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Nachdem die badisch-pfälzischen Juden am 22. Oktober 1940 durch die Nationalsozialisten in das südfranzösische Lager
Gurs deportiert worden waren, setzten vielfältige Bemühungen ein, den Menschen ihre Lage zu erleichtern, sie zu befreien
oder wenigstens in weniger unwürdige Verhältnisse außerhalb des Lagers zu bringen. Für einige gelang diese „Liberierung“, die Entlassung in eine südfranzösische Gemeinde, meist in der Umgebung von Gurs, wo eine private Wohnung oder eine Pension bezogen werden konnte. Von hier aus unternahm man dann alle denkbaren Versuche, endlich die Emigration erreichen zu können – bis ab Sommer 1942 die „Endlösung“ erneut die Deportation für Tausende und den Transport über Drancy bei Paris nach Auschwitz in den Tod bedeutete.
Schalmeienklang – das assoziiert man mit kultivierter Musik der frühen Neuzeit in meist höfischer Umgebung. Tatsächlich ist die Schalmei ein Musikinstrument mit einem sehr besonderen Klang. Sie klingt ähnlich wie ein Dudelsack, sieht aber aus wie eine Holzflöte. Es handelt sich um ein Holzblasinstrument mit Doppelrohrblatt und konisch gebohrter Röhre. Der Klang ist sehr laut, scharf und vor allem in der tiefen Lage nasal. Das jedenfalls gilt für die historische Schalmei, die durchaus auch heute noch ihren Platz hat bei der Aufführung barocker Musik mit Originalinstrumenten. Allerdings hat sich seit Beginn des 20. Jahrhunderts eine andere Art der Schalmei verbreitet, die aus Blech ist und meist mehrere Röhren hat, die alle unterschiedliche Töne erzeugen können. Der korrekte Name dieses Blasinstruments ist eigentlich „Martintrompete“. Denn sie wurde um das Jahr 1900 vom Erfinder des so genannten Martinhorns, Max. B. Martin, als Signalhorn entwickelt (s. http://www.maxbmartin.de). Nur der durchdringende Klang hat noch gewisse Ähnlichkeiten mit der hölzernen Vor-Form.
Wie die Protestanten und die Katholiken haben auch die Juden zur Gestaltung der Liturgie im Gottesdienst ihre Chöre. Ursprünglich war es Aufgabe des Vorbeters oder Kantors, auf hebräisch „Chasan“, die traditionellen Gebete, zu sprechen und zu singen. Im Laufe der Zeit entwickelte sich ein Wechselgesang zwischen Kantor und Gemeinde, der allerdings an Schwierigkeit zunahm und von den Gemeindemitgliedern oft mehr an Musikalität verlangte, als die meisten aufbrachten. „Als Teillösung entstanden deshalb die Synagogenchöre, die stellvertretend für die oft überforderte Gesamtgemeinde den respondierenden Part übernahmen.“ Die Kantoren waren fest angestellt und speziell ausgebildet, die Synagogenchöre dagegen wurden von Laien gebildet.
Es ist ein äußerst populäres und bekanntes „Volkslied“, das bis in die Gegenwart gesungen wird. Bekannte Schlagersänger
haben es auf ihre jeweils individuelle Weise interpretiert, so etwa Roy Black, Heino, Mireille Mathieu, Nana Mouskouri, Freddy Quinn und sogar Elvis Presley. Komponiert und publiziert hat das Lied Friedrich Silcher (1789–1860), wobei er wohl auf eine traditionelle Melodie zurückgegriffen hat. Erstmals erschienen ist es 1827 in Silchers zweitem Heft der „Volkslieder, gesammelt und für vier Männerstimmen gesetzt“.
Heinz G. Huber hat 1990 in „Ortenauer Lebensläufe“ und zuvor schon in mehreren Beiträgen in der Acher-Rench-Zeitung
(3.8., 8.8., 11.8.1989) die Geschichte dieser einzigartigen jüdischen Institution bereits geschildert. Dabei ist er vor allem auf
deren Gründer und Initiator Siegfried Schnurmann (geb. 1907 in Offenburg, gest. in Freiburg, begraben auf dem dortigen Jüdischen Friedhof) eingegangen, der ihm über das damalige Zustandekommen noch persönlich berichtet hatte.
Dr. Paul Wolff (1887–1951)
(2019)
Im Jahr vor seinem Tod schrieb der Fotograf und Arzt Dr. Wolff seine Autobiografie, in der er sich vor allem seinem Leben
mit der Kamera, besonders der legendären Leica, widmete, die ihn berühmt und erfolgreich gemacht hatte. Industrielle, Politiker, Arbeiter und Kinder – alle hatte er mit seinen Objektiven in typischen Posen erfasst und auf Celluloid (früher auf Glasplatten) gebannt. Seinen Rückblick auf ein abenteuerliches, arbeitsreiches Leben begann er mit der Schilderung seiner
Kindheit in Lothringen, das damals zum deutschen Kaiserreich gehört hatte, und der anschließenden Jugendzeit in Straßburg.
Die Erschließung der Wälder durch Wege ist eine notwendige
Kulturleistung mit unterschiedlichen Absichten. Ohne Wegebau könnte der Wirtschaftsfaktor Wald nicht genutzt werden.
Allerdings waren diese Wege früher nicht von solcher Breite
wie die heutigen, die schließlich auch einem Langholzfahrzeug
die Passage ermöglichen müssen. Zudem erfolgte der eigentliche Holztransport vom Schlag weg oft mit Pferden auf schmalem Weg zu einer hölzernen Rutschrinne, der Riese. Der Bau
von Spazier- und Wanderwegen ist erst eine Erscheinung des
beginnenden 19. Jahrhunderts. Denn die Romantik liebte das
Wandern durch die Natur. Heute haben Barfußpfade Konjunktur, Mountainbike-Trails, Walkingtouren, auch unterm Hohen
Horn. Einige willkürlich ausgesuchte Aspekte zu dieser „Unterwegsgeschichte“ in der Ortenau mögen die Vielfalt des Themas
andeuten. Aus autobiographischen Gründen des Verfassers soll
das Hohe Horn, der Hausberg Offenburgs, als Untersuchungsobjekt dienen.
Dr. Franz Lipp (1855–1937): Außenminister der Münchner Räterepublik 1919 mit Gengenbacher Wurzeln
(2018)
Gengenbach, das friedliche Idyll im Schwarzwald, bot einst der Witwe von Kurt Eisner, dem ermordeten Ministerpräsidenten
der Münchner Republik, Asyl im „Haus an der Stirn“. Rohtraud Weckerle-Geck, die Tochter des Offenburger Publizisten und früheren SPD-Reichstagsabgeordneten Adolf Geck, hat über die Geschichte dieser solidarischen Flüchtlingshilfe geschrieben: „Im Jahr 1919 hatte mein Vater der Witwe von Kurt Eisner in Gengenbach ein Wohngrundstück besorgt. Er tat dies als Freund des Vaters von Frau Eisner, Herrn Josef Belli, mit dem er die Sozialistengesetz-Zeit durchgekämpft hatte. Das Haus in Gengenbach ging im Dritten Reich wie üblich an einen Nazi über, der trotz aller Bemühungen der Erbengemeinschaft Eisner, insbesondere der in einer Ecke darin hausenden Tochter Freya, nach vielen Prozeßgängen erst Ende Oktober 1960 das Haus verließ unter Hinterlassung von über 1000 DM Mietrückstand […]“
Im Stadtarchiv Offenburg befindet sich als Depositum das Familienarchiv der Adelsfamilie von Neveu. Darunter sind auch Dokumente, die den Forstmeister Freiherr Anton von Neveu (1781–1837) betreffen, der eine Zeitlang der Vorgesetzte von Drais gewesen war. Nur wenige Jahre älter als der Erfinder, hatte er die gleichen Ausbildungsorte in Forstwissenschaft wie
jener besucht. 1807 wurde ihm zunächst das Forstamt Waldkirch provisorisch übertragen und Jahr darauf das Forstamt
Gengenbach.
Die medizinische Diagnose über Emil Josef Diemer lautete 1965 bei seiner Unterbringung ins Kreispflegeheim Fußbach im
Ortenaukreis: „Prophetenwahn bei alter paranoid-halluzinatorischer Psychose“. Aber es gibt ja über jeden Menschen verschiedene Meinungen. Herbert Zoberst, der Emil Josef Diemer 25 Jahre lang kannte, weil er jahrzehntelang das Zweibettzimmer in Fußbach mit ihm teilte, sagte es ganz schlicht noch Jahre nach dem Tod Diemers: „Er war ein guter Kamerad. Er war ein guter Mensch.“
„Die Mörder sind unter uns“, so lautete ein berühmter Filmtitel des Jahres 1946: Der Zweite Weltkrieg war vorbei. Susanne Wallner (Hildegard Knef) hatte das Konzentrationslager überlebt und kehrte in das zerstörte Berlin zurück. In ihrer Wohnung
lebte der ehemalige Militärchirurg Mertens (Wilhelm Borchert), der seine Erinnerungen mit Alkohol zu verdrängen versuchte.
Sein ehemaliger Hauptmann, der für ein Massaker am Weihnachtsabend 1942 verantwortlich war, agierte hingegen bereits
wieder als angesehener Geschäftsmann ohne Schuldbewusstsein …
Der Höllhof im Reichenbacher Ortsteil Mittelbach (Gengenbach), früher „Buttenhöll" genannt, oben im Talende am Moosbach gelegen, dürfte im 13. Jahrhundert als ein Dinghof des Benediktinerklosters Gengenbach entstanden sein.Ein erster nachweisbarer Besitzer war um 1600 ein Sebastian Sibert. 1632 heiratete dessen Witwe Anna Maria Falckin den aus Schönberg stammenden Michael Wußler. Familie Wußler besaß den Hof dann bis ins 19. Jahrhundert.
Der letzte Offenburger Rabbi
(2000)
Im September 1938, wenige Wochen vor dem Novemberpogrom, kam ein junger Mann über die hohen jüdischen Feiertage (Rosch Haschana, Jom Kippur, Versöhnungsfest) in die Offenburger Gemeinde: Bernhard Gries, geb. 22.4.1917 in Landeshut (Schlesien). Sein Vater war Weingroßhändler in Hirschberg (Riesengebirge) und hatte zwei Söhne: Bernhard und Heinz.
Bernhard besuchte nach Oberrealschule und Abitur die Fraenkelsche Stiftung in Breslau, ein bekanntes Rabbinatsseminar, und machte dort eine Ausbildung zum Religionslehrer.
,,Der Vorgang selbst wurde von der Bevölkerung kaum wahrgenommen", stand im Abschlußbericht an den Leiter des Sicherheitsdienstes, Heydrich. Die Deportation vom 22. Oktober 1940 hatte sämtliche noch in Baden und der Pfalz lebenden Juden betroffen, darunter auch die Juden der Ortenau. Sie wurden morgens abgeholt, zusammengetrieben in verschiedenen Lagern oder Hallen (in Offenburg war es die Turnhalle der Oberrealschule, heute Schillerschule), und danach mit Lastwagen zu den Bahnhöfen gebracht. Dort standen die Sonderzüge bereit, die sie in das Internierungslager Gurs in Südfrankreich transportierten. Allerdings: ganz unbemerkt war dieses Verbrechen nicht geblieben. Und für die Ortenau konnten Gerhard Finkbeiner und Robert Krais inzwischen sogar Fotos ausfindig machen, die mit versteckter Kamera in Kippenheim aufgenommen wurden. Der Amateurphotograph Wilhelm Fischer aus Dörlinbach im Schuttertal war damals zufällig in Kippenheim unterwegs und wurde Zeuge der Zwangsdeportation. Heimlich fotografierte er den Abtransport. Erschütternde Dokumente der Heimatgeschichte.
Im Jahre 1839 veröffentlichte der Freiburger Professor für Nosologie und Therapie, gleichzeitig Leiter der Medizinischen Klinik, Karl Heinrich Baumgärtner (1798-1886), die erste Auflage seiner „Krankenphysiognomik", die bereits drei Jahre später in einer zweiten Auflage erschien. In der Einleitung definierte Baumgärtner, was er selbst unter dem Begriff Krankenphysiognomik verstand: ,,Der Gegenstand dieser Untersuchung ist die Kunst, aus der äusseren Körperbeschaffenheit, namentlich der des Antlitzes, die inneren krankhaften Zustände zu erkennen". Diese Arbeit stellt innerhalb des vielfältigen literarischen Schaffens Baumgärtners, das sich insgesamt über einen Zeitraum von mehr als fünfzig Jahren erstreckt, sein bei weitem aufwendigstes und bis heute meistbeachtetes Werk dar.
Sie waren die „Pioniere der Leica", der legendären Kleinbildkamera, und
hatten sich durch Zufall gefunden: Dr. Paul Wolff aus Mühlhausen im
Oberelsass und der Offenburger Alfred Tritschler. Ihr Archiv mit einem
Negativbestand von ca. 500 000 Aufnahmen hat die Wirren der Zeit überstanden und existiert heute noch in Offenburg, dem letzten Sitz der gemeinsamen Firma. Von 1927 bis 1960 datieren diese Schwarzweiß-Bilder:
Ein einmaliger, kostbarer Bestand an visueller Erinnerung befindet sich damit in der Ortenau. Längst haben die Namen der beiden Fotografen Geschichte gemacht. In keinem Handbuch über Schwarzweiß-Fotografie fehlen sie. Und bis heute kommen Anfragen nach Ausstellungen in Offenburg
an. Im Frühjahr 2001 beispielsweise zeigte die Leica-Gallery in New York
eine Retrospektive mit Aufnahmen von Paul Wolff „Fifty Years after his
death".
„Im Jahr 1867, 16. Februar, früh halb ein Uhr wurde dahier ein Kind
männlichen Geschlechts geboren, welches den Namen Oscar erhjelt. Seine
Eltern sind der hiesige Kaufmann Josua Haberer, Bürger von Friesenheim
und seine Ehefrau Rosa, geborene Löwe von Gundelsheim, beide mosaischer Religion. Zeugen sind der hiesige israelische Religionslehrer Simon
Stern, Bürger von Siegelsbach, Amt Sinzheim, und der hiesige Handelsmann Bernhard Bodenheimer, Bürger von Diersburg.
Offenburg, den 27. Februar, Karl Bähr, Pfarrer"
So lautete der Geburtseintrag von Oscar Haberer im Standesbuch der Israelitischen
Religionsgemeinschaft Offenburg. Vor der Einführung der
staatlichen Eintragung erfolgten diese Einträge im Kirchenbuch der Evangelischen
Kirchengemeinde Offenburg, und dort im Pfarrbüro in der Okenstraße
wird deshalb auch Oscars Geburtsurkunde heute noch aufbewahrt.
Im Bundesarchiv Berlin lagern Akten aus der Zeit des Dritten Reiches über die Beschlagnahme von Büchern. Viele Listen von Sammlungen aus jüdischem Besitz sind es, die hier dokumentiert sind. Denn in der Pogromnacht des Novembers 1938 wurden nicht nur Scheiben eingeschlagen, Menschen gequält und Synagogen verbrannt oder geplündert, sondern es wurden auch
Bücher in großem Ausmaß gestohlen. Typisch deutscher Ordnungssinn: das Diebesgut wurde (vollständig?) notiert und aufgelistet. Dann wurde alles nach Berlin geschickt, die Bücher wurden in der Emser Straße bzw. Eisenacher Straße eingelagert für die Spezialsammlung des Reichssicherheitshauptamtes. Diese Bibliothek gliederte sich u. a. in die Abteilungen:
Kirche, Freimaurerei, Marxismus und Judentum. Der Gesamtbestand betrug zwei bis drei Millionen Bände.
Schutterns letzter Abt, Placidus III., entstammte dem Renchtal. Am 1. Mai 1745 wurde er in Oberkirch mit dem Taufnamen Philippus Jakobus geboren, die Eltern waren Franz Heinrich Bacheberle, Bürger und Kaufmann in Oberkirch, und Maria Eva Curtin. Philippus besuchte das Gymnasium des Klosters Schuttem, trat dort als Novize ein und erhielt am 17. März 1768 die Priesterweihe. Viele klösterliche Aufgaben wurden ihm übertragen, er war Professor der Sprachen und der Geschichte, Subprior, dann Prior bis zu seiner Wahl zum Abt, und Propst in Wippertskirch, einer dem Kloster gehörenden Propstei am Kaiserstuhl. Mit dem Benediktiner und Historiker Gallus Metzler vom Stift St. Gallen war er befreundet. Am 27. Juni 1786 trat der bisherige Abt Schuttems, Carolus Vogel, der seit 1751 regiert hatte, von seinem Amt zurück. Ihm folgte Placidus III.
Bacheberle, einstimmig vom gesamten Konvent zum neuen Klostervorsteher gewählt.
„Die Ortenau" weist in den 83 Jahrgängen seit ihrer Gründung im Jahr 1910 weder zum Stichwort „Zigeuner" noch zum Namen Sinti einen Eintrag auf. Das ist schon bemerkenswert, wenn man an die mehrhundertjährige Anwesenheit dieses Volkes in Deutschland denkt. Sollten die „Zigeuner" durch die Jahrhunderte hinweg so ganz ohne Erwähnung in den Archiven der Ortenau geblieben sein? Natürlich nicht. In den Ratsprotokollen der mittelbadischen Städte, in fast jedem Kirchenbuch und jeder Adelsrechnung finden wir ihre Spuren. Allerdings, und das mag bereits einer von mehreren Gründen für die fehlende Kenntnisnahme durch die Historiker sein, sind sie dort mit unterschiedlichen Namen registriert. Oft heißen sie „Heiden", was ein alter, schon seit der Einwanderung in Deutschland im 15. Jahrhundert bekannter Name für sie ist. Manchmal werden sie auch die „Tatern" genannt, manchmal „die Leute aus dem Kleinen Ägypten" oder überhaupt „Ägypter", und alles das meint doch eigentlich „Zigeuner". Die Eigennamen Sinti oder Roma finden wir noch nicht in den Archiven. So wird sich dieser Beitrag zur Geschichte eines Volkes in Mittelbaden des archivisch am häufigsten belegten Namens „Zigeuner" bedienen, der Quellenlage
entsprechend immer ohne Gänsefüßchen.