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„Gullerfiguren“
(2002)
Gullerfiguren stellen ein Villinger Spezifikum dar.
Der Lenzkircher Uhrenfabrikant Oskar Spiegelhalder (1864-1925) sammelte beispielsweise bemalte
Tonfiguren aus Villingen in seiner Schwarzwaldsammlung und somit als Zeugnis des Brauchtums
dieser Region. Eine ähnliche Intention verfolgte
der Kunsthafner Carl Kornhas (1857-1931), der
Lehrer an der Kunstgewerbeschule in Karlsruhe
war. Er besaß eine große Sammlung von Villinger
Krippenfiguren, von denen er 296 an die Städtischen Sammlungen verkaufte.
Schwierigkeiten im Umgang mit vergangener historischer Größe haben Tradition in Villingen und anderswo. Seit dem Anschluss an Baden 1806 und dem damit verbundenen Abstieg zur badischen Provinzstadt gab es viele Versuche, die alte Größe Villingens zu erneuern, städtisches Selbstbewußtsein zu heben , neue städtische Funktionen zu erhalten. Die alte Stadtkultur wurde durch die industrielle Revolution verändert, teilweise sogar
zerstört. Die Auswirkungen der Industrialisierung krempelten unsere Städte um, änderten ihre Bedeutung für das Umland. Dies hatte Auswirkungen auf die bürgerliche Selbsteinschätzung.
Zu den Aufgaben des Geschichts- und Heimatvereins Villingen gehört neben der Bewahrung
des historischen Erbes der Stadt und ihrer Bürger
auch, Menschen die hier lebten und wirkten vor
dem Vergessen zu bewahren und ihr Bild der
Nachwelt zu erhalten. Günter Rath, der Vorsitzende des GHV, will im Jahrbuch des Vereins diesem Gedanken verstärkt Raum geben. „Villingen
im Wandel der Zeit“ – wie der neue Titel der
Jahrgangsbücher lautet – soll auch an Zeitgenossen erinnern, die ein Stück Kulturgeschichte dieser Stadt mitgeschrieben haben, aber dann etwas
aus dem Blickfeld entschwunden sind. Hier soll
des Künstlers und Bildhauers Willi Dorn gedacht
werden.
„Aus dem Abstand kommt vor…”
(2016)
2015 stand das Thema „Bürgerbeteiligung” stark in der öffentlichen Diskussion. Die Menschen sollten stärker in gesellschaftliche und politische Entscheidungsprozesse eingebunden werden. Wie konnten Bürger in früheren Zeiten ihre Meinung gegenüber den Gremien kundtun? Mit Formulierungen wie „Aus dem Abstand wird bekannt” oder
„Aus dem Abstand kommt vor” werden in den Villinger Ratsprotokollen derartige Äußerungen eingeleitet. Dem Bürgermeister oder einem Ratsherrn waren ein Gerücht, eine Anregung, Wünsche oder Beschwerden zugetragen worden, die er dann im Rat vorbrachte. Viele Aspekte kamen so zur Sprache und Entscheidung. Neben Beschwerden über
Personen oder Ereignisse gab es auch Anzeigen, die die allgemeine Sicherheit und Ordnung betrafen. Auch die soziale Kontrolle in der Stadt wird in den eingebrachten Fällen sehr augenscheinlich. Für den modernen Leser bleiben die anzeigenden Personen anonym. Bei der Überschaubarkeit der
Stadt im 18. Jahrhundert kann aber durchaus vermutet werden, dass jeder im Rat wusste, woher der „Tipp” kam.
Der Verfasser des Beitrags ist Schweizer und in Zürich
als Historiker tätig, gleichzeitig aber über seine in
Pfajfenweiler geborene und in Villingen aufgewachsene Mutter Roswitha Sieber-Kunz (1934-1986), die
1953 in die Schweiz auswanderte, Villingen eng verbunden. Umgekehrt will es die Ironie der Geschichte,
dass sein direkter Vorjahre Kaspar Kunz (1645-
1711) im Jahr 1680 aus Gossau im Zürcher Oberland in den Schwarzwald (Schenkenzell) auswanderte und zum katholischen Glauben konvertierte.
Der zweite Teil des Beitrags „ Vom Franziskaner
Mönch zum Buchdrucker, vom Villinger zum
Züricher: Balthasar Maler (um 1485?-1585) und
seine Familie" wird aus Platzgründen im Jahresheft
2004-2005 abgedruckt.
Zu den herausragenden Figuren der Villinger
Lokalhistorie und der Regionalgeschichte des heutigen Schwarzwald-Baar-Kreises muss der Sankt
Georgener Benediktinerabt Georg II. Gaisser
gezählt werden. Dieser Rang gebührt ihm nicht in
erster Linie wegen seines ordenspolitischen
Engagements während des Dreißigjährigen Krieges
oder wegen seiner Bemühungen um eine Reform
des von ihm geleiteten Klosters, sondern aufgrund
der Tagebücher, deren Anfertigung er 1621 begann
und erst knapp vor seinem Tod 1655 abbrach. Es
handelt sich dabei in einer an Selbstzeugnissen eher
armen Epoche um eine außergewöhnlich umfangreiche und aussagekräftige, über die Grenzen
Südwestdeutschlands hinaus bedeutsame autobiographische Quelle, die auf Tausenden von Seiten
vorwiegend in lateinischer, gelegentlich auch in
deutscher Sprache die Wahrnehmung, Deutung
und Bewältigung der Konflikte des Konfessionellen
Zeitalters durch einen katholischen Geistlichen
dokumentiert.'
Wenn wir unser Verhältnis zu Juden und
Jüdischer Geschichte betrachten, wird sofort an das
3. Reich und die Ermordung der Juden gedacht.
Dieser Blick bleibt notwendig. Aber daneben ist
auch ein anderer Blickwinkel nötig. Geschichte
nimmt immer nur einen Verlauf, aber es bestehen
verschiedene Möglichkeiten und wir sollten versuchen,
diese verschiedenen Möglichkeiten wahrzunehmen.
Das 3. Reich war nicht die einzige
Möglichkeit der Geschichte.
Die Sichtweise der jüdischen und nichtjüdischen
Bevölkerung Villingens zum Ende des 19. Jahrhunderts war eine andere. Die Bevölkerung lebte
nicht mit Blick auf die Katastrophe, sondern mit
Blick auf die vielfältigen Möglichkeiten des Lebens
und des Zusammenlebens.
Der Begriff der "Fahrbereitschaft" bezeichnet an sich einen Wagenpark samt dem dazugehörenden Personal für die Dienste der Verwaltung, des Militärs oder der Wirtschaft. Neben dieser bis heute unter den Bezeichnungen "persönlicher Fahrer des... " oder "öffentlicher Fuhrpark" anzutreffenden Einrichtung firmierte jedoch bis zum Ende der 1940er Jahre eine Verwaltungsstelle eigener Art. Recht häufig stößt man in der Kriegszeit und unmittelbaren Nachkriegsgeschichte auf diese weitgehend dem Vergessen anheim gefallene und durchgängig als "Fahrbereitschaft " bezeichnete Organisationseinheit, die für Landkreise und Städte wie auf Anforderung der Besatzungsbehörde oder der für verschleppte Ausländer zuständigen UNRRA, danach der OIR/IRO, Personen- und Warentransporte der unterschiedlichsten Art auszuführen hatte und der weitere Kompetenzen im Transportwesen zugeeignet waren. Ihre Anfänge reichen dabei zeitlich zurück in die zweite Hälfte der 1930er Jahre als dem Beginn einer gelenkten und für Kriegsvorbereitungen wie Kriegführung notwendigen Bewirtschaftung aller Transportkapazitäten.
Die Antwort auf die Frage, wann welcher Komtur
an der Spitze des Johanniterhauses in Villingen
stand, hängt naturgemäß von der Nennung der
betreffenden Persönlichkeiten in datierten Archivalien
ab. Aus diesem Grund weist die Reihe der
Villinger Komture bisher zeitliche Lücken auf.
Werden neue Nennungen greifbar, so lassen sich
solche Lücken eingrenzen oder ganz schließen.
Dies gilt auch für das 16. Jahrhundert, aus dem bis
1571 schon folgende Villinger Komture mit ihrer
„Regierungszeit“ bekannt gewesen sind:
Wilhelm von Remchingen 1485 – 1513
Gabriel von Breitenlandenberg 1518
Philipp Schilling von Cannstatt 1523
Wolfgang von Masmünster 1523 – 1536
Rudolf von Rüdigheim 1539 – 1541
Georg Andreas Kechler
von Schwandorf 1546 – 1571
Vor 75 Jahren wurde hier in Villingen im Tannhörnle der polnische Zwangsarbeiter Marian Lewicki an einer Eiche erhängt. Er war von einem Gericht zum Tode verurteilt worden, nachdem er und eine junge deutsche Frau wegen einer Liebesbeziehung denunziert worden waren. Zu einer Stunde des Gedenkens versammelten sich am 5. März 2017 zahlreiche Bürger unserer Stadt um das Sühnekreuz ( Abb. 1). Oberbürgermeister Rupert Kubon gedachte in einer Ansprache des furchtbaren
Ereignisses, Altdekan Pfarrer Kurt Müller sprach abschliessend ein Gebet.
Das Gutleuthaus oder Leprosorium war südöstlich vor der Stadt über dem linken Brigachufer erbaut worden. Das Haus ist auch als „die Siechen am Feld“ in der Zeit um 1322 erstmals genannt. In dem „Leprosorio“ oder Krankenspital wurden Aussätzige beiderlei Geschlechts ganz verpflegt. Nach dem Erlöschen des Aussatzes im Jahre 1480 wurde das Leprosorium weiterhin für Kranke benützt. Für Aussätzige waren im Mittelalter, wegen der
Langwierigkeit und Ansteckungsgefahr ihrer Krankheiten, vor den Toren der Stadt Spitäler und Gutleuthöfe erbaut worden. Von Zeit zu Zeit durften die Kranken in die Stadt, um Almosen zu sammeln. Laut einem Bericht im Buch: „Villingen, ein Führer durch die Stadt“ von Karl Kretz war ihnen später der Zutritt jedoch nur einmal während des Jahres gestattet, meist am Karfreitag.
Längst ist es für viele Pkw-Fahrer kein Schleichweg mehr, wenn es darum geht, beruflich, studentisch oder als Einkaufsbummler auf kürzestem Weg nach Freiburg zu gelangen: Tannheim, rechts weg in Richtung Zindelstein, an der Breg entlang nach Hammereisenbach und dann über Urach, St. Märgen und St. Peter; macht 66 Kilometer bis Ebnet.
Was in Wolfenbüttel, südlich von Braunschweig, zum Erfolg geführt hatte, sollte sich in Villingen wiederholen: Die Eroberung einer Stadt mittels einer Belagerung durch aufgestaute Wasser. Es wurde ein Fehlschlag. Im bedeutendsten Roman des 17. Jahrhunderts, dem „Abenteuerlichen Simplicius Simplicissimus“ von Christopher von Grimmelshausen, hat der Vorgang der Villinger Wasserbelagerung (18.06. bis 09.09.1634) in verwandelter Form Erwähnung gefunden: Simplicissimus ist ein Junge, der in den Wirren des Dreißigjährigen Krieges sein Elternhaus verliert und von einem im Wald lebenden Einsiedler aufgenommen wird.
Es war im Februar 2018, als ich folgende Mail erhielt: „Sehr geehrte Damen und Herren, mein Name ist Lotem Pinchover und ich bin Ph. D. Kandidatin der mittelalterlichen Kunstgeschichte an der Hebräischen Universität von Jerusalem, Israel (…). Ich schreibe meine Dissertation über mittelalterliche künstlerische Darstellungen von Jerusalem in deutschen Nonnenklöstern. Ich habe die interessante Geschichte des Bickenklosters und der Ablasstafeln kennen gelernt, und es machte mich sehr neugierig. Im April dieses Jahres beabsichtige ich, Deutschland zu besuchen, und ich würde gerne die Gebäude des ehemaligen Klosters besichtigen. Ist es möglich, das mittelalterliche Klostergebäude zu besuchen? (…)“
Er ist kein Unbekannter im Geschichts- und
Heimatverein Villingen, dem er als Mitglied angehört:
Dietmar Kempf, der sich als Modellbauer einen
Namen gemacht hat. Der GHV hat ihn und seine
Arbeiten in mehreren Jahresheften vorgestellt. Seine
großartigen Modelle von der Bickenkapelle, dem Alten
Kaufhaus und der Lorettokapelle fanden große
Bewunderung. Aber es geht ihm nicht um Bewunderung und Anerkennung, sondern er hat es sich zur
Aufgabe gemacht, Gebäude, die in der Stadtgeschichte
eine wichtige Rolle spielen oder gespielt haben, als
Modell zu erhalten und – wenn sie nicht mehr vorhanden sind - aus der Vergangenheit zurückzuholen.
Das ist ihm bisher sehr gut gelungen. Mit dem jetzt
fertiggestellten Modell von der Villinger Altstadt -
kirche, von der heute nur noch der Turm auf dem
Friedhof, als ältestes Bauwerk der Stadt, erhalten ist,
stellt er ein weiteres kunsthandwerkliches Meisterstück
vor und macht Villinger Vergangenheit wieder sichtbar.
Wer baden geht, fliegt!
(2014)
Am 2. November 1766 erließ Abt Cölestin Wahl in feierlicher lateinischer Sprache eine umfangreiche Schulordnung. 1 Sie regelte das schulische wie private Leben der Schüler (auf die Form „Schülerin“ können wir verzichten, am Benediktinergymnasium wurden nur Jungen aufgenommen) und liest sich in Teilen wie eine Programmschrift zu Menschenbild und Erziehung im ausgehenden 18. Jahrhundert.
Wie lassen sich die Bürgerbücher[1] in das Verständnis unserer Zeit übertragen? Was und wer ist ein
Bürger? Wem gehört z.B. ein Haus? Kaum zu glauben, dass beispielhaft in den zwei nachstehenden
lapidaren Eintragungsformulierungen der Schlüssel
zu einer Fülle spannender Informationen steckt:
„ltem, Johans Loseli ist burger an sinem halben
hus, waz Dietmars, wider Regelins hus" (Ebenso,
Johann Loseli ist Bürger an seinem Haus geworden,
das dem Dietmar gehört hatte, gegenüber dem
Haus des Regelin)
„ltem, Anna, relicta Hainrich Murers, ist burgerin
an irem halben huse, an dem tail wider der Glungginen
huse in brunnen-gassen"2 (Ebenso, Anna,
Witwe des Hainrich Murer, ist Bürgerin an ihrem
Haus geworden, das mit seiner Seite dem Haus der Glunggin in der Brunnengasse gegenüberliegt).
Was ist ein Kulturdenkmal?
(2019)
Unter einem Denkmal stellt man sich gemeinhin eine Skulptur auf einem Sockel vor. Der Sockel trägt eine Inschrift, die uns erklärt, welche berühmte Persönlichkeit dargestellt ist; wem das Denkmal gesetzt wurde. Die meisten dieser Denkmäler wurden im 19. Jahrhundert in städtischen Grünanlagen aufgestellt. Wie Nationaldenkmäler, Krieger- oder Gefallenendenkmäler, Grabsteine oder Grabplatten sind es bewusst gesetzte Erinnerungsmale oder Gedenkmale an eine Person bzw. an ein historisches Ereignis. Doch sind diese Denkmäler nicht automatisch auch gleichzeitig Kulturdenkmale. Aber sie können durchaus die Kriterien eines Kulturdenkmales erfüllen und damit im Sinne eines Denkmalschutzgesetzes denkmalfähig und denkmalwürdig sein.
Irgendwann, vermutlich Anfang des vergangenen Jahrhunderts, entstanden an den Innenwänden von Villinger Gasthäusern Wandmalereien, deren Anzahl, Orte und Darstellungen allgemein nicht bekannt und nur durch Vermutungen unterlegt sind. Von einem Ort, nämlich dem Gasthaus „Schwert“ in der Färberstraße, sind – durch Zufall – solche Malereien bekannt
geworden. Mit dem folgenden Fundbericht sollen die Umstände deren Entdeckung geschildert werden und im Weiteren die damit zusammenhängenden offenen Fragen dokumentiert werden.
Dunkelheit herrschte in der Kirche. Von draußen war das Rasseln der Panzer zu hören. Einige ältere Frauen beteten, andere weinten: Noch gut kann sich Manfred Ganter an die letzten Stunden des zweiten Weltkriegs erinnern, als er mit seinen
Eltern und Nachbarn ins nah gelegene Münster geflohen war, in dem der Ministrant und Chorknabe schon so manchen Bombenalarm verbracht hatte. Wie ein Lauffeuer ging es durch die Innenstadt, dass die Franzosen auf dem Vormarsch sind und bald Villingen erreicht haben werden. Die Bevölkerung suchte Schutz in den Häusern, Luftschutzkellern oder der Kirche.
Die Neubauten oder Neugestaltungen der Bezirksämter des einstigen Großherzogtums Baden waren durchweg lange und sorgfältig geplante Vorhaben. Wie alle anderen öffentlichen Bauten oder städtebaulichen Gestaltungen der Jahre von 1870 bis 1900 ist ihnen bis heute recht wenig Beachtung geschenkt worden. Dem beginnenden Funktionalismus der Nachkriegszeit gar galten sie als der Architektur unwürdige Produkte einer geringgeschätzten wilhelminischen Epoche. Bis in die 1960er Jahre und den Beginn einer intensiven Auseinandersetzung der Denkmalpflege mit dem architektonischen Bestand sah man in diesen
baulichen Hinterlassenschaften des späteren 19. Jahrhunderts zweifelhafte Werke. Die Umstände und Hintergründe der Ausstattung und des Baues der Bezirksamtsgebäude in Donaueschingen und Villingen werden damit nicht nur zu einem Teil regionaler Verwaltungsgeschichte, sondern fügen sich auch in die Architekturgeschichte der Baar.
Das Beständigste an einer Stadt ist der Wandel, was nicht nur für das alte Villingen sondern längst auch für VS gilt. Ein Wandel über Jahrhunderte, der mit vielen Handwerkernamen verbunden war und ist, ist die Tatsache, dass vor mehreren Jahrzehnten die letzte Schmiede-Werkstatt schloss, die von Hans Stern (1926 – 2008) in der Rietstraße betrieben wurde.
Es wäre uns heute kaum mehr vorstellbar, das tägliche Leben ohne die Leistungen des modernen Zahlungsverkehrs zu bewältigen. Deren technisch-organisatorische bzw. rechtliche Basis ist das eigene Girokonto bei einer Bank oder Sparkasse, auf das in traditioneller Weise oder online jederzeit zugegriffen werden kann. Diese für den größten Teil der Bevölkerung selbstverständliche Einrichtung war einigen Bevölkerungsgruppen nicht zugänglich, was zu der Forderung von Politikern und Sozialverbänden geführt hat, auch diesen Menschen, die „gesellschaftliche Teilhabe“ (Caritas) zu ermöglichen. Denn die Leistung von periodischen Zahlungen (z.B. Miete, Strom, das Beziehen von Lohn oder Transferleistungen) ist heute nicht mehr möglich, da der diesbezügliche Barverkehr (z.B. von Gemeindekassen) eingestellt ist.
Zur ständischen Festkleidung, der sogenannten
„Tracht“ wie wir heute sagen, gehörte auch in der
ehemaligen Reichsstadt Villingen bei höheren
Ständen sowie bei Bürger- und Bauersfrauen die
entsprechende Kopfbedeckung.
Das Bedecken des weiblichen Kopfes gehörte
seit altersher zum Normverhalten des weiblichen
Geschlechtes, eingeführt von den Männern zur
optischen Verschließung der Frau. Schreibt doch
schon der Apostel Paulus im Brief an die Korinther
(11/5–7): „… jede Frau dagegen, die betet oder aus
Eingebung redet mit unverhülltem Haupt, entehrt
ihr Haupt …, denn wenn eine Frau sich nicht verhüllt, so lasse sie sich auch das Haar abschneiden …, denn der Mann ist das Abbild und
Abglanz Gottes, die Frau ist aber der Abglanz des
Mannes.“ Aus diesem Tuch, der den Kopf bedeckte, entwickelte sich im Laufe der Zeit der
mittelalterliche „Schlayer“, aus diesem wiederum
eine gebundene Form, die „Gebende“, wie sie uns
auf Bildwerken und Statuen (Uta v. Naumburg)
überliefert ist.
„... Als 1872 die Großherzoglich Badische Post in die Kaiserliche Reichspost eingegliedert wird, erhält Villingen ein kaiserliches Postamt“, schreibt das Mitglied des Geschichts- und Heimatvereins Walter K.F. Haas. Von ihm erfahren wir auch, dass ab 1875 das kaiserliche Postamt in der Niederen Straße 24 (damals Nr. 388) im Hause der Familie Beha (heute Haus Sutermeister) untergebracht war. Vom „Postdirektor“ bis zum „Hilfsbriefträger“ betrug das Personal neun Personen, dazu kamen vier Landbriefträger und drei Bürodiener. In der ganzen Stadt gab es drei Briefkästen. Die amtliche Verkaufsstelle für Postwertzeichen befand sich 1884 bei Kaufmann Karl Butta, Marktplatz 185 (heute Parfümerie Butta-Stetter, Bickenstraße).
Geschichte der Villinger Vereine ist immer auch ein Stück Geschichte der Stadt. Das trifft in besonderem Maße auf die Stadt- und Bürgerwehrmusik Villingen zu, deren Aufgabe es ist – neben der Pflege einer lebendiger Volkskultur auf musikalischem und gesellschaftlichem Gebiet – die Stadt nach Außen hin zu repräsentieren. Der Geschichts- und Heimatverein fühlt sich dieser städtischen Einrichtung seit jeher eng verbunden. Im Jahresheft 2005 soll das in diesem Beitrag zum Ausdruck kommen, der sich mit der Historie der Stadt- und Bürgerwehrmusik beschäftigt. In langer und mühevoller Arbeit hat unser Mitglied Lore
Schneider auf mehr als 750 Din-A4-Seiten eine Chronik erstellt, die als lebendiges Zeugnis einer fast 200-jährigen Musiktradition in der Zähringerstadt angesehen werden kann.
Im Jahr 1935 wandte sich der Kinobetreiber Robert König aus Lörrach mit dem Vorhaben an die Stadt Villingen, gegenüber dem Riettor ein neues Kino zu bauen. Er besaß bereits sechs Kinos, zwei davon in Villingen, letztere aber nicht mehr in zeitgemäßem und der aufstrebenden Stadt angemessenem Zustand. Es handelte sich um die „Hinterhofkinos“ Kammer-Lichtspiele und Union-Tonfilm-Theater.
Bei Berufen in der Vergangenheit kann man an vieles denken, an Stadt- und Tor-Knechte, an Zapfenwirte und Wein-Kontrolleure, an Ziegelherren oder auch an Schwarz-(Brot)-Bäcker. Dass es in Villingen jedoch mal Berufsfischer gab, wie den
Mathias Riegger, das hätte selbst der gebürtige Villinger mit Historien-Ambitionen nicht gedacht. Fischer Riegger kam nun aber nicht seiner aufrichtigen berufsständischen Haltung wegen in die Annalen, vielmehr wurde er 1683 „eingetürmt” und wenige Tage später noch mit einer sehr hohen Geldstrafe von 50 Gulden belegt.
Das Jahrzehnt der großen, der unvergesslichen Ereignisse, aber auch das Jahrzehnt der Gegensätze ging zu Ende. Die Bundesrepublik war etabliert, die erste Wirtschaftskrise gemeistert und die Gastarbeiter hatten ihre Speisen und
Lebensgewohnheiten eingeführt, die auch die Gewohnheiten der Einheimischen umgestalteten und zur Wohlstandsgesellschaft beitrugen. Die ab 1950 zugewiesenen Flüchtlinge waren weitestgehend integriert. Die endgültige Teilung Deutschlands durch den Mauerbau und die Grenzsicherungsmaßnahmen waren von hier aus ein geschichtliches Ereignis, aber weit weg. Nah dagegen war das Wiedererstarken der Rechten Bewegung, die NPD, die in viele Kommunal- und Landesparlamente einzog. Zur Landtagswahl 1968 hatten 5 Parteien Kandidaten aufgestellt: CDU Karl Brachat; SPD Hans Frank; FDP/DVP Johannes Isslei; DL (Demokratische Liste) Walter Egle; NPD Horst Kuranski. Die NPD erreichte 9,8 Prozent und zog in den Landtag von Baden-Württemberg ein. Auf der anderen Seite protestierten die Studenten gegen die erstarrten Strukturen in Universitäten und Gesellschaft, die „braune” Vergangenheit und die Notstandsgesetze. Da die nächsten Universitäten Tübingen und Freiburg waren, spürte man in Villingen von diesen Unruhen weniger. Allerdings löste auch hier der Mord an Martin Luther King einen Schock aus, und man bejubelte den ersten Flug von Menschen zum Mond und den ersten Schritt Neil Armstrongs am 21. Juli 1969 auf dem Mond.
Die Glocken des knapp vier
Jahrhunderte in der Zähringerstadt ansässigen Unternehmens
Grüninger befinden sich in aller
Herren Länder. Allerdings sind
kaum Exemplare in Villingen
erhalten geblieben: Sie wurden
ein- oder umgeschmolzen und
haben Kriege nicht überstanden.
Dennoch oder vielleicht gerade
deswegen besitzen für zahlreiche
Villinger Grüninger-Glocken
einen magischen Klang.
Villingen und Munderkingen
(2010)
Es gibt sicher eine Vielzahl von historischen Verbindungen Villingens mit anderen Orten. Bernd Riedel berichtete über Villingen und Munderkingen, zwei Habsburger Städte, mit
ähnlicher wechselvoller Geschichte. Bis 1797 war Villingen habsburgisch, wurde 1805 für knapp ein Jahr Württemberg zugesprochen und wurde 1806 badisch. Munderkingen kam nach dem Pressburger Frieden 1805 von Habsburg zu Württemberg. Munderkingen liegt mit seinen ca. 6000 Einwohner in der Nähe von Ulm an der Donau. Es wurde schon 792 erwähnt und bekam 1230 das Stadtrecht von den Herren von Emerkingen. Noch vor 1297 wurde es an Österreich verkauft, um dann Ende des 14. Jahrhunderts von den Habsburgern an die Truchessen von Waldburg verpfändet zu werden. Munderkingen schloss sich mit den Städten Mengen, Riedlingen, Saulgau und Waldsee, die ebenfalls alle gepfändet waren, zum „Bündnis der Donaustädte“ zusammen. 1680 konnten diese Städte die Pfandherrschaft abschütteln und wieder unter die Habsburger Herrschaft gelangen. Durch die Klöster Marchtal, Zwiefalten und das Franziskanerkloster St. Anna wurde eine bekannte Latein schule in Munderkingen aufgebaut.
Zwischen der Verleihung Villingens als Reichslehen an die Grafen von Fürstenberg (1283) und dem Übergang der Stadt an die habsburgisch-österreichischen Herzöge (1326) liegt die fürstenbergische Zeit des Baarortes. Zwar hatten die Fürstenberger schon seit den 1250er-Jahren (bedeutenden)
Einfluss auf Villingen gehabt, doch erst 1283 war – zusammen mit der Übernahme der Baargrafschaft – ihre Herrschaft allgemein anerkannt. Das Nachfolgende will einführen in die Geschichte der
Fürstenberger Grafenfamilie und in die fürstenbergische Zeit Villingens.
Mit dem Tod Herzog Bertholds V. (1186 – 1218) endeten über zweihundert Jahre Zähringerherrschaft über Villingen, eingeleitet mit der Villinger Markturkunde Kaiser Ottos III. (983 – 1002) vom 29. Mai 999, ausklingend mit der Entwicklung
Villingens zur hochmittelalterlichen Stadt unter ebendiesem Berthold als fundator ville Vilingen. Nicht jedoch die mit den Zähringern verwandten Herzöge von Teck oder die Grafen von Urach setzten sich in Villingen fest, sondern es waren die staufischen Könige und Kaiser, die Villingen – wohl für mehrere Jahrzehnte – zu einer „Königsstadt” machten, Ansprüche ihrer politischen Gegner auszugrenzen versuchten und damit das ehemalige Konkurrenzverhältnis zwischen Staufern und Zähringern im (oberen) Neckarraum zu ihren Gunsten entschieden. Jedenfalls sind staufische Aktivitäten in Villingen für die Zeit um 1220, um 1240 und für die 1240er Jahre bezeugt.