Der Abt als Dorfchronist
(2012)
Philipp Jakob Steyrer, von 1749 bis 1795 Abt des Benediktinerklosters St. Peter auf dem
Schwarzwald, hat während seiner langen Regierungszeit gewissenhaft ein Tagebuch geführt,
von dem allerdings nur die Jahrgänge bis 1772 erhalten sind. Auf den überlieferten knapp
4.000 Seiten hält der Abt in flüssigem Latein alltägliche und besondere Vorkommnisse aus dem
Stift St. Peter fest, aber auch bedeutende politische, militärische, kulturelle und andere Ereignisse
aus Freiburg, aus dem Breisgau, aus der Habsburger Monarchie und aus dem übrigen
Weltgeschehen. Sein Tagebuch ist damit eine wichtige zeit- und geistesgeschichtliche Quelle
für die Abtei St. Peter und ihre historische Epoche.
Bacchanalien hinter Klostermauern? Zugegeben: Das klingt reißerisch, aber es gab sie wirklich
im 18. Jahrhundert, die fastnächtlichen Bacchanalien in den Klöstern (Abb. 1). Freilich waren
sie in der Regel nicht so skandalös, wie der heutige Gebrauch des Begriffs ,Bacchanal' vermuten
lässt, der - von den tumultuarisch wilden Bacchusfeiern zu Ehren des römischen Weingottes
übernommen - ein wüstes Trinkgelage bezeichnet. Aber sie brachen immerhin so sehr aus dem
mönchischen Alltag aus, dass Philipp Jakob Steyrer, von 1749 bis 1795 Abt in St. Peter, sich
in seinem Tagebuch von Jahr zu Jahr mehr über die Störung der Klosterordnung an Fastnacht
erregte und sich ein Konflikt zwischen ihm und seinen fastnachtsfreudigen Patres anbahnte.
Durch Abt Steyrers Diarium, das Tagebuch seines Nachfolgers Ignatius Speckle (reg. 1795-
1806) und die Tagebücher der St. Märgener Äbte Andreas Dilger (reg. 1713-1736), Petrus Glunk
(reg. 1736-1766) und Michael Fritz (reg. 1766-1781) lässt sich gut veranschaulichen, wie damals
in den Klöstern die als ,Bacchanalien' bezeichneten Fastnachtsfeiern begangen wurden. Dabei
kommen ernste und zum Teil auch kuriose Interna aus dem Klosterleben ans Licht, zudem spiegeln sich in den Veränderungen der Klosterfastnacht im 18. Jahrhundert die äußeren Geschicke
der Abtei St. Peter wider. Zugespitzt könnte man sagen: Auch an der Speisekarte der Bacchanalien lässt sich die Geschichte der Abtei von ihrer Blütezeit bis zur Säkularisation ablesen.
Äußerlich unscheinbar – und dennoch eine Rarität! Die Rede ist von dem handschriftlichen Text eines kleinen Singspiels, das unter dem Titel „Die erklärte Einigkeit“ wenige Wochen vor der Säkularisierung der Benediktinerabtei St. Peter auf dem Schwarzwald 1806 verfasst wurde und unmittelbar die Stimmung des Konventes in den letzten Tagen vor seiner drohenden
Auflösung ausdrückt. Mit seiner Pflege der Schulkomödie stand St. Peter in einer Tradition, die in den jesuitischen und den benediktinischen Ordensgemeinschaften geschaffen wurde und dort im 18. Jahrhundert allgemein verbreitet war. Jedoch dürfte es in der Geschichte des benediktinischen Schultheaters ohne Beispiel sein, dass noch zu einem so späten Zeitpunkt,
als die meisten süddeutschen Klöster bereits aufgehoben waren, ein Singspiel entstanden ist und dazu noch die Säkularisierung des eigenen Stifts zum Thema hat.