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Der Osnabrücker Kirchenhistoriker Martin H. Jung behandelt 2014 in seinem inzwischen zu einem Standardwerk avancierten Studienbuch „Kirchengeschichte“ auch die Bedeutung von Kirchengeschichte in der Region: „Geschichte hat immer regionale und lokale Bezüge […] häufig kann die große Geschichte gerade an der Lokal- und Regionalgeschichte anschaulich werden. […] Unsere unmittelbare Umgebung ist wie ein aufgeschlagenes Religionsbuch oder ein geöffnetes Archiv.“ Zur „unmittelbaren Umgebung“ von Menschen, die in unserer Landeskirche tätig sind, gehören häufig die Pfarrämter und Dekanate mit ihren teilweise ausführlichen Archiven. In vielen Pfarrämtern findet sich neben der Sammlung der Verhandlungen der Badischen Landessynode meist auch das Gesetzes- und Verordnungsblatt. Beide
Publikationen sind also gut greifbar und bilden über die Jahrzehnte hinweg einen interessanten Schatz zur regionalen Kirchengeschichte Badens.
Als vor etwa einhundertfünfzig Jahren in Baden eine ganze Reihe von evangelischen Kirchengemeinden mit den jeweiligen bürgerlichen Gemeinden Verträge über die Kostenträgerschaft des Organisten- und des Messnerdienstes schloss, entstand ein Vertragstypus, dessen Hintergründe und Zielrichtung heute weitgehend in Vergessenheit geraten sind. Dies ist nicht nur aus Gründen der Rechtsklarheit misslich, zumal die Verträge grundsätzlich noch heute in Geltung stehen, sondern auch aus kirchenhistorischen Gründen: An diesen Verträgen kann die Entwicklung in der organisatorischen Trennung von Staat und Kirche quasi im Mikrokosmos nachvollzogen werden, und zwar an der Schnittstelle von Schule, kirchlicher und bürgerlicher Gemeinde. Außerdem kann an diesen Verträgen der Übergang von der Naturalwirtschaft zur
Finanzwirtschaft im 19. Jahrhundert abgelesen werden.
Historia ecclesiae badensis
(2017)
Die hier vorgestellte Skizze und der folgende Aufbau einer geplanten Darstellung einer badisch-evangelischen Kirchengeschichte beleuchten ein Projekt, das – so Gott will und wir leben – meine akademische Lehrtätigkeit begleiten und bestimmen soll. Ein Teil davon ist bereits in Vorlesungen an der Universität Heidelberg oder auch auch in der Oberrheinischen Sozietät an der Theologischen Fakultät vorgestellt worden. In diesem ersten Überblick, der vor allem methodische Grundentscheidungen veranschaulichen soll, sind alle Hinweise auf Literatur weggelassen worden. Gerne und dankbar nehme ich evtl. Hinweise auf bisher vernachlässigte Aspekte und Perspektiven zur Kenntnis.
Symbol und Konfession
(2017)
Symbol und Konfession. Es legt sich nahe, den Wörtern auf den Grund zu gehen – ad fontes. Die Maxime der Humanisten ist kein Mythologem auf Vergangenheit. Sie zielt auf Gegenwart. Sie nimmt das Gegebene als Gewordenes wahr. Wer es unternimmt, das Gegebene auf seine Quellen zu befragen, hat ihm das Prädikat der Unhinterfragbarkeit schon entzogen. Die Reformation hat hinterfragt: den Zustand der Kirche, die herrschende Lehre, die kirchliche Hierarchie, die gegebenen Machtverhältnisse. Das nahm vor 500 Jahren seinen Anfang. Ad fontes.
Am 31. Januar 2016 ging die Geschichte der Freiburger Lutherkirche als Sakralgebäude im Rahmen eines feierlichen Entwidmungsgottesdienstes unter Teilnahme der südbadischen Prälatin Dagmar Zobel zu Ende. Damit verlor die Evangelische Kirche in Freiburg ihr größtes Kirchengebäude und gleichzeitig die einzige protestantische Kirche, die sich an einem der großen, belebten Plätze der Stadt, nämlich dem Friedrich-Ebert-Platz, befand. Damit endete die fast einhundertjährige Geschichte der Freiburger Lutherkirche, deren erster, 1919 eingeweihter Bau, beim Großangriff auf Freiburg am 27. November 1944 vollständig zerstört worden war. Der unter großen Opfern in den Nachkriegsjahren wiederrichtete Kirchenbau war am 14. Juni 1953 im Beisein des damaligen badischen Landesbischofs Julius Bender eingeweiht worden. Der Entwidmung vorausgegangen war eine fast fünfzehnjährige Diskussion, ob und wie das Areal der Lutherkirche zu verwenden sei. Schon lange war klar, dass die Lutherkirche mit mehr als 800 Plätzen für die stets rückläufige Zahl an Gottesdienstbesuchern und Gemeindegliedern viel zu groß war. Nach langen Verhandlungen ging die Lutherkirche dann 2016 auf Basis von Erbpachtzins an das Freiburger Universitätsklinikum, das im Innern des großen Kirchenraumes einen zentralen Hörsaal für Medizinstudierende einbaute. Der Korpus der Lutherkirche sowie der Glockenturm
mit dem Geläut blieben erhalten, so dass das äußere Erscheinungsbild der Lutherkirche bleiben wird, wenngleich nicht mehr in Funktion als Kirche.
Sehr herzlich möchte ich Sie am heutigen Abend zur dieser Veranstaltung begrüßen, die für manche unter Ihnen hinsichtlich ihrer Zielsetzung vielleicht noch etwas kryptisch geblieben ist. Doch immerhin so konkret waren ein Bild, ein Gemälde und vor allem ein Name auf unserer Einladung, dass Sie heute Abend da sind und vielleicht doch gespannt, was sich hier in der nächsten Stunde ereignen mag. Im Folgenden möchte ich Ihnen in der notwendigen Kürze, aber auch klar genug
vorstellen, was heute Abend und in Zukunft unter einer Oberrheinischen Sozietät verstanden werden soll und – gerne gebe ich es zu – für diese Ihr Interesse wecken. Nach einem weiteren Musikstück möchte ich – gleichsam als erste Aktion dieser
dann eröffneten Oberrheinischen Sozietät – eine Veröffentlichung, nämlich die neueste Veröffentlichung von Professor Eike Wolgast vorstellen, eine Aufsatzsammlung, die vom Verein für Kirchengeschichte in der Evangelischen Landeskirche in Baden verantwortet wird. Ich freue mich, dass dazu auch ein Vertreter des Kohlhammer-Verlages, Herr Dr. Sebastian Weigert, unter uns ist und das Wort ergreifen wird. Ich begrüße Sie sehr herzlich.
Wer [...] an den großen Bekenntnissynoden [...] teilgenommen hat, wird niemals wieder den tiefen Eindruck dieser Tage vergessen. Vor allem nicht den der Synode von Barmen [...]. Die klare, ja, freudige Entschlossenheit der Versammelten [… !]
Und die große öffentliche Schlusskundgebung im Freien: Wie da das Kirchenvolk zu Zehntausenden zusammenströmte aus dem ganzen bergisch-märkischen Lande! Mit der Bahn, auf Fahrrädern, mit Omnibussen, Bauernwagen, Fahrzeugen jeder nur denkbaren Art. Bergleute, Bauern, Bürger, Industriearbeiter, Gebildete und Ungebildete – alles vereint im Drang des Bekennens und im offenen, lauten Gebet um die Freiheit des Glaubens. So schildert der Freiburger Historiker Gerhard Ritter im Rückblick jene erste Bekenntnissynode, die vom 29. bis 31. Mai 1934 in der Evangelischen Kirche von Barmen-Gemarke (Wuppertal) stattgefunden hat. Ein wenig klingt es wie „Kirchentag“, und man wundert sich auch nach 80 Jahren noch: Was muss das für ein Ereignis gewesen sein? Dieser Frage werden wir in drei Schritten nachgehen. Im Anschluss an die Bewertung der Synode durch Gerhard Ritter informieren wir uns zunächst über die badische Barmen-Delegation. Wir befassen uns mit dem Auslöser der Barmer Theologischen Erklärung, den kirchenpolitischen Zielen der sog. Glaubensbewegung Deutsche Christen und mit ihrem politisch-theologischen Hintergrund. Schwerpunkte bilden
dabei die Propagierung des „Arierparagraphen“, die Sportpalastveranstaltung und die wichtigsten jener Maßnahmen, die auf die sog. Gleichschaltung der Evangelischen Kirche zielten.
Im Staatsarchiv Freiburg findet sich ein bisher in der Forschung eher wenig beachteter Aktenbestand „Entnazifizierung evangelischer Pfarrer 1945-49“. Das Freiburger Staatsarchiv verwaltet als Teil des Landesarchivs Baden-Württemberg vor allem Bestände der Ministerien und Behörden des 1952 erloschenen Landes (Süd-) Baden sowie Verwaltungsunterlagen staatlicher Behörden im Bereich Süd-Baden seit 1806, des weiteren wichtige Dokumente aus der französischen Besatzungszeit. Zudem enthält das Staatsarchiv auch den – teilweise lückenhaften – Bestand sämtlicher Entnazifizierungsakten aus dem südbadischen Teil der französischen Besatzungszone. Die Entnazifizierungsakten von stärker NS-belasteten Personen, die deswegen interniert wurden, befinden sich im Archiv des französischen Außenministeriums „Centre des archives diplomatiques“ in La Courneuve bei Paris. Einen ersten Überblick zur Kirchenpolitik der französischen Besatzungsmacht lieferte Jörg Thierfelder bereits 1989. Zu diesem Zeitpunkt gab es zu diesem Thema noch überhaupt keine Publikation. Dabei wies Thierfelder darauf hin, dass die Franzosen im Gegensatz zu US-Amerikanern und Briten keine eigenständige Planung für die Kirchenpolitik in ihrer Besatzungszone hatten. Die Zeitspanne zwischen der Konferenz von Jalta im Februar 1945, auf der Frankreich eine eigene Besatzungszone zugesprochen worden war, und dem Einmarsch der französischen Armee nach Südwestdeutschland ab Ende März 1945 war hierzu viel zu kurz gewesen. Insgesamt stellte Thierfelder eine ausgesprochen freundliche Behandlung der beiden Kirchen durch die französische Besatzungsmacht fest, die sich positiv von der allgemeinen Behandlung der deutschen Zivilbevölkerung abhob. Für den Bereich der württembergischen Landeskirche gab es so gut wie keine Berichte über Hausdurchsuchungen von
Gottesdiensträumen oder Pfarrhäusern und von Beschlagnahmungen.
Wer, meine sehr verehrten Damen und Herrn, durch ein Kaleidoskop blickt, erblickt viele Bilder, genauer: ein Bild in vielfach gebrochenen Formen, freilich so, dass sich daraus eben ein Anblick von vielen, schönen und bunten Formen erschließt. Und eben dies ist mein Anliegen: Ihnen im gesprochenen Wort ein paar wenige historische Bilder vor Augen zu malen. Ob sich daraus ein Bild ergibt? Ich weiß es nicht. Aber der Bezugspunkt ist klar. Es ist der evangelische Gottesdienst in der Schlosskapelle bzw. -kirche und dessen 150. Jubiläum.
Verbum Dei manet in aeternum
(2015)
Predigt und theologische Lehre ereignen sich nicht im luftleeren Raum. Sie sind Deutung und Orientierung konkreten Ergehens im Licht des Wortes Gottes. Wenn Sie heute freundlicherweise der Einladung zu einem Gespräch zum Thema Wort Gottes, Kirche und Konfession im Licht der Barmer Theologischen Erklärung gefolgt sind, wissend, dass dieses Gespräch durch mein mit dem 1. November 2008 wirksam gewordenes Ausscheiden aus dem aktiven Kirchendienst veranlasst ist, so möchte ich einstimmungsweise jetzt zunächst bedeuten, dass ich im Folgenden keinen abgerundeten theologischen Vortrag anbieten werde. Ich möchte vielmehr versuchen, das, was Predigt und Lehre, Gemeindeleben und kirchliches Handeln in dieser Zeit, die ich gelegentlich mitverantwortlich begleiten durfte, manchmal subkutan und eher
verborgen, manchmal aber auch ganz offenkundig geprägt hat, gewissermaßen atmosphärisch spürbar zu machen.
Gespräch heißt auf lateinisch sermo. „Sermo“, so hat der für meine Arbeit und mein Selbstverständnis als Pfarrer wichtigste Lehrer, der Heidelberger Dogmatiker Peter Brunner, an bestimmter Stelle ausgeführt, „bedeutet eigentlich ein ruhiges,
gelassenes Gespräch über einen bestimmten Gegenstand, auch eine einfache Rede im Gesprächston.“ Also möchte ich Ihnen heute einen Sermon halten, eine Ansprache und einfache Rede im Gesprächston, eine Nachdenklichkeit über die Farbe der Zeit.