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Im 19. Jahrhundert wanderten alleine in
den Jahren 1840–1883 etwa 219 000 Badener
nach Amerika aus. Durch wirtschaftliche
Reformen, eine stark anwachsende Bevölkerung,
die durch Realerbteilung im Westen
und Südwesten herbeigeführte Bodenzersplitterung
und die Gewerbefreiheit im Handwerk
stiegen sowohl die transnationale als
auch die interne Migration sprunghaft an. Zu
den entscheidenden Auslösern der rapide
anwachsenden Auswanderung können die
Teuerungs- und Ernährungskrisen in den
1830er und 1840er Jahren gezählt werden, die
durch Missernten und anhaltenden Lohndruck
entstanden sind. Die Landwirtschaft, das hausindustrielle
Gewerbe und das Handwerk konnten
die enormen Bevölkerungsmassen nicht
mehr beschäftigen, und das aufstrebende
Fabrikwesen war noch nicht imstande das
Überangebot an Arbeitskräften aufzunehmen.
In einem Essay zur Geschichte der Badischen Heimat anlässlich ihres 100. Jubiläums titelte Wolfgang Hug: „Seit 100 Jahren schafft der Landesverein ,Badische Heimat‘ badische Identität“. Heinz Siebold schrieb in „Was ist die badische Heimat?“ – „Aber was ist Baden? Wo ist Heimat? Und wozu braucht es überhaupt einen Verein Badische Heimat? Eine ,badische Identität‘ gibt es in Wirklichkeit nicht. Südbadische Alemannen und nordbadische Pfälzer oder Franken haben keine gemeinsame Sprache und gemeinsame kulturelle Wurzeln sind – wenn überhaupt – sehr weit zurückliegend“. Angesichts solcher divergierender Statements ist es wohl angebracht, Überlegungen zur Identität und insbesondere zur Option einer badischen Identität anzustellen. Grundsätzlich kann festgestellt werden, dass die Option einer badischen Identität im politisch verfassungslos gewordenen Baden mit dem Wunsch der Landesregierungen, eine baden-württembergische Identität zu konstruieren, korrespondiert. „Die Änderung des Kontextes ändert auch immer den
Text“ (Hans Waldenfels).
Ich denke, es ist sinnvoll, wenn ich Ihnen zur Eröffnung der Ausstellung „100 badische Jahre“ einen kurzen Überblick über diese badischen Jahre zu geben versuche. Zu berücksichtigen ist, dass von den 100 badischen Jahren der Ausstellung über die Hälfte der badischen Jahre Jahre Badens in
Baden-Württemberg sind. Der Titel meines Vortrages lautet „100 badische Jahre – und ein Jahr“. Mit dem einen zusätzlichen Jahr ist das Jahr 2010 gemeint, das Jahr nach dem Jubiläum. Wir sehen die 57 Jahre Badens in Baden-Württemberg im Rückblick durchaus kritisch und meinen, 2010 eine
neue Perspektive für den Landesverein Badische Heimat realisieren zu sollen. Die 57 Jahre von 1952 bis 2009 – Gründung Baden-Württembergs bis zum Jubiläum des Landesvereins – betrachte ich verkürzt unter dem Thema: „Kulturelle Betätigung und politisches Engagement des Landesvereins Badische Heimat“
Hier sind die starken Wurzeln deiner Kraft.
Friedrich Schiller, Wilhelm Tell (II,1)
Am 15. Oktober 1958 – also vor 50 Jahren –
ist Johannes R. Becher in Berlin gestorben. Er
war Kulturminister der damaligen DDR, Präsident
der Deutschen Akademie der Künste,
Ehrenbürger, Ehrendoktor, Ehrensenator,
hatte den Leninpreis und gleich zweimal den
Nationalpreis Erster Klasse erhalten; Grund
genug, ihn und sein Werk in der damaligen
BRD zu ignorieren. Ja, sein Werk; denn vor
allem war Becher ein Dichter.
Mit schrillen, grellen Gedichten im
expressionistischen Stil hatte er früh begonnen,
und in der Lyrik zeichnete er sich weiterhin
aus, auch wenn er sich gelegentlich im
epischen und dramatischen Genre versuchte.
Sein Werk ging aus Widrigkeiten aller Art hervor
und zog ihm weitere zu: zwei Prozesse
wegen literarischen Hochverrats, schließlich
die Emigration, aus der er in eben jene DDR
zurückkehrte, deren Hymne er dann auch
dichtete: „Auferstanden aus Ruinen …“ (Sie
trug ihm, zusammen mit dem Komponisten
Hanns Eisler, den zweiten Nationalpreis ein.)
Liberale Frömmigkeit
(2008)
Am 11. und 12. Januar 2008 fand im „Haus der Kirche“ in Bad Herrenalb die Tagung „Liberale Frömmigkeit. Zur Geschichte der süddeutschen Protestantenvereine im 19. Jahrhundert“ statt. Die Tagung wurde vom Verein für Kirchengeschichte in der Evangelischen Landeskirche in Baden und dem Verein für pfälzische Kirchengeschichte unter den Vorsitzenden Johannes Ehmann (Karlsruhe) und Klaus Bümlein (Speyer) gemeinsam organisiert und vorbereitet. Da es in der Geschichte des sogenannten „liberalen Südwesten“ im 19. Jahrhundert zahlreiche Parallelen und Querverbindungen gab, lag eine gemeinsame Untersuchung Badens und der Pfalz thematisch nahe, der in drei Hauptvorträgen und sechs Kurzreferaten nachgegangen wurde. Die Tagung beschäftigte sich mit grundlegenden Fragen zum kirchlichen Liberalismus im 19. Jahrhundert, von denen ausgehend die Protestantenvereine und deren liberale Epiphänomene untersucht wurden. Schließlich sollten neben der primär historischen Fragestellung der Tagung auch die Auswirkungen des kirchlichen Liberalismus bis in die heutige Zeit thematisiert werden.
Am 23. Juli 1808 erhielt Großherzog Karl
Friedrich von Baden den Besuch des französischen
Gesandten in Baden, Auguste de
Talleyrand, ein Vetter des ehemaligen Außenministers
Talleyrand. Er wünschte im Auftrag
Napoleons unter Hinweis auf den Rheinbundvertrag,
wonach „jeder Krieg […] den einer der
kontrahierenden Theile zu führen haben
könnte, für alle zur gemeinsamen Sache wird“,
die Bereitstellung eines Infanterieregiments.
Talleyrand erklärte, dass Frankreich für den
Unterhalt der Truppen aufkommen würde,
sodass Baden nur den Sold zu bezahlen hätte.
Dennoch sah der Großherzog erhebliche Kosten
auf Baden zukommen, da seine Soldaten in
Friedenszeiten an elf Monaten des Jahres zu
Hause waren und nicht besoldet wurden.
Vor genau 60 Jahren, als nämlich im März
1948 der Bürgermeister und Landtagsabgeordnete
Gottlieb Reinbold aus Ottoschwanden
(1. Vorsitzender) und Geistl. Rat Pfarrer Josef
Siebold aus St. Märgen (2. Vorsitzender)
den Bund „Heimat und Volksleben“ damals
unter der Bezeichnung: „Arbeitsgemeinschaft
Schwarzwälder Volksleben“ gründeten – mit
der Geschäftsführung wurde Dr. Karl Motsch
betraut – konnten sie nicht ahnen, welche Entwicklung
dieser Verband nehmen würde.
Bereits 1947 hatten sich Josef Fischer aus
Waldkirch, Professor Dr. Johannes Künzig aus
Freiburg, Hauptlehrer Albert Reinhardt aus
Mühlenbach und Dr. Karl Motsch aus Freiburg
um die Gründung dieser Arbeitsgemeinschaft
bemüht. Ein Treffen mit Professor Hermann
Erich Busse, dem Vorsitzenden der Vereins
„Badische Heimat“ brachte wenig Ermunterung.
Seiner Meinung nach war die Schwarzwälder
Volkstracht endgültig vom Aussterben
bedroht. Man ließ sich nicht entmutigen und
beschloss, zum Jahresbeginn den „Hohen
Herren“ in Freiburg, dem Staatspräsidenten Leo
Wohleb, mit einem „Neujahrsbesuch“ die Aufwartung
zu machen. Voller Begeisterung
sicherte dieser seine Unterstützung zu und bat
den Landtagspräsidenten Dr. Person bei der
Gründung einer Organisation behilflich zu sein.
Mit dem Erscheinen des sechsten und zugleich Registerbandes der Quellenedition „Die Evangelische Landeskirche in Baden im ,Dritten Reich‘“ im Jahr 2005 wurde eines der großen editorischen Langzeitprojekte der deutschen kirchlichen Zeitgeschichte abgeschlossen. Anders als bei der Dokumentation des württembergischen Kirchenkampfes durch Gerhard Schäfer – für sich genommen eine geradezu singuläre Dokumentationsleistung – steht bei dem im Auftrag des Evangelischen Oberkirchenrats Karlsruhe in Kooperation mit dem Verein für Kirchengeschichte in der Evang. Landeskirche in Baden zustande gekommenen Editionsprojekt nicht die „Kirchenkampf“-Geschichte im engeren Sinn im Vordergrund. Das Karlsruher Projekt hat sich, wie bereits das Geleitwort von Landesbischof Dr. Klaus Engelhardt zum ersten, 1991 erschienenen Band zeigt, die Kontextualisierung der Auseinandersetzung zwischen Landeskirche und NS-Regime in der Kirchen- und Allgemeingeschichte des 20. Jahrhunderts zum Ziel gesetzt.
Aus der Unterfamilie der Cryptinae werden 275 Arten aus Baden nachgewiesen. Das entspricht etwa 42,5 % des deutschen Faunenbestandes. Sechs Arten sind für Deutschland neu: drei Arten der Cryptini: Aritranis explorator (TSCHEK, 1871), Hoplocryptus besseianus (SEYRIG, 1926), H. centricolor (AUBERT, 1964) und drei Arten der Gelini: Charitopes leucobasis TOWNES, 1983, Medophron recurvus (THOMSON, 1884), Phygadeuon exannulatus STROBL, 1904. Neun Arten fehlen im Verzeichnis der Ichneumoniden Deutschlands (HORSTMANN 2001a). Dies betrifft drei Arten der Cryptini: Aritranis
occisor (GRAVENHORST, 1829), Gambrus ornatus (GRAVENHORST, 1829), Mesostenus sp. (= notatus auct. nec
GRAVENHORST, 1829), eine Art der Hemigasterini: Schenkia exigua (HABERMEHL, 1909) und fünf Arten der Gelini: Eudelus scabriculus (THOMSON, 1884), Phygadeuon fraternae HORSTMANN, 2001, P. laevipleuris HORSTMANN, 2001, P. unidentatus HORSTMANN, 2001, Thaumatogelis innoxius SCHWARZ, 2001. Von 30 Arten der Cryptinae konnten durch Zucht Wirte festgestellt oder bestätigt werden.
Der Augsburger Religionsfrieden fiel sowohl in der Kurpfalz als auch in Baden in eine konfessionelle Übergangssituation: Beide Territorien durchliefen seit Jahrzehnten eine Phase der Vorreformation mit spontaner Konfessionsveränderung auf der Gemeindeebene. In der Kurpfalz wie in Baden-Pforzheim ging die Entwicklung 1556, das heißt in unmittelbarer zeitlicher Nähe zum Religionsfrieden, in eine offene, obrigkeitlich gelenkte Reformation über. Von daher drängt sich ein Vergleich auf, und die Frage liegt nahe, ob die Reformationen in den beiden Nachbarterritorien nur in einem chronologischen oder auch in einem sachlichen Zusammenhang mit dem Religionsfrieden standen.
Laut einer Umfrage des Magazins Chrismon im Frühjahr 2003 waren unter den Top-Ten-Kirchenliedern drei von Paul Gerhardt, nämlich Du meine Seele, singe sowie Befiehl du deine Wege und Ich singe dir mit Herz und Mund.
Mit 289 Strophen ist Paul Gerhardt im Evangelischen Gesangbuch [XXII] vertreten und ist damit „Spitzenreiter“. 26 Lieder (ca. 5%) sind im Stammteil zu finden, vier zusätzlich in den Regionalteilen. Von diesen sind im Regionalteil für Baden, Elsass und Lothringen (und ebenso für die Pfalz) zwei und eine Vertonung des Ich singe dir mit Herz und Mund als Kanon enthalten. Am Oberrhein haben wir von allen Ausgaben den höchsten Anteil an Gerhardt-Liedern (insgesamt ca. 4%). Somit wird heute in Deutschland und weiteren deutschsprachigen Gebieten ca. ein Viertel des gerhardtschen Liedwerkes rezipiert.
An anderer Stelle dieses Jahrbuches war bereits von den Waldgenossenschaften die Rede. Der Wald war seit dem Mittelalter ein wichtiger Bestandteil der Allmende und stand den Bewohnern der umliegenden Dörfer zur gemeinsamen Nutzung zur Verfügung. Gleichwohl konnte aber niemand im Allmendwald beliebig schalten und walten. Denn eine unbeschränkte Rodung, Bejagung oder Beweidung der Waldflächen konnte dem Forst schweren Schaden zufügen, der letztlich alle Waldgenossen treffen würde. Deshalb hatte man schon früh in den entsprechenden Forstordnungen und Waldbriefen die Rechte und Pflichten der Waldgenossen festgelegt. Dabei benötigte man aber auch Personen, die über die Einhaltung der
Waldgesetze wachten und Verstöße vor das Waldgericht brachten. Oberste Exekutivorgane des Waldgerichts waren die sogenannten ,,Waldvögte" (auch „Schultheißen" oder „Waldmeister" bezeichnet). Diesen standen einer oder mehrere Unterbeamte zur Seite, welche die eigentliche Waldaufsicht besorgten und Waldfrevlern das Handwerk legten. Diese
Waldaufseher wurden in den ältesten historischen Quellen unter anderem als „Forstknechte", ,,Weidgesellen", ,,Waldmeier", ,,Bannwarte" oder ,,Waldschützen" bezeichnet. Später nannte man sie einheitlich „Gemeindewaldhüter". Ihnen soll dieser Aufsatz gewidmet sein.
Bis zum Reichseinkommensteuergesetz des Jahres 1920 unterlag die Einkommensteuer der Regelungskompetenz der einzelnen deutschen Bundesstaaten. Wer die badische Einkommensteuer des Jahres 1848 nachvollziehen will, muss sich zwangsläufig mit den revolutionären Bestrebungen jener Zeit speziell im Großherzogtum Baden auseinandersetzen, da die Einkommensteuer auf der Agenda der demokratischen Kräfte im Vormärz stand.
Am 23. Oktober 2005 wurde auf dem Gelände der Tagungsstätte der Evangelische Jugend in Neckarzimmern das Mahnmal zur Erinnerung an die am 22. Oktober 1940 deportierten badischen Juden der Öffentlichkeit übergeben. Auf einer frei zugänglichen Wiese des Tagungsgeländes bildet ein Betonfundament einen 25 mal 25 m großen Davidstern. Diese Bodenskulptur bietet Platz für Erinnerungssteine aus den 137 Deportationsorten. Bei der Übergabe umfasste es Steine aus 41
Orten. Das Neckarzimmerner Mahnmal ist die einzige Gedenkstätte in Baden-Württemberg, die an die landesweite Deportation am 22. Oktober 1940 erinnert. Es entstand und wächst weiter im Rahmen des ökumenischen Jugendprojekts
Mahnmal, das hier vorgestellt wird.
In der Öffentlichkeit wird vielfach die Ansicht vertreten, Juristen hätten sich nur ganz vereinzelt gegen das NS-Regime widersetzt. Dieser Eindruck ist nicht nur bezogen auf den aktiven Widerstand unzutreffend, sondern auch für den wesentlich breiteren Bereich der Widersetzlichkeit, der Opposition und Verweigerung im Alltag. Hier hat die zeitgeschichtliche Forschung die Kenntnis über die Einzelheiten widerständigen Verhaltens in letzter Zeit erheblich erweitert. Für den südwestdeutschen Bereich ist dies im wesentlichen der zur Universität Karlsruhe gehörenden Forschungsstelle Widerstand gegen den Nationalsozialismus im deutschen Südwesten zu verdanken. Sie hat sich im Rahmen des vom Wissenschaftsministerium Baden-Württemberg geförderten Projekts „Justizgeschichte Badens und Württembergs, 1919–1953“ bereits
wiederholt mit dem Wirken badischer Juristen während der NS-Diktatur befasst.
Badisches Kalendarium
(2006)
Das Erzbistum Freiburg und das alte Großherzogtum Baden besitzen beachtenswerte Gemeinsamkeiten, in ihrer Geschichte, ja sogar bis in die Gegenwart hinein. Nicht als wäre hier eine gleichberechtigte Partnerschaft festzustellen, eher ein spannungsgeladenes Gegenüber, das im Auf und Ab politischer Gärungen sich stets neu und anders einstellte. Zunächst soll auf die Politik und ihre Sprache um 1806 hingewiesen werden: denn diesem Jubiläum gilt es ja gerecht zu werden, um in Kontrast dazu die kirchlichen Verhältnisse und deren Neuorganisation innerhalb eines kurfürstlich bzw. großherzoglich badischen Regiments zu skizzieren.
Aus Vielfalt ein Ganzes
(2006)
Manche sind gerührt, manche voller Stolz, wenn das Badnerlied erklingt: „Das schönste Land in Deutschlands Gau’n, das ist mein Badner Land“. Was für ein Land muss das sein: Tief in den Herzen wie in der Geschichte verwurzelt, gleichsam von Gottes Hand geschaffen! Aber war dieses Großherzogtum Baden in Wirklichkeit nicht ganz anders entstanden? Geformt als ein Kunstprodukt, auf ganz und gar revolutionäre Weise, gegen Recht und Herkommen hervorgebracht, mehr oder minder zusammen geklaubt und geraubt, von auswärtigen Mächten ins Leben gerufen …? Vergegenwärtigen wir uns, wie dieses Baden
zustande kam, von wem es geschaffen wurde und mit welchen Klammern man es zur Einheit zusammen gefügt hat.
Die Zeitspanne 1806 bis 2006 bezeichnet nicht, wie fälschlicherweise behauptet, „200 Jahre Baden“, sondern erinnert daran,
dass vor zweihundert Jahren Baden zum Großherzogtum erhoben worden ist und dass in den nächsten 112 Jahren die badische Geschichte „beispielhafte Bedeutung“ (Gerd Hepp) erlangte.