Am 13. November 1944 schrieb Psychiater Dr. Julius Deussen von der „Forschungsabteilung Heidelberg“ an Dr. Walter Schmidt, Oberarzt der Landesheilanstalt Eichberg bei Eltville in Hessen: „Ich hoffe, im Laufe dieser Woche, ev. aber erst nächste, nochmals nach dem Eichberg kommen zu können. [...] Aber man kann heute ja nicht disponieren. Ich bringe 3 Kinder mit, mitnehmen kann ich wegen der Transportschwierigkeiten keine. Wir müssen Kinder hier aus der Gegend nehmen. Aber vielleicht ändert sich die Kriegslage bald zum besseren. [...] Wenn ich komme, bitte ich, alle Gehirne mir zum Transport bereitstellen zu lassen. Mit den Besten Grüßen und Heil Hitler [...]". Verfasser dieses Schreibens war der Arzt Dr. phil. Dr. med. habil. Julius Deussen. Die Abteilung, von der hier die Rede ist, war eine sog. Forschungsabteilung an der Psychiatrischen Klinik der Universität Heidelberg. Hier arbeitete Deussen ab Herbst 1943 in zentraler Funktion im Rahmen der „Euthanasie-Forschung“. Wir versuchen im Folgenden Deussens Tätigkeit, seinen beruflichen Aufstieg und Werdegang nach
1945 zu umreißen. Und seine Bemühungen nachzuzeichnen, sich nach dem Krieg von jeder Täterschaft und Schuld zu entlasten.
Die Tiedemanns
(2015)
Die Lebensgeschichten mehrerer bemerkenswerter Angehöriger der Familie
Tiedemann, aus der bedeutende Wissenschaftler und Akteure der badischen
Revolution hervorgingen, sind weitgehend bekannt und beschrieben, und zwar die der Wissenschaftler Dietrich Tiedemann und seines Sohnes Friedrich, der ein renommierter Anatom in Heidelberg war und hier Ehrenbürger wurde. Ebenso ist die Biographie von dessen ältestem Sohn, Gustav Nikolaus Tiedemann, der als letzter Rastatter Festungskommandant 1849 erschossen wurde, erforscht; auch zu seinem Sohn Friedrich liegen Informationen vor. Die vorliegenden Beschreibungen des Lebenswegs des zweiten Sohnes Friedrich Tiedemanns, des an der Heidelberger Universität ausgebildeten Arztes Dr. Heinrich Tiedemann, weisen jedoch – zumal zu seinem Wirken in den USA, wohin der badische Revolutionär fliehen musste – noch so manche Lücken und Fehler auf. Er wurde zu einem bedeutenden Deutsch-Amerikaner, der das renommierte Deutsche Hospital von Philadelphia begründete und mit
Carl Schurz befreundet war. Im Jahr 2013 jährte sich sein Geburtstag zum 200. Mal. Nach einführenden Darlegungen zu seinen Verwandten sollen in diesem Beitrag insbesondere seine Person, sein Lebensweg und sein Wirken zumal in Amerika eingehender beleuchtet werden.
Vor über 79 Jahren, am 2. Mai 1933, wurden die Freien Gewerkschaften von den Nationalsozialisten zerschlagen, die Gewerkschaftshäuser besetzt, ihre Funktionäre verhaftet. Das beschlagnahmte Vermögen wurde schließlich zur Einrichtung der politisch-propagandistischen Zwecken dienenden, nur vorgeblichen Arbeitervertretung „Deutsche Arbeitsfront“ benutzt. Die den Gewerkschaften geraubten Mittel flossen auch in die der DAF angeschlossene NS-Freizeit- und -Reiseorganisation KdF (Kraft durch Freude), später noch in das von der DAF errichtete Volkswagenwerk. Neun Jahre zuvor in der Zeit der Weimarer Republik erstattete das Heidelberger Gewerkschaftskartell eine Anzeige, die sich in einer heute beim Generallandesarchiv Karlsruhe verwahrten Akte des Badischen Amtsgerichts Heidelberg findet. Es geht um die Strafsache gegen den ledigen Studenten Wilhelm E., geboren 1901 in Mannheim, wohnhaft in Heidelberg, den ledigen Kaufmann Hans S., geboren 1904 in Dorndorf, wohnhaft in Jena, und den ledigen Studenten Liberatus B., geboren 1900 in München, später wohnhaft in Gießen. Am Beispiel dieser in Heidelberg begangenen Tat mit politischem Hintergrund, an der „frühe“ Nationalsozialisten beteiligt waren, soll auf die Frage eingegangen werden, ob das darauf folgende Strafverfahren zuverlässig rechtsstaatlich verlief. Oder hat das Gericht versagt, agierte die hier tätig werdende Justiz politisch, war sie – wie die Beurteilung für die Weimarer Republik im Allgemeinen lautet – auf dem rechten Auge blind?