelte bereits in den reformatorischen Maßnahmen Kurfürst Ottheinrichs von der Pfalz (1556–1559). Es war dem Kurfürsten nicht gelungen, mittels der lutherischen Kirchenordnung von 1556 die religiöse Lage zu befrieden, was auch durch eine unglückliche Berufungspolitik verursacht war. Bereits unter Ottheinrich wurden – in eher reformiertem Geiste – die Bilder in den Kirchen zurückgedrängt. Hauptstreitpunkt der Heidelberger Theologen war freilich die Lehre vom Abendmahl, die zum handgreiflich ausgetragenen Streit zwischen Wilhelm Klebitz und Tilman Heshus und schließlich zur Entlassung beider führte. Ottheinrichs Nachfolger Friedrich III. erhoffte weitere Klärung durch ein Gutachten Melanchthons, dass dieser wenige Wochen vor seinem Tode im November 1559 erstattet hat und das Friedrich noch 1560 drucken ließ. Melanchthon war sich über die kirchenpolitische Brisanz durchaus im Klaren, wenn er sagte: Es ist nicht schwer, aber gefährlich, darauf eine Antwort zu
geben.
Wenn man unter einem Katechismus ein Unterrichtsbuch zur Vermittlung und zur Erklärung des Glaubens versteht,
so hat das Katechismuslied die Aufgabe, die Auslegung des Katechismus zu vertiefen, „dem Ausbreiten von Gottes Wort [zu] dienen [...], das den Glauben schafft“ und „der Jugend die Grundlagen und Hauptzeugnisse des Glaubens ins Herz [zu] singen.“ Das Katechismuslied hat also im Prinzip eine außerliturgische Funktion im Bereich des Unterrichts und der Mission. Dem entsprechend war der Ort des Katechismusliedes in der lutherischen Kirche der Sonntag-Nachmittags-Gottesdienst, oft auch als „Sonntagsschule“ bezeichnet, in dem der Katechismus und seine Erklärung im Mittelpunkt standen. Damit wird ein wichtiger Unterschied zwischen Lutherischem und Heidelberger Katechismus deutlich, denn in letzterem geht es weniger um „Lehre“ als um „Bekenntnis“, oder anders ausgedrückt: Der Heidelberger ist ein Instrument, um den Glauben zu bilden und zu formen. Das Singen eines Katechismusliedes ist dann – wie bei allen Kirchenliedern – Ausdruck des Glaubens, hier freilich eines reflektierten und verinnerlichten Glaubens, der zum Bekenntnis befähigt.
Eher randständig war der Gebrauch des Heidelberger Katechismus im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts in den meisten reformierten volkskirchlichen Gemeinden in Deutschland. Zur Konfirmation Palmarum 1981 mussten wir Konfirmanden einer kleinen ostfriesischen Gemeinde die Frage 1 gemeinsam vorlesen (!) – von den Inhalten vorangegangener katechetischer Erklärungen des Post-68er-Pfarrers ist mir nichts mehr erinnerlich geblieben. „Form und Maß“ hatte dieser kirchliche Unterricht jedenfalls nicht durch den „Heidelberger“ bekommen, wie es laut kurpfälzischer Kirchenordnung von 1563/64 ursprünglich Zweck gewesen war. Als ich im Wintersemester 1986 Theologie zu studieren begann, war die erste Dogmatik-Vorlesung eine zweisemestrige Auslegung des Heidelbergers durch Jürgen Fangmeier in Wuppertal – gewiss ein Privileg für einen angehenden reformierten Theologen. Kaum etwas anderes hat seit dem meinen reformierten Glaubensstil und meine Theologie geprägt wie der Heidelberger. Ob mein Wechsel ins Pfarramt der Heidelberger Universitätskirche drei Jahre vor dem Jubiläum des Heidelbergers hominum confusione oder providentiae Dei geschah, ist dagegen nicht so klar zu identifizieren. In mehrfacher Hinsicht schreibt hier also ein „Heidelberger“.
Im vorletzten James-Bond-Film „Ein Quantum Trost“, dem zweiten mit Daniel Craig als 007, sucht James Bond, Rache für den Tod seiner Freundin Vesper zu nehmen. Dabei muss er eine Geheimorganisation namens „Quantum“ ausschalten; aus der Rache erhofft sich Bond ein Quäntchen Trost – „A Quantum of Solice“. Am Ende, als Quantum vernichtet ist und Bond verletzlicher denn je aus seinem Auftrag hervorgeht, wirft er das Andenken an Vesper, ein Silberkettchen, das er stets bei sich trug, in den Schnee. Mit dieser Geste verabschiedet er auch die Rache: Er ist frei geworden. Der wahre Trost in dieser Geschichte liegt nicht im Ausschalten von Quantum (bloß ein weiterer Sieg des englischen Geheimdienstes über einen weiteren Feind), sondern im Wegwerfen der Ketten des persönlichen Rachefeldzuges. Dieser Sieg ist weitaus größer. Um es mit Johnny Cash zu sagen: „I´m free from the Chain Gang now“. Über eine solche innere Freiheit von Rache, Hass und dem Elend des Menschen spricht auch der Heidelberger Katechismus. Auch er ist ein Bekenntnis zur Freiheit. Üblicherweise unterscheidet man zwischen dem Bekenntnis eines Einzelnen (ein Krimineller „bekennt“ sich zu seiner Tat, berühmte Menschen nennen ihre Autobiografien zuweilen „Bekenntnisse“) und dem Bekenntnis einer Kirche, in dem der
Glaube ausformuliert ist, wie z.B. dem Apostolischen oder Nizänischen Glaubensbekenntnis. Der Heidelberger Katechismus fällt auf den ersten Blick in die zweite Kategorie. Der 450. Geburtstag ist Anlass, einen zweiten Blick zu riskieren: Könnten wir in diesem historischen kirchlichen Dokument nicht auch ein Quantum Trost durch das persönliche Bekenntnis zur Freiheit finden? Schafft der Heidelberger Katechismus vielleicht genau die Verbindung zwischen dem gemeinschaftlichen Bekennen einer kirchlichen Tradition und dem Bekenntnis eines Einzelnen? Dann wäre das Jubiläum dieses Dokumentes auch ein Anlass für unseren eigenen Jubel aus Dankbarkeit gegenüber Gott, der uns befreit.