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In unmittelbarer Nähe zur Stadthalle befindet sich im Gebäude Neckarstaden 32 seit 1984 die Katholische Hochschulgemeinde (KHG) in Heidelberg. Es ist nach der von den Nationalsozialisten ermordeten und 1998 heilig gesprochenen Karmeliterin Edith Stein (1891-1942), eine zum katholischen Glauben konvertierte Jüdin, benannt. Sie hatte 1930 in der damaligen Katholischen Studentengemeinde Heidelberg einen Vortrag über „Intellekt und die Intellektuellen“ gehalten.
1926 wurde das Institut für Zeitungswesen an der Heidelberger Universität gegründet und hatte seinen Sitz bis 1935 im Haus Buhl in der Hauptstraße 234. Das Gebäude entstand 1722 nach Plänen von Johann Jakob Rischer für den Hofgerichtsrat und Mathematikprofessor Friedrich Gerhard von Lünenschloß. Der heutige Name geht auf den letzten privaten Besitzer zurück, Heinrich Buhl, der das Anwesen 1889 erwarb. Buhl stammte aus der Deidesheimer Winzer- und Politikerfamilie und war seit 1878 Juraprofessor und zeitweilig auch Dekan und Prorektor in Heidelberg. Nach seinem Tod
1907 gelangte sein Haus in den Besitz der Universität und sollte laut Buhls testamentarischer Verfügung als Erholungsheim oder für wohltätige Zwecke genutzt werden. Es dauerte allerdings fast drei Jahrzehnte, bis das Haus Buhl für annähernd „wohltätige Zwecke“ Verwendung fand. Nach dem Ersten Weltkrieg stand es zunächst dem Institut für Sozial- und Staatswissenschaften sowie dem neu gegründeten Institut für Zeitungswesen zur Verfügung. Erst 1938 wurde es ein Wohnheim für ausländische Gäste der Universität und schließlich nach dem Zweiten Weltkrieg ein Studenten- und
Gesellschaftshaus. Heute ist das Haus Buhl der Sitz des Marsilius-Kollegs und dient als Gästehaus und Veranstaltungsort.
Unabhängig davon, wie oft sich Grenzen in Europa im Laufe der Jahrhunderte geändert haben, fühlte sich das polnische Volk immer der westeuropäischen Gemeinschaft zugehörig und nahm regen Anteil am politischen und kulturellen Leben unseres Kontinents. So hinterließen viele Polen seit Jahrhunderten ihre Spuren auch in Heidelberg. Als Beispiel soll hier Matthäus von Krakau (um 1330 in Krakau geb.-1410 in Heidelberg gest.), Matthaeus de Cracovia, genannt werden, der als Erzieher der ersten polnischen Professoren an der Krakauer Akademie wirkte, 1396-1397 Rektor der Universität Heidelberg war und 1405-1410 Bischof von Worms wurde. Polnische Spuren finden sich auch unter den kurpfälzischen Herrschern der damaligen Zeit: Ottheinrich von der Pfalz (1502-1559), der Erbauer des Ottheinrichbaus am Heidelberger Schloss, war das Enkelkind von Herzog Georg des Reichen von Bayern-Landshut und seiner Gemahlin, der polnischen Prinzessin Jadwiga Jagiellonka (Hedwig Jagiellonica), der ältesten Tochter des Königs von Polen und Großfürsten von Litauen Kasimir Jagiellonczyk (siehe auch Landshuter Hochzeit); Carl III. Philipp (1661-1742), Kurfürst von der Pfalz, heiratete Prinzessin Ludwika Karolina Charlotte von Radziwill-Birze, Tochter des polnischen Fürsten Boguslaw Radziwill, und in zweiter Ehe in Krakau die polnische Prinzessin Theresa Katharina Lubomirska, Tochter des Fürsten Josef Karol Lubomirski. Der ersten Ehe entstammten die drei Enkelinnen, Elisabeth Augusta, Ehefrau Kurfürst Karl-Theodors, Maria Anna und Maria Franziska Dorothea, Mutter des Königs von Bayern, Maximilian I. (1756-1825).
Das Heidelberger Thermalbad
(2013)
Eingeweiht wurde das Heidelberger Thermalbad - zumindest inoffiziell - am 29. Juli 1939 von den Fliesenlegern: Vor ihnen schimmerte bläulich eine 1.500 m² große Wasserfläche - das vollständig gekachelte Becken des neuen Heidelberger Freiluftbades, das unter größtem Zeitdruck gerade noch rechtzeitig zur Eröffnung am 31. Juli fertig geworden war und als „neues modernes, schönes Frischwasser-Sportschwimmbad im Freien für bis zu 10.000 Badegäste“ längst breit beworben wurde. Das Wasser war recht frisch, es hatte nur 16 Grad, und das Salz brannte in den Augen. Für einen Abend
gehört das Bad ihnen allein - noch bevor die Hakenkreuzfahnen gehisst und die Stühle für die Ehrengäste aufgestellt waren.
Die „Schlierbacher Landstraße“ folgt den Windungen des Flusses im „Unteren Neckartal“ auf einer Länge von etwa sechs Kilometern von der Stadtteilgrenze bei Schlierbach zur Altstadt von Heidelberg am „Karlstor“ im Westen bis zur Stadtgrenze von Neckargemünd am „Kümmelbach“ im Osten. Der durch die Topographie des Gebirgsdurchbruchs in Siedlungsteile getrennte Ort Schlierbach schmiegt sich an die Nordhänge des „Königstuhls“ an, wo Täler und sanftere Berghänge dies zulassen. Wo steile Gebirgshänge an den Fluss herantreten, wurde über die Jahrhunderte erst der Platz für die Straße und die seit 1862 bergseitig entlang führende Bahnlinie geschaffen. Die Siedlungsteile „Hausacker“, „Alt-Schlierbach“ und „Aue“ sind durch die zum Neckar vorspringenden Bergnasen „Ölberg“ und „Aukopf“ getrennt. Über die spät besiedelte Geländedelle des „Hausacker“ führt bergauf ein Weganschluss zur Bergschulter zwischen dem „Jettenbühl“ und dem Quellbereich des Baches „Schlierbach“. Dort liegt der sagenumwobene „Wolfsbrunnen“. Zu diesem führen von der Mündung der Rombach und der Schlierbach Wege bergaufwärts. Oberhalb des „Wolfsbrunnens“ setzt sich der Weg über die Bergschulter fast eben über den „Auweg“ nach Osten fort.
"IN SCIENTIA SALUS"
(2013)
Im Jahre 1877 nahm der Billroth-Schüler Vinzenz Czerny (1842-1916) den Ruf auf den Lehrstuhl für Chirurgie in Heidelberg an. Aufgrund seines überragenden Könnens erwarb er sich großes Ansehen als kühner Operateur, der sich „gerne an der Grenze des Erreichbaren bewegt" hat, und als charismatischer Lehrer. In dieser Zeit begegneten ihm viele Patienten mit schwersten, oft inoperablen Krebsleiden. Nach Besuchen des Morosovschen Krebsspitals in Moskau und des Krebsforschungsinstituts in Buffalo, plante er die Gründung einer ähnlichen Einrichtung in Heidelberg.
„Das Publikum, das an diesem Tage dem Großen Universitätssaal zuströmte - das Konzert war seit Tagen ausverkauft-, sah an der Eingangstür einen Zettel angeheftet mit der Aufschrift: ,Kreiten-Konzert fällt aus'“ (Kreiten, in Lambart, S. 76). Was war geschehen? Karlrobert Kreiten (geb. 1916), Sohn der Sängerin Emmy Kreiten-Barido und des Musikpädagogen Theo Kreiten, blickte 1943 auf eine beachtliche Karriere zurück, auch im NS-Staat. Mit elf Jahren debütierte er in der Tonhalle Düsseldorf, wenig später war das Konzert im Rundfunk zu hören. 1933 gewann er den Wiener Klavierwettbewerb und den Berliner Mendelssohn-Staatspreis. 1937 beendete er seine künstlerische Ausbildung. Meisterkurse führten in die USA. Wilhelm Furtwängler vermittelte Auftritte mit den Berliner Philharmonikern. Aber auch Dirigenten wie Hermann Abendroth und Hans Weisbach, ständiger Gastdirigent des Nationalsozialistischen Reichs-Symphonieorchesters, setzten sich für den jungen Pianisten ein. Die Familie - die Mutter hatte französische und spanische Wurzeln, Vater und Sohn waren niederländische Staatsbürger - verhielt sich dem Regime gegenüber reserviert. Doch gab es einflussreiche Bekannte, so Hugo Balzer, Generalmusikdirektor in Düsseldorf und Funktionär der NS-Kulturgemeinde. Familienintern machte man Witze, und nach außen hin hielt man sich an die Spielregeln.
Welch' ein Theater
(2013)
Es roch modrig, war dunkel und kalt. Eine Glühbirne befunzelte den Keller, der mit ausrangierten Möbeln gefüllt war, die auf neue Einsatzorte warteten. Nein, es war kein Theaterfundus und keine Asservatenkammer, die wir neugierig inspizierten. Es war der „Ramscher“. Meine Schulfreundin Loralie Kuntner hatte mich in die „gemeinnützige Verkaufsstelle“ mitgenommen; die kannte die wohltätige Einrichtung in der Theaterstraße seit ihren Kindheitstagen, schließlich hatte sie den „Ramscher“ über ihre Großtante lrma Vogel kennen gelernt, die eine rüstige Gesellschaftsdame und spätere Dame der Gesellschaft im Odenwald gewesen war. Wir erkundeten das Innenleben im Anwesen Theaterstraße 10, es war Mitte der 8oer Jahre.
Die Villa Bosch
(2013)
Sie gilt als eines der schönsten Gebäude Heidelbergs: Die Villa Bosch am Schlosswolfsbrunnen-Weg. Hier und in ihrer näheren Umgebung befinden sich heute eine große wissenschaftsfördernde Stiftung, ein Technikmuseum, ein Tagungszentrum sowie zwei Forschungsinstitute. Wissenschaft, Wissenschaftsförderung und Wissensvermittlung haben in diesem Haus indes seit mehr als 90 Jahren Tradition.
Der Weg über das Münchel
(2013)
„Der Weg von Heidelberg nach Schönau geht über Ziegelhausen, und von da durch Waldungen, eine Strecke am Neckar bergauf, wo die Aussicht in das Thal schöne Parthien darbietet“, schrieb 1811 der Ästhetik-Professor Aloys Schreiber in seinem Führer „Heidelberg und seine Umgebungen“. Heute würde es außer rüstigen Wanderern niemandem einfallen, von Ziegel hausen den Waldweg über die Wasserscheide zwischen Steinbach und Steinach zu wählen, um nach Schönau und in die nördlich anschließenden Talgemeinden zu gelangen. Und doch, der unbequemste Weg wurde jahrhundertelang täglich benutzt. Die Alternative dazu, die von Aloys Schreiber beschriebene „Münchelstraße“, wurde um 1760, die Uferstraße zwischen Neckarsteinach und Ziegelhausen („Kleingemünder Landstraße“) gar erst 1876 angelegt. Bis dahin gab es am Neckar nur den Leinpfad, der am Prallhang in der Höhe des Bärenbachs immer wieder vom Fluß angenagt wurde.
Die Website des Heidelberger Geschichtsvereins www.haidelberg.de wurde 1999 vom Verfasser im Auftrage des Vorstandes mit Hilfe von Dr. Reinhard Mayer ins Leben gerufen. Der Autor hatte bislang keine Erfahrung mit Computertechnologie oder Webdesign, blieb auch darin bis heute Dilettant. Dankenswerterweise erhält er seit einigen Jahren technische Unterstützung durch Willi Morlock. Er wird ihm auch bei der Neugestaltung der Website hilfreich zur Seite stehen. Für den Inhalt zeichnet der Autor allein verantwortlich.
„Wir treffen uns am Bismarckplatz an den Arkaden“. Was heute bei den meisten Heidelbergern ein Stirnrunzeln hervorrufen würde, war bis 1960 durchaus ein gängiger Spruch, um sich am Bismarckplatz (heute sprechen die jungen Menschen vom „Bisi“) zu verabreden. Diese Arkaden - entstanden im Jahre 1925 - nahmen die gesamte Südfront des Platzes ein und wurden von der Villa Busch (einem Privathaus an der Ostseite) und dem Hotel Reichspost (am Beginn der Rohrbacher Straße) flankiert. Mit der Sensibilität bezüglich städtebaulicher Entwicklungen in heutiger Zeit kann
man die nun folgende Entwicklung jedoch nicht betrachten. Man muss sich vielmehr die außergewöhnliche Situation Heidelbergs in den ersten Nachkriegsjahrzehnten vor Augen halten: in nahezu allen Großstädten Deutschlands waren bedingt durch großflächige Kriegszerstörungen schnelle und vor allem moderne Lösungen für den Wiederaufbau der Innenstädte gefragt. Mannheim ist hierfür ein passendes Beispiel. In Heidelberg war die Lage gänzlich anders: nahezu überall fand man die unzerstörte Bausubstanz und allerdings auch die Infrastruktur der Vorkriegszeit vor. Gerade letzteres hatte den Stadtvätern ja schon seit Beginn des 20. Jahrhunderts Sorgen bereitet (Verlegung des Hauptbahnhofs). Mit der endlich erfolgten Stilllegung des alten Bahngeländes erschien es geradezu unerlässlich, vor der Altstadt einen neuzeitlichen „CityBereich“ zu schaffen. Eine besondere Bedeutung kam jetzt der Frage nach einem Warenhaus mit einem deutlich größeren Angebot, als es bislang in der Stadt vorhanden war, zu.
Am nördlichen Ufer des Neckars, bei der Einmündung des Haarlassweges in die Ziegelhäuser Landstraße - etwa 250 m westlich der „Haarlass“-Gebäudegruppe - steht ein glatt behauener Quader aus rotem Sandstein, der auf fünf unregelmäßigen Steinbrocken desselben Materials schräg lagert; er misst 112 x 84 x 22 cm. Das dahinter aufragende felsige Areal wurde von Karl Christ im späten 19. Jahrhundert als „Neuenheimer Schweiz“ bezeichnet.
Heidelbergs Zukunft liegt im Westen - so konnte man um die Mitte des 19. Jahrhunderts sagen. Aus der Enge der Altstadt entflohen Gewerbebetriebe, die im Bereich Bergheim/Weststadt Platz zur Entfaltung fanden. Im Heidelberger Westen wurde der Bahnhof gebaut, die Fuchs-Waggon-Fabrik und die Zementfabrik entstanden, Tabakfirmen errichteten große neue Produktionsstätten. Vor allem das Gebiet westlich der heutigen Römerstraße, das noch größtenteils aus Ackerland und Weingärten bestand, war für die Expansion geeignet. Allerdings war noch 1884 unklar, wie man das Areal eigentlich nennen sollte. Im Kaufvertrag der Heidelberger Aktienbrauerei war die Rede vom „neuen Bauviertel vor dem ehemaligen Mannheimer Thore“. Einige Bierbrauer, deren Betriebe den Konkurrenzkampf und Konzentrationsprozess des ausgehenden Jahrhunderts überlebt hatten, bauten hier neue Brauereien. Schroedlbräu, Zieglerbräu und das Goldene Fässchen zog es in den Westen. Doch die erste Brauerei, die den Schritt aus der Altstadt gewagt hatte, war die der Gebrüder Kleinlein, die seit Mitte des 18. Jahrhunderts im „Güldenen Schaf“, heute Hauptstraße 115, existierte. Der Betrieb wurde seit 1863 von den Bierbrauern und Halbgeschwistern Friedrich Volkert und Karl Friedrich Kleinlein geführt, die als „Brauerei Gebrüder Kleinlein“ firmierten.
Als die Brüder Max und Ferdinand Liebhold 1903 in der Bergheimer Straße 76 eine Zigarrenfabrik erbauen ließen, war Bergheim ein von Fabriken, Gewerbebetrieben und Kliniken geprägter Vorort. „Heidelbergs einziges Gewerbegebiet lag in Bergheim“, schreibt H. M. Mumm in „Heidelberg als Industriestandort um 1900“. Im Jahr 2013 hat sich das gesamte Umfeld in Bergheim geändert: Die meisten Fabriken wurden aufgegeben oder zogen ins Umfeld Heidelbergs, in einige Kliniken zogen Universitäts-Einrichtungen, Gewerbebrachen wurden in attraktive Wohnsiedlungen umgewandelt. Und die ehemalige Tabakfabrik beherbergt seit 1987 zwei Weiterbildungseinrichtungen - die Volkshochschule und die Akademie für Ältere. Das vhs-Haus steht heute im Zentrum des urbansten Stadtteils Heidelbergs.
Groove im Gewölbe
(2013)
„Durch eine enge Wendeltreppe, die umwunden ist von einem Maschennetz hellgelber Stahldrähte, die ihrerseits wie vom Schnürboden einer Bühne in das eigentliche ,Scenarium' führen, tastet man sich mit behutsamen Schritten hinunter in einen tiefen Keller. Und was man dort entdeckt, ist nichts anderes als eine fröhliche Stätte einer originellen Freizeitunterhaltung, wie sie die Studenten von Bologna bis Utrecht, von Paris bis Oslo, aber auch in vielen deutschen Städten mit akademischem Klima schon seit Jahren ihr eigen nennen.“
"Versuch zu überleben"
(2013)
Als am Karfreitag, den 1. April 1945, die Amerikaner in Heidelberg einmarschierten, saßen zwei junge Frauen, Blanca und Maria, am Straßenrand und weinten. Ihnen war bewusst, dass sie Krieg und Verfolgung zwar überlebt hatten, aber ihr Zuhause und ihre Familien vernichtet waren. Sie wurden von einem Feldprediger der US-Armee angesprochen. Er hatte erkannt, dass die beiden Frauen die ersten jüdischen Überlebenden waren, die er in Deutschland antraf. Er forderte sie auf, ins amerikanische Hauptquartier im Heidelberger Rathaus zu kommen. Als die beiden Frauen ihn am nächsten Tag im Rathaus aufsuchen wollten, war er schon weitergezogen, hatte jedoch Kontakt zu einem Offizierskollegen hergestellt, der nun bei der Wohnungssuche behilflich war. Blanca hatte das letzte Kriegsjahr mit gefälschten Papieren als polnische Fremdarbeiterin Bronislava Panasiak in einer regimetreuen Heidelberger Familie, die von ihrer jüdischen Identität nichts wissen durfte, überlebt. Wie war Blanca in diese Familie gekommen und wo hatte sie vorher gelebt? 1913 wurde sie als Blanca Nebenzahl in Gorlice, Polen, geboren und ist mit drei jüngeren Brüdern aufgewachsen. Trotz antisemitischer Ausschreitungen an der Universität Krakau begann sie dort nach dem Abitur ein Jurastudium. Sie gab dieses jedoch auf, um den Unterhalt für sich und ihren späteren Mann Wolf Rosenkranz zu verdienen, der an der Universität Warschau auf sein medizinisches Staatsdiplom hinarbeitete.
Mittlerweile hat es sich zu einem weit über die Region hinaus bekannten Anziehungspunkt in dem an historischen Stätten gewiss nicht armen Heidelberg entwickelt: das Friedrich-Ebert-Haus rund um die Geburtswohnung des ersten Reichspräsidenten in der Pfaffengasse 18. Das Haus, ein Altstadtgeviert mit Innenhof, wird von der Stiftung Reichspräsident-Friedrich-Ebert-Gedenkstätte getragen, die am 19. Dezember 1986 durch Beschluss des Deutschen Bundestages, gegen die Stimmen der Grünen, errichtet wurde. Der bundesunmittelbaren Stiftung obliegt nach dem Gründungsgesetz die
Aufgabe, „das Andenken an den ersten deutschen Reichspräsidenten Friedrich Ebert zu wahren und einen Beitrag zum Verständnis der deutschen Geschichte seiner Zeit zu leisten“. Die Initiative zu einer nationalen Gedenkstätte ging von der Stadt Heidelberg und der Friedrich-Ebert-Stiftung (Bonn) aus, die 1983 eine - Anfang 1986 erweiterte - Projektgruppe ins Leben riefen. Das Vorhaben stieß bei der politischen Linken auf Kritik, gipfelnd in dem Verdikt eines GAL-Vertreters, dass Ebert „für die Demokratie eine Flasche“ gewesen sei. Ungeachtet solcher verbaler Fehltritte öffnete das Friedrich-Ebert-Haus am 11. Februar 1989, dem 70. Jahrestag der Wahl Eberts zum Reichspräsidenten, mit der Ausstellung „Friedrich Ebert - Sein Leben, sein Werk, seine Zeit“ die Tore.
Am Anfang der dreißiger Jahre des vorigen Jahrhunderts gab es in Heidelberg drei Synagogen: in Rohrbach (seit 1845), in der Großen Mantelgasse (seit 1878) und in der Plöck (seit 1932). Sowohl in der Goßen Mantelgasse wie am Rohrbacher Rathausplatz erinnern Gedenksteine an diese, bald nach dem Novemberpogrom 1938 abgebrochenen, Gebäude. Keinerlei Hinweis oder Gedenken gibt es für die Synagoge in der Plöck. Es ist auch schwierig, sich dort einen Gedenkort vorzustellen, denn auf dem Gelände, wo die Synagoge sich befand, steht der massive Gebäudekomplex des Kaufhofs.
Als Kind nahm mich eine Mutter 1953 ins Buchhorn-Kino in Friedrichshafen mit. Dort wurde an einem Sonntag ein Film über die Krönung Elisabeths II. gezeigt. Meine Leidenschaft für den Film war entbrannt. Die Kinos signalisierten durch ihre Namen eine andere Welt in dieser kleinbürgerlichen Stadt: Scala, Rex, Capitol. Aber da war noch ein besonderes: das Cinéma. Da Friedrichshafen nach Ende des Zweiten Weltkriegs in der französischen Besatzungszone lag, war es Garnisonsstadt mit einigen Tausend Soldaten und eigener Infrastruktur: Supermärkte, Wohnblocks - und ein Kino: das
Cinema. Für uns Jugendliche gab es schon seit den 6oer Jahren die wunderbare Einrichtung „Jugendfilm“, besondere Filme donnerstags im Rex. Und wir schlichen uns ins Cinéma und sahen mit großem Erstaunen Filme der Nouvelle Vague (Jean-Luc Godard, Franc;ois Truffaut und die anderen). Als ich im Wintersemester 1967 zum Studium nach Heidelberg kam, war das GloriaKino noch kein „Cinéma d'art et d'essai", sondern dort spielte man Itala-Western ab. Das Gloriette war noch nicht wieder zum Kino geworden. Anfang der 70er veränderte das Gloria seine Programmstruktur. Der Pächter, Hans Fritsche aus Leutershausen, hatte erkannt, dass mit anspruchsvollen Filmen in einer Studentenstadt Geld zu verdienen ist. Die Sponti-Bewegung entstand, und mit ihr die Zeitschrift „Carlo Sponti“, gegründet 1973 bei den Germanisten-Spontis aus dem Arbeitskreis Sozialistischer Hochschulgruppen und dem Collegium Academicum (CA) heraus.
Das versteckte Gebäude
(2013)
Durch einen weitläufigen Park nähere ich mich dem Gebäude. Dessen Größe ist schlecht einschätzbar, da es zum Teil von Büschen und Bäumen verdeckt ist. Ich umrunde es: es ist ein rechteckiger Bau und im Verhältnis zur horizontalen Ausweitung relativ flach. Trotz hoher Verglasungen auf allen vier Seiten, die den Blick ins Innere ermöglichen, lässt sich die Nutzung schwer einschätzen. Ist es ein Bürogebäude? Oder eine sogenannte „gläserne“ Fabrikhalle?
Der Bierhelderhof
(2013)
Er ist einer der Lieblingsorte der Heidelberger. Seit alters liegt er auf einer Rodungsinsel nordöstlich über dem ehemaligen Dorf Rohrbach inmitten seiner Wiesen und Felder. Noch ist er rings von Wald umgeben, und von seiner Terrasse aus kann man, unter hohen Platanen und Kastanien sitzend, den schwarzen Angusrindern beim Weiden zusehen, das preiswerte Angebot des Wirtes nutzen und sich mitten in Heidelberger Gemarkung auf dem Lande fühlen.
Betritt man, von der S-Bahn-Station Wieblingen/Pfaffengrund her kommend , den Stadtteil Pfaffengrund, so fällt einem am Kurpfalzring linkerhand ein eigentümliches, in seinen Proportionen harmonisch wirkendes Gebäude mit einer Natursteinfassade ins Auge, das, umgeben von Lagerhallen und Produktionsstätten, fast fremdartig wirkt und in seiner architektonischen Gestaltung aus den gesichtslosen Zweckbauten des Gewerbegebietes herausragt. Das etwas versteckt hinter Bäumen liegende Bürogebäude, das von einem gepflegten Gartenstück umgeben wird und nahezu freisteht,
beherbergt heute die Hauptverwaltung der Firma Gaster Wellpappe, einem überregional tätigen Unternehmen mit Niederlassungen in mehreren deutschen Städten.
Die Aussage der „Laden ist geöffnet“ bedeutet heute „das Geschäft ist geöffnet“. Man nennt ein Geschäft auch einen Laden, man spricht von Bäckerladen, Kramladen, Ladenöffnungszeiten usw. Seinen Ursprung hat diese Bezeichnung im Fensterladen, einem Gebäudedetail, dessen Bedeutung sich verschoben bzw. erweitert hat. Wie es zu diesem Wandel kam, lässt sich an einem Häuschen an der Heiliggeistkirche heute noch nachweisen und verstehbar machen. Im Mittelalter waren Märkte, Marktplätze der zentrale Verkaufsort. Dort boten Handwerker und Händler auf Tischen, an Ständen und unter Schirmen ihre Waren an. Innerhalb der Stadtmauern war so wenig umbauter Raum vorhanden, dass in den Häusern selbst meist nur gewohnt und gearbeitet wurde. Allenfalls verkaufte man zum Fenster hinaus. Dann entwickelten sich an den Häusern um die Märkte herum Vorbauten bzw.
Arkadengänge, die einen wettergeschützten Verkauf erlaubten, wie es Michael Hesse in seinem „Handbuch der neuzeitlichen Architektur“ kürzlich beschrieben hat. Diese Entwicklung ist in Heidelberg nicht bekannt.
1868 kamen die Heidelberger Kaufleute Johann Martin Werner, Wilhelm Bröckelmann, Louis Werner, der Lehrer Abraham Röckh, der Verleger Karl Winter und Pfarrer Wilhelm Frommel zusammen zur Gründung „eines Evangelischen Vereins zur Fürsorge für sonntägliche Erbauung auf dem Grunde der heiligen Schrift und der reformatorischen Bekenntnisse“ (Festschrift S. 26). Vorangegangen war ein langer Streit innerhalb der Heidelberger evangelischen Kirche: Die Mehrheit vertrat die „liberale“ Richtung, d.h. Jesus wurde vorwiegend als edler Mensch gesehen. Dagegen wandte sich
die Gruppe der sog. „Positiven“, der die Geltung der HI. Schrift und der Bekenntnisse wichtig war. Eine ausführliche Darstellung jener kirchlichen Verhältnisse, die letztlich zur Gründung der Kapelle geführt haben, ist 1926 erschienen (Nieden).
Fauler Pelz
(2013)
Wer auf dem Weg zum Schloss die hintere Altstadt zu Fuß durchquert wird vielleicht einen kurzen Blick auf dieses einfache wie ein Kasten gebaute Gebäude werfen, das ein Lagerhaus sein könnte, aber mit seinen kleinen vergitterten Fenstern doch seine eigentliche Bestimmung verrät. Es handelt sich um das Gefängnis, das von den Heidelbergern nur „Fauler Pelz“ genannt wird. Angeblich rührt der etwas seltsame Name, den es aber auch in anderen Städten, zum Beispiel in Überlingen, gibt, daher, dass sich hier früher das Gerberviertel befand.
„Willst du ein Leben lang glücklich sein, dann leg' einen Garten an!“ Nach dieser alten chinesischen Weisheit handelte wohl auch der kurpfälzische Revisionsrat und Universitätsrektor Johann Philipp Morass, als er sich zu Beginn des 18. Jahrhunderts an Stelle der 1693 im Großen Brand zerstörten „Elenden Herberge“ ein barockes Palais mit dazugehöriger Parkanlage mitten in der Stadt errichten ließ. Seit mehr als hundert Jahren befinden sich in dem nach dem Bauherrn genannten Palais Morass und den in späterer Zeit hinzugekommenen Anbauten die Sammlungen des Kurpfälzischen Museums. Der ehemals barocke Garten hat heute eher Züge eines botanischen Gartens. Im Herzen der Altstadt gelegen, macht er den Wandel in der Geschichte Heidelbergs auf subtile Art und Weise spürbar.
Am 2. April des Jahres 1936 besuchte gegen 12 Uhr eine Gruppe Couleur tragender flämischer Studenten das Gasthaus „Zum Roten Ochsen“. Ein am Nebentisch sitzender Student stand auf und richtete eine längere Ansprache an die ausländischen Gäste, die er offenbar für deutsche Studenten hielt. Er freue sich, dass es auch im Dritten Reich noch Personen gäbe, die Couleur trügen, und machte keinen Hehl aus seiner kritischen Haltung gegenüber den „Segnungen des sogenannten Dritten Reichs“. Die ausländische Gruppe befand sich jedoch in Begleitung eines Studenten des Nationalsozialistischen Deutschen Studentenbundes (NSDStB), der zunächst wohl vergeblich versuchte, sie von der Rede abzulenken. Schließlich führte er den Redner hinaus und verlangte seinen Namen, der recht bereitwillig mit „Ebberegg“ angegeben wurde. Den Hinweis, dass sein Verhalten in dieser Form untragbar gewesen sei, kommentierte Student „Ebberegg“ lapidar mit den Worten „dann hätten wir uns also blamiert“. Wenig später schrieb der Kommilitone des NSDStB an den Hochschulgruppenführer Kreuzer, er habe „bis heute keine Schritte unternommen, um die Angelegenheit auf waffenstudentische Art auszutragen“ und bitte um die Einleitung eines Disziplinarverfahrens gegen „Ebberegg“, da dieser auf ihn „auch persönlich einen sehr schlechten Eindruck macht und auf jeden Fall eine sehr bedenkliche politische Einstellung hat“.
Unser Weg in das Haus Cajeth
(2013)
Ende 1949 war ich aus Magnitogorsk, aus russischer Kriegsgefangenschaft, in meine Heimatstadt Leipzig entlassen worden. Im Sommer 1950 habe ich den Weg in den Westen angetreten. 1957 gründete ich in Eberbach am Neckar meine erste Buchhandlung. In meiner zweiten, der (Hinter-)Hofbuchhandlung, eröffnete ich 1965 eine Galerie mit einer Ausstellung von graphischen Arbeiten von Christoph Meckel. 1970 entdeckte
ich bei einem befreundeten Maler ein Bild einer ostpreußischen Bäuerin, das mich irritierte. Es war ein Bild von großer Schlichtheit. Minna Ennulat hatte einen Sonntagmorgen gemalt, an dem in der sommerlichen Landschaft ihrer verlorenen Heimat die Bauern unterwegs waren zur Kirche von Rogalen.
Museum Sammlung Prinzhorn
(2013)
Vor 12 Jahren bezog die Sammlung Prinzhorn ihr Domizil in dem ehemaligen Hörsaalgebäude der Neurologie, ehemals der medizinischen Klinik. In einem eigenen Museum sind seit 2001 die beeindruckenden Kunstwerke von „Geisteskranken“ und Psychiatrie-Erfahrenen zu sehen. Die Sammlung und das Ausstellungsgebäude blicken auf eine gemeinsame Geschichte, die hier in einzelnen Bildausschnitten beleuchtet wird.
Neben der inneren und äußeren Friedenssicherung war die Versorgung der Bürger mit den Grundgegebenheiten des täglichen Lebens die Hauptaufgabe der mittelalterlichen und der neuzeitlichen Kommunen. Wasser spielte dabei eine besondere Rolle. Man konnte es aus tief gegrabenen Brunnen gewinnen, aus Flüßen oder Bächen schöpfen, seit dem Spätmittelalter auch durch komplizierte Hebewerke in die Städte leiten. Mit welchem System auch immer eine mittelalterliche Stadt sich mit dem notwendigen Wasser versorgte, die Stadt war ein genossenschaftlicher Personenverband und auf die
aktive und verantwortliche Beteiligung der Bürger am Gemeinwesen angewiesen. In entsprechender Weise waren alle kommunalen Aufgaben geregelt, wobei dem Stadtregiment eine organisatorische und planerische Leitung zukam. Dieses ist in Heidelberg deutlich zu erkennen.
Es ist der stillste Ort, unscheinbar, übersehbar, wie damals, 1701, als in dem oft kalten und schattigen Tal hinter dem Klingentor den Heidelberger Juden ein aufgelassenes Grundstück als Friedhof überlassen wurde. Ein Platz, der wie die kurfürstliche Regierung befand, „von der Stadt aus wenig und von der Kaserne aus gar nicht gesehen werden kann, an keiner Straße gelegen und sonst niemand hinderlich oder verdrießlich ist.“ (Löwenstein, 1895, S. 135) 1988 habe ich - aus Anlass einer Stadtführung zum Gedenken an die Pogromnacht 1938 - diesen alten jüdischen Friedhof am Klingenteich erstmals wahrgenommen. Der Frankfurter Kantor und Lehrer Benno Szklanowski führte uns leise und kundig zu den damals schon beträchtlich verwitterten Gräbern, deren hebräische Inschriften er übersetzt, zum Teil rekonstruiert und nach ihren biblischen Quellen dokumentiert hatte. Viele Führungen im Rahmen des Geschichtsvereins folgten, zu jeder Jahreszeit, für immer staunende Besucher, die das hinter einer Mauer versteckte, auch vom Graimbergweg herab nur schwer erkennbare Gelände nie zuvor betreten hatten.
Der Europäische Hof
(2013)
Ein Hotel ersten Ranges ist ohne Zweifel seit seiner Gründung im Jahre 1865 „Der Europäische Hof“, das Hotel Europa in Heidelberg. Wenn es ein Hotel in der Stadt gibt, das annähernd als so geschichtsträchtig betrachtet werden kann wie die Stadt selber, obwohl es doch noch so jung im Vergleich da steht, dann ist es das Haus in der Friedrich-Ebert-AnIage.
Die Zwingerhalle
(2013)
1872-74 wurde die Zwingerhalle (heute Zwingerstraße 3-5) auf dem ehemaligen Grund des Deutschen Ritterordens erbaut, der seit dem 13. Jahrhundert in Heidelberg ansässig war. Von der historischen Bedeutung des Areals Zwingerstraße / Kettengasse zeugt noch heute das am östlichen Giebel der Zwingerhalle angebrachte und aus rotem Sandstein gearbeitete Wappen des Pfalzgrafen Franz Ludwig (1664-1732). Dieser hatte mehrere
Bischofsämter teils auch gleichzeitig inne, so war er Fürstbischof von Breslau, Kurfürst und Erzbischof von Trier und Mainz, Bischof von Worms, aber er war auch Großmeister des Deutschen Ordens.
Das Heidelberger Rathaus birgt eines der wenigen Beispiele großformatiger profaner Glasmalereien mit figürlichen Darstellungen aus der Zeit Anfang des 20. Jahrhunderts in der Stadt. Zwischen 1905 und 1908 wurden in den 1886 bis 1890 historistisch ausgestatteten Sitzungssaal des nördlichen Rathausanbaus des Architekten Hermann Lender sechs großformatige, 4,60 m hohe Rundbogenfenster eingebaut: drei Fenster in der nördlichen Längswand des heutigen „Alten Sitzungssaals“ und gegenüberliegend drei weitere Fenster. Die Vorgänge um deren Planung und Herstellung sind durch Briefe,
Aktennotizen und Verträge im Stadtarchiv Heidelberg gut dokumentiert. Eine Magisterarbeit von Bärbel Roth an der Universität Heidelberg von 1992 beschäftigt sich ausführlich mit diesen Glasmalereien.
Der Herrengarten
(2013)
Keine Straße, keine Gasse erinnert an ihn, kein Geschäft, kein Kino, keine Gaststätte am fraglichen Abschnitt der mittleren Hauptstraße (etwa: Zum alten Herrengarten) . Dabei prägte der kurfürstliche Herrengarten in der Vorstadt seit dem Mittelalter auch noch das Heidelberger Stadtbild, als gegen 1620 das unvollendet gebliebne Wunder des Hortus palatinus als Schloss-Garten dem felsigen Berg abgerungen und Pflanzen aus dem Herrengarten kübelweise hinaufgeschafft worden waren.
Die Stadtbücherei
(2013)
Immer schon habe ich gern und viel gelesen. Manchmal, bereits als Kind und erst recht als Jugendliche, wenn ich der Ansicht war, ich hätte nun genug in der Gärtnerei meiner Eltern mitgearbeitet, war ich auf dem großen Gelände einfach unauffindbar. Welch' eine Befreiung dann der Beginn des Romanistik- und Germanistikstudiums in Heidelberg. Ich fand eine Bleibe in der Altstadt, zwischen dem Germanistischen Seminar, das sich damals im „Deutschen Haus“ am Marsilius-Platz befand, und der Universitätsbibliothek. Besonders gern saß ich im Grimm-Saal des Seminars; die „altdeutsch“ gestimmten hohen Wandgemälde bzw. Fresken mochte ich, auch wenn mir die kräftige Portion Kitsch durchaus bewusst war. Bei der tiefgreifenden späteren Renovierung des Raumes hätte man gleichwohl einen Teil der Bilder zur Dokumentation des vergangenen Zeitgeistes erhalten sollen. Inzwischen lebe ich schon lange im Stadtteil Rohrbach und komme auf meinen Wegen zum Stadtzentrum regelmäßig an der Stadtbücherei vorbei - vielmehr: Ich plane meine Stadtgänge so, dass ich eine Leserunde fast immer einlegen kann.
Am Anfang stand die „Kohlenkatastrophe“. Unter dieser Überschrift meldete die Heidelberger „Volkszeitung“ im Oktober 1919: „Die Beleuchtung der Schaufenster muß unterbleiben. Hotels und Gastwirtschaften dürfen morgens vor Tag nicht öffnen, abends muß eine frühere Feierabendstunde festgesetzt werden. Auch die Läden dürfen erst bei Tag geöffnet werden. Schulen und Universität erhalten kein Licht. Der Unterricht muß in die Zeit von 8 bis 1 oder 2 Uhr gelegt werden. Die Krankenanstalten müssen selbstverständlich Licht haben .... Die Industrie muß die Arbeitszeit so legen, daß man bereits ohne Licht auskommt. Wir treten in den Winter ohne jeglichen Bestand an Kohlen. Die Katastrophe steht bevor.“ Die wenigsten der mit diesen Schreckensmeldungen konfrontierten Heidelberger Zeitungsleser dürften hierüber wirklich überrascht gewesen sein. Nicht nur der kriegsbedingte Arbeitskräftemangel hatte die deutsche Kohlenförderung verringert. Auch die Tatsache, dass deutsches Militär Kohlengruben in Nordfrankreich und Belgien bei seinem Rückzug im Jahr 1918 geflutet und damit unbrauchbar gemacht hatte, trug zur Kohlenkatastrophe bei. Die Stadtverwaltung setzte ihre Hoffnung auf eine kommunale Verteilerstelle, die „Ortskohlenstelle“, geleitet von dem als tatkräftig bekannten Emil Maier (1876-1932). Durch den Direkteinkauf beim Produzenten sollte der Zwischenhandel ausgeschaltet und so der Bedarf der Verwaltung und bedürftiger Heidelberger an Kohlen und Brennholz zu günstigeren Preisen gedeckt werden.
Johann Remler, der in der neuesten Literatur auch fälschlich als Remmler geschrieben wird, war ein Heidelberger Architekt und Bauunternehmer, der in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts das Stadtbild bis in unsere Tage prägend gestaltet hat. In Heidelberg am 1. August 1847 geboren und ebenda am 3. November 1907 verstorben, war er der Sohn des Gerbermeisters Franz Remler und seiner Ehefrau Elisabeth, geborene Klar. Er besuchte die Gewerbeschule in der Kettengasse 16 in Heidelberg und war anschließend in einer großen Ludwigshafener Firma tätig, bis er 1872 sein
eigenes Baugeschäft, die Firma Heusch in der Hauptstraße 86 (heute Hauptstraße 88) erwarb. Remler war bestrebt, zweckmäßige Gestaltung, solide Ausführung und architektonische Schönheit zu vereinigen. Sein Charakter wird mit Geschäftstüchtigkeit, Zuverlässigkeit und Gewissenhaftigkeit umschrieben , das zu einem „Vertrauen und Ansehen in weiten Kreisen“ führte und Staatsaufträge und Aufträge von privater Hand zur Folge hatte. Das Reichspostamt (Sofienstraße, 1884), das Kurfürst-Friedrich-Gymnasium (Neckarstaden, 1894), das Haus der Burschenschaft Frankonia (Neue Schlossstraße, 1892/93) errichtete er, und ebenso wirkte er am Heidelberger Rathaus und einer Kaserne mit. In Neuenheim legte er die Moltkestraße
an und errichtete Villen in der Weber- und der Werderstraße, sowie am Schloss Wolfsbrunnenweg. Private Bürgerhäuser wurden in der Altstadt realisiert. Die Stadt ehrt ihren Bürger seit 1929 mit der Remlerstraße im Stadtteil Neuenheim.
Das Grundstück Bergheimer Straße 107, auf dem das in den 30er Jahren errichtete Wohnhaus der GGH (Gesellschaft für Grund- und Hausbesitz) steht, hat eine Vorgeschichte, die eng mit der industriellen Entwicklung Bergheims verbunden ist. Es soll demnächst abgerissen werden und einem neuen, repräsentativen Bau für die Geschäftsstelle der GGH Platz machen.
Inmitten der Altstadt befindet sich zu Füßen des Heidelberger Schlosses das Palais Graimberg. Sein Name ist seit mehr als 100 Jahren mit der Familiengeschichte verbunden. Charles de Graimberg erwarb es 1839, 29 Jahre nach seiner ersten Ankunft in Heidelberg - nachdem er das revolutionäre Frankreich verlassen und die Schönheiten des verfallenden Heidelberger Schlosses gezeichnet hatte. Die ursprüngliche Bausubstanz stammt aus dem Jahr 1743. 1818 wurden dieses Gebäude und das Nachbargebäude sowie ein Gartengrundstück von der reformierten Kirche erworben und diente bis zum Verkauf an Graimberg als reformierte Schule. Er ließ umfangreiche bauliche Veränderungen vornehmen, da er nicht nur darin wohnen, sondern vor allem seine Altertumssammlung präsentieren und Besuchern zugänglich machen wollte. Durch seine Enkelin Maria von Graimberg erhielt das Gebäude eine ganz neue Bedeutung. 1911 wurde es Sitz der ersten katholischen sozialen Frauenschule Deutschlands. Bei der Eröffnung am 26. April 1911 gab es zunächst lediglich drei Schülerinnen und eine Lehrerin. Doch im laufe ihrer 39-jährigen Tätigkeit bildete Maria von Graimberg mehr als 1000 Frauen zu professionellen Sozialarbeiterinnen aus. Sie lebte zusammen mit ihren Internatsschülerinnen, ihrer Schwester Camilla und ihrer Mutter. Ab Herbst 1911 kam Theodora Aberle hinzu, zunächst als Schülerin, nach Abschluss der Ausbildung als Schulsekretärin und nach einem Studium der Volkswirtschaftslehre als Dozentin. Wie eng und freundschaftlich diese Verbindung gewesen ist, zeigt sich u.a. darin, dass Maria von Graimberg in ihrem Testament Theodora Aberle ein lebenslanges Wohnrecht am Kornmarkt 5 einräumte.
Ernst Kürz in Heidelberg
(2021)
Sein Name ist weitestgehend vergessen. Und doch ist er erst kürzlich in einer englischsprachigen Gesamtdarstellung der Spanischen Grippe erwähnt worden. Um diesen Zusammenhang einordnen zu können, muss man sich ein Bild der gravierendsten Pandemie des 20. Jahrhunderts und deren Rezeption machen. Dieses Bild ähnelte sich 1918 –1920 in ganz Deutschland. Zu berücksichtigen ist, dass die Geschichte der Grippe insgesamt dadurch gekennzeichnet ist, dass Influenza alltäglich sein kann, aber auch desaströs – für einzelne, aber auch für große Gruppen von Menschen. Die erste Welle der Spanischen Grippe im Deutschen Reich, die sich im Frühjahr 1918 ereignete, stand für die Grippe als eher harmlose Erkrankung, die viele befiel, aber relativ wenige tötete. Die zweite Welle, diejenige des Herbstes 1918, entpuppte sich als die eigentliche tödliche Welle. Die dritte Welle, im Frühjahr 1920, wurde von vielen gar nicht mehr als solche wahrgenommen, oder man datierte sie, wie es heute noch viele tun, fälschlicherweise bereits in das Jahr 1919.
Für Heidelberg in vorstädtischer Zeit, d. h. als Fischer-, Winzer- und Handwerkerdorf im Tal zwischen Klingenteich und Neckarufer gelegen, gibt es einen ersten urkundlichen Beleg aus dem Jahr 1196. Dort ist anlässlich von Schenkungen an das Kloster Schönau ein „Cunradus, plebanus de Heidelberch“, ein Pfarrer aus Heidelberg, unter pfalzgräflichen Zeugen genannt. Die zum Priester gehörende Kirche ist die später außerhalb der städtischen Mauern liegende Pfarrkirche St. Peter.
„Mensch, höre meine Worte: kämpfe und vertraue!“ Blickt man auf die Geschichte der knapp ein halbes Jahrhundert in Heidelberg beheimateten und damals fest im kulturellen Erlebnisraum der Stadtgesellschaft verankerten Familie Romhányi, ist es dieser Schlussvers aus dem von Goethes „Faust“ beeinflussten und berühmten Werk „Die Tragödie des Menschen“ des ungarischen Dichters und Dramatikers Imre Madách (1823–1864), welches sich als mögliches Credo dieser Familie betrachten ließe. Es war die Liebe zu den Künsten, welche den Juden Jenő Reich und die Christin Erna Sauer, zwei Menschen ungleicher nationaler, ethnischer, sprachlicher sowie religiöser Zugehörigkeit, zusammenführte. Ihre Verbindung sollte durch die Vermählung 1910 und die damit verbundene Konversion Jenős bekräftigt werden. Es folgten Jahre der familiären Harmonie und des beruflichen Erfolgs an ihrem neugewählten Lebensmittelpunkt in der Universitätsstadt am Neckar. Über 23 Jahre hinweg konsolidierte die Familie in Heidelberg ihre auf viel Geschick und Fleiß beruhende Stellung als erfolgreiche Unternehmer – zunächst in der Möbelfabrikation, später in der Kino-Branche – bis sie schließlich 1933 nach der „Machtergreifung“ der Nationalsozialisten im Zuge der systematischen Zwangsenteignungen und Verdrängung jüdischer Bürger aus dem deutschen Wirtschaftsleben sowie des gezielten Boykotts ihrer Geschäfte („Arisierung“) schlagartig der gewohnten Lebenswelt entrissen wurden. Knapp ein ganzes Jahrzehnt war die kleine, zwischenzeitlich auseinandergerissene und sich erst 1935 in Romhányi umbenannte Familie den nicht enden wollenden Verfolgungen und Repressalien des NS-Regimes ausgesetzt. Diesem Druck konnte sie letzten Endes nicht mehr standhalten. Es folgte die unwiderrufliche Ausweisung nach Ungarn im Frühjahr 1943, welche im tragischen Höhepunkt jener verhängnisvollen Jahre endete, dem durch das Zwangsexil verursachten, gewaltsamen Verlust der beiden Söhne Rudolf und Ludo. Doch auch der Lebensabend des Ehepaares Romhányi, welches das Kriegsende in Budapest erlebte, sollte im Deutschland der Nachkriegszeit von abermaligen Schwierigkeiten und Konflikten nicht verschont bleiben.
Julius Wilhelm Zincgref
(2021)
In allgemeinen Darstellungen zum Dreißigjährigen Krieg kommt der als Herausgeber der Werke von Martin Opitz bekannte Julius Wilhelm Zincgref (1591–1635) allenfalls als Dichter und Kommentator, nicht aber als Verteidiger Heidelbergs gegen Tillys Liga-Armee vor. Und auch in den allgemeinen Darstellungen zu Heidelberg im Dreißigjährigen Krieg wird Zincgref nur am Rande oder gar nicht erwähnt. Hier soll anlässlich der Wiederkehr der Eroberung und Verwüstung der Stadt vor 400 Jahren Zincgref vorgestellt werden – in seiner Doppelrolle als militanter Calvinist einerseits und als Dichter und damit auch Reflektant seiner Zeit andererseits. Sein „Kriegslied“ „Vermanung zur Dapfferkeit“ soll hier näher betrachtet und als Quelle zur Eroberung Heidelbergs gelesen werden, wenn auch der genaue Zeitpunkt der Entstehung des Textes nach wie vor diskutiert wird. Gleichzeitig versteht sich der Beitrag als ereignisgeschichtliche Synthese zur Belagerung und Einnahme Heidelbergs durch Tillys Liga-Armee im September 1622.
„Herr Regierungsbaumeister Nathan hat die an ihn gestellte Aufgabe, einen modernen Bau mit allen praktischen, gesunden Einrichtungen versehen zu erstellen, glänzend gelöst.“ Nach der Einweihung der Zigarrenfabrik Hochherr am 9. September 1929 war die Süddeutsche Tabakzeitung voll des Lobes über das Gebäude, das in der Kaiserstraße 78 am damaligen Rand der Weststadt erstellt worden war. Es ersetzte den zehn Jahre zuvor bezogenen Firmensitz in der Brückenstraße 51 in Neuenheim. Auch der Heidelberger General-Anzeiger zeigte sich vom Neubau beeindruckt und hob in seinem Bericht hervor, dass „hier der Geschmack eines modern empfindenden Architekten und der künstlerische Wille einer Fabrikleitung Hand in Hand eine
gediegene Ausdrucksform für den Bau gefunden und gleichzeitig eine reizvolle städtebauliche Aufgabe gelöst haben“.
Die Ereignisse vom 9. und 10. November 1938 sind für Heidelberg grundsätzlich gut erforscht und wurden oft dargestellt: die Brandstiftungen in den Synagogen der Altstadt und in Rohrbach, die Verschleppung der erwachsenen Männer nach Dachau oder in andere Konzentrationslager und die marodierenden Aktionen der SA-Trupps gegen Geschäfte und Wohnungen in den Stadtteilen. Die hier vorgestellte Studie setzt sich damit auseinander, ob das Novemberpogrom über die massiven Angriffe auf die Unverletzlichkeit der Wohnungen hinaus auch Entmietungen einschloss und welche Rolle dabei die städtische Wohnungsbaugesellschaft für Grund- und Hausbesitz (GGH) einnahm. Ausgangspunkt dieser Fragestellung ist die Beobachtung, dass von den sechs 1938 noch in GGH-Häusern lebenden jüdischen Mietparteien im Folgejahr alle ihre Wohnung dort verloren hatten. Diese Beobachtung wirft die weitere Frage auf, ob die Stadtverwaltung unter Oberbürgermeister Carl Neinhaus nicht doch tiefer in das Novemberpogrom eingebunden war. Bisher war nur bekannt, dass Neinhaus am Morgen des 10. November vom Dienstwagen aus das Brandgeschehen in der Großen Mantelgasse in Augenschein nahm.
„Das ist nun Heidelberg, und es ist wirklich schön dort im Frühling“, schrieb der Schweizer Schriftsteller Christian Kracht in den neunziger Jahren in seinem Roman „Faserland“. Alles sei so schön grün, die Menschen säßen in der Sonne an den Neckarauen, erzählt Krachts Protagonist. Und er stellt fest: „So könnte Deutschland sein, wenn es keinen Krieg gegeben hätte.“ Es stimmt ja: Im Heidelberger Stadtbild hat der Zweite Weltkrieg kaum Spuren hinterlassen. Im Unterschied zu vielen anderen Städten wurde Heidelberg nicht in Schutt und Asche gelegt. Über die Gründe, warum das so ist, wird immer wieder diskutiert. Und besonders die Frage, ob die Amerikaner über der Stadt Flugblätter abwarfen mit der Aufschrift „Heidelberg wollen wir schonen, denn dort wollen wir wohnen“, polarisiert. Viele Zeitzeugen berichten davon, einen historisch-wissenschaftlichen Beleg aber gibt es (noch) nicht. Was aber sicher ist: Auch Heidelberg blieb von Luftangriffen nicht völlig verschont, wie der folgende Überblick über die Schäden, die der Krieg in
dieser Stadt angerichtet hat, zeigt.