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Der Anlass des heutigen Vortrags, ja der ganzen Veranstaltungsreihe, in deren Rahmen er stattfindet, ist ein vergleichsweise unspektakuläres Schriftstück vom 3. September 1718. Es ist keine feierliche Stadterhebungsurkunde, sondern ein einfaches Reskript, ein nüchterner fürstlicher Befehl, der innerhalb der Landesverwaltung publiziert und an den Geheimen Rat des Herzogtums gerichtet war. Herzog Eberhard Ludwig – »von Gottes Gnaden Herzog zu Württemberg und Teckh, Graf zu Mömpellgard, Herr zu Heydenheimb, der römischen kayserlichen Mayestät, des heyligen römischen Reichs und des löblichen schwäbischen Creyses Generalfeldmarschall, auch Obrister über drey Regimenter zu Roß und Fuß« – gibt darin folgenden Beschluss (»unsere gnädigste resolution«) bekannt: Seiner Residenz Ludwigsburg sollen das bisherigen Amt Gröningen sowie Asperg, Hoheneck, Neckarweihingen, Kornwestheim und weitere Orte »incorporiert und ein Oberamt daraus gemacht« werden. Es folgen weitere Anordnungen über die Verwaltung der bisherigen Ämter und des neuen Oberamtes, der Amtskellerei, der Besteuerung sowie der geistlichen Jurisdiktion. Eberhard Ludwig verfügt weiterhin, dass Ludwigsburg zwei Jahrmärkte, je acht Tage nach der Frankfurter Messe, erhalten soll und dass alle inkorporierten Orte, insbesondere aber auch die Kaufleute aus Stuttgart dort ihre Waren anbieten sollen. Ferner sollen die Handwerkerzünfte aller württembergischen Ämter ihre Zentralen nach Ludwigsburg verlegen. Dann schließlich folgt der für Ludwigsburg wichtigste Satz: »wobei Wir mehrbesagter Unserer Residenzstadt Ludwigsburg noch diese Prägrogatio aus Landesfürstlicher Macht und Hoheit ertheilen, daß selbige die dritte Haubtstatt Unseres Herzogthumbs seyn, bey Unserer treugehorsambsten
Landschaft mit zum engern Ausschuß gezogen werden und das Stattgericht daselbst das Privilegium eines Obergerichts wie Stuttgart und Tübingen dergestalt haben solle, daß auch andern Stätten, außer denen incorporierten, dahin zu appelliren frey stehe«.
Geschichte vor Gericht?
(2018)
Die jüngsten Anklagen zu Verbrechen des Nationalsozialismus haben die Staatsanwaltschaften in Dortmund und Frankfurt vor wenigen Monaten bekannt gegeben. Das jüngste Urteil zu Verbrechen des Nationalsozialismus stammt aus dem Jahr 2016: Das Landgericht Detmold verurteilt im Juni den früheren SS-Wachmann Hanning wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 170 000 Fällen im Konzentrationslager Auschwitz. 70 Jahre zuvor, im Herbst 1946, sprach der Internationale Militärgerichtshof in Nürnberg sein Urteil gegen die Hauptkriegsverbrecher. Der Prozess war einer der ersten, mit denen Verbrechen der Nationalsozialisten mit den Mitteln des Strafrechts geahndet wurden. In den Jahrzehnten dazwischen antworten die Besatzungsmächte in den vier Zonen, ausländische Staaten, die Bundesrepublik Deutschland und die DDR auf unterschiedliche Weise auf die Gewaltverbrechen der Nationalsozialisten und ihrer Helfer.
»Ohne seine jüdischen Mitbürger ist Ludwigsburg ein Stück ärmer geworden.« Mit diesem Satz endet das Vorwort von Werner Heinrichs in dem von ihm herausgegebenen Buch »Geschichte der jüdischen Gemeinde Ludwigsburg«. Insbesondere vor dem Hintergrund der in letzter Zeit verstärkt auftretenden Relativierungsversuche hinsichtlich des Holocaust und der Zeit des Nationalsozialismus ist es wichtig, die mahnende Erinnerung an die nationalsozialistischen Verbrechen aufrechtzuhalten und mit objektiven Quellenbelegen aufzuzeigen, dass das Dritte Reich kein weit entferntes Phänomen in Berlin oder München war. Diskriminierung, Demütigung, Verfolgung und Ermordung lassen sich bis auf die kommunale Ebene der Verwaltung zurückverfolgen. Die folgenden Ausführungen sollen einen Eindruck vom jüdischen Leben in
Ludwigsburg geben, bis dieses durch Rassenwahn und Menschenverachtung unwiederbringlich zerstört und vernichtet wurde. Die Zerstörung der Ludwigsburger Synagoge am 10. November 1938 symbolisiert das Ende der jüdischen Gemeinde Ludwigsburg. In der Folge emigrierten viele noch in Ludwigsburg verbliebene jüdische Bürgerinnen und Bürger. Wem dies nicht gelang, der wurde in Konzentrations- und Vernichtungslager deportiert. Von den mehr als 50 zwischen 1940 und 1944 deportierten Ludwigsburger Juden überlebten lediglich vier Personen die nationalsozialistische Mordmaschinerie.
Johann Heinrich Jung-Stilling gehörte zu den erfolgreichsten deutschsprachigen Literaten seiner Zeit. Seine Werke hatten auch in denjenigen Landschaften des deutschen Südwestens, die Anfang des 19. Jh. zum Großherzogtum Baden zusammengefügt wurden, eine breite Leserschaft. Jung-Stilling war in Baden nicht nur literarisch wirksam. Er war dort gegen Ende seines Lebens auch wohnhaft und nahm persönlich Einfluss auf kirchliche Zusammenhänge. In zwei Abschnitten wird im Folgenden der
Einfluss Jung-Stillings in Baden nachgezeichnet. Zunächst wird Jung-Stillings Wirken zu Lebzeiten in Baden betrachtet. In einem zweiten Abschnitt geht es um die Frage, wie die Bedeutung Jung-Stillings für die Badische Erweckungsbewegung ab
den 1820er Jahren zu bewerten ist.
Man kann in Marbach eigentlich nicht von Revolutionsgeschehen reden, denn es hat hier keine Revolution stattgefunden. Aber die Revolution, die anderswo, etwa in Berlin, Kiel oder München, zum Umsturz geführt hat, hat sich auch in Marbach ausgewirkt und auch hier Spuren hinterlassen. Wenn wir aber das hiesige Geschehen als Fernwirkung von auswärtigen Ereignissen sehen, dann müssen wir zuerst untersuchen, auf welche Weise Nachrichten nach Marbach kamen und was die Marbacher Bürger vom auswärtigen Geschehen wissen konnten. Wichtigste Quelle vor hundert Jahren war zweifellos die örtliche Zeitung, der »Postillon«. Sie erschien viermal in der Woche, montags, mittwochs, freitags und als Wochenendausgabe etwas reicher an Umfang samstags. Sie bezog die Nachrichten von verschiedenen Presseagenturen und druckte sie gewöhnlich unkommentiert ab. Eine redaktionelle Bewertung der Wichtigkeit ist nicht erkennbar, und es gab zwar einzelne Überschriften, aber keine Schlagzeilen. Für das örtliche Geschehen sind wir zusätzlich über Anzeigen unterrichtet; allerdings erschien nicht über alles, was angekündigt wurde, dann auch ein Bericht. Die Erscheinungsweise und die damaligen Kommunikationsmöglichkeiten ließen die Zeitung dem aktuellen Geschehen immer ziemlich hinterherhinken. Mit der Aktualität war es nicht weit her. Man konnte die Zeitung nur im Abonnement beziehen, es gab keinen Einzelverkauf. Wir können daher auch davon ausgehen, dass die einzelnen Ausgaben von mehreren Personen gelesen und vielfach auch an Nachbarn weitergegeben wurden.
„Drei Töchter kann man verheiraten, die anderen sollen ins Kloster gehen", wird Otto I. von Mosbach (reg. 1410-1461) zitiert – konnte doch mehrfache Ausgabe standesgemäßer Mitgift die Stammfamilie gefährden. Die Aufnahme in ein Kloster war ehrenhaft für Person und Familie – Verhandlungssache – und ohnehin stand jede ledige Frau in der Munt des Familienpräses. Dass sich Frauen ins Kloster gesehnt hätten, weil sie dort, und nur dort, die Kulturtechniken lesen, schreiben, rechnen lernen konnten, ist ein Postulat, das für die Frauenklöster der Region jedenfalls nicht bezeugt ist.
Es wäre uns heute kaum mehr vorstellbar, das tägliche Leben ohne die Leistungen des modernen Zahlungsverkehrs zu bewältigen. Deren technisch-organisatorische bzw. rechtliche Basis ist das eigene Girokonto bei einer Bank oder Sparkasse, auf das in traditioneller Weise oder online jederzeit zugegriffen werden kann. Diese für den größten Teil der Bevölkerung selbstverständliche Einrichtung war einigen Bevölkerungsgruppen nicht zugänglich, was zu der Forderung von Politikern und Sozialverbänden geführt hat, auch diesen Menschen, die „gesellschaftliche Teilhabe“ (Caritas) zu ermöglichen. Denn die Leistung von periodischen Zahlungen (z.B. Miete, Strom, das Beziehen von Lohn oder Transferleistungen) ist heute nicht mehr möglich, da der diesbezügliche Barverkehr (z.B. von Gemeindekassen) eingestellt ist.
[Röhlinwald:] vom Zankapfel zum Vorzeigeobjekt – eine forstgeschichtliche Fährtenlese (Teil 3)
(2018)
KARL HASEL (1909–2001), der Göttinger Professor der Forstgeschichte mit
badischen Wurzeln, hatte dem Verfasser eines Tages ein Bündel Konzeptpapier
in DIN-A5-Format überlassen, beiderseits beschrieben in dünner, mitunter kaum
leserlicher Maschinenschrift, Abschriften aus Akten des Karlsruher Generallandesarchivs (GLA). Seine Besuche dort hatten einem forstpolitisch heiklen Fall
gegolten: Sie dienten dem jahrzehntelangen Streit zwischen der Gemeinde Sankt
Georgen im Schwarzwald und der großherzoglich badischen Forstverwaltung.
Es ging um den Röhlinwald, um dessen Nutzung so erbittert gerungen
wurde. In Teil 1 des Beitrags (Schriften der Baar, Band 59) wurde die kirchenrätliche Obhut unter württembergischer Herrschaft seit dem 16. Jahrhundert
beleuchtet, aber auch die Holznot besonders im 18. Jahrhundert sowie Sturm- und Borkenkäferschäden.
Im Teil 2 (Schriften der Baar, Band 60) stand der zähe Rechtsstreit um die
Nutzungsrechte im Mittelpunkt, der erst beigelegt werden konnte, nachdem
die Forstseite den gesteigerten Brennholzbedarf der Sankt Georgener Bürger
akzeptiert hatte und es zu einer Aufteilung des Staatswaldes gekommen war.
Im vorliegenden Schlussteil wird ein Happy End beschrieben: wie aus dem
heruntergewirtschafteten ehemaligen Klosterwald trotz vielerlei Wendungen im
nun praktizierten Waldbau schließlich ein Vorzeigeobjekt wurde.