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Ich bin im August 1937 in Bruchsal geboren und wohnte bis zur Zerstörung der Stadt am ersten März 1945 in einem großen L-förmigen Mietshaus, mit zwölf Wohnungen und zwei Eingängen. Der eine Eingang mündete auf die Wilderichstraße und der andere auf die Schloßstraße. Der geräumige Hinterhof mit seinen Teppichstangen und kleinen Gärten war allen gemeinsam. Und die Kinder vom Eingang Wilderichstraße und vom Eingang Schloßstraße kannten sich und spielten miteinander. Für
mich kam vom Eingang Wilderichstraße altersgemäß nur der gutmütige „Hauserklaus" in Frage. In meinem Eingang wohnten Winfried und Gisela, die ein Jahr älter waren, und als stolze Erstkläßler auf mich herabsahen. Als Besitzerin eines - mit einer Kerze betriebenen - Puppenherds, auf dem man nicht nur Brotsuppe kochen konnte, wußte ich mich aber unentbehrlich zu machen.
In verklärtem Glanz der Sonntagssonne erscheint mir das Elsaß im Rückblick auf meine Kinder- und Jugendtage. Besuche auf der Hochkönigsburg mit den Eltern oder Großeltern, in einem Alter, in welchem Ritterromantik bereits faszinieren konnte, doch der Begriff von Staatlichkeit, gerade auch der unterschiedlichen Staatlichkeit zwischen Deutschland und Frankreich noch völlig unbekannt war. War es nicht so, daß man vor dem Strasbourger Münster, dessen Einmaligkeit und besonderer Bedeutung man sich noch gar nicht richtig bewußt war, solange man nicht auf die Sprache achtete, gar nicht bemerkte, daß man nicht mehr in Deutschland war? Einzige Auffälligkeit waren doch die vielen mobilen Händler, die nicht nur mit ihrem buntscheckigen Warenangebot Aufmerksamkeit erregten, sondern auch ihrer dunklen Hautfarbe wegen. Des Meisterwerks der Rosette des Münsterbaumeisters Erwin von Steinbach, des Wunderwerks der astronomischen Uhr und des tiefen Sinnes von „Ecclesia" und „Synagoga" bin ich mir erst viel später bewußt geworden.
Baden, meine zweite Heimat
(2001)
Als geborener Straßburger aus der Zwischenkriegszeit verbrachte ich wie die meisten Stadtkinder bäuerlicher Herkunft den größten Teil meiner Schulferien auf dem Lande bei den Großeltern, vorwiegend mütterlicherseits, und zwar in Kilstett, einem friedlichen Ried-Dorf unweit des Rheins, nördlich von Straßburg auf der legendenumwobenen Goethe-Straße nach
Sesenheim.
Daß der Rhein eigentlich keine Trennungslinie ist, zeigte am Oberlauf schon immer die Praxis. Wir sehen dies hier am Beispiel der Grafschaft Hanau-Lichtenberg: Das heute noch sogenannte Hanauerland umfaßt die Landschaften um das rechtsrheinische Kehl und das linksrheinische Buchsweiler und Lichtenberg, nordwestlich der Stadt Hagenau. Dieses Land
am Oberrhein gehörte seit 1480 zur Grafschaft Hanau-Lichtenberg. Der linksrheinische Teil kam 1763 an Hessen-Darmstadt, die rechtsrheinischen Ländereien an Baden. Im elsässischen Hanauerland waren auch die Herren von Gayling begütert, insbesondere im Gebiet Pfaffenhofen-Niedermodern, Berstett, Zutzendorf etc ... , wo mehrere kleinere Schlösser in ihrem Besitz waren. Die Gemeinde Niedermodern hat auch noch heute das Gaylingsche Wappen in ihrem Siegel. Heute hat die
Familie von Gayling ihren Wohnsitz im Schloß Ebnet bei Freiburg, nachdem sie ihre elsässische Heimat in den Wirren der französischen Revolution 1793 verlassen mußte.