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Im 6. Band des Alemannischen Jahrbuches 1958 hat HANS CHRISTOPH ScHÖLL eine Studie veröffentlicht: »Die Bedeutung des Wortes Bach in Orts- und Flurnamen.« [...] SCHÖLL ging von der Feststellung aus, daß manche -bach-Ortsnamen und noch mehr -Flurnamen überhaupt an keinem Wasserlauf, sondern oft auf Höhen fern eines solchen liegen, daß sich zu manchem -bach-Ortsnamen kein entsprechender Gewässername feststellen lasse, oder daß sie an Wasserläufen
liegen, die ganz andere Namen tragen. Er schloß daraus, daß es noch eine andere Bedeutung von »bach« geben müsse, die auf Erhebung, Wölbung hinweise.
Beiträge zur Weiler-Frage
(1954)
Die Erkenntnis, daß der Sinn- und Formgehalt einer Ortsbezeichnung aus
dem Bewußtsein des Volkes verschwindet, sobald sie zum Ortnamen erstarrt
ist, erlaubt uns eine neue Stellungnahme zu einem wesentlichen Punkte der
freilich schon etwas älteren -weiler-Theorien von HANS WITTE und OTTO
BEHAGHEL, die aber, soweit ich sehe, bis heute noch beibehalten und nur
von einem Teil der Forscher aufgegeben worden sind. Beide meinen nämlich,
daß es zu der Zeit, da die -weiler-Ortsnamen in den Urkunden erscheinen,
noch kein deutsches Appellativum „Weiler" gegeben habe, dieses vielmehr
erst in späterer Zeit aus dem Ortsnamen abstrahiert, abgeleitet worden sei.
Beide begründen damit ihre Auffassung von der keltoromanischen oder
römischen Herkunft der -weiler-Ortsnamen; von den Deutschen könnten sie
nicht gebildet sein, weil es ein deutsches Lehnwort „Weiler" damals noch
nicht gab.
Das Lateinische als abendländische Bildungssprache schlechthin, ist von
den Vulgärsprachen erst in einem langwierigen und auch heute noch nicht völlig
abgeschlossenen Prozeß ersetzt worden. Dieser Ablösungs- und Emanzipationsprozeß
lief im romanischen Sprach- und Kulturkreis anders als im germanischen
und slavischen ab, differierte fernerhin je nach Textsorte und Verwendungszusammenhang,
nach Raum und Zeit. Aus dieser skizzierten überaus komplexen
Sachlage ergeben sich einige allgemeine methodische Konsequenzen für die künftige
Arbeit. Ausgangspunkt wird zunächst eine allgemeine Darstellung der Theorie
der lingua vulgaris im Mittelalter sein müssen, wobei die Lehre von den drei
Sakralsprachen im Mittelpunkt zu stehen hat. Einschlägige Zeugnisse sind bisher
lediglich für die Karolingerzeit gesammelt und ausgewertet. Für die Folgezeit
liegen keine systematischen Untersuchungen vor. Auf diesem Hintergrund
haben die Einzelphilologien - in Zusammenarbeit mit den historischen Disziplinen
- empirische Untersuchungen durchzuführen, die wegen der Materialfülle
nur durch strenge Begrenzung des Objektrahmens förderlich sein können.
Welches Dasein ist dem "Sprachatlas der deutschen Schweiz"
(SDS) zum Beispiel an einer mitteldeutschen oder österreichischen Universität beschieden?
Teilen sie dort das Schicksal der Werke, deren Vorhandensein oder
Fehlen nur einmal im Jahr, nämlich beim Büchersturz, festgestellt wird? Bei
einem solchen pessimistischen Ausblick bliebe unseren Atlanten somit nur der
Trost, wenigstens in ihrer Heimatuniversität benutzt zu werden. Dieser Trost ist
dem "Vorarlberger Sprachatlas" (V ALTS) freilich nicht beschieden. Da es in
Vorarlberg keine Universität gibt, stellt sich pei diesem Unternehmen die Frage
nach der Benutzung von Sprachatlanten noch in verschärfter Form. Wer also
benutzt einen Sprachatlas? Zwei Benutzerkreise sind es wohl, die hierfür in Frage
kommen:
1. die Deutschlehrer und ihre Ausbilder, wozu ja gerade auch die Universitätslehrer
gehören.
2. die Dialektologen und die Vertreter der Nachbarwissenschaften wie etwa
Geographen oder Historiker.
Im folgenden soll auf beide Gruppen getrennt eingegangen werden, wobei der
Schwerpunkt unserer Darlegungen, gemäß dem Thema dieses Aufsatzes, bei der
ersten Gruppe liegen soll.
Eugen Gabriel hatte mich ursprünglich eingeladen, etwas über jene Sprachform
zu referieren, die neben den Basisdialekten im Sprachatlas von Bayerisch-Schwaben
(BSA) erforscht wird, nämlich über das gesprochene Schriftdeutsche unserer
Gewährsleute. Obwohl wir die zugrundeliegenden Tonbänder schon eng transkribiert
haben - es sind immerhin zwischen 30 und 35 Stunden Vorlesesprache -
und obwohl ich weiß, daß es von einem bestimmten Standpunkt aus opportuner
wäre, den Erwartungen des Wissenschaftsbetriebes zu entsprechen und die ersten
Karten eines Zwei-Situationen-Atlasses zu präsentieren (vgl. KöNIG 1989, S.
251f.; ausführlichere Literaturangaben siehe Seite 268), haben wir uns entschlossen,
beim BSA zunächst Karten zum Grunddialekt zu produzieren, von denen wir
Ihnen heute ein paar vorführen wollen.
Innerhalb der deutschen dialektologischen Forschung dieses Jahrhunderts ist es
unzweifelhaft der alemannische Raum, dem die Vorreiterrolle zukommt. Das
betrifft natürlich ganz besonders die hier im Mittelpunkt stehende dialektologische
Feldforschung zur Erarbeitung von Sprachatlanten. Daß dies nicht nur gleichsam
aus dem besonderen alemannischen Stammescharakter resultiert, sondern ebenso
vor dem Hintergrund der spezifischen politischen und Kulturgeschichte, vor allem
der Schweiz, in einem für sie ohne die Rückschläge zweier Weltkriege verlaufenen
Jahrhundert zu sehen ist, ist offensichtlich. Die deutsche Schweiz als Hort der
Stabilität in der südwestlichen Ecke des deutschen Sprachraums konnte so der
Impetusgeber sein für die sie umgebenden alemannischen Regionen Frankreichs,
Deutschlands, Liechtensteins und Österreichs und in weiterer Folge auch für die
bairischen und fränkischen Nachbarn.
Jeder in Deutschland kann noch erleben, daß in seiner Wohngegend, an seinem
Wohnort zwei Sprachen koexistieren: Hochsprache und Dialekt. Schickt man den
Deutschen in seinem Land auf Reisen, dann wird er bei den Ortswechseln eine
bestimmte Beobachtung machen. Die Hochsprache erweist sich als die gleiche,
während es sich bei den Dialekten um immer andere handelt. Falls es sich bei
dem Reisenden um einen Dialektsprecher handelt, - daß er die Hochsprache
beherrscht, ist inzwischen sowieso anzunehmen -, wird er bei Wechseln zu
anderen Orten mit seinem Dialekt in Verständigungsschwierigkeiten geraten, und
zwar je mehr, je entfernter das Reiseziel liegt. Begibt er sich gar ins staatliche
Ausland, dann kann es ihm passieren, daß er den Geltungsbereich der deutschen
Hochsprache verläßt, jedoch noch immer Dialekten, welche als deutsch gelten,
begegnet.
Der Bearbeiter eines Mundartwörterbuchs ist manchmal im Zweifel, ob er diejenigen,
für die er „auch" zu schreiben glaubt, denn überhaupt erreicht, ob sie wissen, wo sie
in sprachlichen Zweifelsfällen Auskunft finden könnten, oder ob er nicht vielleicht
,,nur" für die Kollegen arbeitet.
Dieser Aufsatz soll daher nicht nur den Fachmann, den Dialektologen, ansprechen,
sondern er will besonders die Anrainer, Vertreter anderer, historisch oder philologisch
arbeitender Disziplinen, auf nützliche Arbeitsmittel aufmerksam machen
und ihnen einen Überblick über Bestehendes, einen Einblick in Aufbau und Voraussetzungen,
Zielsetzung und Besonderheiten der Dialektwörterbücher des alemannischen
Sprachraums geben.
Nachdem der Historische Sprachatlas des deutschen Südwestens aufgrund von
Urbaren des 14. und 15. Jahrhunderts (HSS), über dessen Vorgeschichte und
und Arbeitsweise an anderen Stellen schon berichtet wurde, unmittelbar vor
dem Abschluß steht, sollen hier einige Überlegungen angestellt werden darüber,
welche theoretische Position dieser Atlas innerhalb der neuerdings auch in der
deutschsprachigen Linguistik immer häufiger betriebenen Graphematik-Diskussion
einnimmt, da jede linguistische Beschäftigung mit historischen Quellen
eine graphematische Theorie impliziert. Auch frühere Arbeiten aus dem Bereich
der historischen Sprachgeographie und der historischen Dialektforschung
überhaupt sollen mit in die Überlegungen einbezogen werden, da der genannte
Atlas einerseits der Herkunft nach ganz in der Tradition der regionalen
Sprachgeschichte steht, andererseits die ernstzunehmende Theorie-Diskussion
ohne die empirischen Arbeiten dieser Tradition gar nicht denkbar wären. Der
Blick wird sich hauptsächlich auf das Alemannische richten, nicht nur aus
gegebenem Anlaß, sondern auch deswegen, weil in diesem Raum unbestritten
die empirische Sprachgeschichtsforschung in besonderer Weise vorangetrieben
worden ist.
Eine Reihe von Erfahrungen, die diesem Beitrag zugrunde liegen, gehen aus der
Mitarbeit an der Bucer-Edition hervor. [...]
In der konkreten Arbeit an den zu edierenden Texten ergaben
sich für die Theologen und für den Germanisten verschiedene Probleme.
Einige davon möchte ich hier ansprechen. Sie sind in einem gewissen Ausmaß generalisierbar,
d. h. nicht nur für oberdeutsche Texte und nicht ausschließlich für
das 16. Jahrhundert zutreffend. Bei ihrer Darlegung sollen die Belange anderer,
nichtgermanistischer Disziplinen, die deutsche Texte edieren, ernsthaft mit einbezogen
werden.
Beschäftigt man sich als Dialektologe mit dem Bodenseeraum, sieht man sich
sogleich vor einer ganzen Reihe von Schwierigkeiten. Da ist einmal die Frage der
dialektalen Zugehörigkeit des Gebietes: läßt es sich in seiner Stellung zwischen
dem Schwäbischen und dem Südalemannischen (Schweizerdeutschen) einem
dieser beiden Teilräume des Alemannischen zuordnen, oder ist es nur ein Übergangsgebiet,
oder handelt es sich um ein eigenständiges Sprachgebiet, und wenn
ja: welches sind dann die besonderen Charakteristika dieser Sprachlandschaft?
Der Bodenseeraum ist bekanntermaßen Grenz- und Übergangszone so wichtiger
Lauterscheinungen der deutschen Mundarten wie der "neuhochdeutschen
Diphthongierung", der Entrundung der gerundeten Palatal vokale, der k- Verschiebung
und der Zweisilberdehnung in offener Silbe (bllöe, hüs/bleiba, hous 'bleiben,
Haus'; müslmfs 'Mäuse', xind/khind 'Kind' und stiiba/stüba 'Stube'). Aber diese
Dinge sind vielfach in Fluß gekommen. Wir stehen somit in einem Problemraum
ersten Ranges und mitten in der Gliederungsproblematik des gesamtalemannischen
Sprachraums.