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Alle drei auf dem Studientag in Bretten gehaltenen Referate haben, was ja schon für sich erfreulich und gar nicht selbstverständlich ist, zu lebhaften Diskussionen geführt. Im Einverständnis mit den Referenten ist gegen Ende der Veranstaltung verabredet worden, dass ich meine Anfragen an die beiden kirchengeschichtlichen Referate „zu Papier“ bringen solle, damit sie, zusammen mit diesen abgedruckt, auch den nicht an der Tagung beteiligten Leserinnen und Lesern des Jahrbuchs für badische Kirchen- und Religionsgeschichte zur Kenntnis gebracht werden können. Die Schwierigkeit ist nun, dass Dr. Stössel – aus Gründen, die ich nicht kenne – einen völlig anderen Text zur Veröffentlichung vorgelegt hat, als er ihn in Bretten vortrug. Ich werde deshalb kurz die Pointe seines Brettener Vortrages und meine darauf bezogenen Anfragen rekapitulieren müssen – sie waren ja überhaupt der Anlass für die genannte Verabredung –, um anschließend, ebenfalls kurz, auf den jetzt vorgelegten Text einzugehen. Auch der Vortragstext von Herrn Kollegen Ehmann hat sich, wenn mich meine Erinnerung an das in Bretten Vorgetragene nicht trügt, etliche Veränderungen, nicht nur in der Tonart, gefallen lassen müssen, ohne dass darüber meine in Bretten freilich nur angedeuteten Vorbehalte einfach gegenstandslos geworden wären.
In 2Mose 20,8 heißt es: Gedenke des Sabbattages, dass du ihn heiligest. Unter Kaiser Konstantin löste der Sonntag den Sabbat als arbeitsfreien Ruhetag ab (321 n.Chr.). Im Mittelalter galt der sonntägliche Gottesdienst als Kirchengebot. Heute ist der Sonntag verfassungsmäßig geschützt. Die einschlägige Bestimmung lautet: Der Sonntag und die staatlich anerkannten Feiertage bleiben als Tage der Arbeitsruhe und der seelischen Erhebung gesetzlich geschützt. Es handelt sich um Art. 139 der Verfassung des Deutschen Reichs vom 11. August 1919, der sog. Weimarer Reichsverfassung. Diese Vorschrift ist gemäß Art. 140 GG – neben anderen Artikeln der Weimarer Reichsverfassung, den sog. Weimarern Kirchenartikeln – Teil des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland geworden. Sowohl der Gedanke der Sabbatruhe, der Unterbrechung der Arbeit, als auch derjenige des Gottesdienstes wird aufgenommen, auch wenn nicht von „Gottesdienst“, sondern von „seelischer Erhebung“ die Rede ist. Bei der Einbringung hob der Berichterstatter, der Abgeordnete Mausbach von der Zentrumspartei, hervor, die Vorschrift schütze die öffentliche Sitte und die christliche Tradition und Religionsausübung. Die großen geschichtlichen Bestandteile der Kultusausübung enthielten aber auch wertvolle Freiheitsrechte für die Einzelnen, und gerade diese Seite der Sonntagsruhe, die Schonung der Freiheit und der sozialen Gleichwertigkeit aller Klassen, sei darin angesprochen.
Reformation und Politik
(2015)
Kirchenhistorische Zugänge oder Einführungen werden oft als hilfreich empfunden, da sie die theologischen oder politischen Fragen, die erörtert werden sollen, in ihren geschichtlichen Zusammenhang einordnen. Und dann freut sich der Kirchenhistoriker. Es kann sich aber auch ganz anders verhalten: Dann, wenn historisch zunächst ein Rahmen zu beschreiten und zu beschreiben ist, der uns zeigt, wie weit wir heute von den Problemen anderer, früherer Zeiten entfernt sind. Wenn wir also auf Luthers Spuren ein Problem verfolgen wollen und als erstes erkennen, dass diese Spuren bald 500 Jahre alt sind.
Es gibt dann drei Möglichkeiten: Die erste: Wir verneigen uns tief vor Luther und seinen Anschauungen und übertragen diese direkt in unsere Zeit – und stellen dann mit Verwunderung fest, dass niemand heutzutage solches noch für aktuell ansieht. Die zweite Möglichkeit: Wir verneigen uns vielleicht noch tiefer vor Luther und seinen Anschauungen, um dann selbst festzustellen, dass diese zwar interessant seien, aber für die Gegenwart wohl doch keinerlei Bedeutung haben. Und die dritte Möglichkeit (die ich diese favorisiere) ist die: Luther aus seiner Geschichte und Wirkung verstehen; und dann prüfen, ob seine Kriterien politischen Handelns für uns einen inneren Anspruch auf Geltung erheben dürfen oder gar müssen.
Die finanziellen Leistungen des Staates an die Kirchen stehen immer wieder in der Kritik der Öffentlichkeit, weil die Ursachen und Voraussetzungen für die Zuweisung sog. Staatsleistungen an die Kirchen häufig nicht bekannt sind. Zu unterscheiden sind dabei einerseits „Staatsleistungen“, die der Staat der Kirche für bestimmte vertraglich vereinbarte Leistungen zugesteht, die andernfalls vom Staat erbracht werden müssten, die aber die Kirchen übernommen haben, etwa im Bereich der Schulen, der Diakonie etc. Andererseits beziehen sich „Staatsleistungen“ auf Ansprüche der Kirchen, die sich aufgrund der Inkamerierung oder Säkularisation von Kirchengut seit der Reformation ergeben haben, die also gewissermaßen als Entschädigungsleistung für vom Staat entfremdetes Kirchengut zu verstehen sind. Über diese historisch begründeten Staatsleistungen kursieren in der evangelischen Kirche auch in Fachkreisen zum Teil unrichtige Vorstellungen, so etwa wenn diese Leistungen einseitig aus der „Säkularisation“ der Jahre 1802/03 hergeleitet werden, die die evangelische Kirche vermögensrechtlich nur in geringem Maße betraf. Für die evangelischen Kirchen muss man hierbei vielmehr vor allem auf die Säkularisationen der Reformationszeit zurückblicken und auch die „verdeckten“ Säkularisationen durch politische Entscheidungen in der Mitte des 19. Jahrhunderts mit berücksichtigen.