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Emigration oder Deportation?
(2010)
Am Morgen des 22. Oktober 1940 wurde mit der gesamten badischen auch die Ihringer jüdische Gemeinde aus ihren Häusern vertrieben und, nur mit geringem Handgepäck versehen, nach Gurs ins französische Pyrenäenvorland deportiert. Die Wohnungen wurden versiegelt, das Inventar unter beschämenden Bedingungen versteigert, Soldaten einquartiert.
Mitten in den Wirren des Spanischen Erbfolgekriegs ereilte Carl Wilhelm eine folgenschwere Nachricht: Sein Vater, Markgraf
Friedrich Magnus, war am 25. Juni 1709 im Exil in Basel gestorben. Von heute auf morgen sah sich der 30-jährige Erbprinz gezwungen, das Schlachtfeld zu verlassen und die Regierungsgeschäfte zu übernehmen. Völlig unerfahren in diesem Metier, war er zunächst vollständig auf die Ratschläge des Hofpersonals angewiesen, für eigenständige Ideen und Entscheidungen in wichtigen Fragen war wenig Spielraum. Carl Wilhelm musste sich notwendigerweise nach einem im Staats- und Verwaltungswesen bewanderten und erprobten Regierungsbeamten umsehen. Dem jungen Fürsten blieb jedoch eine
mühsame Suche erspart. Er erinnerte sich an Johann Georg Förderer, Edler von Richtenfels, der seit 1707 als Commissionsrat und Bergwerksdirektor in Diensten des Grafen Anton Günther von Schwartzburg in Arnstadt stand und schon seit über zwei Jahren alles daran setzte, an den baden-durlachischen Hof zu kommen.
Die Kirche St. Stephan - nach dem Namenspatron der Großherzogin Stephanie benannt - wurde in den Jahren 1808 bis 1814 von Friedrich Weinbrenner erbaut. Es war die erste katholische Pfarrkirche in der Residenzstadt der Großherzöge von Baden. Ihr folgten zahlreiche andere Kirchenbauten, aber sie war und blieb bis heute die katholische Hauptkirche. Bei ihr handelt es sich zudem um das wohl bedeutendste Bauwerk des berühmten Architekten.
Die vorliegende Studie beschäftigt sich mit der Beziehung zwischen Mensch und Wasser in der
Stadt Freiburg im Breisgau vom 13. bis 16. Jahrhundert. Dieser Aufsatz bildet den ersten Teil
eines Forschungsprojektes zur Nutzung und Verwaltung des Elements Wasser und der mit ihm
in Verbindung gebrachten ideellen Vorstellungen in Sizilien und im Oberrheingebiet im Spätmittelalter und am Beginn der Neuzeit. Bei dieser Vergleichsstudie werden die Städte Freiburg
und Catania berücksichtigt. Obwohl geografisch sehr unterschiedlich gelegen (Freiburg liegt
am Westrand Mitteleuropas, Catania dagegen im Herzen des Mittelmeerbeckens), weisen beide
Städte gemeinsame Charakteristika der Gesellschaftsentwicklung im spätmittelalterlichen
Europa auf. Um dies anzudeuten genügt es, die Entwicklung einer starken lokalen Identität als
Entgegensetzung zur Politik der großen Herrscherhäuser, die Prägung durch die römisch-katholische Kirche oder die Entwicklung eines ökonomischen Systems basierend auf dem
Warenaustausch mit den angrenzenden Gebieten als Beispiele anzuführen.
Zugleich erzeugen jedoch die unterschiedlichen geografischen und klimatischen Bedingungen gemeinsam mit den verschiedenen Unternehmungen der Habsburger in Zentraleuropa
einerseits und der Aragonesen im insularen Europa andererseits ein sich grundlegend unterscheidendes Verhältnis zum Wasser, sowohl in Anbetracht der theoretischen Darstellung, als
auch im praktischen Gebrauch.
Der liberale Südwesten
(2010)
Die neuere Protestantismusgeschichte lässt sich nicht allein im Rahmen politischer und rechtlicher Grenzen des Territorialstaates schreiben. Theologie- und frömmigkeitsgeschichtliche Entwicklungen reichen über Territorialgrenzen hinweg. So kann man für die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts von einem kirchlich-liberalen Südwesten sprechen, der die bayerische Pfalz und das Großherzogtum Baden umfasst. Auf nationaler Ebene waren die Kirchlich-Liberalen seit 1865 im Deutschen Protestantenverein organisiert. Der Verein, die zentrale Vergesellschaftungsform des Bürgertums im 19. Jahrhundert, war ein Modell der sozialen Organisation von Religion, der territoriale Grenzen überschreiten konnte. So stand die Verbindung im Deutschen Protestantenverein quer zu einer territorial strukturierten Religion und Kultur. Und doch blieb der nationale Verein über seine Landes- und Ortsvereine auch in einen territorialen und lokalen Rahmen eingebunden. Zugleich weisen die regionalen Vereine je eigene Prägungen auf, die sie voneinander unterscheiden. In der nachfolgenden Darstellung der Entwicklung des badischen und des pfälzischen Protestantenvereins im Kontext des Deutschen Protestantenvereins sollen Gemeinsamkeiten und Unterschiede innerhalb des liberalen Südwestens deutlich werden.
Im Spätmittelalter und bis ins 18. Jahrhundert, als der Baubestand der Stadt noch innerhalb der Stadtmauern angelegt war, belief sich die Einwohnerzahl auf 2000 bis 3000 Bürger. Noch im Jahre 1820 waren es 3400 Einwohner, die innerhalb der Mauern wohnten. Diese stagnierende Entwicklung änderte sich ab 1850, als die Industrialisierung in größerem Umfang begann. Die Stadt wuchs schnell.
Zum ersten Mal zu Besuch in Schwetzingen war Johann Peter Hebel (vermutlich) bereits als Schüler des Karlsruher Gymnasiums. Kurz vor seinem Examen (1777) unternahm er nämlich eine Ferienwanderung entlang des Rheins bis nach Mannheim. Der damals schon berühmte Schwetzinger Schlossgarten gehörte sicherlich zu den touristischen Höhepunkten dieser Wanderung. Vielleicht hörte er bei dieser Gelegenheit etwas vom ehemaligen Schwetzinger Gartendirektor Friedrich Casimir Medicus (1736-1806).
Hebel als Theologe
(2010)
Den Eröffnungsvortrag am 9. Juli hielt Schuldekan Dr. Uwe Hauser aus Müllheim. Er sprach über das Thema „Wir aber hielten ihn fest mit ausdauerndem Mute“. Von der Wandelbarkeit und Vielgestaltigkeit der Theologie Johann Peter Hebels. Die Ausführungen Hausers sollen im Folgendenden referiert werden. (1. Vorbemerkung) Hebel ist durch und durch Theologe (gegen Klaus Oettinger, der ihn als „Physikotheologen“ oder Paul Katz, der ihn als „rationalistischen Supranaturalisten“ qualifiziert).
Die Basler Hebelstiftung
(2010)
Das Jahr 2010 ist für die Basler Hebelstiftung ein doppeltes Jubiläumsjahr. Sie feiert nicht nur gemeinsam mit den Hebelfreunden diesseits und jenseits des Rheins den 250. Geburtstag Johann Peter Hebels, sondern auch ihr 150-jähriges Bestehen. Ein solches Jubeljahr ist immer auch Anlass, einen Blick zurückzuwerfen. Das möchte ich hier gemeinsam
mit Ihnen tun und all jene Fragen beantworten, die Sie vielleicht beschäftigen, wenn Sie zum ersten Mal von dieser Stiftung und ihrem Wirken am Hebelfest in Hausen hören. Was hat Johann Peter Hebel mit Basel zu tun? Was und wer ist die Basler Hebelstiftung? Was tut eine Basler Stiftung Jahr für Jahr am 10. Mai im badischen Hausen?
Die Lebensgeschichte von Johann Jacob
Lumpert zeichnet das Bild eines wohlhabenden Bürgers der Stadt Eppingen, der
zugleich im Dienst der kurpfälzischen
Regierung stand.
Seine Jugend (geboren um 1620-1625) fiel
in die schreckliche Zeit des 30-jährigen
Krieges. Die Kurpfalz, zu der Eppingen
gehörte, wurde von kaiserlichen und bayerischen Truppen erobert, dann wogte der
Krieg hin und her. Auch nach dem Friedensschluss von 1648 waren noch französische Besatzungstruppen im Land, in
Eppingen als Verbündete.
Das Stadtarchiv konnte 2009 ein wertvolles Werk des gebürtigen Villingers Dr. Georgius Pictorius aus dem Jahre 1560 erwerben. Es ist damit das fünfte Buch des Autors, das sich in der umfangreichen Fachbibliothek des Stadtarchivs befindet. Er behandelt darin in neun Kapiteln ausführlich allgemeine Badevorschriften und im 10. Kapitel beschreibt er einzelne Bäder, darunter das „Neuenbad“ in Villingen, das Bad im benachbarten Schwenningen aber auch heutige Kurorte mit Weltruf wie Baden-Baden, Bad Ems und Wiesbaden sind darunter. Anschließend gibt er medizinische Ratschläge und Indikationen, worunter sich mehrere arabische Mediziner als Autoritäten finden, die er zitiert. Das erworbene Exemplar stammt aus der Bibliothek des bedeutenden Botanikers und Arztes Christoph Jacob Trew (1696-1769), dessen gestochenes Exlibris sich auf der Rückseite des Titelblattes befindet. Trew übergab seine mit 34 000 Bänden wohl umfangreichste naturkundliche Bibliothek jener Zeit 1768 der Universität Altdorf, die 1809 aufgelöst wurde. Es sind weltweit nur 10 Exemplare der Erstausgabe des Buches im Internet nachgewiesen.
Für altansässige Familien in Denkendorf, Nellingen und Berkheim ist es fast
zwangsläufig, dass im Verlauf der Generationen ein Mauz in der Ahnenliste
auftaucht. Hierbei spielte die räumliche Nähe der drei Ortschaften, aber auch
der Umstand, dass der gemeine Flecken Berkheim ein Filialort des Klosters
Denkendorf war, eine große Rolle. So können wir z. B. im 16. Jahrhundert
einen regen heiratsgetriebenen Bevölkerungsaustausch dieser drei Ortschaften
feststellen. Mit zunehmender räumlicher Entfernung, beispielsweise mit Köngen,
Ruit und Scharnhausen, gab es deutlich weniger Zu- und Abgänge.
Taucht im Stammbaum ein Nellinger, Berkheimer oder Denkendorfer
Mauz auf, dann landet man nahezu zwangsläufig bei Bartholomäus Mautz in
Nellingen. Von diesem Bartholomäus Mautz ist bekannt, dass er aus Berkheim
stammt und 1594 nach Nellingen geheiratet hat. Er ist der Stammvater fast
aller heutiger Nellinger, Denkendorfer und auch Berkheimer Mauz. Von seinem
Vater ist das Todesdatum in Berkheim bekannt. Er wurde namentlich als
Alt Bartlin Mautz vermerkt und hatte mehrere Kinder. Grundsätzlich kann
man nach den Kirchenbüchern festhalten, dass der überwiegende Teil seiner
Kinder und Enkel nicht in Berkheim verblieben ist.2
Alt Bartlin Mautz ist um 1524 geboren. Wo ist er geboren, wer war der
Vater? Er wird in Lehensbriefen als Leibeigener des Klosters Denkendorf
bezeichnet. Damit spricht auf den ersten Blick einiges auch für Berkheim als
Geburtsort oder zumindest dafür, dass seine Mutter aus Denkendorf oder
Berk heim stammte.
22 Jahre wirkte er in Offenburg und gestaltete in dieser langen Zeit mit Umsicht und Energie den entscheidenden Übergang
vom 1660 gegründeten franziskanischen Klostergymnasium zum 1823 begründeten badischen Großherzoglichen Gymnasium: Professor und Direktor Hofrat Josef Scharpf (1796-1866) aus Karlsruhe. Bereits 1818 als Professor an diese Offenburger Gelehrtenschule verpflichtet übernahm er hier 1832 bis 1840 auch die „wohllöbliche Gymnasiumsdirektion" und 1838 zusätzlich die Leitung der von ihm begründeten „Höheren Bürgerschule". Er sollte 1840 noch die höheren Weihen eines Direktors des Lyzeums von Rastatt übertragen bekommen, wohin ihm im selben Jahr auch seine hoch begabten Offenburger Schüler Franz Volk und Karl Heinrich Schaible, 1844 auch sein Offenburger Amtsnachfolger, Direktor Professor Franz Weißgerber, folgten. Direktor J. Scharpf, 1844 zum Hofrat ernannt, verlor nach zehn Jahren 1850 seine Stelle als Lyzeumsdirektor in Rastatt und war danach noch sieben Jahre als Klassenlehrer und Professor am Lyzeum von Mannheim beschäftigt, - ein trauriger Karriereknick, dessen Gründe abschließend beleuchtet werden sollen.
Noch heute ist es eine akademische Streitfrage, ob die Archäologie oder die Geschichtswissenschaft mehr zur Erkenntnis der Vergangenheit beiträgt. Der größte Geschichtsschreiber der Antike, Thukydides, hat in seinem „ Peloponnesischen Krieg" (431 v. Chr.) archäologische Funde in die historische Darstellung mit einbezogen, der „Offenburger Archäologische Stadtkataster" (2007) ist ein gutes Beispiel für eine erfolgreiche Zusammenarbeit beider Forschungsdisziplinen. Was ist also an materiellen Zeugnissen der archäologischen Bodenforschung und baugeschichtlichen Denkmalpflege außer den historischen Quellen für unsere Schulgeschichte noch greifbar und sichtbar und ergänzt somit unser Wissen? Neben den noch vorhandenen schulischen Architekturen sind es Einzelfunde ganz verschiedener Art der Erhaltung und Wiederverwendung, die stellvertretend für den Hintergrund ihrer Zeit und Lokalität stehen und die an dieser Stelle in ihrem jeweiligen Kontext präsentiert werden sollen.
Die Kraichgaubahn
(2010)
Der Krieg 1870/71 gegen Frankreich hatte
gezeigt, wie notwendig ein schneller Aufmarsch des Militärs mit Hilfe der Eisenbahn
für strategische Zwecke war. Der völlige
Mangel an eisenbahnorganisatorischen
Vorkehrungen auf französischer Seite gewann entscheidende Bedeutung für den
deutschen Sieg über die Armee Napoleons
III. “Die Eisenbahnen sind zu einem Kriegsmittel, zu einem Kriegswerkzeug geworden, ohne das diese großen Armeen der
Gegenwart weder aufgestellt, noch zusammengebracht, noch vorwärtsgeführt,
noch erhalten werden könnten”, umschrieb
Graf von Schlieffen den Wert der Eisenbahn unter militärischen Gesichtspunkten.
Da nach dem Sieg über Frankreich
1870/71 ein Revanchekrieg befürchtet
wurde, begannen politische und militärische Kreise über einen Folgekrieg mit dem
westlichen Nachbarn nachzudenken. Im
Rahmen dieser Überlegungen wurden
auch Planungen für den Ausbau der Eisenbahnverbindungen zur französischen Grenze hin aufgestellt.
Thomas Anshelm
(2010)
Die Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg um die Mitte des 15. Jahrhunderts hatte umwälzende Folgen für die Buchproduktion. Waren Bücher bis dahin im wesentlichen von Hand geschriebene Unikate gewesen, konnten sie nun in beliebig großen Auflagen hergestellt werden. In den geistigen Zentren, insbesondere in den Universitätsstädten, kam es rasch zur Gründung von Druckereien, um die wachsende Nachfrage nach Druckerzeugnissen befriedigen zu können.
Überlingen quillt über mit Kunst. Mit moderner wie auch älterer, aber vor allem
mit älterer Kunst. Dennoch sei die Frage erlaubt: Wieviel Italien darf es denn sein? Wie viel an italienischer Kunst verträgt eine so durch und durch deutsche Kleinstadt wie
Überlingen?
Nicht sehr viel. Schaut man vom Hügel, auf dem das Städtische Museum residiert,
auf Häuser und Kirchen hinunter und weiter hinaus auf den Bodensee (Abb. i), dann wird schnell klar, dass die Bürger dieses
durchs Mittelalter geprägte Gemeinwesen mit unleugbar anheimelndem alemannischen Charme sich nur ungern
von fremden Einflüssen gestört wissen
wollten. Ironischerweise ist aber gerade das dortige Museum ein Ort italienisch anmutender Architekturkunst.
Er ist der einzige. Ansonsten treffen
wir Künstler der Region an, die eine
Menge Mittelmäßiges und Unbedeutendes hinterlassen haben. Nur wenige ragen darüber hinaus: Der Bildschnitzer Gregor Erhart wäre zu nennen oder Jörg Zürn, der Schöpfer des
Hochaltars im Münster.
1783 bis 1791 war Johann Peter Hebel Präzeptoratsvikar am Pädagogium in Lörrach. In der Lateinschule wohnte er auch, vermutlich im 1. OG. Am Lörracher Pädagogium sammelte Hebel grundlegende Erfahrungen als Pädagoge und schloss Freundschaften, die ihm ein Leben lang wichtig blieben. Davon zeugen Briefe an seinen engsten und vertrautesten Freund Friedrich Wilhelm Hitzig, Hebels Nachfolger am Pädagogium und Freund im Proteuserbund, und an Gustave Fecht, die ab 1788 im Pädagogium wohnte.
Der Hausheilige
(2010)
Marbach am Neckar wäre der Welt unbekannt geblieben – und das völlig zu
Recht –, wäre dort nicht seinerzeit Friedrich Schiller geboren worden. So aber ist der
Name der Stadt, ähnlich wie bei Stratford-upon-Avon und William Shakespeare,
untrennbar mit dem des Dichters verbunden, und die Stadt hat es verstanden,
daraus Kapital zu schlagen. Man gründete den Marbacher, später den Schwäbischen
Schillerverein (heute: Deutsche Schillergesellschaft), man errichtete ein Schiller-Denkmal, erbaute das Schiller-Nationalmuseum, schließlich das Deutsche Literaturarchiv. Dadurch hat die Welt neben Schiller einen zweiten Begriff, den sie mit
Marbach assoziieren kann: das Deutsche Literaturarchiv, das sich als Quelleninstitut
und Forschungseinrichtung mittlerweile internationaler Berühmtheit erfreut.
Obwohl das Literaturarchiv sich längst von Schiller emanzipiert hat, für die Epochen
der Jahrhundertwende oder des Expressionismus, für Exilliteratur oder DDR-Literatur,
für Verlagsarchive oder Philosophennachlässe und für vieles andere einsteht, obwohl
also dieses Institut vornehmlich den Phänomenen der Moderne zugewandt ist, bleibt
Schiller nach wie vor sein Hauspatron. Und trotz des Literaturmuseums der Moderne,
trotz zahlloser Sonderausstellungen zu wichtigen Autoren, Themen und Problemstellungen der deutschen Literatur ist die Schiller-Dauerausstellung im Schiller-Nationalmuseum das Marbacher Markenzeichen geblieben, ist die vierjährige Zeit
zwischen 2005 und 2009, als keine Schiller-Ausstellung dort zu sehen war, vom
Publikum als so etwas wie ein Interregnum, als schreckliche kaiserlose Zeit empfunden worden. Galt früher doch sogar die Regel, dass in Schwaben eine Heirat erst dann
richtig gültig war, wenn das Paar gemeinsam das Marbacher Schiller-Museum besucht
hatte. Nun und andererseits, die baubedingte Museums-Schließung der letzten Jahre
hat die Zahl der Eheschließungen in der Ludwigsburger Region nicht merklich
beeinflusst, so dass man annehmen kann, dass auch die öffentliche Wahrnehmung
des Marbacher Instituts als Schiller-Stätte allmählich schwächer wird. Jedoch bieten
Jubiläumsjahre wie das eben verflossene beste Gelegenheiten, die Verhältnisse wieder durcheinander zu wirbeln und Kafka und Döblin, Heidegger und Jünger, Celan
und Sebald, und wie sie alle heißen mögen, durch den bewährten Publikumsliebling
Schiller auf die Plätze zu verweisen. Man darf also gespannt sein auf die weitere
Entwicklung des Öffentlichkeitsinteresses.
Wilhelm von Scholz
(2010)
Als der Reformpädagoge Paul Geheeb am 18. April 1910 mit 15 Schülern die heute
noch bestehende Odenwaldschule in Oberhambach bei Heppenheim eröffnete, befanden sich unter diesen ersten Schülern auch die Kinder des Dichters Wilhelm von Scholz
(1874-1969), Irmgard (1897-1969) und Wilhelm (1899-1917). Der Dichter war 1890 als
16-Jähriger von Berlin nach Konstanz gekommen, nachdem sein Vater, der ehemalige
preußische Finanzminister Adolf von Scholz, dort seinen Ruhesitz erworben und umgebaut hatte, das direkt am See gelegene Schloss Seeheim. Nach Studium, eingeschobenem Militärdienst und Promotion in München zog Wilhelm von Scholz mit seiner
jungen Familie im Jahre 1900 von München nach Weimar und von dort 1907 wieder nach
Hohenschäftlarn bei München. Scholz machte sich bald einen Namen als Dramatiker,
Lyriker und Herausgeber von literarischen Werken. Nachdem ein Projekt in Hellerau bei
Dresden nicht zustande gekommen war, fand Geheeb beim Ehepaar Scholz Unterstützung bei seiner Suche nach einem Standort für eine neue Schule im Isartal, im Gespräch
war Ebenhausen. Ein gemeinsamer Bekannter von ihnen in Weimar war der belgische
Architekt Henry van de Velde. Als Geheeb jedoch die Zulassung im hessischen Oberhambach
erhielt, schickten sie ihre Kinder, die bis dahin Privatunterricht erhielten, dorthin,
zunächst auf Probe, da sie noch nie eine öffentliche Schule besucht hatten. Dem allgemeinen
Drill einer Staatsschule in München wollten sie ihre Kinder nicht aussetzen, die einen
bisher wenig organisierten Unterricht hatten, wie Scholz Geheeb kurz nach der Eröffnung
der Schule mitteilte. Geheeb hatte zuvor am Landerziehungsheim von Hermann Lietz in
Haubinda und danach an der Freien Schulgemeinde Wickersdorf von Gustav Wyneken
unterrichtet.