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Geschichte vor Gericht?
(2018)
Die jüngsten Anklagen zu Verbrechen des Nationalsozialismus haben die Staatsanwaltschaften in Dortmund und Frankfurt vor wenigen Monaten bekannt gegeben. Das jüngste Urteil zu Verbrechen des Nationalsozialismus stammt aus dem Jahr 2016: Das Landgericht Detmold verurteilt im Juni den früheren SS-Wachmann Hanning wegen Beihilfe zum Mord in mindestens 170 000 Fällen im Konzentrationslager Auschwitz. 70 Jahre zuvor, im Herbst 1946, sprach der Internationale Militärgerichtshof in Nürnberg sein Urteil gegen die Hauptkriegsverbrecher. Der Prozess war einer der ersten, mit denen Verbrechen der Nationalsozialisten mit den Mitteln des Strafrechts geahndet wurden. In den Jahrzehnten dazwischen antworten die Besatzungsmächte in den vier Zonen, ausländische Staaten, die Bundesrepublik Deutschland und die DDR auf unterschiedliche Weise auf die Gewaltverbrechen der Nationalsozialisten und ihrer Helfer.
Im 15. Buch seiner nur teilweise erhaltenen aber als Quelle für die spätantike Geschichte des Imperium Romanum überaus bedeutenden res gestae hat der aus Antiocheia am Orontes stammende römische Historiker Ammianus Marcellinus einen sowohl für die provinzialrömische Geschichte als auch für die landeskundliche Forschung gewichtigen und viel behandelten Exkurs über Alpenrhein und Bodensee hinterlassen. Dieser ist in den Kontext eines nur bei Amman überlieferten Feldzuges eingebettet, den Constantius II (337-361) und einer seiner Feldherrn namens Arbetio im Jahre 355 gegen die lentiensischen Alamannen im östlichen Bodenseegebiet führten. Da dieser Feldzug die Straße von Como über die Bündner Pässe entlang des Alpenrheintals Richtung Bregenz als Hauptmarschroute benutzte, war der Exkurs wohl gewählt und eng mit der Haupthandlung verknüpft. Gegenstand der Darstellung sind sowohl der Alpenrhein von seinen Ursprüngen als auch der Bodensee, wobei gleichzeitig kurze Bemerkungen zu Landschaftsbild und Klima geboten werden.
Die Erinnerung an das Konstanzer Konzil hat sich, von der Konzilszeit bis zum
derzeitigen Jubiläum, in vielfältigen Formen in vielen Medien niedergeschlagen. »Chroniken, Briefe, Lieder und Sprüche« erinnerten an das große Ereignis und sind in der Forschung seit langem gut untersucht. [1]
Weit weniger erforscht sind Wappen, auch wenn die
Wappensammlung der Richental-Chronik allmählich mehr Beachtung findet. [2]
Sie steht
keineswegs allein, in Ravensburg z. B. erinnerte das Wappenprogramm des sogenannten Mohrenfreskos an das Konzil. [3]
Auch einzelne Konzilsteilnehmer nahmen vom Konzil heraldische Erinnerungen mit, konkret in Form von Wappenbriefen, die ihnen neu
verliehene oder »gebesserte« Wappen bestätigten. [4]
König Sigismund selbst, der diese
Wappenbriefe ausstellte, entwarf in Konstanz das Wappenprogramm für sein kaiserliches Majestätssiegel, das er erst viele Jahre später nutzen sollte. [5]
Das Wappenbuch des Konstanzer Bürgers und Ritters Konrad Grünenberg
(†1494) ist eines der bekanntesten Vertreter dieser Quellengattung, und das gleich aus mehreren guten Gründen. Mit über 2000 Wappen gehört es zu den umfangreichsten Wappensammlungen des Mittelalters, und vor allem die Münchener Pergamenthandschrift (von der noch die Rede sein wird) darf mit Recht auch als eines der schönsten erhaltenen Exemplare dieser Gattung gezählt werden. Zugleich ist Grünenbergs Sammlung eng verwandt mit anderen Wappenbüchern, die im späten 15. Jahrhundert im süddeutschen Raum entstanden sind und von denen einige eine besondere Nähe zu Friedrich III. aufweisen; anders als die meisten Wappenbücher ist es zugleich in mehreren Abschriften überliefert. All das rechtfertigt die hohe Aufmerksamkeit, die die Forschung Grünenbergs Wappenbuch gewidmet hat.
Am 18. März 1533 unterhielt man sich im Hause Luther über ein den Zeitgenossen offenbar allgemein bekanntes, wenngleich in mancherlei Hinsicht erkennbar rätselhaftes Phänomen. Folgt man der späteren Stilisierung des Tischgesprächs, war zunächst Philipp Melanchthon darauf zu sprechen gekommen: „Der Veitstanz ist nur eine teuflische Besessenheit.“ Martin Luther antwortete: „Das Gespinst nimmt immer mehr ab.“ Und Melanchthon stimmte ihm zu: „Der Satan verlegt sich schon auf eine neue Art von Täuschung“. Letzterer stammte bekanntlich aus Bretten, er konnte den sogenannten „Veitstanz“ daher aus seiner weiteren Heimat kennen. Im Sommer 1518, wenige Monate, nachdem Luther mit seiner Kritik an der kirchlichen Heilsvermittlung an die gelehrte Öffentlichkeit getreten war, hatten in Straßburg (und vereinzelt auch in Basel) Hunderte wochenlang auf den Straßen und Plätzen der Stadt getanzt. In Wittenberg wusste man davon nur vom Hörensagen. Immerhin aber sollte dies dazu genügen, dass gerade die Publizistik der Reformationszeit jenen merkwürdigen Begriff zu einem feststehenden Topos der deutschen Sprache hat werden lassen. Als vorgeblich historisches Beispiel für massenpsychologische Suggestionen aller Art, für die ekstatische Auflösung der gesellschaftlichen Ordnung,
kennt darum auch der heutige Sprachgebrauch noch den „Veitstanz“, der irgendwo ausbricht bzw. den irgendjemand aufführt. Das Gespräch unter den Reformatoren zeigt nun, dass dieser Sanct veits tantz zu ihrer Zeit durchaus Breitenwirkung hatte. Und offensichtlich blieb er lange ein diskussionswürdiges Problem.
Bischof, Fürst, Bauherr
(2002)
Mit der mainfränkischen Herrschaft Gaibach hatte die Familie Schönborn ein Schloss erworben, das sie, ohne seinen mittelalterlichen Burgencharakter zu zerstören, zu einer zeitgemäßen Adelswohnung ausbaute. Um die Mitte des 18. Jahrhunderts zog die großartige Parkanlage im französischen Stil Gäste und Besucher von weither an. Für die Pfarrkirche
von Gaibach malte Franz Lippold um 1745 ein Altarbild, das von der Selbsteinschätzung der Familie Schönborn, vom Stil ihrer Frömmigkeit und von ihrem Weltverständnis beredtes Zeugnis ablegt. Der ikonologischen Zuordnung bereitet der Fall einige Schwierigkeiten. Ist es ein Gruppenportrait oder ein Andachtsbild, ein Votivbild oder ein Altarblatt? Der Maler war kein kompositorisches Genie, das seinen Auftrag phantasievoll umsetzte, und so stehen die beiden Welten, die himmlische der Trinität und die irdische des Hauses Schönborn, ziemlich beziehungslos übereinander. Gäbe es nicht den so entschieden nach oben blickenden Beter links im Vordergrund, fiele es dem Betrachter schwer, die Verehrung der göttlichen Dreifaltigkeit als das Hauptthema zu erkennen. Umso aufschlussreicher bleibt das Werk als Selbstbeschreibung des Hauses Schönborn.
Mitte des letzten Jahres (2001) überreichte mir der Gerlachsheimer Heimat- und Kulturverein eine Fotokopie jenes „Gerlachsheimer Kopialbuches“, das im Generallandesarchiv Karlsruhe aufbewahrt wird. Ein schneller Vergleich mit dem mir schon bekannten Würzburger Exemplar bestätigte die Aussage Julius BASSLERS, dass nämlich beide Exemplare völlig identisch seien, was übrigens im Karlsruher Exemplar sogar amtlich bestätigt wird. Ein genauerer Vergleich beider Kopialbücher zeigte dann, dass diese Behauptungen doch nicht ganz zutreffen: So enthält z. B. das „Repertorium“ des Karlsruher Kopialbuches einen längeren Hinweis auf jenen Prozess, den der Prämonstratenserorden gegen den damaligen Bischof von WÜRZBURG, JOHANN PHILIPP VON GREIFFENCLAU ZU VOLLRATHS (1699-1719) geführt hat, obwohl im Buch selbst kein einziges Schriftstück darüber zu finden ist. Kein Wunder, denn die letzte Kopie des Kopialbuches stammt aus dem Jahr 1458 und so wären Schriftstücke aus dem 18. Jh. fehl am Platze.
In den gut 100 Jahren zwischen dem Ende der Napoleonischen Kriege und der frühen Weimarer Republik haben fast 600
Schutterwälder Bürger ihre Heimat verlassen – eine überraschend große Zahl, wenn man bedenkt, dass das Dorf um die
Mitte des 19. Jahrhunderts lediglich 2000 Einwohner hatte. Dem Ruf von Kaiserin Maria Theresia folgend zogen bereits im
18. Jahrhundert einige Schutterwälder Familien weg, um sich in Ungarn eine neue Existenz aufzubauen. Anton Burckhart
jedoch, der sich 1761 das väterliche Erbe auszahlen ließ, um in das „Neue Land“ zu gehen, könnte der erste Schutterwälder
sein, der sein Glück nicht im Osten des Habsburgerreiches, sondern jenseits des Atlantiks suchte.
Alle drei auf dem Studientag in Bretten gehaltenen Referate haben, was ja schon für sich erfreulich und gar nicht selbstverständlich ist, zu lebhaften Diskussionen geführt. Im Einverständnis mit den Referenten ist gegen Ende der Veranstaltung verabredet worden, dass ich meine Anfragen an die beiden kirchengeschichtlichen Referate „zu Papier“ bringen solle, damit sie, zusammen mit diesen abgedruckt, auch den nicht an der Tagung beteiligten Leserinnen und Lesern des Jahrbuchs für badische Kirchen- und Religionsgeschichte zur Kenntnis gebracht werden können. Die Schwierigkeit ist nun, dass Dr. Stössel – aus Gründen, die ich nicht kenne – einen völlig anderen Text zur Veröffentlichung vorgelegt hat, als er ihn in Bretten vortrug. Ich werde deshalb kurz die Pointe seines Brettener Vortrages und meine darauf bezogenen Anfragen rekapitulieren müssen – sie waren ja überhaupt der Anlass für die genannte Verabredung –, um anschließend, ebenfalls kurz, auf den jetzt vorgelegten Text einzugehen. Auch der Vortragstext von Herrn Kollegen Ehmann hat sich, wenn mich meine Erinnerung an das in Bretten Vorgetragene nicht trügt, etliche Veränderungen, nicht nur in der Tonart, gefallen lassen müssen, ohne dass darüber meine in Bretten freilich nur angedeuteten Vorbehalte einfach gegenstandslos geworden wären.
Machtwillkür, Amtsmissbrauch und Korruption waren geläufige Erscheinungen
im so genannten Dritten Reich, in dem bestehende Kontrollinstanzen weitgehend außer
Kraft gesetzt waren [1]. Formen solchen Amtsmissbrauchs fanden sich dabei auf allen Ebenen des NS-Staats in verschiedenen Ausprägungen, etwa in Person des leidenschaftlichen Kunstsammlers Hermann Göring [2], Gauleitern wie Erich Koch in Ostpreußen [3] oder
dem berüchtigten Münchener Stadtrat Christian Weber [4].
Das Stadtarchiv Freiburg und das Staatsarchiv Basel-Stadt bewahren eine Reihe so genannter Eheberedungen aus dem Spätmittelalter und der Frühen Neuzeit auf. Das sind Verträge, mit denen die vermögens- und erbrechtlichen Modalitäten eines geplanten Eheschlusses nach dem lokal geltenden Recht geregelt wurden. Solche Dokumente verweisen, wie hier vorauszuschicken ist, auf die Sphäre des wohlhabenden Bürgertums der Kaufleute beziehungsweise der handwerklichen Oberschicht. Die Mehrheit der Stadtbevölkerung hingegen - seien es die Stadtarmut, die Kreise der Tagelöhner und Dienstboten oder jener zahlreichen Handwerker, die lediglich mittleren und unteren Einkommensklassen zuzurechnen waren - konnte wegen fehlender Kapitalgrundlage auf solche vertragliche Absicherungen verzichten, lebten die Ehepaare doch von ihrer beider Erwerbsarbeit, ohne dass sie wesentliche Ersparnisse bilden konnten.
Die Chance zu erhalten, Kirchenportale für ein
Münster zu gestalten, zumal mit so herrlichen,
klaren, romanischen Gewänden wie in Villingen,
dürfte zum Höchsten zählen, was im Bildhauerleben zu erwarten ist. Gleichzusetzen mit einem
„Reiterstandbild“ oder einer Brunnengestaltung
mit dem Hauptthema „Akt“. Dies zu erkennen,
und die ganze Kraft und Konzentration dorthin zu
legen, war mir von Anfang an klar und bewusst.
Dies wussten aber auch jene – so wie Carlo Schmid,
mein langjähriger enger Freund es formulierte die,
die mir „Übelwollen“, genau. Es begann ein Kampf
„Sein oder Nichtsein“ gleich nach der festen Zusage
jener Spende des Villinger Bürgers, der als erster
erkannte, welch große Möglichkeit sich mit diesem
Renovationsbeginn 1976/77 auftat. Jene Geister
scheuten auch nicht zurück, mehrmals persönlich
dort beim Spender Wilhelm Binder gegen den
Bildhauer zu intervenieren.
Schon seit längerem hatte ich mich mit dem Gedanken getragen, einmal unter historischen Gesichtspunkten durch die Mannheimer Hafenanlagen zu führen. Schließlich ist der hiesige Binnenhafen einer der bedeutendsten Europas und mit seinen rund elf Quadratkilometern Fläche inklusive Wasserspiegel der größte Deutschlands. Rund acht Millionen Tonnen werden hier Jahr für Jahr Schiff-Land bzw. Land-Schiff umgeschlagen. Indes sind die Hafenanlagen nicht nur ein wichtiger Teil der
städtischen Infrastruktur, sondern zugleich wesentliches Element der 400-jährigen Mannheimer Stadtgeschichte. Schon zu Zeiten der Festungs- und Stadtgründung 1606/07 legten hier die Holzschiffe und -nachen an, lange bevor im Jahr 1840 das erste Mannheimer Hafenbecken eingeweiht wurde.
Dass eine kleine Kirchengemeinde keinen eigenen Pfarrer hat und von einer Nachbargemeinde als Filialgemeinde mitversorgt wird, ist nichts Außergewöhnliches. Ungewöhnlich ist es aber, wenn die Christen dieser Gemeinde über 175 Jahre sonntäglich in das Nachbardorf zum Gottesdienst laufen müssen, weil ihnen ein Gotteshaus fehlt. Die Historie der evangelischen Kirchengemeinde ist es wert, in diesem Zusammenhang einmal genauer in Augenschein genommen zu werden.
Es wird über drei für Baden-Württemberg neu aufgefundene Wanzen-Arten berichtet: die Pentatomide
Dyroderes umbraculatus (Fabricius, 1775), die Lygaeide Oxycarenus (Euoxycarenus) pallens (Herrich-Schaeffer, 1850) und die Miride Trigonotylus pulchellus (Hahn, 1834). Die beiden erstgenannten Arten sind
neu für Deutschland. Alle Funde stammen aus dem
Oberrheingebiet (Raum Karlsruhe-Mannheim). Die
Verbreitungsgebiete der drei Arten haben ihre Zentren
im Mittelmeergebiet bzw. der pannonischen Region.
Aus 60 Bodenfallen, die im Naturschutzgebietes „Alter Flugplatz Karlsruhe“ in wöchentlichem Rhythmus vom 9.4. bis 12.10.2010 zur Erfassung der Spinnenfauna an 10 Standorten ausgebracht waren, wurden 2.545 adulte Wanzen (Insecta, Heteroptera) untersucht. Insgesamt liegen aus den Bodenfallen 59 Arten vor, von denen 11, überwiegend Irrläufer, die bisherige Artenliste erweitern. Die häufgsten Arten sind Acalypta gracilis, A. marginata, A. parvula, Chlamydatus pullus,
Ischnocoris hemipterus, Kalama tricornis, Microporus nigrita und Plinthisus brevipennis. Alle 59 Arten werden
hinsichtlich ihrer Vorkommen in den Biotopen Sandrasen, Nardetum und Ruderal kurz beschrieben. Ausführlich wird auf die drei Acalypta-Arten eingegangen. Ihre taxonomische Unterscheidung, ihre Phänologie und Präferenz für die genannten Biotope, das Häufigkeitsspektrum von Männchen/Weibchen und von brachypterer/semibrachypterer/makropterer Form werden dargestellt und diskutiert.
Zwischen 1997 und 2009 ließen sich auf dem FFH- und zukünftigen Naturschutz-Gebiet „Alter Flugplatz Karlsruhe“ insgesamt 150 Wanzenarten nachweisen. Unter diesen sind in der Region sonst seltene Arten wie Acetropis gimmerthalii, Alloeorhynchus favipes, Brachycarenus tigrinus, Conostethus roseus, Haploprocta sulcicornis, Lepidargyrus ancorifer, Miridius quadrivirgatus
und Trigonotylus pulchellus sowie zahlreiche für Sand- und Magerrasen typische Arten. Die fast 200jährige Geschichte des Flugplatzes als Sekundärbiotop und die Liste der Wanzenarten werden besprochen.
Joseph Gottlieb Koelreuter (1733 – 1806), ein bedeutender Karlsruher Botaniker des 18. Jahrhunderts
(2013)
Vor 250 Jahren begann Joseph Gottlieb Koelreuter
seine Tätigkeit als Direktor des Botanischen Gartens in
Karlsruhe, führte hier seine in Sankt Petersburg begonnenen, zukunftsweisenden Versuche zur Vererbung bei
Pflanzen und Untersuchungen zu ihrer Sexualität fort.
Die Lebensgeschichte und Bedeutung dieses ersten
botanischen Wissenschaftlers am markgräfsichen Hof
werden in Erinnerung gerufen.
Abschiedsrede
(2001)
Soll ich es kurz machen, indem ich einfach „Danke“ sage? - Ich würde es mir und Ihnen leicht machen, aber es bliebe dann offen, wem dieses „Danke“ gilt und für was es ausgesprochen ist. Nach 41 Jahren Berufstätigkeit in und für Museen fragt
man sich schon, was dieses Berufsleben lebenswert gemacht hat. Am Anfang stand die starke Prägung durch das
Elternhaus, die Familie, die auch meine beiden Brüder, die unter Ihnen sind, intensiv erlebt haben. Sie hat erste, entscheidende Weichen gestellt und ihr gilt mein tiefster Dank. Dass ich im Senckenbergischen Bürgerhospital zu Frankfurt am Main geboren wurde, war sicher kein Omen. Aber vor 46 Jahren begann ich, mir mein Studium der Geo- und Biowissenschaften durch Führungen, Pforten- und Aufsichtsdienst im Senckenbergmuseum mitzufinanzieren. Den studentischen Schwur, nie in einem Museum (und erst recht nicht im Senckenberg) zu arbeiten, habe ich allerdings bereits 1960 gebrochen. Die 18 Jahre von 1960 bis 1978 unter dem herausragenden Museumsdirektor Wilhelm Schäfer waren Lehrjahre, für die ich noch heute dankbar bin - Lehrjahre in jeder Hinsicht. Sie haben mir vielfach gezeigt, dass ein Museum mehr sein kann, mehr sein muss als ein Ausstellungsgebäude, mehr sein muss als ein - wie es damals hieß - „Tempel der Wissenschaft“, mehr sein muss als eine Schatzkammer kultureller Güter, wobei ich selbstverständlich die zu erforschenden und erforschten Schätze der Natur als Kulturgüter ansehe. Waren sie doch das Erste, was unsere frühen Vorfahren sammelten und befragten! Museum als Bildungseinrichtung, Museum als Forschungsinstitut, Museum als materialbezogenes
Dokumentationszentrum von Vergänglichem und Vergangenem aus dem wir für die Zukunft zu lernen haben. Museum dann aber auch als Gemeinschaft von Aufsehern, Handwerkern, Präparatoren, Reinemachefrauen, Technikern, Verwaltungsleuten, Volontären, Wissenschaftlern etc. - finanziert von der Gesellschaft mit der Pflicht, ihre Kulturgüter zu bewahren, zu erforschen und zu pflegen und dieser Gesellschaft möglichst viele Kenntnisse und Erkenntnisse in anschaulicher Weise zurück zu geben. Im Senckenbergmuseum waren diese Ziele getragen von Bürgersinn und Mäzenatentum - nicht von Sponsoren.