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Dorf und Landesherrschaft
(2003)
1803 - diese Jahreszahl steht in Südwestdeutschland für „die" Säkularisation, ,,den" Übergang vieler geistlicher und einiger weltlicher Fürstentümer an Baden oder Württemberg, ,,das" Ende des Alten Reiches und damit des territorialen Flickenteppichs am Oberrhein. Die vermeintliche Eindeutigkeit der Begriffe, die auch an eine Einheitlichkeit der Abläufe und ihrer Folgen denken lässt, will uns glauben machen, es könne hier über ein klar bestimmbares Ereignis und dessen Auswirkungen gesprochen werden. Einheitlich, gewiss, war manches: die Inbesitznahme der Städte und Dörfer in den Entschädigungsländern durch badische Kommissare, das Anschlagen der markgräflichen Patente, das Befestigen der neuen landesherrlichen Wappen. Bei näherem Hinsehen aber erschöpft sich das Einheitliche im bloß Äußerlichen, während die Voraussetzungen und vor allem die Folgen der Ereignisse von 1802/03 von Ort zu Ort, von Region zu Region höchst unterschiedlich waren, vor allem auch hinsichtlich ihrer Intensität und Reichweite. Dass etwa ein Dorf wie Schielberg bei Frauenalb, praktisch die Arbeitersiedlung der dortigen Klosterbediensteten, durch die Aufhebung der Nonnengemeinschaft in seiner Struktur deutlich massiver betroffen war als eine beliebige Bauerngemeinde ohne direkte ökonomische Verflechtungen mit einer Ordensniederlassung, liegt auf der Hand.
Dr. Sabine Görs 1922-2002
(2003)
Frau Dr. Sabine Görs, Hauptkonservatorin i. R., verstarb am 15. Juni 2002 plötzlich im 81. Lebensjahr in ihrem Wohnsitz in Ettlingen bei Karlsruhe. Frau Dr. Görs kam am 15. Februar 1922 in Greifswald zur Welt. Dort verbrachte sie ihre Jugend, dort legte sie ihr Abitur ab. Krieg und die Wirren der Nachkriegszeit erlaubten ihr erst ein geregeltes Studium nach 1947,
das nicht in ihrer Heimatstadt, sondern in Tübingen und das unter schwierigen wirtschaftlichen Bedingungen stattfinden musste. Hier wurde sie 1955 mit der Arbeit über den “Lebenshaushalt der Flach- und Zwischenmoorgesellschaften im württembergischen Allgäu” promoviert; die Arbeit wurde von Prof. Dr. W. Zimmermann und Prof. Dr. K. Buchwald betreut. Das
Allgäu und Oberschwaben wurden in Folgezeit quasi eine zweite Heimat für Frau Görs, selbst noch in der späteren Karlsruher Zeit. Zahlreiche Arbeiten, besonders über Flachmoorgesellschaften, zeugen davon.
Am 2. September 2003 starb Werner Hanagarth völlig unerwartet während einer Exkursion auf den Einödsberg in den Allgäuer Alpen. Gemeinsam wollten wir die Probenfläche eines neuen Forschungsprojektes besichtigen. Wir waren am frühen Morgen von Karlsruhe losgefahren, dann von Einödsbach bei Oberstdorf den steilen Pfad zur Einödsalpe und weiter nach der Mittagsrast zum Gipfelgrat aufgestiegen. Die ersten Bodenfallen waren kontrolliert und wir freuten uns auf den Abend in der Alphütte, auf eine der in der Alltagshektik so seltenen Gelegenheiten, unbeschwert die Erinnerungen an viele gemeinsame Erlebnisse in den Anden, im Beni oder im Amazonastiefland in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten wieder aufleben zu lassen. Doch kurz unter dem Gipfelgrat brach Werner Hanagarth zusammen, jede Hilfe kam zu spät.
Im Bundesarchiv Berlin lagern Akten aus der Zeit des Dritten Reiches über die Beschlagnahme von Büchern. Viele Listen von Sammlungen aus jüdischem Besitz sind es, die hier dokumentiert sind. Denn in der Pogromnacht des Novembers 1938 wurden nicht nur Scheiben eingeschlagen, Menschen gequält und Synagogen verbrannt oder geplündert, sondern es wurden auch
Bücher in großem Ausmaß gestohlen. Typisch deutscher Ordnungssinn: das Diebesgut wurde (vollständig?) notiert und aufgelistet. Dann wurde alles nach Berlin geschickt, die Bücher wurden in der Emser Straße bzw. Eisenacher Straße eingelagert für die Spezialsammlung des Reichssicherheitshauptamtes. Diese Bibliothek gliederte sich u. a. in die Abteilungen:
Kirche, Freimaurerei, Marxismus und Judentum. Der Gesamtbestand betrug zwei bis drei Millionen Bände.
Durchwachsenblättriger und Später Bitterling (Blackstonia perfoliata et acuminata) am Oberrhein
(2003)
Im südlichen und mittleren Oberrheingebiet wurden 7 Vorkommen von Blackstonia perfoliata und 13 Vorkommen von B. acuminata untersucht und mit pflanzensoziologischen Aufnahmen dokumentiert. Zur Unterscheidung der Taxa erwiesen sich vor allem Merkmale im Blütenbereich als zuverlässig. Vorkommen von B. perfoliata fanden sich in wechseltrockenen bis -feuchten Kalkmagerrasen der Lahr-Emmendinger Vorbergzone, am Schönberg bei Freiburg und an mehreren Pfeifengrasstellen in Markgräfler Rheinebene und Hügelland. Bestände von B. acuminata wuchsen zwischen Rheinau und Hartheim auf abgeschobenen Kiesrohböden im Wechselwasserbereich sowie in Pfeifengrasstreuwiesen der Rheinauen. Es werden Beobachtungen zu Ausbreitungsbiologie und Phänologie mitgeteilt. Den oberrheinischen Vorkommen an Sekundärstandorten werden Primärvorkommen in der Wildflussaue der Durance (Südfrankreich) gegenübergestellt. Beide Arten sind durch fortschreitende Sukzession, B. acuminata zusätzlich durch den fortschreitenden Abbau ihrer im Zuge des Kiesabbaus entstandenen Sekundärstandorte gefährdet.
Eberhard Gothein (1853-1923)
(2003)
„Keiner von uns und keiner, der auf uns folgt, wird je wieder ein solcher Polyhistor zu werden vermögen wie es der alte Gothein war als einer der letzten Zeugen des Jahrhunderts Goethes, als einer der großen, Humanisten, deren Reihe nördlich der Alpen mit Erasmus beginnt und die wohl mit Burckhardt, Gothein, Gundolf zu Ende gegangen ist". Das schrieb Edgar Salin 1954 über seinen Lehrer und dessen fazettenreiches Leben. Doch Gothein war nicht nur Kulturhistoriker und Nationalökonom; als einer der Gründer zweier Hochschulen, Organisator und Dozent von Fortbildungsveranstaltungen, Mittler zwischen
Wissenschaft und Praxis, endlich als Politiker wirkte er auf vielen Ebenen originär und motivierend. Er beschritt Wege, die bis in unsere Zeit führen.
Im Oktober 2003 wurde verschiedentlich an die 60. Wiederkehr des Todesurteils über M. J. Metzger (14. Oktober) erinnert. Dies war gleichsam ein Auftakt zu den Gedenkfeiern um den 17. April 2004, 60. Jahrestag der Hinrichtung in Brandenburg Görden (1944). Auf dem 60. Ökumenischen Kirchentag in Berlin 2003 wurde u. a. eine Metzger-Werkstatt in St. Joseph, Berlin-Wedding, veranstaltet. Sie brachte manche Besucher zu Neu-Begegnungen und zu Rückfragen — es war ja gleichzeitig ein „Jahr der Bibel“: Was sagt M. J. Metzger zu Bibel und Liturgie? Themen, die etwas zurückgetreten sind in der Literatur gegenüber den großen Anliegen: Frieden und Einheit.
Eine reichliche Stunde dauert die Führung durch dieses neue Museum. Es ist vom Architekturbüro Wilford/Schupp nach dem Masterplan des Star-Architekten James Stirling entworfen und bietet eine Dauerausstellung zur Landesgeschichte der letzten 200 Jahre, die ein kleiner Arbeitsstab seit 1987 vorbereitet hat. Auch historisch versierten Besuchern ist die Teilnahme an einer Führung zu empfehlen, weil ihnen sonst einige Ausstellungsgags entgehen. So meint man z. B. im Raum der Revolution 1848/49 auf reparaturanfälligen Bodenplatten zu stehen, bis einem gesagt wird, dass damit der brüchige Untergrund dieser Zeit angedeutet werden soll. Und noch viel mehr ist von einer der 16 Führungskräfte zu erfahren, akademisch gebildeten Fachleuten, die auch über die Konzeption, die Vorzüge und Mängel des Hauses, über die Reaktionen der Zuhörer und vieles
Wichtiges mehr berichten, wenn man vor allem auch an der Wirkung dieser Institution interessiert ist.
Die vor 150 Jahren entstandene große Ansicht der Stadt Freiburg von Osten, die nach ihrem Schöpfer Joseph Wilhelm Lerch als "Lerchplan" bezeichnet wird, steht in der Tradition der für Stadtdarstellungen seit der frühen Neuzeit beliebten Vogelschauansichten. Das 1,46 Meter hohe und 2,06 Meter breite Wasserfarbengemälde hing über lange Jahre im Lesesaal des Freiburger Stadtarchivs und befindet sich heute wieder im Depot des Augustinermuseums. Es war im Frühjahr 2002 Mittelpunkt der Ausstellung „Freiburg aus der Vogelschau", die vom Museum für Stadtgeschichte erarbeitet und im Augustinermuseum gezeigt wurde.
„Ich hatte dem Landgerichtspräsidenten Uibel in Mosbach längst versprochen, wenn ich je noch eine Reise unternehme, sie in den Odenwald zu machen", schrieb Hansjakob im Vorwort zu seinen „Sommerfahrten", die ihn im Sommer 1903 in die Rheinebene, in den Odenwald, die Pfalz und das Elsaß führten. Die beiden, von Beruf, politischer Einstellung und Glauben her im Grunde recht unterschiedlichen Männer, lernten sich 1901 in Freiburg kennen. Dorthin war der 9 Jahre jüngere Uibel 1899 als Landgerichtsdirektor versetzt worden. Er konnte aber, wie er Hansjakob im März 1901 schrieb, wegen Krankheit und weil er ein zwischenzeitlich aufgegebenes Landtagsmandat noch wahrnehmen mußte, „den längst fälligen pflichtschuldigen
Antrittsbesuch" bei dem allseits bekannten Pfarrer von St. Martin, den er schon als Schriftsteller hoch schätzte, nur sehr verspätet abstatten.