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Ein junger Mann überlebt das »Dritte Reich« nur mit größter Not. Er hatte sich im totalitären Weltanschauungsstaat in Not gebracht – auf Grund seines christlichen Glaubens konnte er nicht anders. Der »Fall« von Ernst Münz lässt sich mit den Akten aus Kirche und Justiz und einem Nachlass nachzeichnen. So ergeben sich Einblicke ins kirchliche Alltagsleben während der ideologischen und organisatorischen Unterdrückung zwischen 1933 und 1945, einem sehr gut erforschten Zeitabschnitt in der Kirchengeschichte auch in Baden.
An dieser Stelle wird ein kurzer Abriss über den Stand der Geschichte der Weichtierkunde im deutschsprachigen Raum und
speziell in Baden vorgelegt. Es folgt eine Beschreibung der verschiedenen Rechercheansätze zur Aufklärung des Lebenslaufes des badischen Malakozoologen Hermann Seibert. Sein Lebenslauf und sein wissenschaftliches Werk werden dokumentiert. Anhand von Überresten wird der Umfang seiner Sammlung erörtert.
Abschiedsrede
(2001)
Soll ich es kurz machen, indem ich einfach „Danke“ sage? - Ich würde es mir und Ihnen leicht machen, aber es bliebe dann offen, wem dieses „Danke“ gilt und für was es ausgesprochen ist. Nach 41 Jahren Berufstätigkeit in und für Museen fragt
man sich schon, was dieses Berufsleben lebenswert gemacht hat. Am Anfang stand die starke Prägung durch das
Elternhaus, die Familie, die auch meine beiden Brüder, die unter Ihnen sind, intensiv erlebt haben. Sie hat erste, entscheidende Weichen gestellt und ihr gilt mein tiefster Dank. Dass ich im Senckenbergischen Bürgerhospital zu Frankfurt am Main geboren wurde, war sicher kein Omen. Aber vor 46 Jahren begann ich, mir mein Studium der Geo- und Biowissenschaften durch Führungen, Pforten- und Aufsichtsdienst im Senckenbergmuseum mitzufinanzieren. Den studentischen Schwur, nie in einem Museum (und erst recht nicht im Senckenberg) zu arbeiten, habe ich allerdings bereits 1960 gebrochen. Die 18 Jahre von 1960 bis 1978 unter dem herausragenden Museumsdirektor Wilhelm Schäfer waren Lehrjahre, für die ich noch heute dankbar bin - Lehrjahre in jeder Hinsicht. Sie haben mir vielfach gezeigt, dass ein Museum mehr sein kann, mehr sein muss als ein Ausstellungsgebäude, mehr sein muss als ein - wie es damals hieß - „Tempel der Wissenschaft“, mehr sein muss als eine Schatzkammer kultureller Güter, wobei ich selbstverständlich die zu erforschenden und erforschten Schätze der Natur als Kulturgüter ansehe. Waren sie doch das Erste, was unsere frühen Vorfahren sammelten und befragten! Museum als Bildungseinrichtung, Museum als Forschungsinstitut, Museum als materialbezogenes
Dokumentationszentrum von Vergänglichem und Vergangenem aus dem wir für die Zukunft zu lernen haben. Museum dann aber auch als Gemeinschaft von Aufsehern, Handwerkern, Präparatoren, Reinemachefrauen, Technikern, Verwaltungsleuten, Volontären, Wissenschaftlern etc. - finanziert von der Gesellschaft mit der Pflicht, ihre Kulturgüter zu bewahren, zu erforschen und zu pflegen und dieser Gesellschaft möglichst viele Kenntnisse und Erkenntnisse in anschaulicher Weise zurück zu geben. Im Senckenbergmuseum waren diese Ziele getragen von Bürgersinn und Mäzenatentum - nicht von Sponsoren.
Siegfried Rietschel
(2000)
Hoch über der Elbe in Dresden steht auf der Brühlschen Terrasse ein Denkmal des einst namhaften Bildhauers und Kunstprofessors Ernst RietscheI. Bei genauerem Hinsehen kann der Betrachter erstaunt und zugleich fragend feststellen, daß Ihm diese etwas verschmitzt wirkenden Gesichtszüge und dieses angedeutete Lächeln bekannt zu sein scheinen. Natürlich, geht es ihm durch den Kopf, der Siegfried Rietschel aus Karlsruhe. Da haben offensichtlich die von vielen Soziologen, Psychologen und Ideologen noch heute abgelehnten Gene bewirkt, daß beim Nachfahren noch in der 4. Generation signifikante Merkmale der Physiognomie, möglicherweise aber auch der Wesensart, zumindest andeutungsweise erhalten geblieben sind.
Heinrich Eberhard Gottlob Paulus, rationalistischer Bibelexeget und Theologe, der in Heidelberg den Vortrag zum Reformationsjubiläum am 31.10.1817 zu M. Luthers „Heidelberger Disputation“ (26.4.1518) hielt, zeichnete in sein Verständnis von „Denkgläubigkeit“ Luthers Disputationsthesen und sein Bild von Luther und der Reformation ein.
Nach (1.) einem Überblick über Paulus’ Leben und Werk, wird (2.) sein Säkularvortrag „Auch zu Heidelberg war Doktor Martin Luther“ dargestellt mit (2.1.) dem Blick auf Luthers „Heidelberger Disputation“ und (2.2.) Paulus’ Bild von Luther und
der Reformation. Es folgt (3.) eine Einordnung in den geistesgeschichtlichen Zusammenhang und eine kritische Wertung von Paulus’ denkgläubiger Interpretation von Luthers reformatorischem Rechtfertigungsglauben.
Am 7. Mai 1518 schreibt Johannes Reuchlin einen Brief an Kurfürst Friedrich den Weisen von Sachsen. Der Kurfürst hatte den 63jährigen Humanisten um Rat gebeten: Er wolle an seiner Landesuniversität in Wittenberg je einen Lehrstuhl für die
Hebräische und die Griechische Sprache schaffen – wen könne Reuchlin empfehlen? Reuchlin antwortet ausführlich – unter anderem Folgendes: Der anndern sprach halb, griechesch genannt, hab ich mich unnderfangen zuo volbrinngen uewer sonnderes getruwen, das ir gnediglich zuo mir haben, unnd bin inn willen, minen gesippten fruent, den ich vonn siner jugent uff soellich sprach unnderwisen unnd gelert hab, ann das ort zuo schicken […] maister Philipps Schwartzerd von Bretten, […] den ich doch der hohenschuol Inngollstatt versagt hab, dann er ist zuo Tuewingen eerlich unnd wol, ouch sines sollds halb nutzlich gehallten unnd fuersenhen, unnd hat daselbst ain erber ußkommen. Die Rede ist von dem Mann, den wir als Philipp Melanchthon kennen – hier begegnet er als Schützling Reuchlins, der versucht, ihn Friedrich dem Weisen unter Berufung
auf drei Gesichtspunkte schmackhaft zu machen: 1. Er selbst, Reuchlin, habe Melanchthon als Kind unter seine Fittiche genommen. 2. Melanchthon ist begehrt: Es gibt schon anderweitige Versuche, ihn zu berufen, sowie 3. in Tübingen weiß man Melanchthons Talente durch eine entsprechend dotierte Stelle zu würdigen. Von einem vor 1518 liegenden Versuch, Melanchthon nach Ingolstadt zu holen, haben wir keine Kenntnis – dafür aber von den anderen beiden Faktoren, die Reuchlin nennt: Die ersten Kontakte zwischen den beiden in Melanchthons Kindheit und Melanchthons Jahre in Tübingen. Beide Berührungspunkte zwischen dem Praeceptor Germaniae und dem Praeceptor seiner Jugend sollen im Folgenden etwas näher dargestellt werden. So wird hoffentlich deutlich werden, warum und in welcher Weise man ihr Verhältnis in der Tat unter die Überschrift der „Begabtenförderung im 16. Jahrhundert“ stellen kann.
Gleichgültig, wen man als den wichtigsten Träger der Reformation bewertet, ob Fürstenreformation oder – wie G. D. Dickens es sehen wollte – die Glaubensneuerung als „urban event“, als Magistratsreformation, nie ist bezweifelt worden, dass zwischen ihr und der Intensivierung und Ausweitung der öffentlichen Gewalt ein enger Zusammenhang – genauer – eine Wechselwirkung – bestand: Auf der einen Seite die Schaffung eines lutherischen Kirchenregiments unter Nutzung des politischen Potentials, auf der anderen die Stabilisierung der politischen Macht durch das Obrigkeitsverständnis der Reformatoren; im Ergebnis: Der frühneuzeitliche Obrigkeitsstaat auf dem Fundament eines konfessionell homogenen Untertanenverbandes. Geradezu paradigmatisch wird dies in der Vorrede zur Großen Kirchenordnung des Herzogtums
Württemberg von 1559 zum Ausdruck gebracht: Wie wir uns dann vor Gott schuldig erkennen [… ] wie auch des Gott, der Allmechtig, in seinem gestrengen Urteil von uns erfordern würdet, vor allen dingen unser undergebne Landtschafft mit der reinen Leer des heiligen Evangelii, so den rechten friden des Gewissens bringt unnd die hailsame waid z(o)m ewigen Hail unnd Leben ist, versorgen.
Am 12. Juli 1836 verfasste der Bürgermeister von Hilchenbach im Siegerland, Johann Heinrich Reifenrath, seinen bereits zweiten Aufruf zur Errichtung eines Denkmals für Johann Heinrich Jung-Stilling. Dieser begann mit folgenden Worten: Was
der am 2ten April 1817 zu Carlsruhe verewigte Herr Geheime Hofrath und Professor Jung=Stilling, geboren am 12ten September 1740 zu Grund in Nassau Siegen, für seine Mit- und Nachwelt war, ist nicht allein in Deutschland, sondern auf allen fünf Erdtheilen durch seine Schriften bekannt. Ihm, dessen Verdienste und Frömmigkeit, niemand bezweifelt, dürfte gewiß neben Schiller, und Stillings-Freunden Herder Göthe etc. etc. auch ein Monument in seinem Vaterlande werden. Acht Jahre später konnte man im vierten Band der Geschichte des achtzehnten Jahrhunderts und des neunzehnten bis zum Sturz des französischen Kaiserreichs des Heidelberger Historikers Friedrich Christoph Schlosser lesen, dass Jung-Stilling wunderliche[] literarische Produkte hervorgebracht habe, deren sich Herder und Goethe nur deshalb angenommen hätten, weil sie jede Originalität zu begünstigen suchten. Durch Goethe, Herder und Lavater sei Jung-Stilling zu einer Bedeutung unter unserer Nation gebracht worden, die allerdings mehr auf seinen sonderbaren Schicksalen und auf der in ihm personificirten und später im idyllischen und sentimentalen Styl seiner Zeit vorgetragenen Denkart und Lebensweise einer gewissen Classe unseres geringen Volkes, als auf irgend einer ausgezeichneten Geisteseigenschaft beruht[] habe.
Pfarrer Georg Friedrich Schlatter (1799–1875) gehörte in der Mitte des 19. Jahrhunderts zu jenen Geistlichen in Baden, die die demokratische Bewegung unterstützten und in die 48er Revolution involviert waren. Als Alterspräsident eröffnete er am 11. Juni 1849 die erste Sitzung der Konstituierenden Landesversammlung, reiste aber bereits am 19. Juni in seine Pfarrei Mühlbach zurück, enttäuscht von den durch Zank und Uneinigkeit geprägten Diskussionen. Einen Monat später wurde er in Mühlbach verhaftet und später zu zehn Jahren Zuchthaus verurteilt, von denen er gut sechs Jahre absitzen musste. Zugleich verlor er damit seine Stellung als Pfarrer und alle Versorgungsansprüche. In den Jahren nach der Haftentlassung versuchte er sich und seine noch nicht erwachsenen Kinder – seine Frau war während seiner Haft verstorben – durch Gelegenheitsschriften über Wasser zu halten. 1875 starb er in Weinheim. Innerkirchlich geriet er fast vollständig in Vergessenheit. Erst 1999 hat die Landeskirche Schlatter auf Initiative von Konrad Fischer hin gewissermaßen rehabilitiert, stellvertretend für alle Freunde der Demokratiebewegung, die damals von der Kirche härter noch als von staatlicher Seite Repressalien ausgesetzt waren.
Johann Heinrich Jung-Stilling gehörte zu den erfolgreichsten deutschsprachigen Literaten seiner Zeit. Seine Werke hatten auch in denjenigen Landschaften des deutschen Südwestens, die Anfang des 19. Jh. zum Großherzogtum Baden zusammengefügt wurden, eine breite Leserschaft. Jung-Stilling war in Baden nicht nur literarisch wirksam. Er war dort gegen Ende seines Lebens auch wohnhaft und nahm persönlich Einfluss auf kirchliche Zusammenhänge. In zwei Abschnitten wird im Folgenden der
Einfluss Jung-Stillings in Baden nachgezeichnet. Zunächst wird Jung-Stillings Wirken zu Lebzeiten in Baden betrachtet. In einem zweiten Abschnitt geht es um die Frage, wie die Bedeutung Jung-Stillings für die Badische Erweckungsbewegung ab
den 1820er Jahren zu bewerten ist.